Nicht Christen...

Montag, 10. Januar 2011

Zum Ende des Jahres zog manche Zeitungsspalte Fazit darüber, wieviele Christen der Islam auf dem Gewissen habe - ein neuer Glaubenskrieg sei entbrannt, wusste man ob der Zahlen zu deuten; der Islam wolle dem Christentum aus den Pelz rücken und Christen seien dementsprechend die logische Zielscheibe und würden gezielt aus der Welt gesprengt.

Im Eifer oberflächlichen Zähnefletschens ist diese verkürzte Sichtweise womöglich verzeihlich. Im Namen profunden Journalismusses jedoch, muß man dieses unausgereifte Berichterstatten kritisieren. Denn jene, die die Leben von vermeintlich Ungläubigen detonieren lassen wollen - und solche gibt es freilich als Randgruppen; gibt es mehr oder minder radikal in jeder Religionsgruppe! -, sie haben es nicht auf Christen abgesehen, sondern auf solche, die sie als Ungläubige kategorisieren. Das ist ein gewaltiger Unterschied: nicht für die Opfer - aber für die öffentlich geführte Diskussion, die immer mehr das Vokabular eines Kulturkampfes rekrutiert.

Christen sind für diese Sorte von "Gläubigen" im Sinne ihrer Religion nämlich keine Ungläubigen - sie sind Besitzer der Schrift, ein Volk der Offenbarung, welches es zu schützen gilt. Ungläubige sind solche, die sich nicht an die universellen Lehren der Monotheismen halten; die einem Lebenswandel frönen, der nicht vereinbar ist mit Demut oder dem, was für Demut gehalten wird, mit Gewissenhaftigkeit oder dem, was für Gewissenhaftigkeit gehalten wird, mit Bescheidenheit oder dem, was sich unbescheiden bescheiden nennt. Denen also, die wirklich christlich lebten, einerlei an dieser Stelle, ob das wirklich erstrebenswert ist oder nicht, wollte man auch nicht die Seele aus dem Leib bomben. Ungläubige sind solche, die den Westen vertreten - ob als Bürger oder offizieller Repräsentant; Ungläubige sind für sie Menschen, die den Maßstab der westlichen Welt anwenden, die in Kosten und Nutzen gliedern, die kalkulieren, die maßlos und gierig handeln und erpressen, die keine Demut vor dem Mitmenschen haben. Solche Leute können zwar zufälligerweise Christen sein, aber für jene Mörderbrigaden sind es vom Glauben abgefallene Christen und daher Ungläubige.

Natürlich ist das alles anmaßend - angefangen bei dem, was etwaige Religiöse als Demut oder Bescheidenheit einstufen, bis dahin, Menschen für angeblich fehlende Attribute zu töten - und davon, warum Ungläubige sterben sollten, gar keine Rede! Das sind überhebliche und fanatisierte Methoden, die aber nicht lapidar abgetan werden dürfen, nur um damit eine reißerischere Schlagzeile zu gerieren. Wenn man vom Krieg gegen Christen schreibt sollte man gewissenhafter recherchiert haben: dann wüsste man, es wird sich gegen Ungläubige gewandt - das macht es nicht besser; aber wenigstens wüsste man dann, dass es kein Kultur- oder Religionskrieg ist, sondern die Spinnerei einiger Irrer, die den Islam extremistisch deuten, die sich daher im Sinne ihrer Schrift gegen den Unglauben wenden, den sie in der Welt zu sehen meinen. Das entschuldigt nichts, aber man sollte schon genauer definieren, wenn man darüber berichtet. Blut flösse dann trotzdem zuweilen, aber von denen, die täglich berichten, sollte man schon eine gewissenhaftere Definition verlangen dürfen...



11 Kommentare:

Rasputin 10. Januar 2011 um 12:13  

Letztlich wird in der Berichterstattung mal mit dem bisherigen Credo gebrochen: "Der potenziell beleidigte Muslim schafft politischen Mehrwert. Der real verfolgte Christ nicht."

Siehe dazu auch www.perlentaucher.de/artikel/6664.html

Anonym 10. Januar 2011 um 12:49  

"Christen sind für diese Sorte von "Gläubigen" im Sinne ihrer Religion nämlich keine Ungläubigen - sie sind Besitzer der Schrift, ein Volk der Offenbarung, welches es zu schützen gilt."

Auch wenn das immer wieder wiederholt wird, ist diese Aussage, meines Wissens, in dieser Allgemeinheit nicht korrekt. Die allemeisten Christen glauben an die Dreifaltigkeit und sind damit in den Augen des Korans gar keine Monotheisten und somit nicht Christen, die es zu schützen gilt, sondern Ungläubige http://www.islam-pedia.de/index.php5?title=Trinit%C3%A4tslehre

Anonym 10. Januar 2011 um 13:34  

Danke für ;-)

Übrigens, auch bei Christen gibt es Fundamentalisten. Die werden aber seit dem 11. September 2001 medial totgeschwiegen.

Gab es nicht, irgendwo auf dem afrikanischen Kontinent, ein Land - war es der Sudan? - wo christliche Glaubensfanatiker und moslemische Fundamentalisten Krieg geführt haben bzw. führen - Man sollte wohl von Religionskriegen reden, aber leider ist im christlichen Abendland der Sinn für diese Überschrift verloren gegangen, da auch in Deutschland immer mehr christliche Fanatiker Einfluß auf unsere selbsternannten "Eliten" haben.

Ich bin mir fast sicher hätten wir keine evangelische Pfarrerstochter als Kanzlerin wäre die Berichterstattung in diesem Punkt ehrlicher, und genauso wie Roberto J. de Lapuente es hier schreibt:

Fanatiker gibt es in jeder Religion, nicht allein im Islam, und wir leben leider in einer Zeit neuer Religionskriege.

