Geistesgestörte und andere Arschlöcher
Montag, 11. Januar 2016
Théodore Géricault, Die Irre |
Eine der größten Frechheiten, die man im Umgang mit politischen Gegner an den Tag legen kann, das ist die Pathologisierung, der Umstand, ihn mundtot machen zu wollen, indem man ihm Geisteskrankheit unterstellt. Die Bild-»Zeitung« hat diese Unart im Laufe vieler Jahre nicht nur vervollkommnet, sondern geradezu zu einem guten Umgangston in der politischen Debatte gemacht. Sie schrieb über den »Irren aus Teheran« oder den »Verrückten aus Pjöngjang« und tat so, als könne man weltpolitische Ereignisse und Dynamiken mit dem Geisteszustand beteiligter Personen erklären. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man jetzt bei jenem Teil des Pöbels, der über einen Zugang zu sozialen Medien verfügt, immer wieder den Vorwurf gegenüber der Bundeskanzlerin vernimmt, wonach sie am Geiste erkrankt sei. Zu tief verankert ist in diesem Land diese typische Praxis der Bild-»Zeitung«. Sie hat sozialisiert und einem breiten Publikum einen mehr als sonderbaren Blick auf das politische Treiben eingeimpft. Wenn man bei den Boulevardmedien jahraus jahrein vernimmt, dass die Welt eine Spielwiese geisteskranker Protagonisten ist, dann fällt profunde Analyse nicht unbedingt einfacher.
Exakt mit dieser Anschuldigung konfrontierte neulich einer dieser Gestalten den Generalsekretär des Kanzlerinnenwahlvereins und erntete dafür ein »Arschloch« als Antwort. Der Mann stammte aus jenem Milieu, das jetzt aus allen Ecken kriecht, um gegen Flüchtlinge zu mobilisieren und die Bundeskanzlerin für ihre dementsprechende Politik anzufeinden. Lassen wir an dieser Stelle mal außer Acht, dass das Krisenmanagment ihrer Regierung unzureichend und fahrlässig ist. Das Geld fehlt, der Großteil der Aufgabe auf den Schultern freiwilliger Helfer ausgetragen wird und das Asylgesetz abermals verschärft wurde. Für einen Teil eines sehr einfach gestrickten Publikums, sieht ihre Politik trotzdem aus wie ein Freifahrtschein für Flüchtlinge. Sie lässt die Deutschen aussterben, glauben sie. Oder will gar die Islamisierung. Die Vorwürfe schaukeln sich hoch und da bleibt natürlich nur ein Schluss: Die Frau hat ihren Verstand verloren. Das liest man jetzt immer häufiger bei den Hetzern, Abendlandsern, Rechtsalternativen und Pegidisten. Für komplexere Auswertungen reicht deren Horizont nicht. Sie greifen zum einfachsten aller Mittel: Wer nicht so denkt, wie man es selbst tut, der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Und es ist ja auch praktisch und simpel, wenn man komplizierte Vorgänge und deren Antreiber pathologisieren kann. Man muss sich ja nicht auseinandersetzen mit Durchgedrehten. Stattdessen würde man sie lieber abholen lassen, Zwangsjäckchen und Gummizelle und so. Eine Therapie natürlich hinterher. Und gibt es da nicht auch mittlerweile was von Ratiopharm? Sich fremden Positionen annehmen, sie begreifen wollen, inhaltlich durchforsten, um sich dann Pro oder Contra mit einer Sache zu befassen, kommt bei der Pathologisierung nicht mehr vor. Der politische Kontrahent ist keiner mehr, mit dem man streitet um Lösungen und Sichtweisen, er ist plötzlich zu einem hilfebedürftigen Halbidioten degeneriert, den man die Ernsthaftigkeit versagt. Wer Mitmenschen und gegnerische Standpunkte so diskreditiert, der drückt damit letztlich auch aus, wie sehr er den demokratischen Usus verachtet. Denn wo man Diskussionsbedarf durch die »Irreführung« des Gegenübers untergräbt, da wird nicht mal mehr die Aussicht auf Konsens bewahrt, da unterdrückt man Gesprächsstoff, beendet man die Auseinandersetzung mit dem Betrachter einer anderen Sichtweise.
