Angst verleiht Prügel

Mittwoch, 1. Juli 2015

Die Polizei in Hagen rüffelt Eltern. Sie sollen ihren Kindern keine Angst machen mit der Polizei. Die Kinder »sollen zu uns kommen, wenn sie Angst haben...und nicht Angst vor uns haben«, erklärt sie. Nicht übel. Vielleicht ist in Hagen die Welt ja noch in Ordnung.

Blöd ist nur, dass man in diesem Land schon Angst haben muss vor der Polizei. Nicht unbedingt als Kind. Eher als Bürger, der nicht weicht und der protestiert. Oder wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Amnesty International gab bereits vor Jahren zu Protokoll, dass die Polizeigewalt in Deutschland anwachse. Immer wieder wird unkontrolliert auf Menschen eingeschlagen, die sich nicht sofort der Staatsgewalt beugen wollen oder können. Weil sie zum Beispiel autistisch sind oder dergleichen. Und wenn man auf Demonstrationen geht, dann begegnet einem die Polizei mit Schild, Schlagstock und Sturmhaube. Wie Roboter stehen sie vor einem und eskalieren manche Situation unnötig. Neulich auf einer Kundgebung gegen Nazis habe ich gesehen, mit welch maßloser Härte sie einen Demonstranten, der in einen verbalen Streit mit einem Polizisten geriet, auf den Boden zogen. Acht oder zehn Beamte gegen einen unbewaffneten Zivilisten, der bestenfalls ein Maulheld war.

Dummerweise kann man Kindern kein Video von den Protesten von Stuttgart 21 zeigen. Oder von Blockupy. Und auch sonst geistern im Netz Videoaufnahmen herum, auf denen man sieht, wie Polizisten mit Zivilisten umgehen. Sie prügeln, drücken Arme nach hinten und teilweise »machen sie von der Schusswaffe Gebrauch, aus der sich dann ein Schuss löst«. Zeigt man das alles Kindern, dann kann die Hagener Polizei noch so dringlich appellieren, dass Kinder keine Angst vor ihr haben dürfen. Die Polizei in diesem Land macht seit Jahren alles dafür, dass man sich vor ihr fürchtet. Sie hat ihre Bürgernähe auf der Straße aufgegeben und reagiert mit blanker Gewalt. Polizeiausbilder meldeten letztes Jahr, dass die gezückte Waffe zur Routine der Polizei werden sollte. Kann man da noch mit Angstlosigkeit werben?

Kindern Angst zu machen ist wahrlich dämlich. Eltern sind manchmal so. Hin und wieder ist man überfordert. Dann kommen solche Sprüche heraus. Jeder von uns hat das mal getan. Die besten Eltern unter uns ganz sicher auch. Jetzt aber Eltern quasi zu verurteilen, weil sie den Kindern Angst vor den Polizei einflüstern, das ist nicht berechtigt. Man kann Angst haben. Muss es vielleicht sogar. Mit einer PR-Masche, die die Eltern ins Gebet nimmt, verlagert man das Problem unpassenderweise in die Privathaushalte. Nur kriegt man die Furcht nicht in den Griff, nur weil man plötzlich Eltern verantwortlich macht. Mit der Polizei in diesem Lande, die einerseits als politisches Instrument fungiert und andererseits ein negatives Menschenbild beim Umgang mit den Bürgern auf der Straße zum Leitmotiv erklärte, ist jedenfalls kein sorgenloser Spaß zu machen. Nirgends in Deutschland.

Auch nicht im vermeintlichen Idyll in Hagen übrigens. Vor sieben Jahren hat die dortige Polizei einen unter Drogeneinfluss stehenden Mann auf den Bauch liegend fixiert. Er litt unter einen schizophrenen Schub und 13 Beamte traktierten den Mann. Bis zu dessen Atemstillstand. Nach einigen Tagen im Koma starb er. Tja, auch in Hagen muss man sich fürchten. Aber liebe Eltern, erzählt das nicht euren Kindern! Sie sollen doch denken, dass die Welt noch in Ordnung ist.

7 Kommentare:

Anonym 1. Juli 2015 um 07:48  

Im Jahre 1993: Wir erinnern uns.

Die Staatsanwaltschaft Hagen hat gegen fünf Polizisten der Stadt Anklage wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung erhoben. Die jetzt dem Amtsgericht übergebene Ermittlungsakte wirft den Beamten vor, im Oktober 1999 eine damals 27-jährige Polizeimeisterin mit Handschellen gefesselt und – mit den Worten „Dies ist ein Frauenparkplatz“ – an einem Kleiderhaken aufgehängt zu haben. Die Frau wurde offenbar monatelang von ihren Kollegen gemobbt. Die Polizistin, so heißt es im NRW-Innenministerium, habe darüber hinaus „eine schlechte Leistungsbeurteilung“ erhalten, an deren Wahrheitsgehalt „erhebliche Zweifel“ bestünden.

