Ein Beitrag zum Unglück der Welt
Freitag, 14. Oktober 2016
Quelle: Jule Rouard - Luc Viatour |
Unangemessene Sprache. Wenn mich jemand fragen würde, woran es so richtig hapert heutzutage, dann würde ich sagen, es hapert unter anderem an der Sprache. Daran, dass sie zuweilen so unangemessen benutzt wird. Mich fragt aber keiner, deswegen schreibe ich es hier. Über die unangemessene Sprache rechts drüben müssen wir nicht diskutieren. Dahinter ist alles unangemessen. Das Weltbild, die Absicht, die Umsetzungsvorhaben. Da ist Sprache nur die akustische Syntax, eine verbale Fotographie. Sie ist insofern nicht unangemessen, sondern dem gesamten Agens angemessen. Ich meine die unangemessene Sprache bei Dingen, hinter denen eine gute Absicht steht. Was mir dabei beispielsweise immer wieder begegnet, das ist das Konzentrationslager, das Hartz IV angeblich ist. Bei aller Symapathie mit denen, die Hartz IV den Kampf angesagt haben, aber das ist unangemessen. Und das sage ich nicht aufgrund moralischer Bedenken. Sondern aus praktischer.
Natürlich verbittert es einen, wenn er in Hartz IV steckt. Ich habe das ja selbst lange genug erlebt. Die Welt in Hartz IV sieht anders aus als draußen. Und wer am Arbeitsmarkt einen windigen Job ohne Rechte innehat, der strahlt auch nicht vor Freude, kommt sich vor wie ein Sklave. Das ist auch so ein unangemessener Terminus, der mit oft begegnet. Also dass wir alle Sklaven seien. Es ist nicht so, dass ich diese sprachlichen Unangemessenheiten nicht auch schon verwendet hätte. Ich habe sie ja sogar niedergeschrieben. Wenn der Arbeitsvermittler zweimal klingelt, dann entsteht schon ein wenig das Gefühl, dass man da interniert ist, von einem Schergen mit verstecktem Totenschädel auf der Kappe drangsaliert wird. Es ist ja auch Unrecht, was da geschieht. Aber nicht jedes Unrecht ist gleich das Unrecht, dass sich seinerzeit ereignete. Da müsste man differenzieren. Was schwer ist, wenn man in der Abwärtsspirale dieses Systems steckt.
Ich hege da nun keine Bedenken, weil der Vergleich mit dem Konzentrationslager vielleicht den Holocaust verhöhnt oder sogar entwertet. Vergleiche sind völlig in Ordnung. Was mich daran stört ist nicht die Moral. Die kommt eh erst nach dem Fressen. Was stört, das ist, dass solche Vergleiche unpraktisch sind. Ja, dass sie hemmend und kontraproduktiv wirken. Sie stossen Menschen, die außenstehend sind und die vielleicht ein wenig Verständnis erübrigen könnten, ab. Wahrscheinlich auch nicht, weil sie Moralisten sind. Sondern weil eine Aussage, wie jene, man würde in ein Konzentrationslager Gesteckter sein, irgendwie dramatisch und auch übertrieben wirken. Oh, nein, für einen, der das erlebt, ist das nicht übertrieben. Für Betrachter aber unter Umständen schon. Es irritiert sie. Sie ahnen eventuell schon, dass Hartz IV ein schweres Los mit viel kalkulierter Ungerechtigkeit ist, dass das Gerede von fehlender Leistungsbereitschaft und Faulheit nicht stimmt. (Mittlerweile haben das viele Menschen kapiert.) Aber die dramatische Einschätzung, ja, die dramatistische Einschätzung überhaupt, die halten sie nicht für deckungsgleich und für überzogen.
