Herr Erdmann und die sexuelle Revolution

Samstag, 19. Juli 2014

Heute mal samstags, Erdmann. Und ich mache es relativ kurz. Nicht weil ich keinen Bock mehr hätte und dich abwürgen wollte. Nee, weil du das Ende dieser Folge aus unserer Serie ja offenbar schon kennst. Also lasse ich es weg.

Es ist ja nicht so, dass ich deinen Thesen eine generelle Abfuhr erteilen will. Gar nicht! Ich würde dir sogar attestieren, dass du richtig liegst. Es ist ja ein wenig so wie mit der Neuen Linken von früher, der man in der Theorie ja recht geben musste, aber in der Praxis sah das eben schon wieder ganz anders aus.

Ersetzten wir in unserem Diskurs das Sujet »Kapitalismus« zum Beispiel durch »Sex«, so würde dir eventuell die Rolle eines Günter Amendt zukommen, der für Leute wie Kolle oder Uhse nur Spott übrig hatte, weil er ihre Empfehlungen zur Auffrischung des Sexuallebens zwischen Ehepartnern nur für gymnastische Übungen hielte, die die systematisch begründete verloren gegangene Lust nie wieder beleben könnten. Die klassische Ehe sei nämlich eine repressive Institution und deshalb in Frage zu stellen. Amendt und seine studentischen Anhänger nannten Kolle und Uhse dann auch Scheinliberale ohne revolutionäre Ziele. Sie haben halt Kommerz betrieben und nie was anderes gewollt.

Und in etwa so gibst du dich auf asexuellen Pfaden bei unserem Thema. Schau, Erdmann, seinerzeit berief man sich auch auf Wilhelm Reich, der »grausame Charakterzüge« als Symptom »chronisch sexueller Unbefriedigkeit« attestierte. Befriedigte Menschen seien entspannter, war seine zentrale Botschaft. Der Ruf »Make love, not war« schien damit irgendwie wissenschaftlich fundamentiert zu sein, Ergebnis vieler einleuchtender Analysen. Nur vögelt eben niemand, wenn es an den Krieg geht. Keinem ist danach zumute. Man kann Gauck zwar empfehlen, dass er sich mal ordentlich du weißt schon was. Das provoziert, macht Spaß, schockiert und regt vielleicht manchen zum Nachdenken an. Aber weiter kommt man mit einer solchen in sich schlüssigen Parole halt dann doch nicht, weil sie eben nur in sich schlüssig ist und nicht nach Außen hin.

Du hast recht, das Profitstreben und der Wachstumszwang lassen sich nicht einfach wegreformieren. Du triffst auch ins Schwarze, wenn du sagst, dass jedes Wirtschaften in einer Sackgasse ende, wenn es weiterhin in der Wachstumsfalle sitze. Das sind Einsichten durch Analyse. Und genau für die stehst du ja nach eigenem Bekunden. Analysen hat die Neue Linke wie gesagt auch viele betrieben. Vieles klang logisch, richtig und bestechend. Auf dem Papier. In der Wirklichkeit scheiterten sie an der Wirklichkeit. Ich meine deshalb nicht, dass linke Analysen lediglich Folklore sind. Sie sind notwendig, werfen einen anderen Blick auf die Dinge. Aber sie sind eben auch papiernern. Um bei unserem Vergleich zu bleiben: So richtig die Untersuchung der Ehe als repressive Institution grundsätzlich sein mochte, so ist sie doch ganz offensichtlich in dieser oder ähnlicher Art als »Gemeinschaft exklusiver Zweisamkeit« menschlich, ja vielleicht sogar evolutionär begründet.

Damit will ich nicht den üblichen Käse absondern, den ich sonst so höre. Sätze wie »Der Sozialismus hat nie funktioniert« oder »Die freie Marktwirtschaft entspricht dem Menschen am ehesten«. Das ist Unsinn. Nein, wir leben nicht in der »besten aller möglichen Welten«. Es gibt viel zu viel zu tun. Aber wir werden aus der Spirale einer Wirtschaft, die sich qua Profit und Wachstum speist, auf absehbare Zeit nicht ausbrechen können. Wenn das der Mensch denn je kann und wird. Aber die Politik könnte und müsste im optimalen Fall die Rolle des Wächters übernehmen, Grenzen markieren, die Dynamiken bremsen. Sich von Wirtschaftsinteressen entfernen und verallgemeinernd gesagt: Reformen schmieden, umsetzen und einhalten.

