»Bild«-Leser sagen ihre Meinung
Dienstag, 27. Oktober 2015
Den Pranger, den die »Bild« letzte Woche abdruckte, also all die Bilder, genannten Namen und Kommentare diverser Facebook-Nutzer, hätten nicht unbedingt unter dem Label »Der Pranger der Schande« firmieren müssen. Es hätte völlig gereicht, wenn man es mit »Jetzt sprechen unsere Leser« oder »Bild-Leser sagen ihre Meinung« betitelt hätte. Jeder Mob und jede Meute braucht schließlich ein Organ, das sie mit Weltanschauung anfüttert, braucht eine Tageszeitung, die den Hass sät. Und als gutes Printmedium erteilt man eben auch mal den Lesern das Wort. Der Facebook-Kommentar ist an sich auch nichts anderes als ein Leserbrief. Außerdem geschieht es denen doch recht, dass sie jetzt öffentlich gemacht werden, dass ihre Ansichten aus der Zeitung prangern. Oder etwa nicht?
Viele, die sich über den Hatespeak der letzten Monate ärgerten, Pegida und ihre KZ-Redner verabscheuten und dieses Klima des Ausländerhasses beklagten, rieben sich die Hände. Gut, es war zwar die »Bildzeitung«, die diesen Pranger ins Leben rief, aber dass man diese Hassbürger im Standby-Betrieb jetzt wortwörtlich beim Namen nennt, das fanden sie richtig gut. Es ist Schadenfreude, die verständlich ist. Außerdem sollten Erwachsene, die ihre Wut als Meinungsfreiheit in den Raum stellen, auch die Folgen des Erwachsenenalters spüren dürfen. Vielleicht verliert einer seinen Arbeitsplatz und wird geächtet. Vielleicht auch nicht. Aber so oder so: Pranger sind verwerflich. Und besonders ein Medium, das für sich selbst in Anspruch nehmen sollte, einen gewissen journalistischen Standard erfüllen zu wollen, kann sich einen Pranger nicht leisten.
Arno Frank schreibt in »Meute mit Meinung«, dass die sozialen Netzwerke eine grundsätzliche Ablehnung traditioneller Medien verursacht haben. Plötzlich war man der Meinung, dass man es doch besser könne, als all die bezahlten Tintenkleckser in den Redaktionen. Frank beklagt, dass Zeitungen auch immer mehr auf das eingehen, was ihre Leser in Netzwerken wollen. So entschuldigen sie sich gar für Artikel, die kritisiert wurden. Aber genau das sollte Zeitung nicht tun, erklärt er. Aber in einer Sache täuscht er sich gewaltig: In der Anonymität der Shitstormer und Hexenjäger. Die sind nämlich gar nicht anonym, sondern tun das unter Klarnamen. Die Hemmungen sind gefallen. Die Ablehnung der Medien ist zur völligen Abkehr von ihnen mutiert: »Lügenpresse! Lügenpresse!« Und so hat sich Frank wohl auch keinen Pranger in einer »Zeitung« vorstellen können. Hat sich kein Printmedium vorstellen können, dass nicht nur auf die Netzwerke reagiert und sich danach ausrichtet, sondern gleich noch die Praxis aus diesem Metier anwendet, um »Berichterstattung« zu leisten.
Was »Bild« da in den Sinn kam, ist die Beförderung von Facebook-Usus in den journalistischen Alltag. Man adelt den Shitstorm und macht den Pranger zu etwas, was nicht mehr im Halbseidenen sozialer Netzwerke geschieht, sondern im öffentlichen Raum und somit den Anstrich von Legalität erhält. Dass man sich als jemand, der das Hatespeak des Mobs verachtet und es gerne juristisch verfolgt sähe, über eine öffentliche Zurschaustellung der Hasser freut, ist menschlich nachvollziehbar. Aber deswegen noch lange nicht korrekt. Denn worüber man sich da freut, das sind Handlungsmuster, die man der »Bild« sonst vorwirft, wenn sie zum Beispiel Leserreporter rekrutiert und für so genannte »Schnappschüsse« entlohnt. Oder wenn sie Tatverdächtige ungepixelt zeigt und deren Namen angibt, obgleich die Tat nicht bewiesen war – und sich manchmal als unbegründeter Verdacht erwies. Jeder, der in den Verdacht einer Straftat gerät, ganz gleich welcher Art, hat das Recht auf Wahrung der Privatsphäre. Das lässt sich aus der Unschuldsvermutung filtern, die nicht weniger als ein Grundpfeiler des Rechtsstaat ist.
