Seid fehlbar und vermehret euch!
Samstag, 22. Januar 2011
Jetzt trinken die doch tatsächlich Cola vor den Kindern!, ließ sie mich entrüstet wissen. Ich starrte sie nur desinteressiert an. Seit einigen Minuten wartete ich vor dem Klassenzimmer meines Kindes, wollte mit der Lehrerin einige Satzfetzen wechseln, als sie, die Entrüstete, sich dazugesellte. Vermutlich eine Mutter, dachte ich mir. Dann liefen drei oder vier Schulamtsanwärterinnen an uns vorbei in die Klasse. Und dort muß die tollkühne Aktion geschehen sein. Ich selbst sah es nicht, wollte es auch nicht gesehen haben; die vermutliche Mutter lugte jedoch verstohlen durch die Klassenzimmertüre und ließ mich wissen, welch infame Tat sie eben beobachtet habe Trinken die doch tatsächlich Cola vor den Kindern!, ereiferte sie sich. Ihr Eifer war mir gleichfalls so peinlich wie verachtenswert - was interessiert mich der Koffeinkonsum anderer Leute, fragte ich mich; gehen Kinderseelen zu Bruch, wenn sie zusehen müssen, wie junge, aber dennoch erwachsene Frauen, an der schwarzen Brause nippen, rätselte ich still vor mich hin.
Dieser Eifer, dieser Muttereifer, der mich fraternisieren wollte, der an meine Vaterschaft appellierte, an meine Vaterempörung, er stieß mich ab. Das ist genau die Sorte Elter, die ich nicht leiden kann, die mir das Gefühl geben, ich sei nicht ausreichend väterlich, sei so ein Scheißegalelternteil ohne Bezug zu Kindern, ohne Rücksicht auf Kindesbedürfnisse. Diese elterliche Glut, die da in manchem Elter steckt, sie verängstigt mich - dieser Drang, immer perfekt sein zu sollen, als Elternteil nie zu verfehlen, stets das Richtige zum richtigen Zeitpunkt in richtige Worte gepackt anzubringen: das wirkt auf mich nicht fürsorglich, es scheint mir eher eine etwas verquere Gemütserkrankung zu sein. Was will man seinen Kindern denn da vorgaukeln? Die menschgewordene Perfektion? Will man seinem Nachwuchs zur Kenntnis geben, dass Vater und Mutter stets unantastbar sind, weil sie in Gegenwart ihrer Kinder auf zuckerlastige Getränke verzichten?
Deren Kinder können einem wahrlich leidtun. Neben einen unübertroffen vorbildlichen Elternteil aufzuwachsen: es nähme nicht wunder, wenn dies einen satten Minderwertigkeitskomplex speiste. Empfindet sich der noch tapsige Mensch nicht schnell als unzureichend, wenn er täglich einen Elternautomaten dabei beobachten muß, wie dieser alles richtig macht, alles richtig sagt, alles richtig fordert, sich richtig empört und im richtigen Moment Emotionen hinunterschluckt? Immer vernünftig sein, bis in den kleinsten Winkel des menschlichen Miteinanders, bis hin zum Genuss von Cola: ist das moderne Erziehung? Ist es das, was das Unfehlbarkeitsprimat mancher Eltern will: ein unter Zwängen und Mangelhaftigkeit krankendes Kind? Einen sich unzureichend wähnenden kleinen Menschen, der auf seine unfehlbaren Eltern starrt, dieses Uhrwerk aus Vater und Mutter, das fehlerlos tickt, fehlerlos vorlebt, fehlerlos Vorbild ist?
