Klopfte der Papst an meine Türe...

Samstag, 24. September 2011

Es wäre ein Gebot der Höflichkeit, konnte man vor dem Besuch des römischen Bischofs lesen, einen Gast auch dann mit allem gebotenen Respekt zu begrüßen, wenn man mit ihm weltanschaulich nicht auf einer Augenhöhe flaniert. Dieser Imperativ richtete sich an die Adresse derer, die ankündigten, sie würden protestieren, wenn der Papst zugegen sei, richtete sich aber auch an jene, die vorab erklärten, sie würden dem Gast den Buckel zudrehen, wenn er spräche. Eine Schande sei es, einen Gast so ungastlich zu behandeln, war die Quintessenz solcher Losungen.

Mir leuchtet diese Argumentation kaum ein, denn der Papst besucht nicht mich. Er kommt nach Deutschland - ich bin aber nicht Deutschland und Deutschland sind nicht meine vier Wände. Anders gesagt, ich fühle mich nicht als Gastgeber, nicht als Hausherr, der jemanden gastlich zu behandeln hätte. Nur einige Quadratmeter dieses Landes stehen auf meinen Namen - dort bin ich Herr, da kann ich Gäste bewirten. Sonst nirgends! Der geforderte Imperativ hinkt gewaltig, weil er uns weismachen will, wir seien alle Gastgeber, seien damit Herren in diesem Land, hätten damit eine Art Verpflichtung gegenüber Gästen. Ich wohne aber nicht in Deutschland, ich wohne dort, wo das hiesige Impressum es darlegt - doch käme der Mann hierher, ich würde ihn behandeln, wie man jemanden als Gast behandelt. Dann ja!

Würde er um Eintritt bitten, ich würde ihn freundlich hineinlassen. Nicht, dass ich sagte, Herr, ich bin nicht würdig, dass du einkehrst unter mein Dach... Kommen Sie rein, Herr Ratzinger, auch Sie sind würdig, hier einzukehren, würde ich ihm schon eher, ironisch und konziliant synchron, entgegenrufen. Er käme in ein gottloses Haus, das müsste er wissen - bei Gott, ich bin gottlos! Er dürfte mein Klo benutzen, an meinem Tisch sitzen, von meinem koffeinhaltigen Gesöff schlürfen, auch Kaffee kochte ich ihm.
Ich nennte ihn Herr Ratzinger, weil das sein Name ist. Mit Künstlernamen rufe ich jemanden nur, wenn ich seinen bürgerlichen Namen nicht kenne. Würde ihm erklären, dass jeder, ja auch er, das Recht hat, freundlich behandelt zu werden, wenn er an eine Türe klopft. Dazu muß man kein Christ sein, nur Mensch - das reicht gemeinhin. Ob wir auch über Gästepflichten quatschen würden? Pflichten wie, seinen Gastgeber nicht zu brüskieren, ihn wortwörtlich ins Gebet zu nehmen, ihn mit seinen Glaubensgeboten zu konfrontieren? Nun glaube ich jedoch sogar, dass der ehemalige Großinquisitor das gar nicht planen würde, wenn er an meinem Tisch hockte. So ist er nicht gestrickt. Und Benimm dürfte er auch mal gelernt haben. Bauerntrampel können zwar das Amt bayerischer Ministerpräsidenten bekleiden, vermutlich aber nicht Papst werden. Er würde mich nicht mit Gott behelligen, denke ich mir. Denn das Missionieren läßt er anderen - er selbst lächelt nur.
Ich kniete mich nicht hin, küsste nicht seinen Ring. Wer weiß, wann er den zuletzt geputzt hat. Er bekäme Speis und Trank, ich würde mich mit ihm unterhalten, kein Blatt vor den Mund nehmen, ihm dabei aber nicht die Ehre aberkennen. Ehrlich und offen bleiben, nicht zu diplomatisch schönreden - Scheiße bleibt letztlich Scheiße, wenn man auch andere Worte dafür kennt.
Kurz, ich wäre vorzüglich freundlich im Rahmen dessen, was eine bodenständige Gastfreundschaft beinhaltet. Eine Frage des Respekts wäre dies. Aber nur, wenn er unter mein Dach kommt - nicht unter den Himmel dieses Landes, in dem ich lebe. Im öffentlichen Raum trifft für Herrn Ratzinger und für mich das alles nicht mehr zu. Ich muß nicht gastfreundlich auf das seelische Wohl und die geistigen Befindlichkeiten dieses betagten Senioren achten - und er darf freiweg von Gott salbadern wie er will. Im öffentlichen Raum sind Gastgeberrechte und -pflichten, Gästerechte und -pflichten uneingeschränkt aufgehoben. Im öffentlichen Raum bin ich kein Hausherr mehr, ist keiner von uns Hausherr - was natürlich heute viele anders glauben, wenn sie sich als Hausherren aufführen, weil sie wieder mal einem Ausländer deutlich machen wollen, dass seine Tage als Gast nun endlich passé seien.

