Die asoziale Ordnung der Dinge
Donnerstag, 20. Oktober 2016
Es ist nun wahrlich keine Überraschung, dass die Speerspitze des deutschen Konservatismus es asozial findet, wenn eine Belegschaft zum Zwecke des Protests mit kollektiver Krankschreibung reagiert. Denn als offiziell gestreikt wurde, bezeichnete man das ja unter diesen Leuten mehr oder weniger auch schon als einen asozialen Angriff auf die Ordnung der Dinge. Man denke nur an die Lokführerstreiks. Jede Arbeitsniederlegung, egal wie sie vollzogen wird, ob nun legal mit Streik oder mit Tricks durch eine AU-Bescheinigung, halten diese Damen und Herren für unstatthaft und für einen Angriff gegen die soziale Ordnung, weswegen sie auch gerne mal mit dem Label des »Asozialen« belegt werden. Diese konservativen Ordnungshüter empfehlen der Gesellschaft, dass jeder wissen müsse, wo sein Platz im Gemeinwesen sei. Dort soll er bleiben. Schön alle bei der Arbeit bleiben. Egal, wie miserabel sich die Situation dort auch gestaltet.
Gut, ich muss durchaus sagen, dass man so eine Krankschreibungswelle im ersten Augenblick als einen asozialen Akt begreifen kann. Wer selbst schon in Betrieben gearbeitet hat, in denen der Personalnotstand darbt, der weiß, wie sehr ein kranker Kollege reinhaut. Dann verlangt man Mehrarbeit und Flexibilität und die Kollegen sind genervt. Der billigste Sündenbock ist der, der mit Durchfall daheim auf dem Topf sitzt. Wenn man jedoch darüber nachdenkt, schämt man sich zuweilen, so über Kollegen gedacht zu haben. Für Krankheit kann keiner was. Für gezielte Krankschreibung zum Zwecke des Protests schon. Ausbaden müssen es die verbliebenen Kollegen. Nun gut, kann man nun einwenden, auch sie hätten zum Arzt gehen können. Und der Einwand ist ja auch richtig. Aber ich will auf was anderes hinaus, will den TUIflyianern mitnichten die Leviten lesen. Was ich sagen will ist: Natürlich ist das asozial. Na und? Selbstverständlich ist jeder Streik immer auch an anderer Stelle ein Akt des Asozialen, wenn man das Wort dem Wortsinne nach versteht.
Zugreisende warten dann an Bahnsteigen, man kommt nicht zur Arbeit. Das sind Konsequenzen aus Arbeitsniederlegungen. Sie belästigen die Allgemeinheit, stellen eine Handlung gegen die Interessen anderer Mitglieder der Gesellschaft dar. Das hat man den Lokführern damals ja vorgeworfen. Asozial ist, wer das Notwendig unterlässt und so die Nächsten mit hineinzieht. Dieser asoziale Impuls, das ist aber doch genau das, was man erreichen möchte. Was soll denn dieser kleinliche Vorwurf, wenn man solche Aktionen, ob nun legal streikend oder weniger legal krankgeschrieben, als asozialen Akt zu diffamieren versucht?
Natürlich ist es das. Soll es ja auch sein. Einen Akt des Protests oder des Arbeitskampfes möchte ich mal sehen, der sozial abläuft. Wenn nämlich das geschieht, dann schädigt man niemanden, dann kriegt ja auch gar keiner mit, dass da jemand versucht, auf seine Lage aufmerksam zu machen. Asozial also? Na, dann ist doch alles gut. Genau das ist es doch, was man bezwecken will. Wieso zum Henker meint man denn, dass man jemanden, der wie auch immer streikt, mit solchen Vorwürfen treffen könnte? Wenn ich streike und mich will jemand treffen, dann müsste er mir vorwerfen, ich streike zu sozial. Dann wüsste ich, ich bin etwas grundsätzlich falsch angegangen. Natürlich sollen Leute warten, natürlich soll der Betrieb in sich zusammenfallen, sie sollen sich ärgern und merken, wie aufgeschmissen sie sind. Die Kollegen, die nicht mitziehen, ja tut mir leid, wirklich leid für sie, aber wenn es ihnen zu viel wird: Die werden doch auch einen Hausarzt haben, oder nicht?
Das Asoziale ist nicht das Nebenprodukt von Arbeitskämpfen, es ist Kalkül und der Faktor schlechthin. Mit dem Asozialen versucht man das Soziale zu erkämpfen. Antithese schafft These. Wer mit einem asozialen Hergang durchschimmern lässt, dass mit der Einstellung der Arbeit eine Versorgungslücke entsteht, ein wertvoller Beitrag im arbeitsteiligen System plötzlich fehlt, der kann einen sozialen Schub bewirken und verbesserte Sozialstandards erpressen. Dass diese Antithese Thesen schafft, das ist das Prinzip. Wer Soziales will, muss sich manchmal asozial aufführen.
