Hegelianer müsst' ma sein
Freitag, 12. Februar 2016
Martin Shkreli war im Dezember abermals das Herzchen des Monats in den Vereinigten Staaten. Wie schon zuvor im September erntete er Empörung, weil er völlig ohne Moral an der Krankheit anderer verdienen wollte. Doch eventuell brauchen wir nicht weniger, sondern im Gegenteil viel mehr von der Sorte.
Im Herbst des letzten Jahres zog sich der Hedgefondmanager und Unternehmer Martin Shkreli die Wut der Öffentlichkeit zu, weil eine seiner Firmen für ein lebensrettendes Medikament gegen die Infektionserkrankung Toxoplasmose, plötzlich nicht mehr 13,50 Dollar sondern 750 Dollar pro Tablette haben wollte. Im Dezember erwarb eine weitere seiner Firmen die US-Rechte an einem Mittel gegen die Chagas-Krankheit. Der Preis sollte pro Behandlungszyklus bei bis zu 100.000 Dollar liegen – in Südamerika kostet dasselbe Medikament ein Tausendstel davon. Natürlich gab es einen erneuten Aufschrei, man erklärte ihn sogar zum »meistgehassten Mann Amerikas«. Donald Trump dieser Tage in den Schatten zu stellen, muss einem erstmal gelingen. Der Hass gegen seine Person schlug hohe Wellen. Mittlerweile wurde er aufgrund einer älteren Geschichte verhaftet und man ist zufrieden, die Gerechtigkeit habe schließlich doch noch gewonnen.
Es ist schon interessant, dass in jener Nation, in der jeder Verteilungsakt zugleich als sozialistischer Rückgriff verunglimpft wird, plötzlich Leute an den Pranger geraten, die die Logik des Kapitalismus einfach nur umsetzen. Shkreli rechtfertigte sich nämlich, dass Märkte eben amoralisch seien, die Entitäten Gut und Böse keinerlei Bedeutung in diesem Kontext besäßen. Er pervertierte ja nicht mal die Logik des Marktes, sondern folgte ihr einfach nur konsequent. Trotzdem erzürnt das die Menschen in der kapitalistischen Hochburg jenseits des Atlantiks. Hillary Clinton kündigte darauf an, dass unter ihrer etwaigen Präsidentschaft eine Deckelung des monatlichen Eigenanteils bei chronisch Kranken auf 250 Dollar eingeführt werden soll. Und der Gierhals Shkreli, dieses amoralische Marktwesen, würde vielleicht so zu einem Kniff der hegelianischen Philosophie: Zur »List der Vernunft« nämlich.
Der olle Schwabe hatte es ja mit dem Weltgeist. Er war Optimist, dachte alles füge sich zum Guten, zum »Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit«, wie er dazu schwerfällig sagte. Aber irgendwann dämmerte ihm, dass die Geschichte der Menschheit ja nicht nur ein fortlaufendes Aufwärts darstellte, sondern viele Niedergänge darin enthalten waren. Hegel war nun mal Philosoph und die Welt sollte sich bitte an seiner Weltsicht orientieren und nicht andersherum. Also erfand er diese List, die immer dann am Werk war, wenn der Fortschritt urlaubte und sich von einer Rückwärtsentwicklung vertreten ließ. In solchen Phasen würde im Grunde ein neuer Aufschwung vorbereitet und irgendein Individuum handle gewissermaßen im Auftrag einer höheren Notwendigkeit. Diese sophistische Finesse mit der List rettete ihm das ganze Gedankengebäude. Er konnte wieder ruhig schlafen und weiterhin ohne Gewissensbisse endlose Schachtelsätze zur höheren Ehre der Philosophie drechseln.
Da hat die Menschheit Medizin erfunden und jeder könnte daran partizipieren. Aber unvermittelt kommt einer wie der Shkreli um die Ecke, der verdienen, nicht Kranke gesunden lassen will. Die unsichtbare Hand des Marktes ist halt zuweilen eine Klaue. Und erst jetzt fühlt sich plötzlich das Primat der Politik, sonst nur mutlos zurückhaltend in Marktfragen, aufgerufen, regulativ einzuschreiten. Aus dem Bauch heraus könnte man jetzt ja hoffen, dass es noch mehr von diesen Shkrelis gibt, von diesen fleischgewordenen Vernunftslisten, die wir brauchen, damit wir nicht nur Rückschritte, sondern dringend benötigte Fortschritte machen. Wir brauchen vielleicht diese völlig amoralischen Typen, die uns beweisen, dass das System eben nicht gerecht und ethisch ist, damit das politische Primat mal seinem Gestaltungsauftrag nachkommt.