Häufig könnte der Eindruck entstehen, dass moderne Väter und Mütter nichts Menschliches mehr an sich haben dürfen - das heißt, natürlich dürfen sie ganz menschlich-adrett nett und liebevoll sein; aber menschlich-schwächlich sollten sie lieber nicht sein. Keine Laster, keinen Makel - alles soll astrein glänzen; kein "Scheiße!" darf aus dem Mund rutschen, kein "Verdammt nochmal!" soll in Kinderohren schallen - und nie den Kopf verlieren, immer sachte, immer bedächtig. Vor Kinderaugen raucht man nicht, selbst im Freien nicht; man trinkt kein Coke und man benutzt das Vokabular eines Klosterschülers - kurz gesagt, man übt sich im Papsttum: in Unfehlbarkeit nämlich; man sollte ex cathedra unantastbar werden. Was dem Papsttum in säkularisierten Kreisen als Größenwahn unterstellt wird, ist in manchen vier Wänden akzeptierter Standard. Und an der Richtigkeit dieser geschauspielerten elterlichen Perfektion darf nicht gerüttelt werden: ihr Gesinnungsterror gilt als vorbildlich; an solchen Mustereltern wachsen Kinder schließlich.
Nur zu was wachsen sie heran? Oder was wächst in ihnen heran? Sicher, nicht alle werden an der Perfektion ihres Elternhauses zerbrechen - aber viele tun dies eben schon. Oft wundert man sich, dass Kinder aus dem, was man ein gutes Elternhause nennt, nicht wohlgeraten sind; dann fragt man sich, wo die Eltern versagt haben. Schnell hat man Urteile parat. Eine härtere Gangart hätte es rechtzeitig gebraucht, heißt es dann nicht selten. Kaum jemand denkt daran, dass die gesinnungsterroristische Perfektion der Eltern schuldig sein könnte. In einem fortwährenden Klima aufzuwachsen, in dem sich Aalglattheit, manische Höflichkeit und der Drang, unfehlbar zu wirken, partikularistisch abwechseln: das kann doch nicht gesund sein! Man braucht Reibungspunkte - und das Kind muß lernen: meine Eltern machen Fehler wie ich; es soll erkennen dürfen: meine Ollen wissen, was es heißt zu versagen, nicht richtig zu liegen, zu scheitern...
Eltern als Menschen, nicht als tadellose Automaten; Eltern als Menschen mit Schwächen: das wäre ein Erziehungsansatz! Das täte manchem Kind besser, als das penible Herausstellen elterlicher Perfektion und Vorbildfunktion in allen Lebenslagen. Gemeinhin stellt es die zeitgemäße Pädagogik gerne so dar, als würden schwächelnde Eltern die Kinder verunsichern - ihnen vielleicht sogar fürs gesamte spätere Leben Schaden zufügen. Stets abgeklärt zu reagieren, Schwächen zu kaschieren, Vorbild bis zum Exzess zu sein: das sei moderne und effektive und kindgerechte Erziehung, die ihre Zwecke blendend erfüllt. Paradox zu sein allerdings, das heißt, vor Laster zu warnen, gleichfalls aber Laster zu leben: das wird verpönt, weil es inkonsequent sei und den Erziehungsberechtigten fraglich erscheinen ließe. Das Wesen des Menschen ist aber paradox und insofern wäre eine Zurschaustellung der Paradoxie nicht unpädagogisch: es wäre menschlich und würde Kindern aufzeigen, dass niemand unausweichlich unfehlbar ist, dass das Scheitern und das Unzureichendsein zum Konzept eines jeden Lebens gehört.
Fehlbaren Eltern kann man auf Augenhöhe begegnen; unfehlbare Eltern schauen stets auf einen herab - in die Fußstapfen fehlbarer Eltern kann man steigen; in die unfehlbarer Eltern nicht, man wird sich immer zu schlecht, zu plump, zu minderwertig vorkommen - fehlbaren Eltern vertraut man Fehler eher an, auch später, wenn man die schmerzhaften Fehler des Erwachsenenlebens begangen hat; vor unfehlbaren Eltern veranstaltet man stets eine Posse, um den eigenen Makel zu verbergen. Fehlbar sein, allzumenschlich sein: so vermehret euch!