Also, werter Krankenstand bei TUIfly, ihr verhaltet euch asozial! So meinen es die Neocons aus der Hellerhofstraße 2-4 in Frankfurt. Ich teile diese Ansicht gerne mit den dortigen Damen und Herren. Was selten vorkommt. Nur ich meine es als Lob. Wie denn sonst, wenn nicht so? There is no alternative.
Gut, ich muss durchaus sagen, dass man so eine Krankschreibungswelle im ersten Augenblick als einen asozialen Akt begreifen kann. Wer selbst schon in Betrieben gearbeitet hat, in denen der Personalnotstand darbt, der weiß, wie sehr ein kranker Kollege reinhaut. Dann verlangt man Mehrarbeit und Flexibilität und die Kollegen sind genervt. Der billigste Sündenbock ist der, der mit Durchfall daheim auf dem Topf sitzt. Wenn man jedoch darüber nachdenkt, schämt man sich zuweilen, so über Kollegen gedacht zu haben. Für Krankheit kann keiner was. Für gezielte Krankschreibung zum Zwecke des Protests schon. Ausbaden müssen es die verbliebenen Kollegen. Nun gut, kann man nun einwenden, auch sie hätten zum Arzt gehen können. Und der Einwand ist ja auch richtig. Aber ich will auf was anderes hinaus, will den TUIflyianern mitnichten die Leviten lesen. Was ich sagen will ist: Natürlich ist das asozial. Na und? Selbstverständlich ist jeder Streik immer auch an anderer Stelle ein Akt des Asozialen, wenn man das Wort dem Wortsinne nach versteht.
Zugreisende warten dann an Bahnsteigen, man kommt nicht zur Arbeit. Das sind Konsequenzen aus Arbeitsniederlegungen. Sie belästigen die Allgemeinheit, stellen eine Handlung gegen die Interessen anderer Mitglieder der Gesellschaft dar. Das hat man den Lokführern damals ja vorgeworfen. Asozial ist, wer das Notwendig unterlässt und so die Nächsten mit hineinzieht. Dieser asoziale Impuls, das ist aber doch genau das, was man erreichen möchte. Was soll denn dieser kleinliche Vorwurf, wenn man solche Aktionen, ob nun legal streikend oder weniger legal krankgeschrieben, als asozialen Akt zu diffamieren versucht?
Natürlich ist es das. Soll es ja auch sein. Einen Akt des Protests oder des Arbeitskampfes möchte ich mal sehen, der sozial abläuft. Wenn nämlich das geschieht, dann schädigt man niemanden, dann kriegt ja auch gar keiner mit, dass da jemand versucht, auf seine Lage aufmerksam zu machen. Asozial also? Na, dann ist doch alles gut. Genau das ist es doch, was man bezwecken will. Wieso zum Henker meint man denn, dass man jemanden, der wie auch immer streikt, mit solchen Vorwürfen treffen könnte? Wenn ich streike und mich will jemand treffen, dann müsste er mir vorwerfen, ich streike zu sozial. Dann wüsste ich, ich bin etwas grundsätzlich falsch angegangen. Natürlich sollen Leute warten, natürlich soll der Betrieb in sich zusammenfallen, sie sollen sich ärgern und merken, wie aufgeschmissen sie sind. Die Kollegen, die nicht mitziehen, ja tut mir leid, wirklich leid für sie, aber wenn es ihnen zu viel wird: Die werden doch auch einen Hausarzt haben, oder nicht?
Das Asoziale ist nicht das Nebenprodukt von Arbeitskämpfen, es ist Kalkül und der Faktor schlechthin. Mit dem Asozialen versucht man das Soziale zu erkämpfen. Antithese schafft These. Wer mit einem asozialen Hergang durchschimmern lässt, dass mit der Einstellung der Arbeit eine Versorgungslücke entsteht, ein wertvoller Beitrag im arbeitsteiligen System plötzlich fehlt, der kann einen sozialen Schub bewirken und verbesserte Sozialstandards erpressen. Dass diese Antithese Thesen schafft, das ist das Prinzip. Wer Soziales will, muss sich manchmal asozial aufführen.
Also, werter Krankenstand bei TUIfly, ihr verhaltet euch asozial! So meinen es die Neocons aus der Hellerhofstraße 2-4 in Frankfurt. Ich teile diese Ansicht gerne mit den dortigen Damen und Herren. Was selten vorkommt. Nur ich meine es als Lob. Wie denn sonst, wenn nicht so? There is no alternative.
2 Kommentare:
Gute Analyse!
Gerade im letzten Lokführerstreik habe ich mit als Gewerkschaftsmitglied bei meinen Kollegen den Mund fusselig geredet. (Darüber könnte mich hier jetzt Seitenweise auskotzen.)
Mein persönlicher Lieblingssatz:
„Die schaden damit doch ihrem Arbeitgeber!“
Ja richtig, genau darum geht es ja auch! Genau so schadet sich der Arbeitgeber auch selbst, wenn nur noch schlecht bezahlte unmotivierte Angestellte Dienst nach Plan machen. Und wenn mir mein Chef den Lohn kürzt und ich von meinem Gehalt nicht mehr leben kann, dann schadet er mir.
Lach... Wirst Steinmeier kriegen als Gauck-Nachfolger...
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