Übrigens, haben nicht US-Rüstungsfirmen tödliche Munition in Afghanistan mit Bibelsprüchen und Kreuzen gekennzeichnet?

Ich meine hier einmal etwas darüber gelesen zu haben.

Gruß
Bernie

landbewohner 10. Januar 2011 um 13:56  

fakt zu sein scheint, daß jeder glaube, bzw jede religion eine mehr oder weniger grosse anzahl von armen irren schafft. und wenn es vor wenigen jahrzehnten noch so schien als ob der islam besonders rückständig sei, was angesichts der perspektivlosigkeit, die den hindus durch ihre religion auferlegt wird, schon zu bezweifeln war,so hat das christentum besonders in den usa z.b. rasante schritte in richtung vormittelalter zurückgelegt.
dazu dann noch ersatzreligionen wie esoterik oder marktgläubigkeit ins glaubensangebot aufgenommen - und siehe da - der islam ist nur eine irrlehre unter vielen, also nix besonderes.

Rasputin 10. Januar 2011 um 14:24  

Bernie,
"auch bei Christen gibt es Fundamentalisten. Die werden aber seit dem 11. September 2001 medial totgeschwiegen."

Und war ist mit diesem Koran-verbrennen-wollenden Geistlichen aus den USA neulich? Die immer wieder durch die Medien geisternden Kreationisten? Oder mit George W. Bush? Da wurde die Problematik doch recht selbst im Mainstream ausführlich thematisiert.
Also von Totschweigen ist das ganz weit entfernt.

landbewohner,
"fakt zu sein scheint, daß jeder glaube, bzw jede religion eine mehr oder weniger grosse anzahl von armen irren schafft."

Meine These ist eher, dass Religion eine größere Anzahl armer, haltloser (!) Irrer verhindert...

OmO 10. Januar 2011 um 19:04  

Religion wird wird in dieser Auseinandersetzung doch nur wieder missbraucht.

George Orwell beschrieb in seinem Roman "1984" einen totalitären Überwachungs- und Präventionsstaat, der u.a. auch den institutionalisierten Krieg zum Erhalt seiner Machtstrukturen nutzt. Nur die ständige Auseinandersetzung mit einem mächtigen Feind ermöglicht es, die eigene Bevölkerung vom Verzicht im Bereich der bürgerlichen Freiheiten zu überzeugen. Auch der sich unabhängig von den Auseinandersetzungen ausbreitende Mangel und die zunehmende Armut wird so einfacher wirtschaftspolitisch durchgesetzt und hingenommen.

Unsere westliche Gesellschaft braucht den kulturellen Gegensatz, um so die eigenen, systemimmanenten Verwerfungen zu überdecken. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion diente der "Ost-West-Gegensatz" dazu. Nach längerem Suchen hat man sich nun auf den Islam als neuen globalen Gegenspieler "eingeschossen". Dazu wird wieder der alte Kontext der Religionsgegensätze an den Haaren in die Arena gezerrt. Wobei ich mich wirklich frage, wieviel "christliche" Kultur es eigentlich noch im Westen gibt. :o) - OmO

Anonym 10. Januar 2011 um 20:01  

es hat mal einer gesagt religon abschaffen dann hat die menscheit 98% weniger propleme

Anonym 11. Januar 2011 um 02:29  

Doch, auch gegen die Christen...
Der Islamismus betrachtet sämtliche Menschen außer den eigenen Anhängern als "Ungläubige". Auch Christen, und auch Muslime traditioneller Prägung. Mit herkömmlichem Islam und seinen Gebräuchen hat das nicht mehr viel zu tun. Dieser ist aus Sicht der Islamisten ohnehin verfälscht, verwässert und daher zu bekämpfen. Naja, eigentlich ist die ganze Welt zu bekämpfen, weil sie die Freiheit zu dem Weg behindert, der allein zu Harmonie und Zufriedenheit unter den Menschen führen würde...

Über einen der großen Theoretiker des Islamismus: http://daeva.blogsport.eu/2010/12/23/schatten-qutb/

Gruß
stellasirius

Rain Man 11. Januar 2011 um 02:34  
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Anonym 11. Januar 2011 um 13:01  

Anonym 10. Januar 2011 20:01

Es hat mal einer gesagt, Menschen abschaffen, dann hat die Menschheit 100% weniger Probleme.
Die Probleme einer säkulären Gesellschaft zu 98% auf die Religionen zu schieben ist jedenfalls der Höhepunkt der Dummheit.
Sowas hab ich bei Ad Sinistram noch nicht erlebt.

Anonym 11. Januar 2011 um 13:34  

Daniel Limberger war mir schon immer suspekt, aber wie man sich so tumb hinstellen und der Welt zeigen will, dass man einen Schuß hat, das ist schon bemerkenswert.

Je länger man die Dauerkommentierer hier verfolgt, umso größere menschliche Abgründe tun sich da leider auf.

Das eigentlich psychologisch interessante Phänomen hieran ist der goldene Käfig, der dem Blog-Verfasser von der omnipräsenten Eskorte gezimmert wird. Da werden unterschwellige Erwartungshaltungen aufgebaut und kontrolliert, denen der Blog-Betreiber Lapuente gar nicht entkommen kann.

Gerade dass sich in diesem Blog verschiedene Personen in ganz klar definierter Rollenverteilung gegenüberstehen und regelmäßig kommunizieren, ist dieses Blog (zusammen mit einer handvoll anderen) eines der spannendsten psychosozialen Studienobjekte, die das deutschsprachige Politnetz zu bieten hat.

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