Auf nichts zurückgreifen zu können...
Samstag, 11. Dezember 2010
Immer nach vorne blicken, hoffnungsfroh in die Zukunft lugen; vorwärts immer, rückwärts nimmer. Wer in der Vergangenheit lebt, den bestraft das Leben; jetzt müsse man doch das in Angriff nehmen, was vor einem liegt - das sind oft vernommene Binsenweisheiten unserer modernen Gesellschaft. Eine aufgeblähte Zukunfts- und Fortschrittsgläubigkeit, die fast schon hegelianischen von der steten Besserung der Welt kündet, weswegen ins Vorne zu blicken, nicht ins Hinten zu starren ist. Dies ist die zeitgemäße Denkart der think positive-Unkultur, eines Wirtschaftszweiges der guten Laune, der Zuversicht, eines fast schon triebhaften Optimismus', der das Leben zum freien Markt uneingeschränkter Möglichkeiten verklärt.
Die Vergangenheit, sie ist in diesem Weltbild zum Pessimismus verkommen; wer in die Zukunft lugt gilt dagegen als Optimist. Vergangenheit ist vergangen, vergessen, nicht mehr relevant - Zukunft ist das unentdeckte Land, ist Mut und positive Denkrichtung. Wer zurückblickt haftet an negativen Gefühlen, ist Miesmacher, Schwarzmaler, Skeptiker; wer zurückblickt, wer Rückschau hält, gilt schnell als Schwärmer, als nicht mit beiden Beinen auf dem Boden. Der Zukunft gehört die Zukunft, die Vergangenheit soll endgültig, requiescat in pace, der Vergangenheit angehören.
Was aber der Mensch ist, wenn er keine Geschichte hat, erzählt Jonathan Overfeld. Vor fünf Jahren saß er auf einer Parkbank in Hamburg und wusste nichts mehr über sich. Er wusste weder Namen noch Herkunft; er wusste auch nicht, was er in seinem Leben je erlebt hatte. Overfeld erklärt den Zustand folgendermaßen: "Es gibt auch keine Zukunft. Wenn Sie keine Vergangenheit haben, dann gibt es auch keine Zukunft, und die Zukunft wird in der Gegenwart geplant. Das geht nicht. Ich kann auf nichts zurückgreifen, auf keine Informationen, auf keine Emotionen, um eine Zukunft zu planen. Das geht nicht." Für den Menschen, so wird am Beispiel Overfelds sichtbar, ist die Ausrichtung auf die Zukunft letztlich Augenwischerei, weil alles, was man zukünftig plant, eine Basis in der Vergangenheit besitzt; das Arsenal an Erfahrungen und Erlebtem macht die Zukunft erst planbar, erst vorstellbar - ohne Erfahrungsschatz keine Zukunft, in die man mit der notwendigen Gelassenheit treten könnte.
Ohne etwas von seiner Vergangenheit zu wissen, tritt der Mensch in ein Vakuum; Overfeld erläutert, dass man "absolut hilflos" wäre, und dass es für diese Hilflosigkeit "kein deutsches Wort" gäbe. "Man fühlt diese Leere, und sie verursacht Panik, bis hin zu Todesängsten, wenn da nichts mehr ist." Die verpönte Vergangenheit ist demnach nicht nur irgendwie Vergangenes, etwas von gestern, sie ist zentraler Bestandteil des menschlichen Daseins im Jetzt, in der Gegenwärtigkeit. Wer seine Vergangenheit vergisst, der stolpert in ein Loch - wer sie bewusst vernachlässigt, der kommt aus dem Loch, in das er sich begab, nicht mehr heraus. Ohne Vergangenheit zu sein, heißt in letzter Konsequenz vorallem, ohne Gegenwart zu leben, keine Zukunft zu besitzen.
