Helft ihm, zeigt ihn an!

Freitag, 23. Oktober 2015

»Wieso kommentierst du die Sache mit Akif P. eigentlich nicht?«, fragte mich gestern jemand. Antwort: Weil es Angelegenheiten gibt, die keiner Worte bedürfen, sondern einer Strafanzeige. Und die ist erfolgt, wurde von mir gestellt. Am Dienstag war das. Die Polizei in Dresden ermittelt. Vorgangsnummer hat man mir mitgeteilt. Ich las nun bei einigen auf Facebook Entkräftungen. P. habe eben nicht etwa gemeint, dass man Konzentrationslager in Betrieb nehmen solle, um der Flüchtlingsfrage Herr zu werden. Er wollte vielmehr suggerieren, dass die Politik Leute wie ihn und seine Zuhörer dort konzentrieren würde, wenn sie nur könnte. Ich stimme der Einschätzung, dass er es so und nicht anders gemeint haben könnte, vollumfänglich zu. Es ist trotzdem Verhetzung, denn er wiegelt Menschen auf, rührt eine Stimmung an, die destruktive Kräfte entfesseln soll. Dass er mit solchen »Vergleichen« NS-Opfer verhöhnt, nehme ich übrigens als Argument zwar zur Kenntnis, ist aber leider oft ein Totschlagargument. Roberto Benigni haben sie seinerzeit dasselbe unterstellt.

Ich kannte den Mann bis vor anderthalb Jahren gar nicht. Dann sah ich ihn zufällig in einer Mittagssendung im ZDF. Damals war er wohl schon zu einer kleinen Berühmtheit gekommen, weil er in jungen Jahren Katzenkrimis geschrieben hatte. Ich habe kein Faible für Kriminalstücke. Wenn aber kein schnodderiger Marlowe ermittelt, sondern eine Hauskatze, dann ist mein völliges Desinteresse sicher. Jedenfalls saß er da beim Zweiten auf einem Sofa und erzählte in derber und unterirdischer Sprache von seinem neuem Buch. Untertitel des Käses: »Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer«. Dauernd sagte er »verfickt«. Er machte auf einen, der aus dem Rinnstein kroch. Aber seine Sprache war dazu zu künstlich. Ganz unten in der Gosse nimmt man auch kein Blatt vor den Mund, aber man kalkuliert nicht mit den verbalen Deftigkeiten. P. tat das. Die Moderatorin saß jedenfalls bei ihm und schien glücklich, so einen originellen Gast bei sich zu haben. Kommt nicht oft vor beim Großeltern-TV der Gebühreneinzugszentrale. Ich konnte ihn nicht leiden und dachte mir: Hoppla, da haut aber einer richtig auf die Kacke, um sich Gehör zu verschaffen. Er wird es schon nötig haben. So einen gibt man auf keine Fall ein Forum, urteilte ich nach dem Auftritt.

Nach einer Weile war er eine etwas größere Berühmtheit als vorher. Man las von ihm und sah ihn ab und an im Fernsehen. Deutschlands größtes Revolverblatt ging Currywurst essen mit ihm. Natürlich lederte er wieder los. Er war ja ein Skandalautor. Man musste doch von ihm berichten. Er schimpfte weiterhin, sprach in einem Jargon, den selbst die gestandene Gosse erröten ließ und war so voller Hass, voller Unversöhnlichkeit, dass man sich sagen konnte: Ja, der Typ braucht dringend Hilfe. Tabletten vielleicht. Oder einen einfühlsamen Psychotherapeuten. Erst dachte ich ja, der wäre affektiert - aber dann war mir klar, dass er nicht mehr ordentlich spult. Ich meine, Hetzer gibt es viele. Aber so passioniert, so wild und frei von jeglicher logischen Rhetorik, ist keiner von denen. P. war der Bad Guy, der Sarrazin wie einen Wissenschaftler aussehen ließ. Ganz bei Trost schien er nicht. Und seine Romane waren ja auch Kassenschlager, als er ein junger Mann war. Vielleicht knallt er gerade durch und sieht kein Land mehr und macht sich jetzt wieder einen Namen als reaktionärer Hetzer, kam mir in den Sinn. Bei den Hohlköpfen könnte er ja noch punkten. Die Art und Weise, wie er das tat, offenbarte aber, dass da echt einer angeknackst war. Die einen ticken aus und landen am Hauptbahnhof und sammeln Kippen. Die anderen hocken mittags beim Zweiten auf der Couch. Vielleicht ist das zu einfach. Aber ich glaube wirklich, dass er nicht ganz auf dem Damm ist.

Daher sage ich nichts zu seiner Rede. Anzeige reicht. Die Schlauen unter euch werden nun sagen, dass er dann ja schuldunfähig wäre. Wieso also überhaupt anzeigen? Gut aufgepasst. Ich sag' es euch: Vielleicht erbarmt sich ein Staatsanwalt und nimmt sich der Sache an und ein Gericht empfiehlt ihm Therapie und Medikamente. Schaden kann es ja nicht. Vielleicht treiben sie ihm auch seine Hauskätzchenphantasien aus. Und die Vorstellung, dass er bald von Schwulen und Muslimen in einem KZ gefoltert wird. Er gehört angezeigt, damit er endlich Medizin kriegt und vielleicht seine Schwerpunkte verlagert und nicht mehr gegen Randgruppen hetzt, sondern gegen die Hauptinitiatoren des Niedergangs, die unser aller Leben verschlechtern wollen. Dann könnte er schon bei der nächsten Demo gegen das Freihandelsabkommen dabei sein und sagen: »Und übrigens bin ich der Meinung, dass das verfickte verfickte verfickte TTIP zerstört werden muss!« Danach setzt er sich hin und schreibt einen Katzenwirtschaftskrimi, in dem das Mohrli einen Komplott aufdeckt, in dem Gabriels Rolle als bezahlter Kostgänger der Wirtschaft enttarnt wird. Deswegen: Anzeigen!