Es ist ferner nicht nur respektlos und antidemokratisch, sich mit politischen Kontrahenten dergestalt auseinanderzusetzen – es enthebt sie auch ihrer Verantwortung. Wer verrückt ist, der ist krank und unzurechnungsfähig und dem kann man Hetze und Mord nicht mehr ankreiden. Wer also als Durchgedrehter in Teheran gegen Israel schürt, der gehört zu einem Psychologen oder in Zwangsjacke, nicht aber an den Pranger der Weltpolitik. Wer der Bundeskanzlerin nachsagt, sie habe endgültig ihren Verstand verloren, der macht sie unmündig, nimmt ihr die Verantwortlichkeit für Bundeswehreinsätze, NATO-Prahlerei und griechische Tragödien ab. Man kann dieser Frau vieles unterstellen, aber nicht bei Trost ist sie nicht. Sie weiß zu allen Zeiten ziemlich genau, was sie tut und wie sie es zu verkaufen versucht.
Der Generalsekretär reagierte rüde auf die Frage, wie er mit der Geisteskrankheit seiner Kanzlerin umgehen möchte. »Sie sind ein Arschloch«, antwortete er. Man muss den CDU-Mann und seine Ansichten nicht mögen, aber letztlich ist das die adäquate Antwort auf solche Vorwürfe. Jemanden als »Arschloch« zu betiteln ist wesentlich zielführender, als ihn für irre zu erklären. Denn mit Arschlöchern kann man trotz allem noch immer diskutieren und muss sie nicht einweisen lassen. Insofern hat der Generalsekretär der Bundeskanzlerin bewiesen, dass er mehr Respekt vor seinem Gegenüber hat, als dieser »Wir-erklären-die-Bundeskanzlerin-für-geistekrank«-Pöbel. Im übrigen halte ich viele Positionen des Generalsekretärs für beleidigendswert, aber ein Geisteskranker ist es deshalb noch lange nicht. Er ist eher das, was er so locker anderen als Antwort gibt.
Exakt mit dieser Anschuldigung konfrontierte neulich einer dieser Gestalten den Generalsekretär des Kanzlerinnenwahlvereins und erntete dafür ein »Arschloch« als Antwort. Der Mann stammte aus jenem Milieu, das jetzt aus allen Ecken kriecht, um gegen Flüchtlinge zu mobilisieren und die Bundeskanzlerin für ihre dementsprechende Politik anzufeinden. Lassen wir an dieser Stelle mal außer Acht, dass das Krisenmanagment ihrer Regierung unzureichend und fahrlässig ist. Das Geld fehlt, der Großteil der Aufgabe auf den Schultern freiwilliger Helfer ausgetragen wird und das Asylgesetz abermals verschärft wurde. Für einen Teil eines sehr einfach gestrickten Publikums, sieht ihre Politik trotzdem aus wie ein Freifahrtschein für Flüchtlinge. Sie lässt die Deutschen aussterben, glauben sie. Oder will gar die Islamisierung. Die Vorwürfe schaukeln sich hoch und da bleibt natürlich nur ein Schluss: Die Frau hat ihren Verstand verloren. Das liest man jetzt immer häufiger bei den Hetzern, Abendlandsern, Rechtsalternativen und Pegidisten. Für komplexere Auswertungen reicht deren Horizont nicht. Sie greifen zum einfachsten aller Mittel: Wer nicht so denkt, wie man es selbst tut, der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Und es ist ja auch praktisch und simpel, wenn man komplizierte Vorgänge und deren Antreiber pathologisieren kann. Man muss sich ja nicht auseinandersetzen mit Durchgedrehten. Stattdessen würde man sie lieber abholen lassen, Zwangsjäckchen und Gummizelle und so. Eine Therapie natürlich hinterher. Und gibt es da nicht auch mittlerweile was von Ratiopharm? Sich fremden Positionen annehmen, sie begreifen wollen, inhaltlich durchforsten, um sich dann Pro oder Contra mit einer Sache zu befassen, kommt bei der Pathologisierung nicht mehr vor. Der politische Kontrahent ist keiner mehr, mit dem man streitet um Lösungen und Sichtweisen, er ist plötzlich zu einem hilfebedürftigen Halbidioten degeneriert, den man die Ernsthaftigkeit versagt. Wer Mitmenschen und gegnerische Standpunkte so diskreditiert, der drückt damit letztlich auch aus, wie sehr er den demokratischen Usus verachtet. Denn wo man Diskussionsbedarf durch die »Irreführung« des Gegenübers untergräbt, da wird nicht mal mehr die Aussicht auf Konsens bewahrt, da unterdrückt man Gesprächsstoff, beendet man die Auseinandersetzung mit dem Betrachter einer anderen Sichtweise.