Dieser Eifer, dieser Muttereifer, der mich fraternisieren wollte, der an meine Vaterschaft appellierte, an meine Vaterempörung, er stieß mich ab. Das ist genau die Sorte Elter, die ich nicht leiden kann, die mir das Gefühl geben, ich sei nicht ausreichend väterlich, sei so ein Scheißegalelternteil ohne Bezug zu Kindern, ohne Rücksicht auf Kindesbedürfnisse. Diese elterliche Glut, die da in manchem Elter steckt, sie verängstigt mich - dieser Drang, immer perfekt sein zu sollen, als Elternteil nie zu verfehlen, stets das Richtige zum richtigen Zeitpunkt in richtige Worte gepackt anzubringen: das wirkt auf mich nicht fürsorglich, es scheint mir eher eine etwas verquere Gemütserkrankung zu sein. Was will man seinen Kindern denn da vorgaukeln? Die menschgewordene Perfektion? Will man seinem Nachwuchs zur Kenntnis geben, dass Vater und Mutter stets unantastbar sind, weil sie in Gegenwart ihrer Kinder auf zuckerlastige Getränke verzichten?
Deren Kinder können einem wahrlich leidtun. Neben einen unübertroffen vorbildlichen Elternteil aufzuwachsen: es nähme nicht wunder, wenn dies einen satten Minderwertigkeitskomplex speiste. Empfindet sich der noch tapsige Mensch nicht schnell als unzureichend, wenn er täglich einen Elternautomaten dabei beobachten muß, wie dieser alles richtig macht, alles richtig sagt, alles richtig fordert, sich richtig empört und im richtigen Moment Emotionen hinunterschluckt? Immer vernünftig sein, bis in den kleinsten Winkel des menschlichen Miteinanders, bis hin zum Genuss von Cola: ist das moderne Erziehung? Ist es das, was das Unfehlbarkeitsprimat mancher Eltern will: ein unter Zwängen und Mangelhaftigkeit krankendes Kind? Einen sich unzureichend wähnenden kleinen Menschen, der auf seine unfehlbaren Eltern starrt, dieses Uhrwerk aus Vater und Mutter, das fehlerlos tickt, fehlerlos vorlebt, fehlerlos Vorbild ist?
Häufig könnte der Eindruck entstehen, dass moderne Väter und Mütter nichts Menschliches mehr an sich haben dürfen - das heißt, natürlich dürfen sie ganz menschlich-adrett nett und liebevoll sein; aber menschlich-schwächlich sollten sie lieber nicht sein. Keine Laster, keinen Makel - alles soll astrein glänzen; kein "Scheiße!" darf aus dem Mund rutschen, kein "Verdammt nochmal!" soll in Kinderohren schallen - und nie den Kopf verlieren, immer sachte, immer bedächtig. Vor Kinderaugen raucht man nicht, selbst im Freien nicht; man trinkt kein Coke und man benutzt das Vokabular eines Klosterschülers - kurz gesagt, man übt sich im Papsttum: in Unfehlbarkeit nämlich; man sollte ex cathedra unantastbar werden. Was dem Papsttum in säkularisierten Kreisen als Größenwahn unterstellt wird, ist in manchen vier Wänden akzeptierter Standard. Und an der Richtigkeit dieser geschauspielerten elterlichen Perfektion darf nicht gerüttelt werden: ihr Gesinnungsterror gilt als vorbildlich; an solchen Mustereltern wachsen Kinder schließlich.
Nur zu was wachsen sie heran? Oder was wächst in ihnen heran? Sicher, nicht alle werden an der Perfektion ihres Elternhauses zerbrechen - aber viele tun dies eben schon. Oft wundert man sich, dass Kinder aus dem, was man ein gutes Elternhause nennt, nicht wohlgeraten sind; dann fragt man sich, wo die Eltern versagt haben. Schnell hat man Urteile parat. Eine härtere Gangart hätte es rechtzeitig gebraucht, heißt es dann nicht selten. Kaum jemand denkt daran, dass die gesinnungsterroristische Perfektion der Eltern schuldig sein könnte. In einem fortwährenden Klima aufzuwachsen, in dem sich Aalglattheit, manische Höflichkeit und der Drang, unfehlbar zu wirken, partikularistisch abwechseln: das kann doch nicht gesund sein! Man braucht Reibungspunkte - und das Kind muß lernen: meine Eltern machen Fehler wie ich; es soll erkennen dürfen: meine Ollen wissen, was es heißt zu versagen, nicht richtig zu liegen, zu scheitern...