Eine geschichtsvergessene Gegenwart, die Geschichte zwar ritualisiert hat in ihrem unausgegorenen Wahn zu gedenken, ohne jedoch in Memento mori-Stimmung verfallen zu wollen, die also daraus keine Lehren ziehen will; eine Gegenwart, die ihren Menschen lehrt, dass es sinnvoll sei, stets unverzagt und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, statt sich auch mit dem auseinanderzusetzen, was vergangen ist: eine solche Gegenwart kann von einem Szenario, wie es Overfeld widerfuhr, nur lernen. Der Mensch und die Gesellschaft - als Verbund von Menschen - sind nichts, wenn sie keine Vergangenheit besitzen. Der Schlüssel zum Jetzt und zum Dann liegt dort begraben. Zukunft ist nur denkbar, wenn ein Repertoire an Eindrücken und Erfahrungen in der Vergangenheit gehortet wurde. Keine Vergangenheit zu haben, das stürzt Einzelpersonen wie Gesellschaften in einen Strudel der Leere, erlaubt kein differenziertes Zukunftsbild, läßt Handlungsweisen in der Gegenwart nicht hinterfragen und mit dem Erfahrungsschatz in Einklang bringen. Keine Rückschau zu halten läßt Menschen blöde optimistisch grinsend in eine unplanbare Zukunft stolpern.
Overfeld spricht von Todesängsten, die aufkommen, wenn man plötzlich davon Notiz nimmt, seiner Vergangenheit nicht mehr gedenken zu können, weil sie einem entfallen ist - er selbst erinnert sich langsam bruchstückhaft an das, was ihm widerfuhr. Overfeld war ein missbrauchtes Heimkind, wurde schon in jungen Jahren vergewaltigt. Obwohl ihm diese tragischen Tatsachen schrittweise gewahr werden, stellen sich nun keine Todesängste ein - lapidar, vielleicht zynisch gesagt: eine schlechte Vergangenheit scheint für das menschliche Individuum besser verkraftbar zu sein, als gar keine zu haben. Immer nach vorne zu blicken, eine unliebsame Vergangenheit vergessen machen: das ist kein Umgang mit dem, was geschah, es ist Flucht, ist letztlich Entfremdung von sich selbst.
Selbstverständlich blicke man nach vorne! Der Mensch kann ohne Zukunftsaussichten ebensowenig leben, wie ohne Vergangenheit. Aber man berücksichtige das, was die Vergangenheit birgt, um für die Zukunft gegenwärtig werden zu können...
Die Vergangenheit, sie ist in diesem Weltbild zum Pessimismus verkommen; wer in die Zukunft lugt gilt dagegen als Optimist. Vergangenheit ist vergangen, vergessen, nicht mehr relevant - Zukunft ist das unentdeckte Land, ist Mut und positive Denkrichtung. Wer zurückblickt haftet an negativen Gefühlen, ist Miesmacher, Schwarzmaler, Skeptiker; wer zurückblickt, wer Rückschau hält, gilt schnell als Schwärmer, als nicht mit beiden Beinen auf dem Boden. Der Zukunft gehört die Zukunft, die Vergangenheit soll endgültig, requiescat in pace, der Vergangenheit angehören.
Was aber der Mensch ist, wenn er keine Geschichte hat, erzählt Jonathan Overfeld. Vor fünf Jahren saß er auf einer Parkbank in Hamburg und wusste nichts mehr über sich. Er wusste weder Namen noch Herkunft; er wusste auch nicht, was er in seinem Leben je erlebt hatte. Overfeld erklärt den Zustand folgendermaßen: "Es gibt auch keine Zukunft. Wenn Sie keine Vergangenheit haben, dann gibt es auch keine Zukunft, und die Zukunft wird in der Gegenwart geplant. Das geht nicht. Ich kann auf nichts zurückgreifen, auf keine Informationen, auf keine Emotionen, um eine Zukunft zu planen. Das geht nicht." Für den Menschen, so wird am Beispiel Overfelds sichtbar, ist die Ausrichtung auf die Zukunft letztlich Augenwischerei, weil alles, was man zukünftig plant, eine Basis in der Vergangenheit besitzt; das Arsenal an Erfahrungen und Erlebtem macht die Zukunft erst planbar, erst vorstellbar - ohne Erfahrungsschatz keine Zukunft, in die man mit der notwendigen Gelassenheit treten könnte.
