Der Wahnsinn von Weimar

Montag, 27. April 2015

Immer häufiger hört man, dass linke Politiker mit dem Tode bedroht werden in diesem Land. Sie haben Glück. Wären sie Ausländer oder Asylbewerber, bliebe es nicht nur bei Drohungen. Die bekommen Gewalt nämlich ohne Ankündigung zu spüren. Entweder bei brauner Hatz oder man zündelt mal wieder an Häusern herum.

Rechte Gruppierungen mit pathetischen Namen vom »Abendland« und der dazugehörigen Rettung fischen in der gesellschaftlichen Mitte. Sie schüren Ängste. Sie und diverse Gazetten, die vom vollen Boot orakeln. Esoterische Grüppchen komplettieren dieses Bild des blanken Wahnsinns. Chem Trails und wer weiß welche Phantasien sie sich noch aus den Rippen juckeln. Sie sorgen sich um eine Regierung, die ihre Bürger vermeintlich mit Substanzen narkotisiert, während Asylbewerberheime brennen oder Wohnungen, in denen zufällig Ausländer leben und von deren Tod man sagt, es sei ein Unfall gewesen. Rassistische Motive sieht man in erster Linie - nie. Hat man auch nicht, als die organisierten Untergrundnazis reihenweise Türken ermordeten. Kein Zusammenhang, hieß es. Milieuspezifische Tötungsdelikte. Dönermorde halt. Man blinzelte zynisch. Lustig, wenn sich die Bagage selbst abschlachtet, nicht wahr?

Wer etwas vertritt, was Rechts nicht gewollt ist, bekommt Gewalt angedroht. Linke sowieso. Vor Jahren nannte man sie noch »Nestbeschmutzer« oder »Vaterlandsverräter«. Das waren noch herrlich friedliche Zeiten. Heute könnte man eine Leiche sein, wenn man nicht aufpasst. Ramelow lebt gefährlich. Sicher nicht nur er. Traurige Tradition nach Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Irgendein irrer Bachmann findet sich immer. Einer, der abdrückt. Und Beamte, die behaupten, dass es kein politisches Motiv gibt, wird diese Republik sicher nicht zu knapp haben.

Die Asylanten sind unser Unglück, wissen viele heute. Juden sind es nicht mehr. Wir haben aus unserer Geschichte gelernt. Zwar unterlassen wir Volksverhetzung nicht ganz. Aber antisemitisch ist sie wenigstens nicht mehr. Jetzt sind es Moslems. Kopftücher. Die ganze Mischpoke aus der Wüste, die man hasst - und die die AfD und Pegida und weiß der Deibel was für kuriose Abbreviaturen sonst noch der Unterwanderung bezichtigen. Sie sind Freikorps mit bürgerlichem Anstrich, die schon mal in die Zukunft weisen. In eine, in der das Abendland seine Stacheldrahtverhaue hochgezogen hat, um Moslems und Schwarze fernzuhalten. Und das Mittelmeer, wir lieben es für den Urlaub. Und weil es so schön die Plagen fernhält. Es ist ein rundherum tolles Gewässer.

Bei Joachim Fest konnte man mal was zur Stimmung im Weimarer Deutschland lesen. In seiner Hitler-Biographie. Erstaunlich, wie ähnlich wir der Atmosphäre von damals sind. Rechte Gruppen, Spinner und Gurus, teilweise auch so ökologisch verdruckste Rassisten, prägten die Szenerie. Und hier und heute? So unähnlich ist es jedenfalls nicht. Wenn es kriselt, scheint der Koller zu galoppieren. Dann kriechen die aus ihren Löchern, die man schon lange in ihre Löcher hätte einbetonieren sollen. Weimar, du alter Wiedergänger der totalen Verrohung. Wieso kann die miese Stimmung deiner schlechten Jahre nicht enden wie jene Spartakisten, die eben diese Stimmung in den Straßengraben warf?