Dann ist das daraus entstandene System sicher nicht krisenfest. Es wird auch an Grenzen, vor allem an Wachstumsgrenzen stossen. Irgendwann. Früher oder später. Wir werden trotz vieler kluger Analysen nichts finden, was die Zeiten überdauert. Und ohne Revolution ... an dieser Stelle breche ich, du kennst das Ende ja, werter Erdmann. Weil ich dich schon mal an der Strippe habe: Wer hätte gedacht, dass aus uns zwei Vögel nochmal Weltmeister werden! Gratuliere.

12 Kommentare:

Braman 19. Juli 2014 um 13:26  

Und da sind wir doch beim Grundproblem der 'Linken'.
Jeder meint, zur Grundidee noch seine eigenen Gedanken und Ideen hinzu zu fügen zu müssen, erst dann ist der Sozialismus komplett und perfekt.
Anstatt sich auf ein paar Grundzüge zu beschränken, diese dann aber GEMEINSAM und GESCHLOSSEN zu vertreten und zu propagieren, werden weiterhin Kleinkriege gegeneinander geführt die die sache nicht weiterbringen und auch sondt keinem nützen, ausser den Rechten.
Die 'Rechte' hat den Vorteil, ein überschaubares, einmütiges Weltbild zu haben.
Das ist zwar nicht logisch, nicht schlüssig und auch noch (armen-)menschenfeinlich.
Das macht aber nichts. Negative Seiten werden einfach unter den Tisch gekehrt. Es ist die Ideologie der schlichten Gemüter, darum hängen ihr auch soviele derer an, die durch sie benachteiligt werden.
Intellektuelle können zwar wunderbar kritisieren, in Einzelfällen sogar gute Theorien entwickeln, aber (politisch) was auf die Beine stellen, da tun sie sich schwer. Darum werden sie ja auch in unseren westlichen 'Demokratien' nicht mehr verfolgt. Die Mächtigen haben gemerkt, das ihr Einfluß (der Intellektuellen) nicht weit reicht, auch weil ihre Sprache meist so abgehoben ist, das der 'Normal'-Bürger damit nicht erreicht wird.
Den interessieren hauptsächlich emotional besetzte Themen -> siehe einschaltquoten im TV.

MfG: M.B.

Ute Plass 19. Juli 2014 um 15:51  

Empfehlenswerte Lektüre zur aktuellen (Anti-)Kapitalismusdebatte:

DEMOKRATIE contra KAPITALISMUS
v. Ellen Meiksins Wood,

die darin argumentiert, dass das theoretische Projekt des Marxismus und dessen Kritik des kapitalistischen Systems auch nach dem Kollaps des Kommunismus aktuell und notwendiger denn je ist. Zitiere Meiksins (Seite 292)
"Meine, dieses Buch durchziehenden Überlegungen kreisen um den Gedanken, dass der kapitalistische Markt ebenso ein 'politischer' wie auch ein ökonomischer Raum ist, ein Raum nicht nur der freien Entscheidung, sondern auch von Herrschaft und Zwang. Hier gilt es noch darauf hinzuweisen, dass 'Demokratie' nicht einfach nur als politische Kategorie verstanden werden darf, sondern auch als ökonomische Kategorie neu konzipiert werden muss. Ich spreche nicht nur von einer "ökonomischen Demokratie" im Sinner einer größeren Verteilungsgleichheit. Ich stelle mir die Demokratie als einen ökonomischen Regulator vor, als den 'treibenden Mechanismus' der Ökonomie."

Anonym 19. Juli 2014 um 15:56  

Wenn schon Revolution, dann beginnen wir doch schon mal mit der Revolutionierung der unsichtbaren Seite der kapitalistischen Ökonomie: Der Sorgearbeit !

http://care-revolution.site36.net/

Anonym 19. Juli 2014 um 16:46  

Im Prinzip wäre an diesem Punkt auch der (gelebte) Sozialismus gescheitert.
Sie waren zwar in der Lage, die Gundversorgung an ihren Zenit zu führen, dadurch, dass sie aber nie daran kamen, den Sektor der Luxusbedürfnisse auszureizen, weil sie viel zu viel für andere (billig) produziert haben, erreichten sie nie das Problem, dass Wachstum auch in ihrem System einmal ein Ende hat.

