... dann fahre darein mit gepanzerter Faust

Mittwoch, 19. November 2014

oder Die deutsche Weltpolitik, die stets etwas Gutes will und stets das Böse schafft.

Der mit dem »Platz an der Sonne«, den die Deutschen sich sichern müssten, das war der von Bülow. Der vierte Reichskanzler. Seiner berühmten Äußerung schob er allerdings vor, dass man »niemand in den Schatten stellen« wolle. Handel wolle man treiben, keine Händel beginnen. Wirtschaftsimperialismus eben. Und der braucht den Frieden und nicht den Krieg. Aber eines war klar, »sollte es irgendeiner unternehmen«, die Deutschen an ihrem »guten Recht zu kränken oder schädigen [...], dann fahre darein mit gepanzerter Faust.«

Alles wurde im wilhelminischen Zeitalter zur Weltsache. Weltpolitik trieb man jetzt. Denn man wollte Weltgeltung. Eine Weltmacht werden. Ein Weltreich. Verantwortung in der Welt sozusagen. Darunter ging nichts mehr. Man sagte, dass man die Lebensart der Völker in potenziellen Kolonien und in denen, die man schon hatte, gar nicht besonders antasten wolle. Es ging ja um Rohstoffe, um das Geschäft. Aber »das Evangelium [...] im Auslande zu künden, zu predigen jedem, der es hören will, und auch denen, die es nicht hören wollen«, war doch wohl das Mindeste. Mit Evangelium war nicht unbedingt die Bibel alleine gemeint. Eher den Kanon, den man damit verband, all die calvinistischen Tugenden, die man der Welt zu bringen trachtete. Sie waren viel eher der Exportschlager. Vortrefflichkeiten wie Sparsamkeit, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Ordnung und Sauberkeit. Wir kennen diesen Katalog noch immer. Man spricht ja wieder Deutsch in Europa.

Die Deutschen scheinen mehr oder weniger immer dieselbe Haltung anzunehmen, wenn sie in die Welt hinaustreten. Sie tun es mit der Rede von Frieden und Wohlstand, von Partnerschaft und Freundschaft und setzen immer noch Nebensätze dran, wie jenen von der gepanzerten Faust. Sie geben sich friedlich, aber warnen gleich vorab, falls das Objekt der Friedensliebe nicht wie gewünscht spurt. Bellizisten sind sie nicht. Sie benötigen den Frieden ja. Unter Kanonendonner machen sich Geschäfte nicht gut. Es ist ihnen also mit Sicherheit ernst. Und daher sind sie gewissermaßen »Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.«

Merkel klingt ein wenig wie Bülow, wenn sie die Zukunft der Ukraine plant. Gauck trägt keinen Zwirbelbart, man muss ihn sich hinzudenken. Steinmeier oder von der Leyen wollen die Welt bestimmt nicht in den Krieg tunken, aber sie fahren darein, wenn notwendig. Man darf diese Leute nicht so einseitig sehen. Mit dem Krieg gehen sie nicht hausieren. Sie wollen das Gute, oder sagen wir, damit es eher stimmt: sie wollen »etwas Gutes« - aber ihre Nebensätze klingen bedrohlich. Deutsche Weltpolitik bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man die volle Eskalation möchte. Bei dem Kriegsmaterial ja auch völliger Unfug. Sie kommt als Anwalt der guten Sache daher. Und wie ein windiger Anwalt nimmt sie gleich eine gespannte Haltung ein, setzt zur Drohung an, wenn die Gegenseite nicht darauf eingeht.

Man sollte die Figuren des heutigen Deutschland nicht mit SS-Jacke karikieren. Das passt inhaltlich nicht so gut. Sie sind Gestalten, die aus dem Wilhelminismus erwacht scheinen. Bülows und Tirpitzens. Kalte Krieger, die es ja auch schon im Zeitalter des Kolonialismus gab. Kraftmeier, die Welttheater spielen wollen. Ihnen gehört eine Pickelhaube und ein gewichster Bart verpasst. Keine Runen. Ihr Auftreten gleicht den Zeitgenossen, die vor dem ersten Weltenbrand die Zügel in der Hand hielten. Wir blicken auf das Hunderjährige dieser Urkatastrophe zurück, begehen Gedenkstunden, sprechen uns gegen ein Europa unter Waffen aus. Aber das wären nicht die primären Lehren, die wir ziehen sollten. Denn der Krieg war lediglich die Konsequenz. Dareinfahren und pathetisches Parolieren führten zu ihm. Und genau das zu erkennen wäre aller Lehren wert.

