Der transzendente Mittelfinger

Samstag, 14. September 2013

Stinkefinger. Die Kanzlerin hat uns einen gezeigt. Erst neulich. Ich habe es beinahe ganz genau gesehen. Wir wollten Stellungnahme zu Prism und der NSA. Und sie zeigte uns lediglich den Mittelfinger.

Sie zeigt ihn nicht, sie tritt
wie einer auf.
Hast du den Steinbrück gesehen?, fragte mich gestern ein Kollege. Hat der doch tatsächlich in dieser Wahlarena einem Zuschauer nen Stinkefinger gezeigt. Er brachte was durcheinander. Ah ja?, fragte ich zurück. Wird der Empfänger schon gebraucht haben. Oder auch nicht. In der Stimme meines Kollegen schwang Entrüstung mit, konnte man die für ihn jetzt zur Selbstkenntnis gewordene Unwählbarkeit Steinbrücks nach diesem Fingerspiel heraushören. Das mache man nicht. Es sei nämlich unanständig. Dass er eigentlich dauernd einen Stinkefinger von der politischen Kaste gezeigt bekommt, scheint ihn nicht weiter zu tangieren. Merkel zeigt doch dauernd so einen Finger, sagte ich ihm. Also metaphorisch. Er fragte mich, was das jetzt mit griechischem Schnaps zu tun habe. Tja, auch er hat ein Wahlrecht.

Natürlich war es unanständig. Nicht der Stinkefinger. Die gesamte Collage. Es war unanständig, dass sich Steinbrück zum stümperhaften Marcel Marceau gemacht hat, zum pantomimischen Einfaltspinsel, der sein Image mit Abzügen wie aus einer Commedia dell'arte aufwerten wollte. Es kommt einer Unanständigkeit gleich, dass er glotzt, grinst, sich das Hemd aufreißt, posiert wie so ein kamerageiles Flittchen im RTL-Begleitheft von The Bachelor. Hat er das nötig? Oder genereller und entpersonalisiert gefragt: Hat man das heute als Politiker im Wahlkampf nötig? Muss man mit stummfilmischen Mimiken und Gestiken punkten? Ist das hip?

Das ist die Unanständigkeit einer Klatschpresse-Gesellschaft. Eine andere Unanständigkeit ist die, von der politischen Verantwortung dauernd den Stinkefinger gezeigt zu bekommen, ohne ihn hierbei eigentlich direkt zu sehen. Das ist beliebtes Verhalten von Politikern. Zuletzt bei Prism. Merkels Gestammel und Herausgerede war als Stinkefinger an all jene gerichtet, die sich Aufklärung erhofften. Diese Eigenart, dem Sujet so aus dem Wege zu gehen, das ist das ganz geschickte Ihr-könnt-mich-mal! politischer Verantwortung.

Nur über diese Unmengen an Stinkefinger, die man uns täglich zeigt, wenn man Erklärungen und Aufklärungen haben möchte, regt sich kaum jemand auf. Man glaubt nur an das, was man sieht. Und Steinbrücks Finger ist überdeutlich. Merkels Mittelfinger schwebt nur als immaterielle Botschaft im Raum. Ist sinnlich nicht wahrnehmbar, ist ausschließlich transzendent. Es ist, als sei sie selbst hierzu zu lethargisch, als sei sie zu phlegmatisch, um das Ding auszustrecken. Ihre Lehensmänner deuten diese Bewegungsmüdigkeit dann als gute Kinderstube. Das ändert aber nichts daran, dass sie wie Steinbrück seinen Namensverunglimpfern, die Bürger immer wieder mit ihrem Ihr-könnt-mich-mal! oder ihrem Fickt-euch-doch! konfrontiert.


5 Kommentare:

Anonym 14. September 2013 um 13:56  

...vielleicht sollte Steinbrück doch mal die Hosen runterlassen...und "ihn" auf den Tisch legen......

maguscarolus 14. September 2013 um 14:15  

...vielleicht sollte Steinbrück doch mal die Hosen runterlassen...und "ihn" auf den Tisch legen......

Oh Zeit! Oh Sitten! Und es würde doch nichts nützen. Allen politisch aufgeweckten Mitbürgern ist nur zu gut erinnerlich, dass Steinbrück erst vor kurzem einer von Merkels Deputies war. Nun hat er ja angekündigt, dass er für so eine Rolle nicht mehr zur Verfügung steht.

Politikerworte haben eine kurze Halbwertszeit!

Trenck 15. September 2013 um 01:20  

Ist es spätpubertär ... oder vielleicht früh? Einerleih ... sich darüber den Kopf zu zerbrechen, ist unnütze Mühsal.
Das einzig faszinierende ist sich mit diesen Schauspielern über Gebühr zu befassen ... zumindest für die Hofschranzen.

maguscarolus 15. September 2013 um 14:08  

Gießener Morgenpost:

O-Ton Wählerin:

„Ja wo kommen wir denn hin, wenn wir eine andere Partei als die CDU wählen würden, die womöglich unser schönes Bundesland abschaffen will oder sich zumindest nicht so offen zu Hessen bekennt, wie es die CDU tut“

Wohl der Demokratie, die solche Wähler hat. Sie braucht keine anderen Feinde mehr!

Gisela Weber 16. September 2013 um 11:29  

Was mich an dieser Angelegenheit aufregt, ist, dass die SPD so wenig Bescheid weiß über die Öffentlichkeitsarbeit der rechten Szene und eigentlich damit rechnen muss, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Die CDU darf das, wofür die SPD geprügelt wird. Dass die SPD immer wieder Angriffsfläche bietet und sich die Rolle des Prügelknaben aufdrücken lässt, ist das eigentliche Dilemma.

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