Man kann also nicht einerseits die Machenschaften dieses Blattes moralisch ächten und den Pranger für solche, die man selbst moralisch geächtet hat, begrüßen. Die Kommentare der Hassgestalten sind verdächtig. Aber sie müssen juristisch nachgewiesen, verfolgt und angeklagt, danach von einem Richter als Verhetzung eingestuft und verurteilt werden. Solange gelten sogar solche Leute als unschuldig. Man muss ihnen ihre Schuld erst nachweisen. Und der Pranger ist keine Einrichtung, die den Schuldnachweis irgendwie objektiv begleiten würde. Er ist eher das klassische Element einer Haltung, die auf Rache sinnt und die Schuld zu einem Kriterium erhebt, das nicht gerichtlich exekutiert werden muss. Der Pranger ist ein Urteil und kein Fingerzeig für Staatsanwälte. So sehr man die Hatespeaker auch ablehnt, so widerlich ihr Weltbild auch ist: Man muss ihnen den Rechtsstaat gewähren.
Lässt sich die »Bild« eigentlich auf Facebook-Methoden ein? Täusche ich mich vielleicht? Was war zuerst da? »Bild« oder Facebook? Möglicherweise sind es auch die Nutzer der sozialen Netzwerke, die »Bild«-Methoden kopieren. Die schroffe Sprache, das geistig vergiftete Weltbild und so weiter. Der Pranger war ja immer irgendwie Element der »Bildzeitung«. Ei oder Henne also? So oder so, scheinen bestimmte Verhaltensnormen in der Social Media und bei jener Gazette in einen Unterbietungswettbewerb, in ein Moraldumping zu treten. Das erinnert an jene Szene in »Nachts im Museum«, bei der sich der Nachtwächter und ein Äffchen gegenseitig immer und immer wieder ohrfeigen und der zum Leben erwachte Teddy Roosevelt den Menschen ermahnt mit dem Satz: »Wer ist höher entwickelt, hm?« Wenn sie sich also gegenseitig mit Prangermethodik unterbieten, dann muss man fragen: Wer ist der Journalist, hm? Na gut, wir reden von der »Bild«, nicht vom Journalismus. Mein Fehler.
Im Übrigen bleibe ich bei der Meinung, dass TTIP zerstört werden muss. Weil ich das immer am Ende sage. Auch, wenn ich keine passende Überleitung vom Text zum Abschlusssatz bekomme.
Viele, die sich über den Hatespeak der letzten Monate ärgerten, Pegida und ihre KZ-Redner verabscheuten und dieses Klima des Ausländerhasses beklagten, rieben sich die Hände. Gut, es war zwar die »Bildzeitung«, die diesen Pranger ins Leben rief, aber dass man diese Hassbürger im Standby-Betrieb jetzt wortwörtlich beim Namen nennt, das fanden sie richtig gut. Es ist Schadenfreude, die verständlich ist. Außerdem sollten Erwachsene, die ihre Wut als Meinungsfreiheit in den Raum stellen, auch die Folgen des Erwachsenenalters spüren dürfen. Vielleicht verliert einer seinen Arbeitsplatz und wird geächtet. Vielleicht auch nicht. Aber so oder so: Pranger sind verwerflich. Und besonders ein Medium, das für sich selbst in Anspruch nehmen sollte, einen gewissen journalistischen Standard erfüllen zu wollen, kann sich einen Pranger nicht leisten.
Arno Frank schreibt in »Meute mit Meinung«, dass die sozialen Netzwerke eine grundsätzliche Ablehnung traditioneller Medien verursacht haben. Plötzlich war man der Meinung, dass man es doch besser könne, als all die bezahlten Tintenkleckser in den Redaktionen. Frank beklagt, dass Zeitungen auch immer mehr auf das eingehen, was ihre Leser in Netzwerken wollen. So entschuldigen sie sich gar für Artikel, die kritisiert wurden. Aber genau das sollte Zeitung nicht tun, erklärt er. Aber in einer Sache täuscht er sich gewaltig: In der Anonymität der Shitstormer und Hexenjäger. Die sind nämlich gar nicht anonym, sondern tun das unter Klarnamen. Die Hemmungen sind gefallen. Die Ablehnung der Medien ist zur völligen Abkehr von ihnen mutiert: »Lügenpresse! Lügenpresse!« Und so hat sich Frank wohl auch keinen Pranger in einer »Zeitung« vorstellen können. Hat sich kein Printmedium vorstellen können, dass nicht nur auf die Netzwerke reagiert und sich danach ausrichtet, sondern gleich noch die Praxis aus diesem Metier anwendet, um »Berichterstattung« zu leisten.