7 Kommentare:

kevin_sondermueller 27. April 2015 um 13:35  

Spontane Assoziation zum historischen Plakat:
»Schützt Eure Heimat, ihr Menschenhülsen und Worthülsenschleudern!«

Braman 27. April 2015 um 14:14  

Naja, dass Linke auch die Nachteile des politischen Amtes zu spüren bekommen, sollte uns nicht kirre machen.
Es ist nur der Alltag - Merkel und Seehofer sind wöchentlich Morddrohungen ausgesetzt. Deren Leibwächter sind ja nicht nur zur Dekoration da.
Lafontaine, Gysi, Wagenknecht gehen seit Jahrzehnten ohne Probleme mit weniger Leibwache durch's Leben. Möge es so bleiben.

Anonym 27. April 2015 um 19:51  

"[...]t. Wenn es kriselt, scheint der Koller zu galoppieren. Dann kriechen die aus ihren Löchern, die man schon lange in ihre Löcher hätte einbetonieren sollen. Weimar, du alter Wiedergänger der totalen Verrohung. Wieso kann die miese Stimmung deiner schlechten Jahre nicht enden wie jene Spartakisten, die eben diese Stimmung in den Straßengraben warf?[...]"

Wie wahr - Ich las 1992, mit 22 Jahren, mal ein Buch über die "Asozialen im NS-Staat" - alleine das Vorwort war lesenswert, da stand - frei aus meiner Erinnerung zitiert - dass speziell in Deutschland in Zeiten der Krise eine unmenschliche Seite zum Tageslicht kommt....Tja, wer denkt da nicht an heutige Zeiten?

Trauriger Gruß
Bernie

Anonym 27. April 2015 um 19:53  

@Braman

Schon mal was von einer gefühlten Bedrohung gehört? Die Rechten sind wohl nur gefühlt bedroht, daher die "Leichwächter", und die "wöchentlichen Morddrohungen" halte ich für eine Legende deinerseits.

Lafontaine hat ja bereits einen Mordanschlag überlebt, aber was weißt du ja sicher besser als jeder andere hier.....

Zynischer Gruß
Bernie

Shiwago 27. April 2015 um 20:22  

Die Ideen zur Gestaltung von Einwanderung überlässt die Linke leider komplett Anderen.
Was ist mit denen, die gern kommen würden, aber kein Geld für den regulären Transport (auch ohne Schleuser) über Tausende von Kilometern haben?
Ich verstehe absolut nicht, warum die Linke Antworten auf solche Fragen und damit Einwanderung nicht mitgestalten will.

Anonym 28. April 2015 um 09:00  

@Shiwago (=Braman = Provotroll?)

Würde mich echt mal interessieren.

Was die angeblich "Reichen" angeht, die "Schlepper" finanzieren da schreibst du aber absoluten Labberseich wie wir hier im Schwäbischen sagen.

Ist dir eigentlich bewußt, dass die so drauf sind, dass die gar kein Vermögen haben aber alles was die haben den "Schleppern" abdrücken?

Schon mal mit der Flucht von "Asylanten" näher beschäftigt?

Film gesehen darüber, oder gar ein Buch von Geflohenen gelesen?

Nein?

Tja, dann wundert mich deine Ignoranz hier rein gar nicht, denn im Gegensatz zu dir wissen manch "Linke" (Was auch das immer heißen mag wo sogar Neolibs wie SPD-Vize-Kanzler-Gabriel sich als "links" titulieren lassen) wovon die schreiben wenn die über die "Asylanten", und deren Fluchtgründe, schreiben, wie Robert J. de Lapuente hier.

Zynischer Gruß
Bernie

Anonym 28. April 2015 um 12:50  

"billiges Bier und billigen Wein für zehn Mark das Stück"?
Ich bin ja beruflich in vielen Städten unterwegs, aber sowas habe ich noch nirgendwo gesehen...
Jemand von euch?

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