Sit venia verbo

Montag, 17. Januar 2011

"Sobald das weibliche Geflügel geschlechtsreif wird - in der industriellen Putenzucht dauert das 23 bis 26 Wochen, bei Legehennen 16 bis 20 -, werden die Tiere in gering beleuchtete Hallen gebracht, manchmal werden sie dort 24 Stunden am Tag und sieben Tage pro Woche bei völliger Dunkelheit gehalten. Gleichzeitig werden sie auf äußerst eiweißarmes Futter gesetzt, bei dem sie fast schon hungern. Das geht ungefähr zwei, drei Wochen so. Dann wird das Licht 16 Stunden pro Tag, bei Hennen sogar 20 Stunden lang, angeschaltet, damit die Tiere denken, es ist Frühling. Gleichzeitig setzt man sie auf eiweißreiches Futter. Die Tiere fangen sofort zu legen an. Das Ganze ist so eingerichtet, dass man das Eierlegen nach Belieben ein- und ausschalten kann. Wenn es in der Natur Frühling wird, kommen die Insekten, und das Gras wächst, und die Tage werden länger - das ist ein Zeichen, das den Vögeln sagt: "Gut, ich sollte mal anfangen, Eier zu legen. Der Frühling kommt." Der Mensch hat sich diese Programmierung zunutze gemacht. Und indem Licht, Futter und Fütterzeit kontrolliert werden, kann die Industrie die Vögel zwingen, das ganze Jahr über Eier zu legen. Und das tun sie. Putenhennen legen heutzutage 120 Eier pro Jahr, Hühner über 300. Das ist zwei- oder sogar dreimal so viel wie in der freien Natur. Nach dem ersten Lebensjahr werden sie getötet, weil sie im zweiten Jahr nicht mehr so viele Eier legen - die Industrie hat herausgefunden, dass es billiger ist, sie zu schlachten und von vorn anzufangen, als Vögel zu füttern und zu halten, die weniger Eier legen. Das ist einer der wichtigsten Gründe, warum Geflügelfleisch heute so billig ist, aber die Vögel müssen dafür leiden."
- Jonathan Safran Foer, "Tiere essen" -

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