Was »Bild« da in den Sinn kam, ist die Beförderung von Facebook-Usus in den journalistischen Alltag. Man adelt den Shitstorm und macht den Pranger zu etwas, was nicht mehr im Halbseidenen sozialer Netzwerke geschieht, sondern im öffentlichen Raum und somit den Anstrich von Legalität erhält. Dass man sich als jemand, der das Hatespeak des Mobs verachtet und es gerne juristisch verfolgt sähe, über eine öffentliche Zurschaustellung der Hasser freut, ist menschlich nachvollziehbar. Aber deswegen noch lange nicht korrekt. Denn worüber man sich da freut, das sind Handlungsmuster, die man der »Bild« sonst vorwirft, wenn sie zum Beispiel Leserreporter rekrutiert und für so genannte »Schnappschüsse« entlohnt. Oder wenn sie Tatverdächtige ungepixelt zeigt und deren Namen angibt, obgleich die Tat nicht bewiesen war – und sich manchmal als unbegründeter Verdacht erwies. Jeder, der in den Verdacht einer Straftat gerät, ganz gleich welcher Art, hat das Recht auf Wahrung der Privatsphäre. Das lässt sich aus der Unschuldsvermutung filtern, die nicht weniger als ein Grundpfeiler des Rechtsstaat ist.
Man kann also nicht einerseits die Machenschaften dieses Blattes moralisch ächten und den Pranger für solche, die man selbst moralisch geächtet hat, begrüßen. Die Kommentare der Hassgestalten sind verdächtig. Aber sie müssen juristisch nachgewiesen, verfolgt und angeklagt, danach von einem Richter als Verhetzung eingestuft und verurteilt werden. Solange gelten sogar solche Leute als unschuldig. Man muss ihnen ihre Schuld erst nachweisen. Und der Pranger ist keine Einrichtung, die den Schuldnachweis irgendwie objektiv begleiten würde. Er ist eher das klassische Element einer Haltung, die auf Rache sinnt und die Schuld zu einem Kriterium erhebt, das nicht gerichtlich exekutiert werden muss. Der Pranger ist ein Urteil und kein Fingerzeig für Staatsanwälte. So sehr man die Hatespeaker auch ablehnt, so widerlich ihr Weltbild auch ist: Man muss ihnen den Rechtsstaat gewähren.
Lässt sich die »Bild« eigentlich auf Facebook-Methoden ein? Täusche ich mich vielleicht? Was war zuerst da? »Bild« oder Facebook? Möglicherweise sind es auch die Nutzer der sozialen Netzwerke, die »Bild«-Methoden kopieren. Die schroffe Sprache, das geistig vergiftete Weltbild und so weiter. Der Pranger war ja immer irgendwie Element der »Bildzeitung«. Ei oder Henne also? So oder so, scheinen bestimmte Verhaltensnormen in der Social Media und bei jener Gazette in einen Unterbietungswettbewerb, in ein Moraldumping zu treten. Das erinnert an jene Szene in »Nachts im Museum«, bei der sich der Nachtwächter und ein Äffchen gegenseitig immer und immer wieder ohrfeigen und der zum Leben erwachte Teddy Roosevelt den Menschen ermahnt mit dem Satz: »Wer ist höher entwickelt, hm?« Wenn sie sich also gegenseitig mit Prangermethodik unterbieten, dann muss man fragen: Wer ist der Journalist, hm? Na gut, wir reden von der »Bild«, nicht vom Journalismus. Mein Fehler.
Im Übrigen bleibe ich bei der Meinung, dass TTIP zerstört werden muss. Weil ich das immer am Ende sage. Auch, wenn ich keine passende Überleitung vom Text zum Abschlusssatz bekomme.
1 Kommentare:
Die Überschrift ist doch wohl eine Unterstellung die fast schon strafwürdig ist:
BILD-Leser sagen ihre MEINUNG!
Seit wann haben oder hatten BILD-Leser eine Meinung??
Die haben gefälligst die Meinung zu haben, die BILD vorgibt, und das ist, auf den Leser bezogen eben keine Meinung sondern ein papageienhaftes Nachplappern der gedruckten Vorgabe. Das ist wahrscheinlich noch nicht mal die Meinung von irgendjemand, sondern eine Manipulationsvorgabe um eine bestimmte Stimmung zu machen.
Die "Redakteure" und "Journalisten bei BILD, FAZ, SZ, Zeit, Welt usw. sind doch auch nicht (viel) blöder als andere Menschen mit diesem Ausbildungsstand um diesen Müll tatsächlich zu glauben, den sie den etwas Unbedarfteren täglich servieren. -Manche vielleicht schon?-
MfG: M.B.
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