Auch so mit der sklavischen Einschätzung, die ich oben schon angerissen habe. Niedriglöhnern und geringfügig Beschäftigten mangelt es in der Praxis sehr häufig an gleicher Behandlung, an Rechten und Standards. Man enthält ihnen bezahlten Urlaub vor oder verlangt ihnen die totale Mobilmachung ab, das heißt: Flexibilität und Mobilität. Das mit der totalen Mobilmachung, das finde ich als Begriff angemessener. Den Sklaven aber nicht. In diesem Falle ebenfalls nicht, weil man damit richtige Sklaven in Indien oder wer weiß wo verspotten würde, sondern aus einem anderen Grund. Denn der Sklave als Einschätzung der (eigenen) Lage verurteilt zur Tatenlosigkeit, zeigt einen ungesunden Fatalismus an. Nun, ich gestehe, auch ich habe das schon behauptet. Heute würde ich das nicht mehr so handhaben. Nicht mehr so schreiben. Umgangssprachlich ist das wieder was anderes. Wenn ich jemanden von meiner Lage auf Arbeit berichte und eröffne ihm, dass ich Sklave sei, dann guckt er doch bloß irritiert und hält mit für jemanden, der unsachlich ist, der sich in Polemik übt.
So jedenfalls habe ich es sehr oft erlebt, wenn ich über skandalöse Gegebenheiten mit Ungestüm und Leidenschaft sprach. So ködert man die Leute nicht für seine Sache. Wenn heute Plattformen wider Hartz IV mit Lagervergleichen kommen - und das kommt in den Weiten des Netzes vor -, dann trauere ich der vergebenen Möglichkeit nach, doch jemanden damit erreichen zu können. Je dramatischer die Beschreibung, so meine Erfahrung, desto eher winken die Leute ab und sagen: Unsachlich, kann man nicht glauben, so schlimm wird es schon nicht sein. Und so schlimm ist es ja auch nicht. Ein Konzentrationslager bedeutete ja auch Fetzen am Leib, kaum Essen, Schläge, Vernichtung durch Arbeit. Das passt mit Hartz IV nun nicht ganz zusammen.
»Wer die Dinge beim falschen Namen nennt«, so glaubte Albert Camus, »trägt zum Unglück der Welt bei.« Das Zitat liest man gelegentlich, wenn Mächtige die offizielle Sprache euphemisieren. Wenn sie zum Beispiel von Kollateralschäden sprechen und damit verschleiern, dass es um tote Familienväter, -mütter, Kinder, Großeltern geht. Wer sprachlich nicht erfasst, was geschieht, der macht in Sachen Unglück. Aber der Spruch ist auch treffend für all jene, die als Betroffene unangemessene Sprache einsetzen. Wer die Dinge beim falschen Namen nennt oder sagen wir es so: Wer die Dinge mit den falschen Namen vergleicht, der trägt zum eigenen Unglück und zum Unglück seiner Weggenossen bei.
Vor einiger Zeit hat Slavoj Zizek das Phänomen Pokémon-Go philosophisch erfassen wollen. In seinem Aufsatz verglich er, vereinfacht gesagt, die Jäger solcher Pokémons mit den Häschern, die die Juden verfolgten. Er fand das vielleicht originell und hat da Übereinstimmungen gesehen. Aber nicht jede Hasenjagd ist eine Shoa. Das war wieder mal so eine vergebene Chance. Die rationaleren Leute winkten ab und hießen ihn einen Spinner, der übertreibt. Die anderen verglichen ihn mit einem Nazi und waren auch nicht besser als der Verfasser der Pokémon-Kritik. Wer nicht angemessen spricht, der disqualifiziert sich. Wenn das ein Philosoph tut, scheißegal, sein nächster Text kommt bestimmt. Wenn es die Ärmsten der Gesellschaft tun - wieviele Chancen haben sie, um zu sensibilisieren und Verständnis zu erlangen?
Auch wenn es schwer ist, mit sachlicher, nüchterner und nicht zu emotionalisierender Sprache erreicht man die Menschen leichter. Was nicht heißt, dass es dann ein Leichtes würde, die Situation zu verändern. Das wäre mein Ratschlag. Eine Sprachwahl der Unangemessenheit jedenfalls, die ist ein bisschen wie ein Konzentrationslager, in das man sich steckt. Trefflicher wäre aber der Vergleich mit der Isolationshaft.