Ohne etwas von seiner Vergangenheit zu wissen, tritt der Mensch in ein Vakuum; Overfeld erläutert, dass man "absolut hilflos" wäre, und dass es für diese Hilflosigkeit "kein deutsches Wort" gäbe. "Man fühlt diese Leere, und sie verursacht Panik, bis hin zu Todesängsten, wenn da nichts mehr ist." Die verpönte Vergangenheit ist demnach nicht nur irgendwie Vergangenes, etwas von gestern, sie ist zentraler Bestandteil des menschlichen Daseins im Jetzt, in der Gegenwärtigkeit. Wer seine Vergangenheit vergisst, der stolpert in ein Loch - wer sie bewusst vernachlässigt, der kommt aus dem Loch, in das er sich begab, nicht mehr heraus. Ohne Vergangenheit zu sein, heißt in letzter Konsequenz vorallem, ohne Gegenwart zu leben, keine Zukunft zu besitzen.
Eine geschichtsvergessene Gegenwart, die Geschichte zwar ritualisiert hat in ihrem unausgegorenen Wahn zu gedenken, ohne jedoch in Memento mori-Stimmung verfallen zu wollen, die also daraus keine Lehren ziehen will; eine Gegenwart, die ihren Menschen lehrt, dass es sinnvoll sei, stets unverzagt und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, statt sich auch mit dem auseinanderzusetzen, was vergangen ist: eine solche Gegenwart kann von einem Szenario, wie es Overfeld widerfuhr, nur lernen. Der Mensch und die Gesellschaft - als Verbund von Menschen - sind nichts, wenn sie keine Vergangenheit besitzen. Der Schlüssel zum Jetzt und zum Dann liegt dort begraben. Zukunft ist nur denkbar, wenn ein Repertoire an Eindrücken und Erfahrungen in der Vergangenheit gehortet wurde. Keine Vergangenheit zu haben, das stürzt Einzelpersonen wie Gesellschaften in einen Strudel der Leere, erlaubt kein differenziertes Zukunftsbild, läßt Handlungsweisen in der Gegenwart nicht hinterfragen und mit dem Erfahrungsschatz in Einklang bringen. Keine Rückschau zu halten läßt Menschen blöde optimistisch grinsend in eine unplanbare Zukunft stolpern.
Overfeld spricht von Todesängsten, die aufkommen, wenn man plötzlich davon Notiz nimmt, seiner Vergangenheit nicht mehr gedenken zu können, weil sie einem entfallen ist - er selbst erinnert sich langsam bruchstückhaft an das, was ihm widerfuhr. Overfeld war ein missbrauchtes Heimkind, wurde schon in jungen Jahren vergewaltigt. Obwohl ihm diese tragischen Tatsachen schrittweise gewahr werden, stellen sich nun keine Todesängste ein - lapidar, vielleicht zynisch gesagt: eine schlechte Vergangenheit scheint für das menschliche Individuum besser verkraftbar zu sein, als gar keine zu haben. Immer nach vorne zu blicken, eine unliebsame Vergangenheit vergessen machen: das ist kein Umgang mit dem, was geschah, es ist Flucht, ist letztlich Entfremdung von sich selbst.
Selbstverständlich blicke man nach vorne! Der Mensch kann ohne Zukunftsaussichten ebensowenig leben, wie ohne Vergangenheit. Aber man berücksichtige das, was die Vergangenheit birgt, um für die Zukunft gegenwärtig werden zu können...
13 Kommentare:
Es ist in diesem Zusammenhang symptomatisch, wie unsere Gesellschaft mit den Alten umgeht. Sie haben nur noch ein Quenchen Zukunft, leisten kaum noch etwas und sind hauptsächlich Kostenfaktor. Sie sind Repräsentanten einer Vergangenheit, die man nicht mehr wahrhaben will. Ihre Erfahrungen, ihr Wissen werden nicht mehr gebraucht, wozu gibt es Wikipedia und Festplatten...
Zuviel Vergangenheit ist gefährlich, denn es könnte bekannt werden, dass alte Konzepte viel besser funktioniert haben. Da wird sofort von 'Mottenkisten' und 'Klassenkampfideologien von vorgestern' gesprochen, somit die Vergangenheit diskreditiert. Oder man strebt eine ganz andere, ferne Vergangenheit an, die vor 1789 liegt...
Hallo Roberto, sag mal, hast du keinen Fernseher?
Zur Zeit läuft doch wieder ganz viel Geschichte beim Giudo Knopp, 1000 Jahre Geschichte von Kaisern, Königen, Fürsten, Adeligen, Generalen, Kanzlern, Staatsmännern, Kirchenführern, "Kulturschaffenden"..., kurzum: DIE Geschichte der... ??? .. na...??? Klaro!... DER "Deutschen" natürlich!