Hegelianer müsst' ma sein und glauben können. Aber Hegel war ja dann auch schnell aus der Mode. Marx stellte Hegel dann vom Kopf auf die Füße und machte den Klassenkampf zum Motor der Entwicklung. Irgendwie stimmt das aber auch nicht mehr, denn vieles ist in der Welt, aber der Klassenkampf ist ein Saurier, der schon lange ausgestorben ist. Und Shkreli kommt sicher nicht als Klassenkämpfer daher. Die Philosophen haben die Welt halt nur verschieden interpretiert. Sie haben unterschätzt, wie verrückt die Dynamiken da draußen eigentlich sind.
Im Herbst des letzten Jahres zog sich der Hedgefondmanager und Unternehmer Martin Shkreli die Wut der Öffentlichkeit zu, weil eine seiner Firmen für ein lebensrettendes Medikament gegen die Infektionserkrankung Toxoplasmose, plötzlich nicht mehr 13,50 Dollar sondern 750 Dollar pro Tablette haben wollte. Im Dezember erwarb eine weitere seiner Firmen die US-Rechte an einem Mittel gegen die Chagas-Krankheit. Der Preis sollte pro Behandlungszyklus bei bis zu 100.000 Dollar liegen – in Südamerika kostet dasselbe Medikament ein Tausendstel davon. Natürlich gab es einen erneuten Aufschrei, man erklärte ihn sogar zum »meistgehassten Mann Amerikas«. Donald Trump dieser Tage in den Schatten zu stellen, muss einem erstmal gelingen. Der Hass gegen seine Person schlug hohe Wellen. Mittlerweile wurde er aufgrund einer älteren Geschichte verhaftet und man ist zufrieden, die Gerechtigkeit habe schließlich doch noch gewonnen.
Es ist schon interessant, dass in jener Nation, in der jeder Verteilungsakt zugleich als sozialistischer Rückgriff verunglimpft wird, plötzlich Leute an den Pranger geraten, die die Logik des Kapitalismus einfach nur umsetzen. Shkreli rechtfertigte sich nämlich, dass Märkte eben amoralisch seien, die Entitäten Gut und Böse keinerlei Bedeutung in diesem Kontext besäßen. Er pervertierte ja nicht mal die Logik des Marktes, sondern folgte ihr einfach nur konsequent. Trotzdem erzürnt das die Menschen in der kapitalistischen Hochburg jenseits des Atlantiks. Hillary Clinton kündigte darauf an, dass unter ihrer etwaigen Präsidentschaft eine Deckelung des monatlichen Eigenanteils bei chronisch Kranken auf 250 Dollar eingeführt werden soll. Und der Gierhals Shkreli, dieses amoralische Marktwesen, würde vielleicht so zu einem Kniff der hegelianischen Philosophie: Zur »List der Vernunft« nämlich.
Der olle Schwabe hatte es ja mit dem Weltgeist. Er war Optimist, dachte alles füge sich zum Guten, zum »Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit«, wie er dazu schwerfällig sagte. Aber irgendwann dämmerte ihm, dass die Geschichte der Menschheit ja nicht nur ein fortlaufendes Aufwärts darstellte, sondern viele Niedergänge darin enthalten waren. Hegel war nun mal Philosoph und die Welt sollte sich bitte an seiner Weltsicht orientieren und nicht andersherum. Also erfand er diese List, die immer dann am Werk war, wenn der Fortschritt urlaubte und sich von einer Rückwärtsentwicklung vertreten ließ. In solchen Phasen würde im Grunde ein neuer Aufschwung vorbereitet und irgendein Individuum handle gewissermaßen im Auftrag einer höheren Notwendigkeit. Diese sophistische Finesse mit der List rettete ihm das ganze Gedankengebäude. Er konnte wieder ruhig schlafen und weiterhin ohne Gewissensbisse endlose Schachtelsätze zur höheren Ehre der Philosophie drechseln.