Mir anderen Worten: Sie standen nie vor dem Problem, welches das kapitalistische System erreicht hat, Bedürfnisse erfinden zu müssen und diese in der Bevölkerung verankern zu müssen.

Sie haben lediglich das Tempo herausgenommen.

ulli 19. Juli 2014 um 17:32  

Ich habe mal bei "feynsinn" nachsehen ("Lesen Sie Marx, Puentes") und tatsächlich argumentiert er mit dem "tendenziellen Fall der Profitrate". Was ist damit gemeint? Ich versuche, in meinen Erinnerungen zu kramen.

Also: Marx bechreibt im "Kapital" den Kapitalismus als eine Produktionsweise, in der es vor allem um die Aneignung des "Mehrwerts" geht. Das stellte er sich ungefähr so vor: Ein Arbeiter arbeitet für einen Fabrikherren und stellt an einem Tag Waren im Wert von - beispielsweise - 100 Euro her. Der Fabrikherr zahlt ihm Lohn: 90 Euro. Bleiben also 10 Euro übrig, die der Kapitalist einstreicht und die Marx den "Mehrwert" nannte. Dieser Mehrwert ist die Quelle allen Profits.

So weit, so gut. Marx sagt nun, dass es im Kapitalismus immer technische Innovationen und Rationalisierungen gibt, durch die der Anteil der menschlichen Arbeit im Produktionsprozeß immer weiter zurückgedrängt wird. Das ist sicher richtig, man braucht nur die Fabriken von vor 30 Jahren mit den heutigen zu vergleichen, in denen es ja fast nur noch Maschinen gibt. Wenn aber der Anteil der menschlichen Arbeit ("variables Kapital") immer geringer wird, der Anteil der Maschinen ("konstantes Kapital") dagegegen immer mehr steigt, so muss auch die Quelle des Profits immer kleiner werden. Diesen Zusammenhang nannte Marx den "tendenziellen Fall der Profitrate" und er leitete davon ab, dass der Kapitalismus sich in immer schlimmere Krisen verstricken und schließlich aufgrund seiner eigenen, inneren Widersprüche ökonomisch kollabieren würde.

Das ist keine theoretische Haarspalterei. Der tendenzielle Fall der Profitrate ist das grundlegenden Argument für einen kommenden Zusammenbruch des Kapitalismus. Rosa Luxemburg etwa argumentierte so und Feynsinn tut es ebenfalls.

Aber stimmt das überhaupt? Der "tendzielle Fall der Profitrate" war von Anfang an umstritten, irgendwo wird man das sicher auch nachlesen können. Auf Anhieb fallen mir 3 Gegenargumente ein:
Erstens: Selbst wenn die Rate des Profits fällt, in absoluten Zahlen steigt er dennoch: 10% von 100 Euro sind halt viel weniger als 5% von 10000 Euro.(Die Kapitalisten werden ja nicht ärmer).
Zweitens: Das absolute Hauptargument: Marx lässt die Rolle der Politik vollkommen außen vor. Aber eine "reine" Ökonomie gibt es gar nicht. Die meiste Politik im Kapitalismus ist Wirtschaftspolitik. Siehe etwa Keynes. Aber auch unsere Mutti Merkel hat den Euro durch ihre Austerity bekanntlich "gerettet". Und als in Deutschland die Profitrate zu gering wurde, hat Schröder einen gewaltigen Niedriglohnsektor etabliert und alles läuft wieder wie geschmiert.
Drittens: kann man ganz empirisch argumentieren: Das "Kapital" ist schon vor 150 Jahren erschienen und nix ist zusammengebrochen. Es gibt Krisen, Weltkriege und anderes, aber danach geht es aber fröhlich weiter. Den Kapitalismus gibt es auch in 150 Jahren noch.

Lange Rede, kurzer Sinn: Feynsinns Argument ist absolut widerlegt. Es stimmt nicht.