Ich wäre höflich, wie mein Vater, wie meine Mutter es mich gelehrt haben. Gäbe die Hand, grüßte, führte Konversation, sorgte für das leibliche Wohl, stieß ihm nicht sonderlich vor den Kopf. Doch all das, so male ich mir weiter aus, würde nicht ausreichen und nicht gebührend respektiert. Der gute Gastgeber, der ich mir vornehme zu sein, er würde in den Zeitungen als respektloser Heide, als Schande für dieses Land, herhalten müssen. Mit dem bürgerlichen Namen sprach er den Heiligen Vater an, würden sie empört schreiben - wer sollte mich denn verteidigen? Protestanten etwa? Eben sah ich im Fernsehen einen evangelischen Theologen, der ernstlich begründete, den Papst als Heiligen Vater anzusprechen, um nicht gegen das Protokoll zu verstoßen. Und dass, obgleich die Heiligen Väter heute gar keine Väter mehr sind! Ein absonderlicher Gast, der seinen vermeintlichen Gastgebern vorab postalisch Protokolle zukommen läßt. Keinen Respekt gäbe es mehr in diesem Lande, würde man lesen. Und dieser dickliche Linke, der den Pontifex so unstandesgemäß bei sich einkehren ließ, der gehört eigentlich bestraft - bestraft, weil er das nationale Ansehen beschmutzt hatte. Innenminister Friedrich würde mich dann wahrscheinlich auch bald besuchen kommen - auch diesen Sonderling, der mir im öffentlichen Raum unsympathisch ist, würde ich respektvoll begrüßen, klopfte er bei mir an. Auch für so einen gibt es unter meinem Dach ein Recht auf ein Glas Cola. Nunja, der würde ja nicht selbst kommen, nicht selbst klopfen, sondern kommen, klopfen lassen.

Ich nehme den Aufruf zu mehr Höflichkeit sehr ernst. Es beschäftigt mich, dass man Menschen, die links denken, links fühlen, links zu sein meinen, für so schnodderig unfreundlich hält. Ein Vorschlag zur Güte. Nehmt ihn ernst! Schickt mir den Papst vorbei, ich will das Gegenteil beweisen. Ich will dem Land zeigen, dass auch ein Linker mit diesem Senioren an einem Tisch sitzen, mit ihm gastfreundlich sein kann. Auf die gebotene Art und Weise, nicht devot, nicht katzbuckelnd, sondern als aufrechter Mensch zu aufrechtem Mensch. Schickt ihn einfach her! Ich grüßte ihm noch auf dem Treppenabsatz, höbe die Hand, Hallo, Herr Ratzinger! Mensch, schön, dass Sie es einrichten konnten... Sind Ihre Schuhsohlen dreckig? Ich habe Hausschuhe für Sie vorbereitet... natürlich dürfen Sie das Klo benutzen, wundern Sie sich aber nicht, es riecht etwas, gerade hat die Katze ins auf der Toilette befindliche Katzenklo geschissen... aber einerlei, mein Klo ist Ihr Klo... Den Gast als so normal zu erachten, dass man mit ihm offen spricht, wie man in der Familie, unter Freunden spricht: das ist Gastfreundschaft. Schickt ihn her, damit der Mann sieht: auch in Deutschland gibt es aufrichtige, nicht nur inszenierte Gastfreundschaft!



10 Kommentare:

Fleur 24. September 2011 um 09:43  

Schön mal etwas auf Verstandesebene darüber zu lesen, nicht nur auf sentimentaler.

Viele schöne Gedanken. Habe vorher noch nie darüber nachgedacht, aber ja, für viele Menschen scheint es keinen Unterschied zu geben zwischen öffentlichem Raum und dem eigenen zu Hause, in der Wahrnehmung jedenfalls. Das ist wohl ein generelles Problem, das sich nun wieder zeigt.

Berggeist1963 24. September 2011 um 09:44  

Volle Zustimmung zu diesem Artikel!
Aber es ist ja nicht allein Herr Ratzinger, gegenüber dem von der Gesamtheit der Einwohner dieses von uns - und dazu auch noch eher rein zufällig - bewohnten kleinen Teilstücks der Landmasse des Planeten Erde uneingeschränkt "Gastfreundschaft" eingefordert wird. Man erinnere sich bloss an Slogans wie "Die Welt zu Gast bei Freunden" anno 2006. Ich jedenfalls kannte keinen einzigen Stadionbesucher, Spieler/Trainer/Mannschaftsarzt, Schieds- oder Linienrichter, Verbandsfunktionär, usw. - egal welcher Nationalität - persönlich. Halt, eine Ausnahme ist ein DFB-Kicker, weil jener welcher aus meinem kleinen Heimatort in der tiefsten und stockdunklen Provinz stammt. Wie dem auch sei, ich für meinen Teil hätte erhebliche Probleme damit gehabt, die Massen dieser mir "von oben" aufgezwungenen Gäste bzw. "Freunde" in meine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung einlassen geschweige denn auch noch bewirten zu können.

