Fehler, die einer macht, wenn er zu viel schreibt

Freitag, 16. Januar 2015

Es gibt so viele Themen, denen ich mich heute widmen könnte. Die Welt ist voller Probleme. Ich könnte einfach zugreifen und schreiben. Alleine es geht nicht. Denn wenn die eigene kleine Welt voller Probleme steckt, dann kümmert einen Weltbewegendes nicht mehr. Ich bin da nicht anders wie andere. Die Weltsorgen sind nichts, wenn man selbst welche hat. Sie rücken weit in den Hintergrund. Seid also nicht enttäuscht, wenn ich heute nichts Substanzielles liefern kann.

Ich habe mich in den letzten Monaten zu viel in Themen verloren, die in meinem Privatleben nicht die erste Geige spielen sollten. Aus Überzeugung. Weil ich schreibe. Und weil ich schreiben kann. So arrogant bin ich einfach mal. Aber darüber habe ich einige Menschen vergessen. Einen besonders. Den wichtigsten. Jede Woche mussten es fünf oder sechs Texte sein. Dazu Lohnarbeit, die immer mehr wurde. Sonderschichten. Und das Manuskript für ein neues Buch. Das war viel Arbeit, viele Stunden am Rechner. Viel Vernachlässigung. Und dann gab es so viele Phasen, in denen ich nichts sprach, mich abschottete, weil mich eine kleine Blockade quälte. Schließlich musste ich mein Pensum erfüllen. Das setzte mich dermaßen unter Druck, dass es mich mürrisch und gereizt machte. Vielleicht kennt der eine oder andere Schreiber das ja. Weiß von den Mechanismen, die sich einschleichen können. Man muss auch als jemand, der täglich publiziert, einen Mittelweg finden. Auch wenn der Arbeitsplatz zuhause ist, muss man trennen zwischen Privatheit und Freiberuf. Sonst geht es schief.

Aber es gab durchaus genug Texte. Trotz Blockaden. Und mit jedem Text, der die Widerlichkeit unserer modernen Welt thematisierte, wurde ich miesepetriger. Gegenüber vielen. Und gegenüber ihr. Ich tappte in die Falle. Merkte es nicht. Erkaltete. Ging im Schreiben so sehr auf, dass sie das Nachsehen hatte. Schlimmer noch, ich sprach mit ihr wie ein Schriftsteller und Analyst. Als der war ich aber nicht in ihr Leben gekommen. Sie weiß, wer ich bin. Was ich kann. Meine Ansichten mag sie. Sie glaubt an mich. Aber abends will sie den Mann, nicht den Autor.

Jetzt werden einige von euch fragen, was das hier soll. Langweil' uns doch nicht mit deinem Privatkram, werden sie sagen. Vielleicht liegen sie richtig. Schweigen ist Gold und so. Aber ich sage mal so: Ihr alle das draußen, die ihr an der Welt krankt, vergesst nicht die, die die gute Seite eures Daseins in der Welt ausmachen. Vergesst die Menschen an eurer Seite nicht. Bleibt Mensch. Lasst die Weltkritik mal stecken. Ihr müsst die kapitalistische Wirklichkeit ja nicht lieben. Aber hadert nicht noch im Bett mit ihr. Lacht. Zieht euch mit ihr von dem Ärger, den euch das Leben macht, auf das Sofa zurück. Quatscht miteinander. Lasst die Welt Welt sein. Haut mit ihr ab aus dem Trott. Ich habe das über Monate hinweg aus den Augen verloren.

Wenn also in Zukunft mal weniger Text an dieser Stelle erscheint, dann ist das eben so. Wochenenden sollen Wochenenden bleiben. Zuletzt waren Samstagstexte ja Standard. Das muss nicht mehr sein. Das bin ich mir schuldig. Und nicht nur mir. Vielleicht wird es manche Woche nur vier Texte geben. Na und? Keiner geht daran kaputt. Quälen ob fehlender Einfälle werde ich mich nicht mehr. Ich verdiene dann zwar einige Kröten weniger. Doch das ist es mir wert. Alles hat seinen Preis. Aber sie ist unbezahlbar. Wenn du das liest: Mehr sage ich dir später. Unter vier Augen. Die Leute müssen ja nicht alles mitbekommen.