Natürlich verbittert es einen, wenn er in Hartz IV steckt. Ich habe das ja selbst lange genug erlebt. Die Welt in Hartz IV sieht anders aus als draußen. Und wer am Arbeitsmarkt einen windigen Job ohne Rechte innehat, der strahlt auch nicht vor Freude, kommt sich vor wie ein Sklave. Das ist auch so ein unangemessener Terminus, der mit oft begegnet. Also dass wir alle Sklaven seien. Es ist nicht so, dass ich diese sprachlichen Unangemessenheiten nicht auch schon verwendet hätte. Ich habe sie ja sogar niedergeschrieben. Wenn der Arbeitsvermittler zweimal klingelt, dann entsteht schon ein wenig das Gefühl, dass man da interniert ist, von einem Schergen mit verstecktem Totenschädel auf der Kappe drangsaliert wird. Es ist ja auch Unrecht, was da geschieht. Aber nicht jedes Unrecht ist gleich das Unrecht, dass sich seinerzeit ereignete. Da müsste man differenzieren. Was schwer ist, wenn man in der Abwärtsspirale dieses Systems steckt.
Ich hege da nun keine Bedenken, weil der Vergleich mit dem Konzentrationslager vielleicht den Holocaust verhöhnt oder sogar entwertet. Vergleiche sind völlig in Ordnung. Was mich daran stört ist nicht die Moral. Die kommt eh erst nach dem Fressen. Was stört, das ist, dass solche Vergleiche unpraktisch sind. Ja, dass sie hemmend und kontraproduktiv wirken. Sie stossen Menschen, die außenstehend sind und die vielleicht ein wenig Verständnis erübrigen könnten, ab. Wahrscheinlich auch nicht, weil sie Moralisten sind. Sondern weil eine Aussage, wie jene, man würde in ein Konzentrationslager Gesteckter sein, irgendwie dramatisch und auch übertrieben wirken. Oh, nein, für einen, der das erlebt, ist das nicht übertrieben. Für Betrachter aber unter Umständen schon. Es irritiert sie. Sie ahnen eventuell schon, dass Hartz IV ein schweres Los mit viel kalkulierter Ungerechtigkeit ist, dass das Gerede von fehlender Leistungsbereitschaft und Faulheit nicht stimmt. (Mittlerweile haben das viele Menschen kapiert.) Aber die dramatische Einschätzung, ja, die dramatistische Einschätzung überhaupt, die halten sie nicht für deckungsgleich und für überzogen.
Auch so mit der sklavischen Einschätzung, die ich oben schon angerissen habe. Niedriglöhnern und geringfügig Beschäftigten mangelt es in der Praxis sehr häufig an gleicher Behandlung, an Rechten und Standards. Man enthält ihnen bezahlten Urlaub vor oder verlangt ihnen die totale Mobilmachung ab, das heißt: Flexibilität und Mobilität. Das mit der totalen Mobilmachung, das finde ich als Begriff angemessener. Den Sklaven aber nicht. In diesem Falle ebenfalls nicht, weil man damit richtige Sklaven in Indien oder wer weiß wo verspotten würde, sondern aus einem anderen Grund. Denn der Sklave als Einschätzung der (eigenen) Lage verurteilt zur Tatenlosigkeit, zeigt einen ungesunden Fatalismus an. Nun, ich gestehe, auch ich habe das schon behauptet. Heute würde ich das nicht mehr so handhaben. Nicht mehr so schreiben. Umgangssprachlich ist das wieder was anderes. Wenn ich jemanden von meiner Lage auf Arbeit berichte und eröffne ihm, dass ich Sklave sei, dann guckt er doch bloß irritiert und hält mit für jemanden, der unsachlich ist, der sich in Polemik übt.
So jedenfalls habe ich es sehr oft erlebt, wenn ich über skandalöse Gegebenheiten mit Ungestüm und Leidenschaft sprach. So ködert man die Leute nicht für seine Sache. Wenn heute Plattformen wider Hartz IV mit Lagervergleichen kommen - und das kommt in den Weiten des Netzes vor -, dann trauere ich der vergebenen Möglichkeit nach, doch jemanden damit erreichen zu können. Je dramatischer die Beschreibung, so meine Erfahrung, desto eher winken die Leute ab und sagen: Unsachlich, kann man nicht glauben, so schlimm wird es schon nicht sein. Und so schlimm ist es ja auch nicht. Ein Konzentrationslager bedeutete ja auch Fetzen am Leib, kaum Essen, Schläge, Vernichtung durch Arbeit. Das passt mit Hartz IV nun nicht ganz zusammen.