Eltern als Menschen, nicht als tadellose Automaten; Eltern als Menschen mit Schwächen: das wäre ein Erziehungsansatz! Das täte manchem Kind besser, als das penible Herausstellen elterlicher Perfektion und Vorbildfunktion in allen Lebenslagen. Gemeinhin stellt es die zeitgemäße Pädagogik gerne so dar, als würden schwächelnde Eltern die Kinder verunsichern - ihnen vielleicht sogar fürs gesamte spätere Leben Schaden zufügen. Stets abgeklärt zu reagieren, Schwächen zu kaschieren, Vorbild bis zum Exzess zu sein: das sei moderne und effektive und kindgerechte Erziehung, die ihre Zwecke blendend erfüllt. Paradox zu sein allerdings, das heißt, vor Laster zu warnen, gleichfalls aber Laster zu leben: das wird verpönt, weil es inkonsequent sei und den Erziehungsberechtigten fraglich erscheinen ließe. Das Wesen des Menschen ist aber paradox und insofern wäre eine Zurschaustellung der Paradoxie nicht unpädagogisch: es wäre menschlich und würde Kindern aufzeigen, dass niemand unausweichlich unfehlbar ist, dass das Scheitern und das Unzureichendsein zum Konzept eines jeden Lebens gehört.
Fehlbaren Eltern kann man auf Augenhöhe begegnen; unfehlbare Eltern schauen stets auf einen herab - in die Fußstapfen fehlbarer Eltern kann man steigen; in die unfehlbarer Eltern nicht, man wird sich immer zu schlecht, zu plump, zu minderwertig vorkommen - fehlbaren Eltern vertraut man Fehler eher an, auch später, wenn man die schmerzhaften Fehler des Erwachsenenlebens begangen hat; vor unfehlbaren Eltern veranstaltet man stets eine Posse, um den eigenen Makel zu verbergen. Fehlbar sein, allzumenschlich sein: so vermehret euch!
18 Kommentare:
Mal wieder einer der vielen guten Texte hier und für mich der berührendste. Ich habe nämlich selbst mit 25 das erste Mal den Gedanken gewagt, dass meine Eltern möglicherweise nicht perfekt sein könnten. Die hatten das vorher nicht nur dargestellt, sondern auch immer mal wieder, angesichts von Dingen, die bei mir nicht wie gewünscht liefen, die Aussage von mir gefordert, dass sie aber doch alles richtig gemacht hätten. Ich muss mir immer noch regelmäßig vor Augen rufen, dass sie, ja, tatsächlich, nicht perfekt sind, sondern dass sie Fehler machen, dass mitunter ich als Kind und als Jugendlicher nicht immer der Alleinschuldige war, wenn etwas schief lief (denn neben dem Fehler der Eltern wurde noch gleich der entscheidende Einfluss von außen geleugnet, vermeintliche Perfektion also nicht nur vorgelebt, sondern auch eingefordert, ungeachtet jeglicher sonstiger Einflüsse).
Es fällt nach wie vor schwer, mich nicht diesem Bild der Perfektion hinzugeben (aber gut, ich bin auch erst 26, die Erkenntnis ist also noch nicht lange her), aber wenn es gelingt, tut es unendlich gut; ich bin nicht perfekt, und ich muss es auch nicht sein, weil andere es auch nicht sind, nicht mal meine Eltern. Die vorgelebte Perfektion und die damit verbundenen Erwartungen erklären mir endlich die Diskrepanz zwischen einerseits von anderen immer wieder als hervorragend gelobten Leistungen und großen Sympathiebekundungen, sowie andererseits dem trotzdem immer wieder überwiegenden Gefühl des Nichtgenügens und auch nicht genügen zu können. Denn man ist ja nicht perfekt. Obwohl man Jahre lang implizit eingetrichtert bekam, dass es Perfektion gäbe.
Das war jetzt vielleicht ein wenig lang und sehr persönlich gesehen, aber es soll einfach die Aussage des Textes unterstreichen. Und zwar fett.
Ein sehr gelungener Text - ich muss sagen, Sie haben sich wieder einmal übertroffen!