Da hat die Menschheit Medizin erfunden und jeder könnte daran partizipieren. Aber unvermittelt kommt einer wie der Shkreli um die Ecke, der verdienen, nicht Kranke gesunden lassen will. Die unsichtbare Hand des Marktes ist halt zuweilen eine Klaue. Und erst jetzt fühlt sich plötzlich das Primat der Politik, sonst nur mutlos zurückhaltend in Marktfragen, aufgerufen, regulativ einzuschreiten. Aus dem Bauch heraus könnte man jetzt ja hoffen, dass es noch mehr von diesen Shkrelis gibt, von diesen fleischgewordenen Vernunftslisten, die wir brauchen, damit wir nicht nur Rückschritte, sondern dringend benötigte Fortschritte machen. Wir brauchen vielleicht diese völlig amoralischen Typen, die uns beweisen, dass das System eben nicht gerecht und ethisch ist, damit das politische Primat mal seinem Gestaltungsauftrag nachkommt.
Hegelianer müsst' ma sein und glauben können. Aber Hegel war ja dann auch schnell aus der Mode. Marx stellte Hegel dann vom Kopf auf die Füße und machte den Klassenkampf zum Motor der Entwicklung. Irgendwie stimmt das aber auch nicht mehr, denn vieles ist in der Welt, aber der Klassenkampf ist ein Saurier, der schon lange ausgestorben ist. Und Shkreli kommt sicher nicht als Klassenkämpfer daher. Die Philosophen haben die Welt halt nur verschieden interpretiert. Sie haben unterschätzt, wie verrückt die Dynamiken da draußen eigentlich sind.
5 Kommentare:
Zitat:
Einstweilen, bis den Bau der Welt
Philosophie zusammenhält,
Erhält sie das Getriebe
Durch Hunger und durch Liebe
(F.Schiller)
Ersetze Hunger durch Gier und Liebe durch Leidenschaft oder Sucht - und ... wird sich je was ändern – vor allem, solange die dritte Kraft, die, welche Schiller nicht benennt, so mächtig ist: Die Dummheit der Menschen?
Shkreli ist eben auch nur einer von Vielen. Seine Gier wurde öffentlich, wohl weil ein anderer Gierverein, die private Krankenkasse, diese Preise nicht zahlen wollte.
Und mit einem derartigen Medikament, das eben nur einige wenige 'benötigen', kann man nur über sehr hohe Preise viel verdienen.
Die ganz alltägliche Abzocke, die wird allerdings nie thematisiert. damit meine ich die 30% Zinsen, die im Preis ALLER unserer Alltagsgüter enthalten sind.
Dazu kommt ja auch noch die für das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft erforderliche Lohnzurückhaltung der Unternehmen UND der Gewerkschaften.
Diese beiden Methoden des Diebstahls kosten jeden Einzelnen deutlich mehr € wie das $ 750,- Medikament.
MfG: M.B.
Die Abschlussbemerkung meines letzten Kommentar, in leicht abgewandelter Form diesmal an den Anfang gestellt: „Wie blöd ist diese Menschheit eigentlich wirklich?“
Jeder gierige und asoziale Wic...r schwafelt vom „Markt“, den als naturgegebenen Gesetzmäßigkeiten von „Angebot und Nachfrage“, die den „Preis“ nun mal bestimmen würden. Seit der erste Händler irgendwann einmal irgendetwas zum Kauf/Tausch feilbot und darauf dann das „(ver)handeln/feilschen“ begann, zwecks abschließender Preisfindung, die dann zum Kauf/tausch führte.
Ich sehe förmlich die Zustimmung nickenden Köpfe beim Lesen des Abschnittes:
„Shkreli rechtfertigte sich nämlich, dass Märkte eben amoralisch seien, die Entitäten Gut und Böse keinerlei Bedeutung in diesem Kontext besäßen. Er pervertierte ja nicht mal die Logik des Marktes, sondern folgte ihr einfach nur konsequent.“
Was der und andere machen ist die Schaffung von Monopolen, die ein Verhandeln, der einmal ein wichtiger Bestandteil der ursprünglichen Märkte war, obsolet machen. „Friß oder stirb“ ist das Resultat „neoliberaler Märkte“, also von mehr oder weniger Monopol-Anbietern, bestenfalls Oligopolen.