Gut, den Papst als Einzelperson (soweit mir bekannt ist er ja Single) würde ich natürlich in meiner Butze unterkriegen. Und so ein Gespräch mit ihm stelle ich mir auch recht interessant vor. Ich bin zwar auch nicht "gottgläubig", ganz bibelfest sowieso nicht und mit Kirche (egal welchen "Bekenntnisses") kann ich ebenfalls nur recht wenig bis gar nichts anfangen. Trotzdem sagen mir die eine oder andere Aussage der ursprünglichen christlichen Lehre durchaus zu.
Auf die Auslegungen des Herrn Ratzinger hinsichtlich ihm in gastfreundlichem Ton dargebotener Sätze wie "Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden", "Selig sind die Barmherzigen", "Richtet nicht, auf das nicht ihr gerichtet werdet" und ähnliches wäre ich wirklich enorm gespannt. Aber ob er einem Ungläubigen, der dazu vormals zu allem Übel auch noch evangelisch-lutherisch getauft wurde, überhaupt zuhören geschweige denn antworten würde, wäre sowieso äusserst fraglich. Aber dennoch gilt auch bei mir für ausnahmslos jeden Menschen (selbst für die "Zeugen Jehovas" - mit ihnen zu diskutieren macht meist richtig viel Freude!): "Klopfet an, so wird euch aufgetan!"

Anonym 24. September 2011 um 10:39  

Das ist mir auch aufgefallen, wie devot evangelische Würdenträger der Konkurrenz begegnet sind. Auch Frau Katrin Göring-Eckardt von den Grünen hatte ein erleuchtetes Dauergrinsen und wich dem „Stellvertreter Gottes“ nicht von der Seite (Wüßte man es nicht besser, könnte man meinen, sie sei sein Groupie). Es zeigt doch, wie neidisch Protestanten sind und sich von dem Klimbim beeindrucken lassen.

Anonym 24. September 2011 um 11:54  

Die haben einfach mehr Lametta, die Katholischen.
- Jeeves (nicht kath.)

klaus baum 24. September 2011 um 11:55  

Ich fände es verblüffend, griffe jemand, der den Ring küssen soll, zuvörderst in die Jackett-Tasche, holte ein Sprühfläschchen heraus mit Desinfektionsmittel und besprühte den Ring.

HMxxx 25. September 2011 um 09:22  

Sehr guter Artikel!

Beim lesen fiel mir sofort ein Lied von Reinhard Mey zu dem Thema ein, "Ich glaube nicht".

http://www.youtube.com/watch?v=b7-hXNIyi5A

Michael 25. September 2011 um 09:32  

Vorsicht mit Vorschlägen: Wenn er zu Dir käme, müßtest Du auch entsprechende Kosten übernehmen... Vielleicht könntest Du allerdings die Nachbarschaft an die Kosten beteiligen. Wenn das gelänge, dann könntest Du natürlich unbeschwerter über Tod und Teufel reden. Und - warum nicht? - ihn auch im nächsten Jahr mal einladen...

Granado 25. September 2011 um 13:30  

Als der Schah 1967 nach Berlin kam, forderten auch nicht nur Leserbriefe in der Springerpresse, man müsse ihn doch freundlich begrüßen und dürfte nicht unhöflicherweise protestieren.

Anton Chigurh 26. September 2011 um 11:42  

Nicht wissend, was da für ein Schwätzer vor der Türe steht, würde ich vielleicht ebenfalls so handeln und ihn hereinlassen. Würde er seinen Schnabel aufmachen und blubberte auf seine debil-einschläfernde Weise seine Phantastereien und Märcheneinheiten heraus, zögen sich meine Augenbrauen zusammen und meine Stirn legte sich in Falten. Noch würde ich ihm nicht den Weg zur Tür weisen, noch nicht.
Würde er aber dann weiter herumschwatzen und vor der bösen bösen Welt warnen, in der er und sein Einfluss ein nicht unerheblichen Teil darstellt, würde mein Blutdruck und meine Ungeduld in ungesunde Maßen steigen. Würde er mir dann auch noch "Gott" als einzigen Ausweg empfehlen, täte ich ihn am Kragen aus dem Haus und in hohem Bogen durch meinen Vorgarten kicken. Heuchlerisches Geschwafel dieser Güteklasse (wie Ratzi es schon seit Tagen hier abgeschwurbelt hat), lassen mich den Begriff "Heiliger Stuhl" in ganz verständlichem Lichte betrachten.
Nun - auch zu mir kommt der Zausel nicht, aber es ist schon unglaublich, wie viele (sonst klar denkende) Menschen an den Lippen dieses gefährlichen Scharlatans hängen...

Anonym 27. September 2011 um 08:53  

Anton Chigurh, was macht diesen Scharlatan denn so gefährlich?

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