Es ist ferner nicht nur respektlos und antidemokratisch, sich mit politischen Kontrahenten dergestalt auseinanderzusetzen – es enthebt sie auch ihrer Verantwortung. Wer verrückt ist, der ist krank und unzurechnungsfähig und dem kann man Hetze und Mord nicht mehr ankreiden. Wer also als Durchgedrehter in Teheran gegen Israel schürt, der gehört zu einem Psychologen oder in Zwangsjacke, nicht aber an den Pranger der Weltpolitik. Wer der Bundeskanzlerin nachsagt, sie habe endgültig ihren Verstand verloren, der macht sie unmündig, nimmt ihr die Verantwortlichkeit für Bundeswehreinsätze, NATO-Prahlerei und griechische Tragödien ab. Man kann dieser Frau vieles unterstellen, aber nicht bei Trost ist sie nicht. Sie weiß zu allen Zeiten ziemlich genau, was sie tut und wie sie es zu verkaufen versucht.
Der Generalsekretär reagierte rüde auf die Frage, wie er mit der Geisteskrankheit seiner Kanzlerin umgehen möchte. »Sie sind ein Arschloch«, antwortete er. Man muss den CDU-Mann und seine Ansichten nicht mögen, aber letztlich ist das die adäquate Antwort auf solche Vorwürfe. Jemanden als »Arschloch« zu betiteln ist wesentlich zielführender, als ihn für irre zu erklären. Denn mit Arschlöchern kann man trotz allem noch immer diskutieren und muss sie nicht einweisen lassen. Insofern hat der Generalsekretär der Bundeskanzlerin bewiesen, dass er mehr Respekt vor seinem Gegenüber hat, als dieser »Wir-erklären-die-Bundeskanzlerin-für-geistekrank«-Pöbel. Im übrigen halte ich viele Positionen des Generalsekretärs für beleidigendswert, aber ein Geisteskranker ist es deshalb noch lange nicht. Er ist eher das, was er so locker anderen als Antwort gibt.
5 Kommentare:
Es scheint, als wäre die halluzinierte Geisteskrankheit (der Welt iWS) irgendwie auch eine Wohlfühlecke für jene, die andere damit abstempeln. Als ob der Mob sich im eingebildeten Elend und den Weltuntergangsphantasien suhlt...
2015 hat mir vor Augen geführt, wie schnellund begierig Vorurteile wachsen - auch entgegen jedem Gramm Bildung... 2016 setzt diese Tradition geistiger Verrohung fort.
Sagte schon Volker Pispers in einem seiner Programme der letzten Jahre: "Ein Arschloch ist ein Arschloch. Es gibt Menschen und Arschlöcher".
Menschen gibt es wenige, Arschlöcher unverhältnismäßig viele. Die zieht es nun an's Licht. Die sogenannten "sozialen Netze" sind zum Tummelplatz von Rassisten, Nazis, Rechtsgerichteten, Fanatikern geworden. Fehlende Bildung, fehlende Chancen im Leben und Beruf tun ein übriges, den Frust auf den untersten Ebenen der Ausdrucksmöglichkeiten und Intelligenz zum Ausdruck zu bringen.
Diese Ausfälle werden fast nie geahndet, selbst wenn der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt wird und die Staatsanwaltschaft ermitteln muss.
PEGIDA-Spaziergänger schleppen Galgen durch Dresden, dies wird im TV und in der Presse gezeigt.
Ein US-amerikanischer Kandidat namens Trump bezeichnete das Vorgehen in der Flüchtingsproblematik, der von mir absolut nicht geschätzten Kanzlerin, öffentlich als verrückt.
Die Verrohung der Sitten im öffentlichen Umgang miteinander ist ein weiteres Merkmal, das diese neo-liberal geformte Gesellschaft immer mehr abdriftet und sich von den angestrebten und immer wieder postulierten "menschlichen" Verhaltensweisen in Riesenschritten entfernt.
Ich folge ihren Gedanken und Texten gerne und mit Aufmerksamkeit.
Doch nicht nur die "BILD" hat ihren Anteil an dieser Situation.
