Zu Ohren gekommen

Dienstag, 15. Dezember 2015

Sie nennen es nicht »Krieg«. Das ist wohlbekannt. Sie nannten den Einsatz in Afghanistan auch nicht so. Erst ganz spät, als allen klar war, dass die Bundeswehr dort mordete, Zivilisten und Soldaten starben, da hat man zögerlich damit angefangen, die Ereignisse beim Namen zu nennen. Da wusste alle Welt aber schon, dass es ein Krieg war und die ministerialen Feldherrn der Regierung kamen wieder mal zu spät. Wielange es diesmal dauert, bis sie das K-Wort in den Mund nehmen, weiß man nicht. Natürlich umschiffen sie es. Denn mit Worten beginnt die Realität und was nicht gesagt wird, wird nicht bewusst. Man kann Worte verdrängen, um die unbequeme Wahrheit eine Weile zu verdrängen.

Sie nennen es »Auslandseinsatz der Bundeswehr«. Das klingt neutraler, da ist für jeden Empfänger des Begriffs was dabei. Ein Auslandseinsatz kann ja alles sein. Auch Monteure gehen ja hin und wieder in den Auslandseinsatz. Und der zielt nicht auf Menschen, sondern handwerkt an Schrauben und Muttern herum. Auch an das mag man denken, wenn man davon hört. Bei diesem Einsatz im Ausland fallen jedoch Bomben auf Dächer. Sie zertrümmern Balken von Häusern und bringen Gebäude zum Einsturz. Trümmer bohren sich in Waden und Schenkel, spitze Metallstreben in den Bauch, Messer und Blechgeschirr werden zu Geschossen und stecken in Schädeln. Das vermutet man hinter Auslandseinsätzen nicht sofort. Die Bewohner solcher Häuser denken sich im letzten Reflex, dass es dem IS-Mörder, der drei Häuser weiter zu Tisch sitzt, ganz recht geschieht. Sie sind blöderweise die Kollteralschaden – auch so ein Wort, das ausblendet. Und das dummerweise an einem Ort, den die Alliierten als »IS-Stellung« enttarnt haben und an dem die Kollateralschäden immer lebten.

»IS-Stellung« ist ein weiteres dieser Worte. So eine Stellung kann alles sein. Im Regelfall denken wir an eine Zeltstadt, in der nur böse Männer leben und das Schießen und Morden lernen. Aber so eine Stellung kann eben auch alles andere sein. Eben einige Zelte, ein Höhlensystem, ein Dorf, in dem sich IS-Kämpfer gelegentlich sammeln, ein Gemeindehaus in einem Stadtteil, das von diesen Männern als Treffpunkt oder Lager verwendet wird. In fast jeder möglichen dieser Stellungsmodelle gibt es Zivilisten. Menschen, die gar nichts mit diesen Brigaden zu tun haben. Die sich fürchten und die Nähe zu diesen Mördern lieber meiden wollten. Nur daran denken wir nicht, wenn wir von einer IS-Stellung hören. Wir denken ja an ein Fleckchen Erde, auf dem nur diese miesen Typen darben.

Krieg, der keiner ist. Krieg, der Auslandseinsatz ist. Krieg, der Stellungen ausradiert. Ich hätte diesen Text auch mit »Es geht wieder los« überschreiben können. So läuft er unter der Kategorie, die sich mit Wortkonstrukten im Alltag befasst. »Es geht wieder los« deswegen, weil wir das alles schon hatten. Als dieses Weblog zur Welt kam, steckten wir noch in Afghanistan fest und Kollegen und ich strampelten uns ab an der feinen Rhetorik der Kriegsherren. Jetzt geht es wieder los. Sie machen wieder die Sprache zu ihrem Kriegsgerät. Im Krieg ist die Sprache immer das erste Opfer. Um die Wahrheit niederzumähen. Aber keiner mäht freilich nieder. »Gefechte« nennt man das in der Kriegssprache. Aber keiner ficht mehr mit der Klinge, so wie es im Wort steckt. Man hält rein in die Menge und trifft, was immer in der Schusslinie steht. Frauen, Alte, Kinder – Kollateralschäden wie gesagt. Bei Gefechten. In Stellungen. Beim Auslandseinsatz. Ohne Krieg. Es geht wieder los.

2 Kommentare:

Anonym 15. Dezember 2015 um 10:40  

Es dürften leider in naher Zukunft noch mehr "Kollateralschäden" zu erwarten sein. Nicht nur in Syrien, sondern demnächst wohl auch in Libyen. Da scheint schon der nächste Krieg vorbereitet zu werden - ich meinte natürlich "der nächste Einsatz":

http://www.heise.de/tp/artikel/46/46860/1.html

Wann begreifen "die" eigentlich, dass es kein besseres "Marketing" für den IS geben kann, als jedes Kind, dass als "Kollateralschaden" im "Kampf gegen den Terror" von trauernden Verwandten und Freunden zu Grabe getragen wird?



Otmar 15. Dezember 2015 um 17:27  

Ja, es geht wieder los. Auch wenn sie offen von Krieg sprechen... es interessiert die meisten Menschen nicht mehr. Und das ist das Schlimme daran.

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