4 Kommentare:

Manul 24. Oktober 2015 um 04:55  

Hehe, Du hast wirklich Humor!
Zu P. fällt mir jedenfalls nur eine Bezeichnung ein: Soziopath - und genau das ist die richtige Umschreibung für viele Personen des heutigen öffentlichen Lebens. Mangel an Empathie und gestörtes Sozialverhalten ist eine weit verbreitete Krankheit, die etliche Leute auch noch als Tugend missverstehen.
Wir dürfen uns also noch auf etliche Verbalentgleisungen gefasst machen, die tief unter die Gürtellinie gehen, frei nach dem Motto: Sowas wird man ja wohl noch sagen dürfen ....

Fenni 24. Oktober 2015 um 12:36  

A.Pirincci ist toll beschrieben und beobachtet.

Aber meine Gedanken um ihn wandern neuerdings - seit dieser letzten "ruhmreichen Story" seinerseits - woanders hin:

Warum lädt jemand einen solchen Autoren ein, der auf Demonstrationen, die schon stark ins Kreuzfeuer geraten sind und unter großer Beobachtung stehen, eine unabgesprochene (aber wie man wohl auf seiner Website von ihm lesen konnte, als brisant angekündigte[1]) Rede halten soll?

Wie einfach ist es, auf unliebsamen Demos baumelnde Galgen oder fallende Guillotinen spazieren zu tragen? Oder Leute dazu anzustacheln, sich vehementer werdend so zu äußern?

Warum gibt es Anfragen auch aus Politikerkreisen, welche Verbindungen es zwischen dem Kölner Messerstecher und dem Verfassungsschutz gegeben haben könnte?[2]

Und:
Warum strukturieren die zugrunde liegenden Stories dieser drei Fragen jetzt auch die Argumentationsgrundlagen der Reden (via Presseorgane) ans deutsche Volk von denjenigen (meist hochrangigen Politikern), über die man nun eine große Gruppe unzufriedener Menschen entweder zu Rechtsextremen und Nazis oder zu bestehender großer Nähe dazu umfunktionieren konnte? [3]
Über die "KZ-Rede" werden erneut Bögen zu von Nazis verwendeten "Kampfbegriffen" in der Weimarer Republik geschlagen, ohne dass aufgearbeitet wird, ob diese Begriffe auch andere Historien besitzen.

Den Versuch, sich auf diese Art auch an den demonstrierenden TTIP-Gegnern abzuarbeiten, gab es ebenfalls schon. [4]

[1]http://www.wochenblatt.de/nachrichten/welt/Entsetzen-ueber-Hassreden-bei-Pegida-Kundgebung;art29,332148
[2]http://www.volkerbeck.de/2015/10/21/reker-kleine-anfrage-zu-koelner-attentaeter/
[3]alle auffindbaren Artikel seit der letzten Pegida-Demo über: "Pegida in Teilen offen rechtsradikal"
[4]Der Artikel vom 10.10.2015 auf Spiegel Online (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ttip-bei-der-demo-marschieren-rechte-mit-kommentar-a-1057131.html) wurde nachträglich im Header von Kommentar auf "Polemik von..." umgeändert, nachdem man über die Kriktik mittels der Kommentarfunktion starke Proteste erkennen konnte. Eine Dokumentation über die nachträgliche Änderung liegt seitens SpOn leider nicht vor, kann aber noch durch die Kommentarinhalte nachvollzogen werden (erste 30 Kommentare, dann Kommentar #32 (oder zur Sicherheit nochmal doppelt hinterlassen #42) mit dem Vorschlag, alles als Polemik aufzufassen).
Zur Untermauerung, "nur" eine Polemik hinterlassen zu haben, erscheint dann am späten Nachmittag ein Gegenartikel mit Gastkommentar (Link am Ende des zuvor genannten Artikels). In dessen Kommentarbereich dokumentiert jemand unter #17 die Abänderung. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ttip-kommentar-ich-bin-nicht-rechts-aber-gegen-ttip-a-1057182.html#js-article-comments-box-pager

Anonym 27. Oktober 2015 um 14:52  

Wenn die Deutschen mit jemandem abrechnen, dann aber gründlich. Akif Pirinçci wurde zu Recht für seinen unsäglichen Pegida-Auftritt kritisiert. Aber muss man ihn gleich beruflich vernichten? Nachdem sein Verlag die Zusammenarbeit mit ihm aufgekündigt hat, sind jetzt auch seine Bücher, Katzenkrimis inklusive, praktisch nicht mehr lieferbar, meldet das Börsenblatt (!) mit Genugtuung. Amazon, Thalia.de, hugendubel.de, weltbild.de, buecher.de, ebook.de - alle haben seine Titel ausgelistet. Auch von Buchhandlungen würden selbst im Falle eines Kundenwunsches diese Titel nicht mehr geliefert - dies erhärten Umfragen verschiedener Tageszeitungen, etwa im Westfälischen Anzeiger.

Anonym 30. Oktober 2015 um 02:13  

Ja, Pirinçci ist jetzt ein für alle mal beruflich vernichtet - auch mit seiner unpolitischer Lyrik. Und da habe ich kein Mitleid. Wäre er halt bei seinen Katzenkrimis geblieben...

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