Aus fremder Feder

Dienstag, 2. Februar 2016

»Wenn man heute über die Frage des Asylrechts und über die Aufnahme von Ausländern diskutiert, in einer Welt voller Gefahren, in der die extreme Gewalt in immer mehr Staaten zunimmt, so muss man sich zuallererst bewusst machen, dass die Zustimmung oder Ablehnung, sie aufzunehmen, in vielerlei Hinsicht der Macht über Leben und Tod gleichkommt. Ein solches Vorrecht beanspruchen souveräne Staaten für sich, wenn sie im Alleingang über die Öffnung oder Schließung ihrer Grenzen entscheiden wollen. Ob man nun will oder nicht, kommt der politische Wille, Geflüchtete zurückzuweisen und sie so der sicheren Gewalt auszuliefern, einer Billigung von Mord gleich. […] Was der Fremde fordert – als Recht und nicht als Gnade -, ist, dass ihm ganz einfache, bescheidene Dinge zugestanden werden, die zugleich lebenswichtig sind: ein minimaler Schutz für sich und seine Angehörigen, sich arbeitend ein Leben aufzubauen, das heißt »ein nützliches Mitglied der Gesellschaft« zu werden: nicht mehr und nicht weniger also als »das Minimum menschlicher Existenz« […] Dies abzulehnen, ist unmoralisch und verstößt gegen die Menschenwürde. Aus moralischer Sicht ist es durch nichts zu rechtfertigen, zumal sich menschliche Beziehungen prinzipiell auf die Pflicht zu Fürsorge, Hilfe und Rücksicht überall und für alle begründen, welche aus der Verletzbarkeit und Sterblichkeit anderer Menschen resultiert. Natürlich kann es in Anbetracht der Umstände Einschränkungen geben, etwa wenn Bedingungen für die Aufnahme gestellt werden. Aber wer so etwas anordnet, muss wissen, dass er prinzipiell und in jedem Falle ungerecht ist und gegen das verstößt, was die Moral gebietet.«
- Marc Crépon, »Philosophie Magazin«, Nr. 2/2016 -

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