»Wer die Dinge beim falschen Namen nennt«, so glaubte Albert Camus, »trägt zum Unglück der Welt bei.« Das Zitat liest man gelegentlich, wenn Mächtige die offizielle Sprache euphemisieren. Wenn sie zum Beispiel von Kollateralschäden sprechen und damit verschleiern, dass es um tote Familienväter, -mütter, Kinder, Großeltern geht. Wer sprachlich nicht erfasst, was geschieht, der macht in Sachen Unglück. Aber der Spruch ist auch treffend für all jene, die als Betroffene unangemessene Sprache einsetzen. Wer die Dinge beim falschen Namen nennt oder sagen wir es so: Wer die Dinge mit den falschen Namen vergleicht, der trägt zum eigenen Unglück und zum Unglück seiner Weggenossen bei.
Vor einiger Zeit hat Slavoj Zizek das Phänomen Pokémon-Go philosophisch erfassen wollen. In seinem Aufsatz verglich er, vereinfacht gesagt, die Jäger solcher Pokémons mit den Häschern, die die Juden verfolgten. Er fand das vielleicht originell und hat da Übereinstimmungen gesehen. Aber nicht jede Hasenjagd ist eine Shoa. Das war wieder mal so eine vergebene Chance. Die rationaleren Leute winkten ab und hießen ihn einen Spinner, der übertreibt. Die anderen verglichen ihn mit einem Nazi und waren auch nicht besser als der Verfasser der Pokémon-Kritik. Wer nicht angemessen spricht, der disqualifiziert sich. Wenn das ein Philosoph tut, scheißegal, sein nächster Text kommt bestimmt. Wenn es die Ärmsten der Gesellschaft tun - wieviele Chancen haben sie, um zu sensibilisieren und Verständnis zu erlangen?
Auch wenn es schwer ist, mit sachlicher, nüchterner und nicht zu emotionalisierender Sprache erreicht man die Menschen leichter. Was nicht heißt, dass es dann ein Leichtes würde, die Situation zu verändern. Das wäre mein Ratschlag. Eine Sprachwahl der Unangemessenheit jedenfalls, die ist ein bisschen wie ein Konzentrationslager, in das man sich steckt. Trefflicher wäre aber der Vergleich mit der Isolationshaft.
11 Kommentare:
weniger wäre mehr gewesen
Da muss ich dem "Anonym" zustimmen: Weniger wäre mehr gewesen.
Obwohl: keine leichte Aufgabe. Das Schreiben guter Texte ist nun mal harte Arbeit.
Die KZ-Vergleich-Keule herauszuholen ist jedenfalls nun wirklich nicht anzuraten. Es ist schlicht und einfach unangemessen. Selbst dann, wenn man zu dem Schluss käme, dass so mancher Hartz-IV-Sachbearbeiter gewisse Ähnlichkeiten mit dem Profil eines Lager-Capos aufzuweisen hat. Der Büttel eines Systems, dem selbiges Macht über noch Schwächere verliehen hat.
Sagen wir mal so: Hartz IV und Niedriglohn sind nicht KZ, aber ein wesentlicher
Baustein zur Leibeigenschaft 2.0 – passend zum Kapitalfeudalismus …
Die Fixierung des Faschismusbegriffs auf Auschwitz würde alles aussperren aus unserem Denken und Analysieren, was gestern zu Auschwitz geführt hat und morgen eventuell wieder zu Auschwitz führen könnte. Auch wenn es aberwitzig klingen mag: Wer Auschwitz verhindern will, muss selbst das Scheinbar-noch-ganz-Harmlose auf seine kausal-konditionale Qualitäten hin untersuchen, die in einem neuen Auschwitz enden könnten. Die Überprüfung und Einschätzung von “Bagatellen” gehören also ganz ausdrücklich mit zu diesem Forschungs- und Verhinderungsprogramm. Und wir werden auszuhalten haben, dass damit Auschwitz auch zurückgeholt wird aus dem Dämonisierungsabstand und uns als niemals ganz auszuschließende Möglichkeit der Geschichte wieder ganz naherückt. Es gibt keinen legitimen Sicherheitsabstand zu “Auschwitz”. Folglich dürfen wir auch den Begriff “Faschismus” nicht scheuen, da wir ansonsten in der Gefahr stehen, den Blick auf die Wirklichkeit zu scheuen. Pauschalabwehr besitzt keinen Rechtfertigungsgrund. Und geben wir bitte nicht als Stilkritik aus, was in Wahrheit nur Realitätsflucht wäre! Dabei hat natürlich als Selbstverständlichkeit zu gelten, dass der Begriff „Faschismus“ niemals als bloße Totschlags- und Etikettierungsvokabel missbraucht werden darf, sondern stets nur als Resultat sorgfältig-differenzierender Analyse Geltung für sich beanspruchen kann.