Hätte das noch der gute Bert Brecht erleben können...
Auf wie viel "Wertvolles" wir da nicht alles zurückgreifen können, gibs auch als DVD in den Läden!
Thema verfehlt! Setzen!
MfG Bakunin
christophe hat gesagt...
"Repräsentanten einer Vergangenheit, die man nicht mehr wahrhaben will. Ihre Erfahrungen, ihr Wissen werden nicht mehr gebraucht,.."
Man könnte die echten Repräsentanten längst verflossener Zeiten mit Hilfe und wohl auch im Sinne(?) Guido Knopps("Geschichte der Deutschen") und anderer "Zeitgeistler" und Historiker durchaus "mehrwertträchtig" für die heutigen Zeiten nutzbar machen.
Ensprechend "aufgearbeitet" könnten sie zumindest fiktiv bzw. als "Kunstmittel" durchaus an die Seite der heutigen maßgeblichen Repräsentanten gestellt werden, sie z.B.(!)als fiktive Gesprächspartner in die einschlägigen TV-Talkrunden einbinden.
Und nun stelle man sich mal ganz konkret bei unseren "Klofrauen" und "Pißrinnen"(G.Schramm)vor, Kaiser Barbarossa in voller Montur und den Reichszepter schwingend neben Hans-Olav Henkel sitzend, BEIDE heftig "weitere mutige Arbeitsmarktreformen" fordernd!
Oder Martin Luther mit diesem Ziegebart aus München "disputiertend" über die "Ethik" ... "freien unternehmerischen Handelns"...., einen echten Fugger mit Josef Ackermann über die "Wohltaten des Geldwesens", einer "stärkeren Entlastung der Unternehmen" sich "austauschend"..., Friedrich II(("der Große") mit Guttenberg fachsimpelnd über "geeignete Strategien" ... "unseres Bündnisses" in Afghanistan, Adolf Hitler und Helmut Kohl beim "Erfahrungsaustausch" bei der "Wiederlangung" von Deutschen "Einheiten"(1935/Saar/Rheinland, 1938/Sudetenland, 1989/DDR)...., Joseph Goebbels mit Wolfgang Clement über die "Motivation" von "Faulen" und und "Säumigen"(OT Goebbels) gemeinsam sich "empörend", bei der Frage der "Eingliederung von Arbeitslosen in die Gesellschaft" gemeinsame Standpunkte..."heraus arbeitend"..., interessante "Schnittmengen" entdeckend..., Herrn Sarazzin mit dem Herausgeber des "DER STÜRMER" hoch-wissenschftlich "streitend" über "jüdische Gene"..., der Chef-Gewerkschafter des Kaiserreiches, der "Kollege" Legien(Durchhalten, Burgfrieden) mit IGM Huber über "moderate Lohnabschlüsse", "Sicherung von Kernbelegschaften"..."beratend", sich gemeinsam gegen "wilde Streiks" stark empörend, deutsche und/oder ausländische Streikende "verurteilend"..., und noch so viele andere für "unsere" Export-Vizeweltermeisterschaft, den DAX, die Renditen, "Gewinnerwartungen der Unternehmen" so netten Dinge....
"Man" muss keine Angst vor der Geschichte und deren damaligen Repräsentanten haben, "man" muss nur "das Richtige", "Passende" aussuchen!
Und wer wäre da wohl bei "Komposition"(Nicht Moderation!) derartiger "Gesprächsrunden" geeigneter als unser "Reichs-Historiker" Guido?
Wichtigster "Mehrwert" von "guter Geschichte": Das Volk "lernt", gehorcht, kennt unter allen Umständen seine Pflichten!
Darum heute: Geschichtsbegeisterte Grüße á tous von Bakunin
Sorry, aber so ganz kann ich euren und speziell denen von Robert nicht folgen:
Kein (!) Mensch kann in die Zukunft schauen! Und das ist ja gerade das Problem - eben weil wir nicht wissen, was die Zukunft uns bringen wird, deshalb "verorten" sich doch die meisten in der "Gegenwart".