Bitte keine Vergleiche mit Immobilienmärkten, noch besser, mit Vergleichen zum derzeitigen Konkurrenzkampf in der fleischverarbeitenden Industrie. Das, was da abläuft ist die Vorstufe zum Monopol, ein Verdrängungskampf, der am Ende den „Harten in den Garten“ läßt, und dann die Preise im Stil eines Shkreli festlegt.
Der Immobilienmarkt, ist wie der Arbeitsmarkt bereits weitestgehend monopolisiert. Ein Blick auf Miet- und Kaufpreise pro qm, oder das, was immer noch großkotzig als „Lohn“ umschrieben wird, sollte ausreichen.
Neoliberale Gangster, unterstützende „Professoren“, wie Sinn und andere „Größen“ haben das Wort „Markt“ pervertiert, zum Synonym für soziale und wirtschaftliche Vernichtungsfeldzüge neoliberaler Ideen gemacht, mittels ihres Geschwafels, Verzeihung: „neoliberale Neudeutung“ selbstverständlich.
Die Masse der Marktteilnehmer versteht das aber nicht, sondern glaubt an die „Fairness“ der alten Defintionen.
Auf Märkten, in denen sich wenige Anbieter und viele Käufer früher begegneten, heute in Form vom Wochemarkt für Lebensmittel noch nicht ganz ausgestorben, wäre ein Mr. Shkreli, oder jeder andere „Hai“ gründlich verprügelt worden und hätte sich nie wieder auf diese Dorfplätze gewagt.
Die Anonymität der heutigen Angebots- und Nachfragegestaltung erlaubt es nicht mehr, respektive gestaltet es schwieriger für die Käufer (heute: Opfer) zu wirklich wirksamen Methoden der Ablehnung zu greifen. Zumal „Gesetze“ heute für den Monopolisten, für das Oligopol gemacht sind. Der Büttel dagegen jede „Verfehlung“ der Opfer unerbittlich verfolgt.
Wirksame Marktregulierungen lehnt die „marktkonforme Demokratie“ ab, auch schon vor 1998, siehe die Pharma-Mafia und ihre stets gewonnenen Kämpfe bei unzähligen „Gesundheitsreformen“. Bestätigte sogar ein Horst Seehofer und immer noch auf YT als Video abrufbar.
Die vollständige Zerschlagung von „Asst-Management-Unternehmen (Vermögensverwalter) wie Black Rock (der größte), Deutsche Bank (2014 der elftgrößte) und deren „Dienstleistungen“ wird nicht einmal angedacht. Weil: „systemrelevant“.
Was mich wiederum zu meiner Eingangs gestellten Frage führt.
Der neoliberale Markt gleicht in jeder Hinsicht einem Kriegsschauplatz. Es gelten keine Gesetze außer dem Recht des Stärkeren - oft nur dem Glück des Gewinners. Ziel ist die Vernichtung des Gegners und Aneignung von dessen Eigentum.
Es handelt sich im Kern um eine zutiefst destruktive Denk-und Vorgehensweise, reines Vernichtungsdenken. Es besteht auch keinerlei Tendenz, etwas Nachhaltiges aufzubauen, sondern es zählt nur der kurzfristige Profit.
Kein Wunder, dass in diesem Spiel zunehmend Psychopathen in Führungspositionen kommen.
Verfasste Gesellschaften mit einer (noch) funktionierenden Gewaltenteilung sind dem neoliberalen globalen Raubzug im Wege und müssen deshalb korrumpiert oder zerstört werden.
Fazit: Wenn wir feststellen, dass unsere repräsentativen Eliten diesem Treiben nichts entgegensetzen, dann bleiben m.E. drei mögliche Erklärungen dafür
- Sie sind so blöd, dass sie die Entwicklung nicht verstehen
- Sie haben Angst, sich den Herren des Geldes in den Weg zu stellen - Todesangst womöglich?
- Sie sind selber Profiteure des neoliberalen Bonussystems, also ungeheuerliche Betrüger.
@ magnuscarolus:
Punkt 3 trifft es.
Blöd sind die alle nicht, nur gierig, verlogen und dreist. Politiker eben
Angst, Todesangst? Angst nicht zu profitieren, ganz bestimmt!
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