Ihre Art die Tatsachen auf den Kopf zu treffen, fasziniert mich immer wieder.
Ich selbst habe mich oft auch selbst fragt, was wäre gewesen, hätten meine Eltern mehr Fehler vor meinen Augen gemacht?
Natürlich kann man dies nicht wissen und man sollte es auch nicht erahnen.
Aber schauen wir uns die ganzen "VIP"-Kinder an - diese werden durch ihre Eltern in Rollen gedrängt die Sie eventuell garnicht verkörpern wollen.
Ein gutes Beispiel die Kinder von Herrn Ochsenknecht, wollten diese Kinder, Schauspieler oder gar Sänger werden? - Ich denke es nicht.
Ein weiterer Gedankensprung zu diesem Thema - was wären Eltern, wenn Sie nicht Fehler machen würden? Wenn nicht einmal ein Schrei entfahren würde, wenn nicht eine Zigarette geraucht würde und die Kinder dies sehen würden? Was wären Eltern wenn Sie keine Schokolade vor den Kindern essen würden, nur weil dafür plädiert wird, dass die Kinder sich GESUND ernähren sollten.
Was wären Eltern wenn alles nur in Harmonie ablaufen würde? Wäre dann das Leben nicht langweilig?
Niemand ist Fehlerfrei :)
Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen Herr De Lapuente - weiter so!
Lieber Roberto J. de Lapuente,
mir kommt auch immer mehr der Eindruck, dass wir in einer Erziehungsdikatur leben.
Bei Illner ging es am Donnerstag um den Dioxin-Skandal, was die gute Frau bewog einen Internet-Vegetarier als Testballon zu präsentieren, der allen ernstens eine "Fleischsteuer" für Fleischesser verlangte.
Ich war nie ein Freund der CDU, aber hier hat ein CDUler mal was richtiges gesagt - Er meinte, dass "jeder nach seiner Facon glücklich werden solle und der Staat keinem vorschreiben wolle, wie der zu leben hat".
Tja, würde der Mann seiner Partei einmal bei anderen Dingen derart ins Gewissen reden, aber hier ging es um die Ernähungsskandale, und da gab ich dem Mann als Nicht-Vegetarier uneingeschränkt Recht.
Wo kommen wir denn da hin, wenn man Menschen nun auch noch vorschreiben will was die zu Essen kaufen?
Mich erinnert das heutige Deutschland immer mehr an den Film "Hexenjagd, wo es um die protestantische Erziehungsdiktatur in Salem geht.
"Die haben getanzt!.....Gefeiert gar...."
Dieser Satz, nach weiteren Recherchen in die Richtung protestantischer Fundamentalismus damaliger Zeit, ist hängen geblieben, und seither bin ich sehr hellhörige, wenn irgendjemand Menschen vorschreiben will, wie die zu leben haben.
Gruß
Bernie
@Bernie: Mit ironischem Duktus stimme ich Dir zu; Jeder hat das Recht auf schleichenden Selbstmord mit Messer und Gabel und freie Ersatzreligionsausübung in Gestalt kognitiver Dissonanz.
Gruss vom Vegetarier!
@Inglorious basterd
Danke für die Zustimmung.
Übrigens, ich will keinem Vegetarier zu Nahe treten, aber der bei Illner war halt einer von der Vegetariban-Sorte (=ein Fanatiker). Die soll es übrigens auch bei den Fleischessern geben - Beide Arten von Fanatismus lehne ich ab.
Wo kommen wir denn hin, wenn jeder sich von Kirche (mein Beispiel "Hexenjagd"), anderen Religionen, oder Staat in privateste Lebensbereiche hineinregieren läßt?
Wollen wir wirklich in die Zeit des Spätmittelalters/Der Reformation zurück, wo die Taliban bzw. islamistische Fundis ganz offen stehen geblieben sind? Wollen wir unseren erklärten "Feinden" so ähnlich sein?
@all
Erinnert ihr euch noch daran, wo erstmals aufkam wie islamistische Fundamentalisten bis in privateste Lebensbereiche - mit Beispiel Iran und Afghanistan - reinregieren wollen - Verstöße wurden/werden mit drakonischen Strafen geahndet.