Der Kapitalismus ist ja auf Verkauf im Jetzt angelegt. Zwar planen die Multis in etwa ihre künftigen Märkte und "berechnen" zu erwartende Gewinne - aber halt nur "wage".
Alle Welt setzt noch auf Wachstum, weil sie halt nur die "Spielregeln" anwenden können, die sie im Moment gerade noch praktizieren.
Das Erinnern an "Vergangenheit" wird von der Gegenwart eingefärbt und die Interpretation ist geprägt von der jeweiligen Interessenlage.
Aber - wir müssen wieder ein Gespür dafür entwickeln wo unsere "Wurzeln" liegen.
Vergangenheit wieder erkennen - im Sinne unseres Ursprungs innerhalb der Natur.
Oder wie es Bob Grenier sagt:
"Kann ich mich auf Homer als Vorfahren berufen? Reines Denken lässt Namen außen vor, aber zum Teufel damit. Ich bin auf der Suche nach der perfekten Welle."
Es ist doch bekannt, dass "kleine Leute" keine weiten Zeiträume überschauen können sollen. Das schadet nur. Der einfache Arbeiter wird im Hamsterrad des Monatslohnschecks gehalten und mit schnell wechselnden Moden beschäftigt, womit man ihm sein schwerverdientes Geld aus der Tasche zieht. Das nennt man dann "Schnelllebigkeit", was aber in Wahrheit gelogen ist. Die großen Mahlsteine der Geschichte mahlen sehr langsam - und wohl dem, der sie überschaut!
Außerdem soll das menschliche Nutzvieh immer in dem Glauben gehalten werden, dass seine Welt die beste aller möglichen Welten ist und alles davor viel schlimmer gewesen ist. Das stärkt die Loyalität und macht es schwer, Alternativen zum aktuellen System zu denken.
Im Allgemeinen soll der Arbeiter auch keine allzu große eigene Identität entwickeln. Er sei flexibel, mobil, deterritorialisiert und einfach zu programmieren. Zuviel Lebenserfahrung ist da hinderlich. Menschen mit Lebenserfahrung machen nicht mehr jeden Mist mit (allerdings ist man gerade dabei,die "Neuen Alten" daraufhin zuzurichten - sie sollen ja auch demnächst McJobs machen bis sie 70 sind!)
Lebenserfahrung könnte auch mit sich bringen, dass man das Seil erkennt, an dem die Mohrrübe befestigt ist, hinter der wir alle herrennen sollen.
Deshalb auch der Jugendkult. Sklaven konnten noch nie jung+knackig genug sein. Gutes Menschenmaterial eben. Mund auf zur Gebißkontrolle!
Und die Energie und den Idealismus der Jugend hat bisher jeder Dikatator gern für sich benutzt. Da ist der Kapitalismus nicht anders.
Nur die wahren "Eliten" dürfen auch alt und hässlich werden. Diese Leute planen in Jahrzehnten und Jahrhunderten und denken in Generationen. Sie haben auch etwas zu vererben. Der einfache Arbeiter wird nach seinem Ableben entsorgt und sein Hausrat landet im Müllcontainer. Ex und Hopp. Dust in the wind. Aber das wird uns ja auch schmackhaft gemacht durch diverse vulgärbuddhistische Lebenshilfeliteratur.
Immer mehr Menschen lassen sich anonym bestatten. Das gehört auch hier hin.
Der Artikel ist das beste Plädoyer dafür, die deutsche Geschichte nicht auf die Zeit '33-'45 zu verengen, sondern ein paar Jahrhunderte mit dazuzunehmen - für eine bessere Zukunft.
Danke Roberto.
Daniel Limberger hat gesagt...
Lieber Bakunin,
"ja, da möchte ich komplett zustimmen! Und was bringt das ZDF ganz aktuell in die Glotze? Na? Roas Luxemburg als.."
Hallo Daniel, hatte nicht diese Margarethe von Trotta mal einen Film über Rosa Luxemburg gemacht?
Ist schon so lange her....
Auf alle Fälle kann ich dir und allen anderen hier ihre Schriften nur wärmstens empfehlen!
Ich habe gerade den Bd.4 gelesen, ihre Artikel und Arbeiten aus der Zeit von August 1914 - Januar 1919.
Wie aktuell, sie hätten genauso gut erst gestern verfasst worden sein.