12 Kommentare:

Unknown 16. Januar 2015 um 07:10  

Hallo Roberto,
altersweise wie ich bin, könnte ich jetzt sagen: das war ja von vornherein klar, schließlich geht der Krug zum Brunnen bis er bricht! Aber so einfach ist es natürlich nicht. Deine Ehrlichkeit ehrt dich und ich bin sicher, die meisten Leser deiner sehr guten Texte werden dich dafür nur noch mehr achten. Wichtig ist allein, dass du erkannt hast, dass da noch jemand an deiner Seite ist. Lieber spät als nie! Schließlich haben wir ja nur ein Leben.
Glückwunsch zu dieser Einsicht und alles Gute.
Herzlichst
Helmut Hafner

Anonym 16. Januar 2015 um 07:52  

"[...]Wenn also in Zukunft mal weniger Text an dieser Stelle erscheint, dann ist das eben so. Wochenenden sollen Wochenenden bleiben. Zuletzt waren Samstagstexte ja Standard. Das muss nicht mehr sein. Das bin ich mir schuldig. Und nicht nur mir. Vielleicht wird es manche Woche nur vier Texte geben. Na und? Keiner geht daran kaputt. Quälen ob fehlender Einfälle werde ich mich nicht mehr. Ich verdiene dann zwar einige Kröten weniger. Doch das ist es mir wert. Alles hat seinen Preis. Aber sie ist unbezahlbar. Wenn du das liest: Mehr sage ich dir später. Unter vier Augen. Die Leute müssen ja nicht alles mitbekommen[...]"

Dir Roberto alles Gute, das Privatleben, wenn es denn so gut läuft wie bei dir, ist das wichtigste, das stimmt.

Dennoch danke, dass du jemanden dessen Privatleben, eben gerade weil wir Privat und Geschäft im selben Wohnhaus betreiben, gerade - auch wegen Krankheit "Der Grauen Eminenz" im Hintergrund - in die Brüche geht wünsche ich dir alles Gute, und dass es dir, oder auch einem anderen, der hier mitliest, nie so geht wie mir.

Man muss trennen, denn ansonsten wird man irre.

Ich hab vor der Einführung der Agenda 2010 den Fehler gemacht, als Langzeitarbeitsloser, in das saisonale Geschäft meines Vaters mit einzusteigen, dass nun eben vor die Brüche geht, weil mich keiner aus meiner Familie wirklich ernsthaft unterstützt (es gibt z.B. schon Streit um eine Putzfrau für das Geschäft, die nur 1x die Woche putzen soll), und das Geschäft nicht erweiterbar ist bzw. nichts abwirft. Tja, evtl. heißt es halt bald doch Hartz IV. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich einen Fehler gemacht habe, der in neoliberalen Zeiten tödlich sein kann.

Dennoch dir alles Gute, und die Hoffnung, dass du bei dir alles wieder kitten kannst.

Gruß
Bernie

PS: Eine zweite Hälfte fehlt mir auch, aber das ist ein anderes Thema, dass mehr mit dem lediger Selbständiger zu tun hat, als mit oben erwähnten Familienproblemen.

Anonym 16. Januar 2015 um 08:32  

Hallo Roberto,
wie wäre es wenn du nächste Woche nur noch vier Texte schreibst?
Drei öffentlich und einen für dich,
indem du Beobachtungen festhälst warum die Welt verdammt noch mal, trotz der schlechten Dinge ,so super geil ist.
Ich wünsche Dir ein schönes Textfreies Wochenende.
Sebi Rossetti

epikur 16. Januar 2015 um 08:54  

Völlig nachvollziehbar, lieber Roberto! Ging mir ganz ähnlich. Deshalb gibt es bei mir in der Regel pro Woche nur noch drei Texte: Mo, Mi, Fr. Und Freitags dann eben die längeren Artikel fürs Wochenende. Das "Blogger-Einzelkämpfertum" bewältgigt man in der Tat nur, wenn das Privatleben hierbei eine gute Stütze ist bzw. man es nicht vernachlässigt.

Anonym 16. Januar 2015 um 10:31  

Nur so ist es richtig. Wie sollte der Leuchtturm sonst dem Sturme trotzen, wenn er die Verbindung zu seinem Fundament verlöre.