Das so viele Gestalten sich in Verbalinjurien ergehen, Volksverhetzung begehen, ihren blinden Rassismus und Fanatismus hinausschreien, ist das Ergebnis dieser asozialen neo-liberalen Politik und der Tatsache, das sich dieser deutsche Staat spätestens seit 1998 seinen originären sozialen Aufgaben entledigt hat.
Der Markt regelt eben alles, vor allem die Aufteilung in wehrlose Massen und Wehrhafte Reiche.
Ein starker Staat hat die Aufgabe, den überwiegend schwächeren Mitgliedern seiner Gesellschaft Schutz zu bieten, für Gerechtigkeit zu sorgen, so etwas wie Chancengleichheit herzustellen versuchen.
Diese hehren Ansprüche wurden einstmals, zumindest ernst genommen.
Dieser heutige Staat mit seiner marktkonformen Demokratie (nicht nur in Dt.) hat versagt, er wird von der Politik auch nicht mehr als ein Instrument angesehen, das der gesamten Gesellschaft dienen muss.
Er ist nur noch Vewaltungsorgan, Datensammler und gesetzgebende Institution zum Wohle derjenigen, die immer weniger Steuern auf ihre immer weiter wachsenden Vermögen zahlen. Und er schützt halt eben jene, die haben und immer mehr wollen.
Es ist nun einmal so, das eben sehr viele Menschen nicht über soviel "Durchsetzungsvermögen" (Personalererminus für "Rücksichtslosigkeit) verfügen, wie Banker, BWL'er, Politiker u.a.
Das werden dann die "Verlierer" dieses weltweiten "Monopoly unter verschärften Bedingungen". Und die werden ob ihrer Chancenlosigkeit, der Ausweglosigkeit ihrer Situation immer radikaler, immer frustrierter und verlieren immer mehr Hemmungen.
Und besinnen sich wieder der rechtsradikalen Positionen, die sie nie wirklich abgelegt hatten.
Schlimm, dass ein ähnlich gestricktes Exemplar Mensch (??
jetzt mit großem Erfolg in den USA für die Republikaner als
Obama-Ersatz kandidiert (der hat ja Ähnliches zu A.M. und
ihrer Flüchtlingspolitik verlautbsrt – könnte sogar DIE
Anregung für …GIDioten & Co. gewesen sein.
»Abendlandser« – werde ich mir merken :-)
Man könnte es eigentlich schon eine Ironie der Geschichte nennen, dass nun Merkel-Gegner, und auch andere von den Totalitarismen des letzten Jahrhunderts gelernt haben.
Sacharow noch ein Begriff? Der sowjetische Dissident, dem unter anderem Geisteskrankheit attestiert wurde weil er die UDSSR kritisiert hat? Von den Nazis und sonstigen Faschisten ganz zu schweigen, die politische Gegner nicht nur in KZs sondern auch in Geschlossene einwiesen, wo die im Rahmen der Euthanasie usw. usf.
Ich meine sogar das heutige Nordkorea, und China, weist Regimegegner nicht nur in Lager ein sondern auch in Geschlossene Anstalten....bin mir aber nicht sicher....sicher bin ich mir aber bei der UDSSR, und den Faschisten....
Schöne Vorbilder, die Meinungsgegner da haben um Diskussionsgegner mundtot zu machen, und zwar ganz egal ob die Merkel heißen oder nicht....
Zynische Grüße
Bernie
Die (politische) Streitkultur existiert in dieser Plutokratie doch schon lang nicht mehr. Der Bundestag ist das Theater, in dem unsere Puppen vorspielen dürfen und bei Vorträgen des kleinen verbliebenen Rests von Opposition lieber gedanklich ihre Lobbyscheinchen zählen. Auf EU-Ebene gestaltet sich das ganze in einem noch absurderen Ausmaß.
Währenddessen wird die Bevölkerung durch Befeuerung der Medien dazu konditioniert, alternativlose Ideologien anzunehmen und gegenläufige Positionen gar nicht erst gedanklich zu beleuchten, ja die Person dahinter gar polemisch anzugehen, denn: Mit Dreck spielt man bekanntlich nicht.
Der relativ kleine Teil der Gesellschaft, der sich durch glückliche (oder sollte ich lieber unglückliche sagen?) Lebensumstände noch eine kritische Grundhaltung und den Willen zu sachbezogenen, offenen Debatten erhalten hat, versinkt dabei wie ein Kiesel im Meer der kognitiven Ignoranz.
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