Ob SPD, Gewerkschaften, imperialistische Kriegspolitik, Nationalismus, der blinde Kadavergehorsam der deutschen Proletarier.... , Oktoberrevolution, Lenin, Trotzki, Brester Frieden..., eine wahre Fundgrube an Wissen, Klugheit und - einer großartigen politischen HALTUNG!
Wirklich, eine großartige Politikerin, und wie schade, wie sehr ihr tatsächliches Wirken so allmählich seit 1989 dem Vergessen überantwortet wird. :-(
Beste Grüße von
Bakunin
ohne vergangenheit - keine geschichte. und wer sie nicht kennt, kann auch nicht aus ihr lernen oder aber sogar gar nicht lernen. ein fundament muss schon da sein. ist doch eigentlich ganz einfach.
Es ist alles determiniert. Abgesehen von den Illusionen der Universalität und Allgemeinheit, die auch ein prozessuales und archivistisches Anfüllen der Zeitekstasen zuläßt, ist doch ein einzelner Mensch der Ort, an dem sich die Zeitekstasen vollziehen in ihrem begrenzten Volumen und ihrer begrenzt erreichbaren Differenzierung. Diese sind aber doch angefüllt mit Inhalt, mit flüchtigem Inhalt, diffusen Bezügen, momentanen Assoziationen und Fragmenten des Erlebens. Die Sukzession des Erlebens ist unterbrochen. MAn lebt im hier und jetzt. Man führt sich im Hier und Jetzt mal die Vergangenheit vor, dann die Zukunft, dann die Phantasie, dann den Alltag, dann den Schlaf. So schmerzt es nicht ohne Vergangenheit zu leben. Eine 80 Jahre Biografie vergessen, mit 80 im Jetzt wie eh und je, nur die intensivsten Jetzterlebnisse im Gedächtnis, zusammenhangslos, als die eigenen Partikel inmitten einer massenvoluminösen Flut an Punkterlebnissen um den Globus. Meinesgleichen, alle fragementierte Seele, eingepfropft in die unmittelbare Gegenwart, beschittene Zeiträume, rückwärts und vorwärts gestutzt. Das Zeitalter des Jetzt mit aufgesetzten Simulationsmodulen für Vergangenheit und Zukunft. Man ist optimistisch in Bezug auf das nächste Jetzt. Das letzte Jetzt war nicht so gut. Die weiten, langen Relationen der Kulturelemente schwinden, sie wehen beliebig durch die Welt, machen Halt an hungrigen Seelen zu deren Erfreudung und schwirren weiter. Die Vergangenheit, keine Erfahrung ist sie, sie ein bunter Haufen grundlos daseiender Sinnentitäten, die in bestimmter Anordnung mit anderen Sinnentitäten, Lust erzeugen kann. Die Anordnung ist die Herausforderung des innovativen Marktes. Ihm obliegt es alle daseienden Sinnentitäten herauszusuchen und anzuordnen, auf dass der Lusttropfen sich zeige und der Dank der Belustigten sich als Bezahlung verwirkliche. Es gibt keine Sukzession. Es gibt nur Ereignisse, in ihrer Masse sind sie Rauschen. Wir rauschen wie der rauschende Fernsehapparat der 1960er. Das ist unser Zustand.
@Roberto J. de Lapuente
Es ist schon tragisch was dieser Mann ohne Gedächtnis erlebt hat, aber, obwohl ich hier - in anderen Punkten - deine Ansicht teile,es gibt auch Menschen, die sich eine komplette Lebensgeschichte einbilden, ohne dabei zu lügen - Mehr dazu in Werken auf dem neuesten Stand der Gedächtnisforschung, z.B. dem hier: "Falsche Erinnerungen: Die Sünden des Gedächtnisses"
Sina Kühnel (Autor), Hans J. Markowitsch - Es ist fatal, dass unser Gehirn so anfällig für bewußte Manipulationen (nicht allein wirtschafts- bzw. politideologische) und falsche Erinnerungen ist, die z.B. dazu führen, dass Menschen Sachen, welche die einmal geträumt, gehört, gesehen oder gelesen haben für selbst erlebte Erinnerungen halten. Darum geht es im Buch, und seither sehe ich Zeitzeugenberichte mit anderen Augen.
Gruß
Bernie
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