Schon vergessen?
Wollen wir nicht lieber in einer aufgeklärten Gesellschaft leben als in solch einer?
Frägt sich
Bernie
PS: Irgendwo las ich einmal, dass in Zeiten des Krieges oft unbewußt Dinge vom besiegten Gegner übernommen werden, die der Siegermacht auch nützen, und für die Regierten der Siegermacht schädlich sind: Bsp. USA wird immer religiös fanatischer, trotz Obama, und ähnelt im "Bibel Belt" ganz offen den islamistischen Sekten der Taliban. Zum Glück sind diese "Bible Beltler" (noch) machtlos, aber die Tendenz zeigt sich m.E. weltweit in Richtung Fanatismus - Wir benötigen daher wohl eine Aufklärung 2.0 - Oder?
Oh Roberto, du kannst einem ganzschön Angst davor machen, was mal alles sein könnte, falls man dochmal durch einen Ausrutscher zum Erziehungsberechtigten wird. Mit was für Leuten man sich alles rumschlagen muss...
Ich glaube nämlich nicht, dass ich vor dieser Frau die Klappe halten könnte!
Pascal
Vielleicht fühlen sich die Eltern ja selbst unter Druck gesetzt? Schließlich wird von ihnen außerhalb der eigenen vier Wände auch jeden Tag Perfektion (vor allem im Beruf) abverlangt. Obendrein suggerieren ihnen Werbung, diverse Ratgeber und die ungeschriebenen Gesetze des "politisch Korrekten" das nur eine perfekte Familie (d.h. wohlhabend, schön, gesund und erfolgreich) eine gute Familie sei.
Tja, da hatte ich wohl sehr viel Glück. Ich wurde 1989 gerade 14 Jahre alt (befand mich also mitten in der so prägenden Pubertät). Für meine Eltern brach, wie eigentlich für alle Menschen im Osten, ihre bis dato bekannte Welt zusammen und was kommen würde, war noch völlig unklar. Da war nichts mit Perfektion, ja nicht einmal Halt und Stärke konnten sie demonstrieren. Nein, sie waren 1989/90 wahrscheinlich noch verunsicherter als ihr pubertierender Sohn.
Wer seine Verwandten und Bekannten in solchen Zeiten in den unterschiedlichsten Gefühlszuständen - Freude, Euphorie, Angst, Nachdenklichkeit, Trauer, Wut, Enttäuschung, Unsicherheit, weinend für Glück - gesehen hat, der hat mit Sicherheit sein ganzes Leben lang einen vollkommen anderen Blick auf die Menschen als sein westdeutscher Altersgenosse aus "gutbürgerlichen Verhältnissen".
Wer zudem noch erlebt hat, daß eine Grenze, ein Staat, ja ein ganzes System de facto über Nacht in sich zusammenbrechen kann, das es etwas, was gestern noch für die Ewigkeit zu sein schien, schon morgen nicht mehr existiert, der sieht die Welt mit anderen Augen.
Wer perfekt ist, kann nicht kreativ sein. Er ist nur ein dressierter Schauspieler.
Ich komme aus einer kreativen Zeit und bin froh darüber.
http://www.neue-mitmach-zeitung.de/ostrhauderfehn/tipps/bist-du-vor-1978-geboren-bitte-weiter-lesen-d338.html
Werde versuchen, mir das als frisch gewordenes Elternteil zu Herzen zu nehmen... und dabei öfter an meine unperfekte, aber tolle Mutter denken.
Vielen Dank für die Anregung und den wirklich gelungenen Text!
Dieser verwerfliche Perfektionswahn hat die schlimmste Nebenwirkung überhaupt, die man Kindern antun kann:
Sie haben keine Kindheit!
In diesem Stile werden die Kinder zu kleinen funktionierenden Erwachsenen gemacht. Was das in der kleinen Kinderseele anrichtet, kann man wohl schwer ermessen.
Danke für diesen Text!
