Anstaltslos sittlich

Donnerstag, 31. März 2016

Am Tag, als in Brüssel Menschen starben, diktierte das Öffentlich-Rechtliche mal wieder Pietät. Man sagte die »Die Anstalt« ab. So viel zur Normalität, die man nach Terrorakten stets so wortreich verteidigt.

Wir lassen uns also nicht beirren, unsere Art zu leben, nicht von terroristischen Aktionen ausknipsen. Wenn wir jetzt damit beginnen, nicht mehr das zu tun, was wir immer taten, dann haben die Terroristen gewonnen. So oder ähnlich klingen die Kommentare nach jedem Anschlag, den wir jetzt als europäische Gemeinschaft erleiden. In der Betroffenheit nach Explosionen und Gewehrsalven gibt sich dieser Kontinent noch vereint; so einhellig, wie er es in anderen Fragen schon seit Jahren nicht mehr ist. Im Entsetzen ist man versöhnt, obgleich man sich kontinental schier unversöhnlich hinter nationalen Eigennutz verschanzt. Jedenfalls impft man uns ein, dass auch viele Tote kein Grund seien, einfach aufzuhören, den westlichen Stil nicht weiterhin zu pflegen. Daher an alle da draußen: »Steigen Sie auch morgen in die U-Bahn! Schauen Sie den Börsenbericht und den Tatort!« Dass nichts mehr so ist, wie es mal war, so wie einst die »Bild« nach den Anschlägen auf das WTC titelte, kommt heute als Parole nicht mehr in Frage. Weitermachen! Aber nur ein bisschen. Das Amüsement stellen wir jedoch mal lieber ein. »Die Anstalt« bleibt geschlossen.

1 Kommentare:

Alles nur Satire 1. April 2016 um 06:46  

Ich kann dem Sinn und Wortlaut des Artikels nur zustimmen.
Aber, welche Antworten, Statements, Kommentare nach Mordanschlägen in Europa, durch wen auch immer ausgeführt, von systemrelevanten neoliberalen „marktkonformen Demokraten“ aus den Bereichen Medien und Politik, erwarten wir denn?

Die Wahrheit? Etwa so:
„Liebe Ermordeten, liebe nicht betroffene Bürger, es tut uns leid, das unsere neoliberale, faschistische Kriegspolitik, die eigentlich zunächst einmal nur für den Export in den Nahen Osten und Afrika gedacht war, unsere Dämonisierung der islamischen Religion, und die Generalverurteilung die wir über 2,2 Milliarden gläubige Muslime ausgesprochen haben, jetzt von unseren selbst kreierten Feinden nach Europa re-exportiert wurde.

Bleibt bitte ruhig, wie immer, es werden noch mehr Anschläge passieren, das ist auch in unserem Sinne, denn sonst können wir euch blöde Bürger nicht zu weiterer Zustimmung zum neoliberalen Finanzfaschismus geleiten.

Außerdem, das bisschen Anschläge in Europa ist gar nichts im Vergleich zu dem, was wir den Menschen in Afghanistan, Irak, Syrien, Mali, Sudan und, und und antaten und noch antun werden.

Wir, die Vertreter der Medien und Politiker sind keine billigen Huren, sondern sehr teure Huren. Wir haben uns den neoliberalen Gewinnlern teuer verkauft und wollen unseren Teil der Abmachung einhalten.

Wir müssen euch deshalb den seichten Betroffenheitsschwachsinn unterjubeln, wir müssen euch erzählen das der islamische Terror unsere neoliberale Lebensweise (freiheitlich, demokratisch, bla bla bla) zerstören will. Ihr glaubt das alles auch nur zu gerne.

Die Börsenkurse sind zwar nicht wirklich wichtig, ihr Blöden versteht ja sowie nicht, das der Käse „auf dem Parkett“ längst gegessen wurde, wenn wir euch um kurz vor Acht irgendwelchen Unsinn erzählen. Wichtig ist nur, das ihr glaubt, die Börse ist für uns alle eminent wichtig und der einzig wahre Gradmesser unser aller Existenz.

Kabarett ist nur unser geduldetes Feigenblatt, nach Morden in Europa darf nicht gelacht werden.

Während dem Dauermorden in anderen Weltgegenden muss gelacht werden.

Und die wirkliche Satire machen wir mittlerweile selbst, schon lange.
Die Polit-Kabarettisten sind nämlich tatsächlich zu den Erklärern der wirklichen Zustände geworden. Aber gut, das ihr das nur als Unterhaltung anseht. Wenn nicht, würden wir diese Formate auch gar nicht mehr senden.

Also, lasst euch nicht unterkriegen. Viel Glück!“

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