„Das Böse“, sagte der ehemalige Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, einmal, „braucht das Schweigen der Mehrheit.“ Auch das verbale Wegbeschönigen von heutigen Faschismusvorzeichen käme einem bösartigen Verschweigen gleich.
Um die Brisanz der Drohkulisse, die von den Jobcentern gefahren wird, noch einmal vor Augen zu führen, zeige ich Ihnen die Auswirkungen von Sanktionen und Sanktionsandrohungen auf die physische Lage der Betroffenen in signifikanten und zahllosen Fallbeispielen nach.(Vgl. z .B. u.a. Ames 2009, S.43; S.1611; Berliner Kampagne 2008, S.47; S.57; S.63; Griesmeier 2009, S.19ff; Daseking 2009, S.57).
Die Folgen reichen von Schlafstörungen, Depressionen bis hin zu massiven Schuldgefühlen, die bei vielen Betroffenen schlimmer empfunden werden als "Hunger" (Ames 2009, S.43 f.). Sanktionen im Zusammenwirken mit weiteren ungünstigen Situationskonstellationen führen meist zu schwerwiegenden psychosomatischen Erkrankungen.
Die Berliner Kampagne stellt in ihrer Analyse fest: "Die Auswirkungen des Fehlens von gesellschaftlicher Erwerbsarbeit auf die Befindlichkeit des Einzelnen sind gravierend. Diese Belastungen werden noch verstärkt, wenn die Menschen ständiger Sanktionsgefahr ausgesetzt sind:
Minderwertigkeitsgefühle, Depressionen, Zwänge, Suchtverhalten, soziale Ängste, psychosomatische Erkrankungen" (vgl. Daseking 2008, S. 57). Alle Studien, die sich mit Sanktionen auseinandersetzen, weisen zumeist auf die hohe psychische Belastung hin. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da wie schon beschrieben, bereits die Möglichkeit dass Sanktionen ausgesprochen werden können eine disziplinierende Drohkulisse darstellt.
Es sei an dieser Stelle auch auf die internationale Definition von Gesundheit der
Weltgesundheitsorganisation (Word Healt Organisation, WHO5) hingewiesen. Gesundheit wird definiert als "ein Zustand vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, der sich nichtlediglich durch die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung auszeichnet".Beim Vergleich der Studien über den Sanktionsmechanismus sind häufig die Begriffe wie "Angst" verwendet worden(Existenzangst, Angst vor Verlust der Wohnung, Angst nicht zu wissen, wie man an Nahrungsmittel kommt, Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit sowie Ohnmachtsgefühle). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die negativen Auswirkungen von Sanktionen auf die psychische Gesundheit von Betroffenen in den unterschiedlichen Studien klar belegt sind. Im Extremfall führen sie zu Suizidversuchen.
Das Vorbild für Hartz 4 sind die Arbeitshäuser des liberalen Kapitalismus im England des 19.Jhrdts. Siehe dazu das Einleitungskapitel von Tony Judds herausragendem "Das vergessene 20.Jahrhundert", in dem er sich mit den ökonomischen Hintergründen der neoliberalen Ideologie beschäftigt.
Hartz IV zB mit Konzentrationslagern zu vergleichen ist natürlich unangemessen.Allein schon deshalb,weil die betroffenen Menschen heute nicht WIRKLICH eingesperrt sind.Auf der anderen Seite wird man schon von der Gesellschaft ausgestoßen und schikaniert,so nach dem Motto "Müll,weg damit".Der Unterschied ist,dass man heute nicht wirklich eingesperrt ist...
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-familie-muss-aus-eigenheim-ausziehen-gericht-a-1116330.html#ref=recom-veeseo
Noch ein Beitrag zum Unglück der Welt.
