Der Mythos und die Linken

Mittwoch, 1. April 2015

Die Linke spricht nun von einem »Merkel-Plan« und der Medienbetrieb greift dieses Wort aus Kippings Mund nur allzu gerne auf. Genossin, das ist eine fahrlässige Wortwahl. Denn sie arbeitet mit am gängigen Bild, das man von dieser Frau hat.

Kipping hat ja zunächst völlig recht, denn »mittelfristig braucht es für ganz Südeuropa [tatsächlich] einen Investitions- und Aufbauplan nach Vorbild des Marshall-Plans«. Mit Sparpolitik und dem Auswringen der öffentlichen Haushalte saniert man nichts, setzt keine wirtschaftlichen Impulse und treibt die Krisenländer immer tiefer in diesen Status hinein. Wer Austerität verordnet, der treibt zur Verschärfung der Situation an und nimmt Not und Elend in Kauf. Und Entdemokratisierung! Investitionen, setzen von Anreizen, Impulse anleiern - das wäre ein geeigneter Plan. Ein New Marshall- und damit ein Masterplan. So bringt man Geld zur Zirkulation, kurbelt die Rudimente der griechischen Ökonomie wieder an und erlaubt es letztlich somit auch, soziale Sicherheiten zu gewährleisten. Und nicht zuletzt stützt man so demokratische Strukturen. Die Linke und Kipping liegen also vollkommen richtig.

Aber was um Himmels Willen soll dieser Unsinn von einem etwaigen »Merkel-Plan«? Kipping führt ja sogar noch aus, dass ein solch keynsianisch anmutender Plan gerne auch den Namen dieser Bundeskanzlerin tragen dürfe. Wieso? Glaubt Kipping ernstlich, dass Merkel Europa darstellt? Sind die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfond und die Europäische Kommission Merkel? Oder ist Merkel die Troika? Kann man sich Europa gar nicht mehr ohne den lindgrünen Hosenanzug denken?

Klar, Merkel steht für das Sinnbild europäischer Austeritätspolitik. Sie ist die Koryphäe oder die Gallionsfigur, tritt als Stimme einer Hegemonialmacht auf, die es überreizt und die ein aggressives Wirtschaftskalkül an den Tag legt. Merkel wird mit Hitlerbärtchen und SS-Uniform karikiert und wahrscheinlich hat dieses Empfinden in Südeuropa seine Berechtigung. Aber diese Frau ist doch nicht das Maß aller Austeritätsdinge. Sie ist ein Gesicht von vielen. Nur ein Kopf der Zeitgeist-Hydra. Sie mag arrogant auftreten wie wenige. So, als sei sie eine europäische Regentin. Bloß das alleine heißt ja nicht, dass es exakt so ist.

Aber es ist freilich ihr Auftreten und die Inszenierung ihrer Stärke, die einen Merkel-Kult oder -Mythos entstehen ließen. Der deutsche Konsument von Massenmedien, hat nun über Jahre den Eindruck vermittelt bekommen, dass Frau Bundeskanzlerin gleichzeitig auch so eine Art europäische Schutzherrin ist. Eine, die ihre nationalen Kompetenzen auf den halben Kontinent ausgeweitet hat und dafür sogar noch Anerkennung von den europäischen Nachbarn erntet. Dieses Bild, das diese Nation von ihrem »Oberhaupt« hat, gehört nicht angereichert mit etwaigen Forderungen nach Plänen, die dann einen Namen tragen sollen, die die Mär von der Schutzherrin Europas noch verdichten.

Die Linke hat dagegen anzugehen, den Mythos aufzudröseln, Genossin Kipping! Gut gemeint, schlecht gesagt. Denn Sprache schafft Realitäten. Und wenn selbst Die Linke nun eine Sprache spricht, die sonst die Massenmedien bedienen, einen Duktus modernen Marienkultes - ohne Maria, aber dafür mit Angela - anschlagen, dann kann diese verzerrte Realität von der Kanzlerin ganz Europas nie ausgetilgt werden.

4 Kommentare:

Anonym 1. April 2015 um 17:13  

Dieser Begriff "Merkel-Plan" stammt eigentlich vom griechischen Präsident Tsipras, der Merkel dazu aufrief, einen Masterplan für Europa zu erstellen, mit dem sie sich ein Denkmal setzen könne.

Braman 1. April 2015 um 18:00  

Eigentlich, Roberto, schreibst Du über die Sehnsucht Untertan zu sein, über eine Führungsfigur, zu der aufgeblickt werden kann, der anscheinend nicht unterzukriegenden Furcht der Unterschicht (das sind WIR), eigene Entscheidungen (auch Freiheit genannt) treffen zu müssen.
Und solange diese Furcht besteht, werden Leute wie Merkel, ob die das wollen oder nicht, zu allem möglichen überhöht um jemanden "da oben" zu haben der es schon 'richten' wird, für uns alle!

MfG: M.B.

Anonym 2. April 2015 um 09:10  

Sicher ist Merkel nicht in der Position, in der Sie der EU einen Plan aufzwingen konnte. Und genauso wenig könnte sie einen neuen Plan anordnen. Aber ist sie nicht DIE Gallionsfigur für den aktuellen "Plan"? Für Sparen, Sparen und nochmal Sparen? Für "Wettbewerbsfähigkeit" durch Verarmung der Bevölkerung? Mit diesem "Austeritäts-Plan" muss der Name Merkel verbunden bleiben! Für den kämpft sie seit Jahren, und das darf nicht vergessen werden.
Wenn es gelingen sollte, diesen derzeitigen "Austeritäts-Plan" vergessen zu machen, könnte tatsächlich passieren, dass sie eines Tages gefeiert wird für einen neuen "Merkel-Plan". Einen Plan, um die EU aus der Sch...e rauszuholen, die sie selbst maßgeblich mit angerichtet hat.

flavo 2. April 2015 um 17:58  

Die Linke hat schon längst abgedankt. Nimmt man den Linkesten der Linken her, Tsipras, so hört man allerlei von seinen Reformen, aber der heilige Grahl einer Vertiefung der Demokratie bleibt wohlfeil unangetastet. Vermutlich lange wird der Drang danach als abgestorben zu gelten haben. So gut wie vollständig ist der gesellschaftliche Diskurs davon gereinigt. In der Regel lebt man im vollständig entwickelten Politikmodell: die gegenwärtige westliche Demokratie mit ihren nationalen Nuancen. Der große Nenner besteht natütlich darin, dass der Demos innerhalb reglementierter Vorgänge eine Wahl fällen darf darüber, wer ihn die nächsten 5 jahre zu regiereren hat. Die nächste große französische Revolution bestünde ohne Zweifel darin. nicht im hin- und Herteilen und dem Gezetere darum. Nicht dass das nicht grauenhafte Wirkungen haben kann oder auch extrem gute. Aber jedesmal ist der Demos der Empfänger der Regularien. Er wird reguliert. Und die Regulierung Merkelplan heißt, heißt sie halt Merkelplan. Es ist natürlich von einer Linken wirklich blöd, dem politischen Gegner regelrecht zuzuarbeiten. Merkel scheint in der Tat eine Art Obermutti in Deutschland geworden zu sein. Dreht man diese Münze um, dann erkennt man den Grad der Regression, der hier vollzogen wurde. Die Regierten haben eine Mutterbeziehung zur Regierenden. Das passt ja wunderbar in das Kabinett mit der schwäbischen Hausfrau. Das Niveau ist einerlei.

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