Thorsten, Xavier und die rechten Leute von links

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Dieses Deutschland gibt es eigentlich gar nicht. Sagen die Reichsdeutschen. Sie führen sich damit als »nicht staatstragend« auf. Die Linken mögen das Staatstragende gemeinhin auch nicht. Dieser gemeinsame Aspekt macht Linke anfällig fürs Rechte.

Kürzlich habe ich jemanden kennengelernt. Er heißt Thorsten, ist über Fünfzig und er wirkte sofort sympathisch. Es scheint, er ist ein Gute-Laune-Mensch selbst dann, wenn es keinen Grund dafür gibt. Wir fanden so ein bisschen ins Gespräch. Manchmal bestätigen sich Klischees, dachte ich mir nach einer Weile. Langer Bart und Pferdeschwanz waren also doch ein Beleg dafür, dass da eher »was Linkes« in ihm schlummerte. Wir philosophierten über Flüchtlingspolitik und darüber, wie der Westen durch seine globale Agenda nun mit Terror und Asylsuchenden konfrontiert würde. Er sagte, das sei die Saat, die wir selbst in den Boden gelegt hätten. Schlimm fand er außerdem die Hetze gegen Flüchtlinge und Ausländer ganz generell. Er habe nie Probleme mit Menschen aus anderen Ländern gehabt. Ich fand Thorsten angenehm. Für jemanden von hier, von der Bergstraße, in der der rechte Wahn quasi traditionell steppt (man denke nur an Weinheim, die NPD-Hochburg), hatte er absolut progressive und liberale Ansichten. An dieser Stelle hätten wir das Gespräch beenden sollen. Haben wir aber nicht. Er schob nach: »Die Flüchtlinge haben wir den Amis zu verdanken, sie wollen uns schwächen.« Und dann empfahl er mir eine Website.

3 Kommentare:

La Gioconda 17. Dezember 2015 um 16:01  

Ich mache dieselbe Erfahrung täglich im Internet und im real life. Es fing an mit der Finanzkrise, bei der sich plötzlich links und rechts in der Kapitalismuskritik trafen, zwar mit unterschiedlichen Argumenten/Motiven, aber immerhin. Desgleichen bei der "Euro-Krise": eine linke und rechte Euroskepsis, die rechte gespeist von Nationalismus, die linke von Solidarität. Und dann kam noch die Ukraine-Geschichte. Plötzlich fand man sich als jemand, der gerne Frieden mit Russland haben möchte in gleicher Gesellschaft mit jenen, die Russland verteidigen, weil ihnen das autoritäre System so gut gefällt. (Elsässer etwa)

Es schmeißt mich hin und her, weil Leute wie Elsässer mich in jeder Beziehung anwidern, ich aber auch nicht zu diesen Querfront-Verschwörungstheoretikern gehören möchte, die im Geiste McCarthys Leute an den Pranger stellen, weil sie jemanden kennen, der jemanden kennt, der sich mal zu einer Veranstaltung der Reichsbürger verirrt hat. Die Massenhysterie anlässlich der Nominierung Naidoos (mit dem ich null am Hut habe) fand ich derart lächerlich und idiotisch, dass ich mich schier gezwungen fühlte, ihn zu verteidigen.

Diese angebliche Querfront ist m.E. deshalb keine, weil sie (zumindest von links) nicht gewollt, sondern ein Produkt der Umstände ist. Es sind der Abbau von Demokratie, die Ökonomisierung des Alltags samt Elitenbildung, die Merkelsche Russlandpolitik und last not least die angepassten atlantisch-neoliberalen Medien: alles Phänomene, die offenbar links und rechts zumindest oberflächlich zu einen scheinen. (In der Flüchtlingsfrage sind die Grenzen wieder scharf.)

Diese meine Analyse, deren Ergebnis mir großes Unbehagen bereitet, stelle ich gerne zur Diskussion.

Braman 17. Dezember 2015 um 19:00  

Bei all diesen Diskussionen sollte man wohl immer Berücksichtigen was das Thema ist. Geht es um wirtschaftliche belange, so sind die Überschneidungen der politisch Rechten mit den Linken durchaus vorhanden. Ein guter Test ist da der Wal-Mat-Test welcher für die Linke und die NPD nahezu Übereinstimmung bringt. Ich habe das ein paar mal gemacht und habe als Zweitempfehlung eigentlich immer NPD bekommen (nach 'die Linke'). Es gibt aus meiner Sicht keine Partei oder Richtung, die nur negativ ist. Alle haben irgendeinen Punkt, dem man auch als Linker zustimmen kann. Es kommt eben immer auf das Gesamtpaket an.
Und so wie mit den Religionen gibt es eben auch auf politisch / wirtschaftlichem Gebiet Menschen, die sich aus dem großen Angebot heraus picken was ihrer Gedankenwelt am besten entspricht. Ich sehe jetzt darin keinen Nachteil, muss sich derjenige doch jedes mal Gedanken machen über eine andere Sichtweise.
Das ist meiner Ansicht nach immer noch besser als ein Dogmatiker zu sein, oder ein Nachschwätzer der gerade gängigsten Meinung, egal welcher Richtung.
Jemand, der sich mal in allen lagern rumtreibt ohne sich beeinflussen zu lassen, ist gegen (rechte) Indoktrination eher immun als einer der sich gegen alles andere abschirmt.
Auch ich war schon auf der Seite der "junge Freiheit". Aber nach kurzer Zeit wurde mir klar, das es die Zeitung für den gutgläubigen Spießer ist der ansonsten seine Bildung von RTL und BILD bezieht.

Mfg: M.B.

Anonym 18. Dezember 2015 um 13:18  

Sorry, mein Kommentar bezieht sich natürlich auf DIESEN Artikel. Bitte an der anderen Stelle löschen.

Wow, dass Du, Roberto jetzt auch ins "Querfront"-Horn tutest, hat mich dann doch überrascht.
Naja, manche Linke werden aus Versehen rechts und manche Blogger gehen diesem neuesten argumentativen Knaller der Mainstreammedien auf den Leim.
Da muss man aber jetzt verdammt aufpassen, dass nicht ein Falscher eine richtige Analyse oder Ansicht teilt. Denn dann muss man natürlich sofort dagegen sein (kommt mir eigentlich bekannt vor von den rituellen Spielchen im Parlament, nach denen man automatisch die Gegenmeinung zur Opposition einzunehmen hat). Vor Aussätzigen muss man sich hüten. Wird zwar 'n bisschen mühsam, erst mal alle einschlägigen personae non gratae nach Statements abzuklopfen, die man vielleicht auch teilt, aber wat mutt, dat mutt, bevor man in einen falschen Ruch kommt.

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