8 Kommentare:

nightowl 19. November 2014 um 07:16  

Nur daß der ganze volltönende Bombast dieses Mal eher aus Vasallentum resultiert.
Schließlich "brauchen" wir zum Gedeihen unbedingt TTIP und Fracking.

Großmannssucht (zur Kompensation innen- wie außenpolitische Hilflosigkeit), der Mangel an Zukunftsvisionen sowie jeglicher Selbstreflektion sind natürlich das Klima, in dem solche Kraftmeierei gedeiht und gefördert wird.
Doch das Gedröhne und Geschwafel von den "Werten", mit denen wir die Welt beglücken MÜSSEN (und vor denen sich Putin laut "Zeit" so fürchtet), ist hier einzig Mittel zum Zweck.

kevin_sondermueller 19. November 2014 um 09:25  

Gewiss wollen sie der Welt Bestes:
ihre Ressourcen und die Verwertungsrechte am Humankapital.

Zumindest in dem Umfang, den der
große transatlantische Bruder ihnen gewährt (der sich ja lt.
V. Pispers weniger für Menschen-
als für Schürfrechte interessiert) – den Hyänenanteil an der Löwenmahlzeit.

Anonym 19. November 2014 um 10:54  

ANMERKER MEINT:

Auf den Punkt gebracht, Roberto. Danke dafür. Und als "pathetische" Ergänzung: Nicht nur aller Lehren auch aller EHREN wert!

MEINT ANMERKER

Eulenspiegel 19. November 2014 um 12:57  

Eine schöne Zusammenfassung der Entwicklung zum 1. WK hin findet man im wikipedia-Artikel zur Biografie von Alfred von Tirpitz, Großadmiral der dt. Marine

http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_von_Tirpitz

"...Tirpitz glaubte, dass sein Flottenbauplan auch den Effekt haben würde, durch eine erfolgreiche Außenpolitik eine Parlamentarisierung und Demokratisierung des preußisch-deutschen Konstitutionalismus zu verhindern. Dabei sollten Industrielle, Agrarier und Militärs auf der Grundlage gemeinsamer Interessen zur Basis für die Politik des Reiches werden. Die Sammlung dieser „staatserhaltenden Kräfte“ sollte vor allem gegen die Bedrohung durch die Sozialdemokratie gerichtet sein. Es galt, den Arbeiter für ein wirtschaftlich und außenpolitisch erfolgreiches Kaisertum zu gewinnen, indem man an seine nationalen Gefühle appellierte, wobei sich die Krone selbst letztlich als der entscheidende Integrationsfaktor verstand. Daher vollzog sich auch die gleichzeitig mit dem Flottenbau einsetzende Wandlung zum persönlichen Regiment des Kaisers mit seinen bonapartistischen Zügen nicht zufällig. Wilhelm II., der um die Jahrhundertwende noch glaubte, die Sozialdemokratie sei nur eine vorübergehende Erscheinung, wurde spätestens durch das Wahlergebnis von 1903 belehrt, dass diese Annahme falsch war und die Strukturkrise des Reiches keinerlei Besserung erfahren hatte. Es wurde deutlich, dass Flottenpolitik und Kaisertum nie die breite Machtbasis erringen konnten, die sie anstrebten. ..."