Familie mit 4 Kindern hat bescheidenes 144qm-Eigenheim und ist auf Hartz IV.
3 Kinder ziehen aus.
Als Folge dessen muss das Haus verkauft werden, weil 144qm zu groß sind für 2 Eltern und 1 Kind, nur 110qm wären angemessen.
Das ist doch wirklich das allerletzte. Da spart eine Familie mit 4 Ki jahrelang auf ein kleines Häuschen und dann ist das mit HartzIV alles weg. Was passiert, wenn 1 Ki arbeitslos wird? Dann zieht das Ki wider zu den Eltern, wenn die noch ein Haus haben und das Amt würde Miete sparen. Jetzt kann das Ki nicht mehr zu den Eltern ziehen und das Amt zahlt Miete.
Tja, dann wird sich die Unterschicht, die das größte HartzIV-Risiko hat, in Zukunft eben kein Eigenheim mehr zulegen. Das ist eine Katastrophe. Denn gerade die unteren 60% haben beim Eigenheim i.d.R. viel Eigenleistung investiert. Und jetzt wird ihnen gesagt, dass das dann einfach alles weg sein wird.
Ach ja, und die Erben von Milliardenvermögen werden übrigens geschont.
HartzIV ist wie KZ, nur ohne Zäune.
Psychologisch gesehen ließe sich KZ und HartzIV durchaus vergleichen, denn man muss sich mal überlegen, was in einem Menschen vorgeht, der im KZ bzw. in HartzIV steckt.
KZ: keine Hoffnung, arbeite bis du tot umfällst, keine Möglichkeit, sich etwas aufzubauen/anzusparen, keine Freuden, keine Möglichkeit, irgendwelchen Interessen nachzugehen, keine Möglichkeit Freunden oder Familie zu helfen, kein Urlaub, Stress und Fertiggemacht werden, keine Möglichkeit, da wieder raus zu kommen ...
Da gibt es schon gewisse Ähnlichkeiten und Parallelen, wenn man es psychologisch sieht, nur dass die KZs doch noch eine Stufe schlimmer waren.
Natürlich sind KZs Teile eines geplanten Genozids innerhalb einer rassistischen, faschistischen Ideologie von größenwahnsinnigen und wahnsinnigen, kriminellen Massenmördern gewesen, ob man das schon bei HartzIV sagen kann, weiß ich nicht.
Ich sollte das vielleicht nochmal erklären, was in meinen vorherigen Kommentaren stand:
Rechtliche Regelungen und Ideologien sind nur ein Teil von Phänomenen wie KZs oder HartzIV. Rechtlich und Ideologisch sind HartzIV und KZs nicht besonders deckungsgleich, moralisch-philosophisch auch nicht ganz.
Der Effekt, den HartzIV oder KZs aber auf Menschen haben (also psychologisch und sozial und motivational), der ist durchaus schon auf derselben Skala zu messen, allerdings gibt es da noch stufenweise Unterschiede. Das zu meinem obigen Beitrag.
Noch ein kleiner Zusatz:
HartzIV demotiviert.
Jetzt ist aber im Bildungswesen der Kompetenz-Begriff verankert, welchen Weinert definiert hat als:
Kompetenz ist ... die sozialen, motivationalen[sic!] und kognitiven Fähigkeiten und Befähigungen, dem Fachunterricht zu folgen...
Dieser Kompetenzbegriff stammt ursprünglich aus dem Human Ressources Management der Unternehmen und wurde auf die Schulen übertragen. Das muss man sich jetzt mal auf der Zunge zergehen lassen: in Schulen und in Unternehmen herrscht ein Kompetenzbegriff vor, der ausdrücklich soziale und motivationale Fähigkeiten und Befähigungen fordert.
Genau diese werden aber durch das HartzIV-System kaputt gemacht.
Man kann auch oben mit unten vergleichen und das mit dies. glaubt einer wirkilich, dass wenn die wahl zw KZ und hartz 4 bestanden hätte sich jemand für für KZ entschieden hätte?
das ist doch nur bizarr. aber bitte. aber das ist schon ziemlich nah an totaler realitätsverweigerung. oder ist hier wirklich, im ernst, in echt, von anegsicht zu angesicht der meinung?
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