Hm, ich habe es anders herum erlebt:
Als Kind wurde ich von meinen Eltern zigarettentechnisch vergast. Sie hatten im und nach dem Krieg viel erlitten und konnten ihrer Empfindungen nicht mehr Herr werden. Also kompensierten sie das mit Zigaretten(, sozialem Aufstieg und Konsum).
Menschlich nur allzu verständlich. Kindlich aber nicht auszuhalten. Ich stand immer vor der Wahl: Nähe zu meinen Eltern ... im Qualm oder die elterliche Liebe räumlich einschränken.
Ich habe sie damals gefühlte millionenmal gebeten, doch mit dem Rauchen aufzuhören, zumindest in unserer kindlichen Gegenwart. Es nutzte nichts. Von Therapie wollten sie, die im Bürgertum Angekommenen, nichts wissen.
Dann kamen die Tütensoßen auf, die Fertiggerichte, usw. mit ihren Zusatzstoffen. Ich bat um gesündere Ernährung. Nein, es nützte nichts. So ging der Haushalt halt schneller vonstatten. Hätten andere, z. B. andere Eltern, sie darauf aufmerksam gemacht, es hätte auch nichts genützt. Süchte sind halt Krankheiten, auch wenn diese meist eine soziale Ursache haben. Aber diese Eltern nutzten nach und nach ja auch die Tütensuppen und Co..
Und heute? Heute müssen die Kids in den Kindergarten und dort meist das chemische Kantinenessen inkl. Dioxin und Co. verzehren ... oder "demnächst in Ihrer/ Deiner Ganztagsschule"´und später im Ausbildungsbetrieb - natürlich alles zertifiziert und von Prominenten beworben oder Unternehmen/ Kirchen gesponsort.
Ihre Eltern schicken/ lassen sie dahin.
Ein elterlicher, im übrigen übergriffiger, Hinweis, dass PädagogInnen keine Cola trinken sollten ... ändert gar nichts. So oder so.
Ach ja: Meine Brüder sind alle Raucher geworden, nehmen und bekommen Asthma-Spray, teilweise um weiterrauchen zu können ... die unaushaltbaren ungewussten Empfindungen wie gesagt.
Einer ist vor einigen Jahren dran gestorben.
Ich lebe nach dem Motto: Chacun a son gout ... und rauche nicht. Und lasse den anderen deren Rauchen. Außerdem bin ich mir im klaren, dass es nciht nur das Rauchen ist, das uns krank macht: Umweltverschmutzung sehe ich da an erster Stelle (von der ja mittels der Stigmatisierung der Raucher abgelenkt werden soll!), wie gesagt die gesetzlich zugelassen Schad- und Zusatzstoffe in der Nahrung, raffinierte "Lebens"mittel wie Zucker, Öle, usw.. Ausgasende Lacke, Teppiche, Möbel, usw. usw..
Moralinsaure Eltern haben da sicher in dem einen und/ oder anderem Bereich selber Dreck am stecken und zeigen gerne mit dem Finger auf andere, um von sich selber abzulenken ... und auch davon, dass sie ihre Kids in Schulgebäude schicken, die zwar meist von Asbest saniert sind, aber nicht von PVC und Co.. Das juckt sie nämlich so gar nicht: Der BALken vor dem Kopf des anderen, ist häufig der Splitter im eigenen Auge.
Allergien habe übrigens Brüder wie Schwestern bekommen.
Doch auch das steigert ja auf jedwede Weise das Bruttosozialprodukt.
So what?!
Nach meiner Erfahrung/ Meinung ist das Ganze gewollt, denn sonst würde sich ja etwas -ganz von selbst- ändern.
Und hat nicht jedeR inzwischen die (umfangreiche) Wahl, woran er sterben möchte?
Uups, ich hab's vergessen: Dem kommen sie ja jetzt mit dem Organspendenhype zuvor.
Elternliebe: Was ist das eigentlich?
Ein bekannter britischer Kinderpsychologe (D. Winnicott) hat einmal, vor etwas längerer Zeit, aber dennoch aktuell geltend, gesagt:
"Eltern sind dann gut, wenn sie gut genug sind."