Die angeklagten Polizisten, darunter mehrere Kommissare, wurden von der Hagener Polizeipräsidentin Gisela Steinhauer inzwischen versetzt. „Das ist keine Vorverurteilung, sondern eine reine Präventivmaßnahme“, lautet die Begründung der Behördenchefin.

Keine Einzelfälle. Das hat Struktur.

Widder 1. Juli 2015 um 15:28  

Auch wenn ich als regelmäßiger Demo-(Mit-)Organisator prinzipiell naatürlich auf deiner Seite stehe, kann ich nur sagen, dass einseitige Schuldzuweisungen nicht weiterhelfen. Progressiver Diskurs sollte immer abwägen, nicht verfälschend schwarz/weiß-malen. Kommunikation, Absprachen und Verhalten der Polizei auf Demos, an denen ich mitwirkte (Größenordnung 200 - 5000 Teilnehmer) kann ich als größtenteils konstruktiv bezeichnen. Was man von internationalen Demoteilnehmern hört, gilt Deutschland geradezu als "Traumland" mit wenig Repression für Demonstranten.
Ich habe erlebt, wie die Polizei rechte Demos durch geschickte Ansprache zum Abbruch brachte, habe neben tendenziell eskalierendem Verhalten mehrheitlich deeskalierendes erlebt.
Versäumnisse sollten immer am einzelnen Fall benannt und aufgearbeitet werden, Pauschalität führt nur zu Nachteilen für alle Seiten.

Gruß

ad sinistram 1. Juli 2015 um 16:00  

Na, Widder, wirst du mit A9 oder A10 besoldet?

Anonym 2. Juli 2015 um 09:07  

Mal hier nach lesen:

https://menschenrechtsverfahren.wordpress.com/

Anonym 2. Juli 2015 um 09:09  

oder hier:

https://www.youtube.com/watch?v=hFoJM7vjbkw&feature=share

Anonym 2. Juli 2015 um 11:43  

Seit meiner ersten Demo gegen Rechts sehe ich in Polizisten auch keine Freunde mehr.
Ich war 16 und stand in der Gegendemo. Alles verlief friedlich, bis die Nazis an uns vorbeimarschierten. Von unserer Seite aus wurde es ein bisschen lauter, aber alle blieben friedlich. Auf einmal marschierte eine große Gruppe gepanzerter Polizisten an und lief auf uns zu. Die Polizisten, die sich die ganze Zeit vor uns befanden und uns wohl von den Nazis trennen sollten, traten auf einmal zurück um ihren Kollegen Platz zu lassen, die mit voller Wucht und mit erhobenen Schutzschilden in uns rein rannten. Innerhalb weniger Sekunden eskalierte alles und ich befand mich mitten ein einer Massenschlägerei zwischen Demonstranten und Polizisten. Ich weiß gar nicht, wie ich aus diesem Chaos raus gekommen bin, unbeschadet und unverhaftet, aber bei dieser Demo ging die Gewalt eindeutig von der Polizei aus, oder wurde mindestens(!) von ihr provoziert.
Am nächsten Tag lass ich dann verdutzt in der Zeitung, dass es zu „Ausschreitung und verletzten Polizisten durch Gegendemonstranten“ kam.
Wer ernsthaft glaubt, dass Polizisten Freunde sind, der hat noch nie gegen Nazis demonstriert!

Anonym 2. Juli 2015 um 13:07  

Ein Paradebeispiel polizeilicher Gewalt ist der Schwarze Donnerstag bei Stuttgart 21. Die gerichtliche Aufarbeitung derselben kann nur enttäuschen.
Der Korpsgeist des gesamten Machtsystems hat gegenüber den Interessen der Bürger obsiegt.

Wäre das System Hitler heute wieder denkbar?
Ja!
Wenn man es nicht Hitler nennt.
Sondern Sicherheit.
Sicherheit rechtfertigt -fast- alles.

Wichtig!
Das schwarze Loch (Black Hole), seine Puppenspieler und das Große Geld (GG).

http://cluborlov.blogspot.nl/2015/06/the-care-and-feeding-of-financial-black.html

Der im Artikel erwähnte Sergei Jurjewitsch Glasjew.
https://www.google.de/search?q=Sergey+Glazyev&oq=Sergey+Glazyev&aqs=chrome..69i57&sourceid=chrome&es_sm=93&ie=UTF-8#


Das GG, das schwarze Loch, frisst uns alle auf.

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