Aldo 19. November 2014 um 15:30  

"Denn der Krieg war lediglich die Konsequenz. Dareinfahren und pathetisches Parodieren führten zu ihm. “
Das deutsche Reich stand ähnlich wie das Osmanische Reich oder die Zarenherrschaft In Russland vor dem Untergang. In Deutschland z.B. hatte die rapid einsetzende Industrialisierung auch eine gesellschaftliche Demokratisierung zur Folge, die sich vor allem in der Arbeiterbewegung zeigte.
Leider konnte der Ansatz von Rosa Luxemburg, nämlich den Massenstreik als politische Waffe gegen die Eliten des Kaiserreichs anzuwenden nicht realisiert werden.
Der politische Massenstreik oder Generalstreik wäre die einzige Waffe gewesen, mit denen sich die arbeitenden Massen gegen die kriegsvorbereitenden Maßnahmen zu Wehr hätten setzen können. Warum dies nicht geschah, ist noch immer eine Erörterung wert.
Fakt ist auf jeden Fall, dass die herrschende Klasse sich der ungeheuren Gefahr eines Massenstreiks wohl bewusst war,hatte doch die Arbeiterklasse 1920 den bisher einzigen erfolgreichen Massenstreik in ihrer Geschichte gegen einen rechtsgerichteten Putsch gegen die Weimarer Republik organisiert. In der Adenauer Republik wurde 1955 ein politischer Streik durch einen Gerichtsbeschluss untersagt.
Die Folgen kann man an dem letzten Streik der GdL vor zwei Wochen leicht erkennen.

Eulenspiegel 19. November 2014 um 18:55  

Ich habe das Gefühl, den Eliten geht es zu gut. Die sind der Meinung, dass ihre politische Macht proportional zum Vermögen wachsen müsse. Auf den Nachdenkseiten zum 18.11. oder 19.11 gab es in den Hinweisen einen Artikel, der beschreibt, dass in den USA die Spenden an Parteien stärker wachsen als die Vermögen der Spender. Da wollen Geldsäcke Politik machen und tun es auch.

Die Verhältnisse vor dem 1. WK bzw. vor der Machtergreifung Hitlers dürften ähnlich gewesen sein, zuviele reiche Säcke, die Macht und diese mit Krieg wollten. Und zuviele arme Schlucker, die mit dem nackten Überleben beschäftigt waren.
Und eine wenig gebildete, dafür aber um so martialischer auftretende Verwaltungs-kratie, die dem Säbelrasseln nichts entgegen zu setzen hatte.

Anonym 20. November 2014 um 19:52  

"Merkel klingt ein wenig wie Bülow, wenn sie die Zukunft der Ukraine plant. Gauck trägt keinen Zwirbelbart, man muss ihn sich hinzudenken. Steinmeier oder von der Leyen wollen die Welt bestimmt nicht in den Krieg tunken, aber sie fahren darein, wenn notwendig. Man darf diese Leute nicht so einseitig sehen. Mit dem Krieg gehen sie nicht hausieren. Sie wollen das Gute, oder sagen wir, damit es eher stimmt: sie wollen »etwas Gutes« - aber ihre Nebensätze klingen bedrohlich. Deutsche Weltpolitik bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man die volle Eskalation möchte. Bei dem Kriegsmaterial ja auch völliger Unfug."

Roberto, Ist das wirklich Dein voller Ernst ????
Wer so leichtfertig und durchschaubar mit dem Feuer spielt, immer wieder Öl hineingießt, lügt, dass sich die Balken biegen, provoziert und beleidigt, der ist weit weg davon, Etwas "Gutes" zu wollen. Ich hoffe, das war ironisch gemeint von Dir.
Wer den amerikanischen Verbrechern in Washington derart linientreu folgt, sich die Lügen und die Heuchelei zueigen macht, nimmt eine heiße, bewaffnete Konfrontation mehr als billigend in Kauf und ist selbst ein Verbrecher.
Merkel, Gauck, Steinmeyer, Von der Leyen und wie sie alle heißen gehören vor Gericht wegen fortwährenden Bruches des Grundgesetzes und in einem Schauprozess abgeurteilt !
Nein, Roberto, die wollen nichts Gutes, die sind keine Fehlgeleiteten. Sie handeln im Auftrag und WOLLEN den Krieg !
Ich kann´s nicht fassen...

Anton Chigurh

Eulenspiegel 25. November 2014 um 16:17  

@ Anton Chigurh

Merkel und Consorten wollen tatsächlich etwas "Gutes". Nur leider tun sie Böses, um dieses "Gute" zu erreichen, und dann ist dieses "Gute" noch nicht mal gut.
Der, der mal gesagt hat, am "deutschen Wesen soll die Welt genesen", der wollte auch etwas gutes, war aber leider sehr sehr fehlgeleitet in der Umsetzung.

Das ist ja grad das Problem: die Bösen halten sich für die Guten.



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