Er wollte damit den sozialen Druck an und von Eltern wegnehmen, um sie vom sozial induzierten Perfektionismus zu befreien und damit indirekt auch deren Kindern zu helfen. Denn diese leiden ja unter dem Perfektionismus ihrer Eltern; kopieren ihn u. U. später sogar und geben ihn an die nächste Generation weiter.
@ Anonym, 23.1.,15:50 Uhr:
HEUTE, in unserer Umwelt und mit unserem Ernährungsverhalten müsste Winnicott wohl fragen:
"Wann sind/ bleiben Kinder gesund genug?" ... und wofür?
Auf DIE Antwort bin ich gespannt.
Ich kann nur sagen: Lieber solche Eltern, die sich kümmern, als das Gegenteil. Wobei Extreme natürlich immer schlecht sind.
Was aber totaler Schwachsinn ist, was pillo sagte:
"Obendrein suggerieren ihnen ... diverse Ratgeber, dass nur eine perfekte Familie (d.h. wohlhabend, schön, gesund und erfolgreich) eine gute Familie sei."
Gerade davon sind heutige Ratgeber eben weg, die sind vielmehr im Sinne des Artikels - also nicht in der dort beklagten Richtung.
Deswegen verstehe ich die Aufregung auch nicht.
Sich selber zu vertrauen heisst auch, sich selber zu kennen.
Ein gesundes Selbstbewusstsein entsteht bei Kindern auch dadurch, dass sie ihre Eltern so wahrnehmen, wie sie sind und nicht so, wie sie sich als Mama und Papa gerne sehen würden. Konflikte, Widersprüche sind unverzichtbar. Gehen die Eltern auf natürliche Weise mit ihren eigenen Widersprüchen um, so schaffen sie ein wirkliches Klima des Vertrauens, was wiederum dem Selbst-Vertrauen der Kinder förderlich ist.
Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die oben beschriebenen Eltern im Grunde konfliktscheu und wahrscheinlich sogar konfliktunfähig sind und dieses krankhafte Verhalten schlicht und einfach an ihre Kinder weitergeben. Na denn, viel Spass! Die werden sich wundern.
Keineswegs des Nazismus verdächtig, aber dennoch sprach keiner die Erziehungsmethoden in Deutschland besser, brutaler, und ehrlicher, aus als Adolf Hitler.
Wie war das damals noch mit ..."zuerst....und ihr werdet niemals frei sein....
Weiß das noch jemand heute?
Mir kommen solche Eltern, die Kinder im neoliberalen Sinne erziehen, oder auch nur im Geiste des Rechtsruck in Deutschland, vor wie die früheren Nazis und Adolf Hitler.
Die DDR erzog die Kinder auch im sowjetischen Sinne, aber ich glaube Honecker sprach diese Tatsache nie so offen und ehrlich aus wie eben Adolf Hitler - In diesem Sinne hat unsere "konservative" Familienministerin, egal ob die nun Schröder oder Von der Leyen heißt, neben "Mutti" Merkel eine Mitschuld an Unfrei sein der heutigen jungen Menschen und Kinder.
Einziger Unterschied:
Neoliberale sprechen die brutale Wahrheit eben nicht so offen aus, wie die verbrecherischen Nazis.
Am Ende gewinnt der Bessere. Gern der Sanfte, der Freie, der Kreative. Kann leider aber sein, dass die Zukunft ein anderes Ergebnis parat hat. Das zeigt dann das bevorstehende Rennen auf die Ressourcen der Welt.
Dieser alles entscheidende Gedanke wird in den Artikel leider nicht einbezogen.
"Das 'Ich' des Kindes steht in China nicht gleichermaßen im Zentrum wie im Westen. Man feiert daher auch keine Kindergeburtstage, sondern erinnert im Gegenteil das Kind daran, welchen Schmerz es der Mutter bei der Geburt verursacht hat."
www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/wie_viel_drill_braucht_ein_kind_1.9283215.html
In das Bild unerfahrener westlicher Singles wie Lapuente, die aber Erziehungswissenschaften mit Löffeln gefressen haben wollen, paßt das natürlich keinen Millimeter.
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