ThinMan

Robert 16. Januar 2015 um 11:13  

So gerne ich Deine Texte lese, möchte ich jedoch nicht, dass Du darüber Dein eigenes Leben und der wirklich wichtigen Personen darin, vernachlässigst!
Mach' Pause, tanke Kraft und leg' die "großen Probleme" mal beiseite.

Liebe Grüße

Robert

Anonym 16. Januar 2015 um 11:16  

Zu viel schreiben? Zu viel ist immer suchtgefährdet. Kenne das aus eigner "Suchtgefährdung", ich spiele zu viel ...

Aber wenigstens nicht mehr in Spielhallen mein Geld ... das war einmal.




Anonym 16. Januar 2015 um 12:54  

hallo Roberto,

die frau/der mann gehen immer vor allem was in der welt passiert. gut, dass Du das bemerkst und Dich mehr um Dein privates kümmern willst. mir ist ein guter text, der nicht auf kosten des autors geht sehr viel wert.

unbekannte grüsse an die Deinen, die Dich so sein lassen, wie Du bist aber nicht hintanstehen dürfen.

Christine

ulli 16. Januar 2015 um 13:25  

Lieber Roberto, mit der Verbesserung der Welt ist es so eine Sache, selbst mit der literarischen. Auch die macht jede Menge Stress und bewirkt nicht viel; die Welt dreht sich ohnehin weiter. Auch ich nehme die Zustände manchmal etwas zu persönlich, man sollte aber besser Distanz wahren. Unterm Strich sind die privaten Beziehungen eh die Hauptsache. Michael Sandel habe ich übrigens auch gelesen und fand seine Kantdarstellung wirklich gut. Lies lieber mehr philosphische Bücher und mach dir weniger Stress.

Anonym 16. Januar 2015 um 16:16  

Die Tücke ist ja auch, dass sich die Wahrnehmung anpasst. Selbst wenn sich der Mensch um den Faktor 100 verbessert und 100-mal weniger Menschen täglich umkommen, sind das immer noch Tausende. Und wenn man diese Zahl gewohnt ist, fühlt sie sich auch nicht weniger schlimm als ein Vielfaches davon an.
Und ob der Mensch jemals noch um den Faktor 100 besser wird? Das bezweifele ich sehr.
Die Gründe für Fatalismus werden also nicht abnehmen, haben praktisch nie abgenommen...

Ute Plass 16. Januar 2015 um 21:49  

Nein, überhaupt nicht langweilig der vermeintliche “Privatkram”.
Im Gegenteil. Du zeigst schlicht, dass alles seine Grenzen hat und du eben noch mehr bist als eine wandelnde Schreibmaschine.
Sei froh, dass du kapiert hast, dass eben “alles seine Zeit und seine Stunde hat” (altbiblische Weisheit);-)
Jetzt ist eben Zeit für die Liebste, und die wird sich sicherlich mit dir
freuen, wenn du zur gegebenen Zeit wieder zur Feder greifst um das, was dir weiterhin wesentlich ist auf ad sinistram kundzutun. :-)

sooz 17. Januar 2015 um 15:45  

Respekt! Richtige Entscheidung, gute Zäsur. Auch als Leser/Rezipient kann man sich allzu leicht, manchmal fast obsessiv in die Widrigkeiten der Welt reinknien.Dann heißt es innehalten, Augen weg vom Bildschirm und sich klarmachen - wie von Ihnen und auch hier verschiedentlich angeklungen ist - dass es in dieser Welt schließlich auch noch viel Schönes, Positives, Wunderbares, Richtiges gibt (was man schon aus Bilanz-/Gerechtigkeitsgründen wahrnehmen und ebenfalls gut sichtbar vor sich auf dem Tisch aufstellen sollte). Sonst, let's face it, könnte man sich ja "eigentlich" irgendwann die Kugel geben. Man hat hier nur (s)ein Zeitfenster .... eine kleine Lebensnische, aus der aus man was anstoßen, Dinge aufzeigen/vermitteln und was bewirken kann - aber dazu muss sie auch intakt gehalten werden.
So wie unsereins zu all den guten Artikeln mit all den wertvollen Informationen und Gedanken, die es im Internet über den Zustand der Welt und der Gesellschaft aufzustöbern gibt, zwischendurch etwas gesunden Abstand finden muss. Sollte.
Jedenfalls an dieser Stelle auch mal vielen Dank dafür - egal, ob 3, 4 oder 5 pro Woche.

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