Um eine Hypothese zu wagen: Mir scheint Feynsinn (oder Herr Erdmann) ein letzter Überlebender der "Marxistischen Gruppen" zu sein, eine Splittergruppe, die in den späten 70ern und frühen 80ern im Unimilieu schwer zugange war. Sein gesamter Sprachgestus erinnert mich an die, aber auch seine Argumente: Der tendenzielle Fall der Profitrate, die völlige Verachtung aller demokratischen Politik, die Behauptung, Revolution oder politische Praxis seien uninteressant, sondern es gehe nur um die Analyse dessen, was ohnehin geschieht. Auch Robertos Bemerkung, dass Herr Erdmann von Anfang an das Ende seiner Argumente kenne, passt bestens dazu.

Damit aber genug von den alten Geschichten. Im Jahr 2014 über einen kommenden Zusammenbruch des Kapitalismus zu räsonieren ist ebenso uninteressant wie bizarr und weltfremd.

flatter 19. Juli 2014 um 19:53  

Aua. Da gibt es sehr viel bemühtere Versuche, das zu 'widerlegen'. Ich habe dazu eine einfache Frage gestellt, die kann man dann ja mal eben beantworten. Außerdem verwies ich auf Bontrup. Mal kurz in die Wikipedia gucken entspricht zwar dem heutigen Bildungsideal, führt aber zu peinlichen Einlassungen gegenüber Menschen, die wirklich gelesen haben.
Wie ich zu Marxisten stehe, kann man in vielen Artikeln bei mir lesen, aber hej - einfach was anderes behaupten ist so sexy!
"Absolut widerlegt" (so wie "total" "auf ewig" und ich schwör"?) ist derweil so eine Parole von Leuten, die gern im Walde pfeifen. Auch hier gilt: Wenn man keine Ahnung hat ...

Karl Görtz 19. Juli 2014 um 20:34  

An Wachstumsgrenzen stoßen? Das hatten wir doch schon. Dann kam 1929 und
der Kapitalismus ist zusammengebrochen und viele sind aus dem Fenster gesprungen weil sie eingesehen haben, dass sie nicht mehr wachsen können. Aber die kommen immer wieder. Das ist wie bei Ratten. Man streut Rattengift. Die fressen das und krepieren dann erstmal. Und nach ein paar Monaten kommen sie wieder, intelligenter als zuvor, denn sie haben gelernt, nicht mehr krepieren zu wollen. Und Reformen braucht man nur wieder
herzustellen. Das hatten wir doch auch schon einmal, dass die Politik die Grenzen markiert hat. Das hat dann eine Weile ganz gut funktioniert und dann kamen sie alle aus ihren Löchern und übergaben die Verantwortung dem freien Markt, erhöhten als Belohnung dafür immer wieder ihre Diäten und zogen sich zurück. Jetzt braucht der freie Markt immer mehr unfreiwillige Sklaven und zuhauf billige und kostenlose Arbeiter für den freien Markt. Das regeln die aber schon ganz gut und wachen darüber.

L´Andratté 20. Juli 2014 um 00:23  

Zitat"Damit aber genug von den alten Geschichten. Im Jahr 2014 über einen kommenden Zusammenbruch des Kapitalismus zu räsonieren ist ebenso uninteressant wie bizarr und weltfremd."

Räusper. Das haben sie jetzt hiermit festgelegt?

Ein kommender Zusammenbruch des Kapitalismus wäre eines nicht: uninteressant.

Hartmut B. 20. Juli 2014 um 01:07  

@Ulli
der Kapitalismus wird nicht zusammenbrechen - obgleich ich einige Literatur zu diesem Thema gelesen hab aber auch hier habe ich dem Inhalt nur sehr kritisch gelesen

im übrigen gibt es eine Aussage von Marx, in der er klar definierte
"er ist kein Marxist"
nun ja vielleicht erheben ihn viele Menschen zum Philosophen aufgrund seiner eigentlich wenigen philosophischen Bemerkungen
ich hatte in Philosophie einen Prof., der im Gegensatz zu Weischedel sagte : Marx war und ist kein Philosoph......
nur noch soviel, ich möchte meine Gedankenwelt nicht weiter ausbreiten.... sie wäre auch unpassend zu einem Kommentar

Anonym 20. Juli 2014 um 09:38  

Vielleicht brigt das hier ein wenig Licht in den Argumentationsnebel:

"Die gegenwärtige Krise unterscheidet sich von der Depression nach 1929 u.a. dadurch, daß sie keine Weltwirtschaftskrise ist. Nur der demokratisch verfaßte und mit leidlichen Sozialsystemen ausgestattete traditionelle Kapitalismus in den USA, Europa und Japan durchläuft eine Krise, während die halbe Welt sich auf den Weg der kolossalsten Industrialisierung aller Zeiten begeben hat: China, Brasilien, Indien, Südkorea, Singapur, Taiwan, Malaysia, Saudi Arabien, Türkei, Indonesien, Mexiko, Südafrika. Die Epoche, in der die reichen Imperien die armen Länder so ausnahmen, daß die Ausbeutung die strategische Ausbeutbarkeit einengte, ist einer Epoche gewichen, in der Schwellenländer ihre Industrialisierung vorantreiben und Gläubiger der „Ersten Welt“ sind. Während der Kapitalismus in der „Dritten Welt“ früher Ländereien und Berge ausplünderte, bringt er heute eine Milliarde Menschen zusätzlich in die Mehrwertproduktion und schafft neue Industriegebiete, die mit den alten Zentren konkurrieren. VW betreibt in China zwölf Automobilwerke und plant weitere acht. Nicht de jure, aber de facto ist VW heute zur Hälfte ein chinesischer Konzern."

Mehr unter "Rainer TRampert", DIE LINKE ENDZEITTHEORIE.

Stuff 20. Juli 2014 um 09:49  

@ulli
Vorerst: Tendenziell fallende Profitrate heisst nicht, fallende Profite im Absolutmasstab. Das Problem beginnt, worin investieren, diese Profite, mangelnde, profitträchtige(re) Investitionsmöglichkeiten wiederum entwerten die schönen, bisher unerreichten Profite…

Zwei Beobachtungen: Der Charme der 3.-Welt-Länder war der hohe Anteil von lebender Arbeitskraft in mässig bis gar nicht mechanisierten Fabriken, kaum wurden die unglaublichen Profite ("lokale" Lohnkosten, Profit aber gemessen am "internationalen" Lohnniveau) in Rationalisierung investiert, wurden diese Länder uninteressant und hatten alsbald die auch sonstwo bekannten (Finanz)Krisen. Stand heute: Mein Drucker am Computer ist „Made in Vietnam“…

Zweite Beobachtung: Ich hatte, als man mit EDV/EDP noch richtig Geld machen konnte, mir nicht wie meine Kollegen/Mitbewerber schöne Porsches u. dgl. gekauft, sondern eine schöne Wohnung, die aber von meiner Familie nicht bezogen wurde, denn EDV war dazumals nicht gerade der Beruf, wo Familienleben gedieh. Da ich die Stadt, in der ich diese Wohnung erwarb, verliess und auch die Restfamilie anderswo hinzog, habe ich die Wohnung vermietet und damit Einkünfte. Inzwischen sind es vier Wohnungen die ich vermiete, in zwei Ländern und drei Städten, jeweils gekauft wegen der Arbeitsmöglichkeit. Die Mieten die ich verlangte, haben sich sowohl am Marktwert und der an der durchschnittlichen Profitrate orientiert, kann ich über Jahre berechnen, mit allerlei Renovierungen, sowohl in den Wohnungen persönlich als auch die Häuser via Wohnungseigentümergemeinschaft ala Kanalsanierung, Fernwärmeanschluss u. dgl.
Seit der „Finanzkrieese“ aber plötzlich ein seltsames Phänomen: Meine Immobilien rasen wertmässig nach oben, die Erlöse aber bleiben gleich, auch Neuvermietungen bringen nicht mehr. Daher könnte man umgekehrt schliessen: Da Mieten nicht sinken, muss, bei überall sonst fallenden Profitraten -- der Wert der Immobilien steigen! In einem Land wird der Wert der Immobilie zwecks Steuerabgaben so alle drei Jahre geschätzt, und so bin ich alleine mit dieser einen Wohnung fast schon €-Halb-Millionär!

Nina Tabai 21. Juli 2014 um 16:31  

Der Kapitalismus sortiert immer mehr Menschen meiner Generation aus dem Arbeitsprozess und damit aus dem gesellschaftlichen Gefüge heraus - und das dauerhaft. Die ganzen Arbeitsplätze die in Griechenland, Spanien und Co. mit ihren 50 % Jugendsarbeitslosigkeit verloren gegangen sind werden nicht wiederkommen.

Diese Menge an perspektivlosen jungen Menschen ist ein stetig anwachsendes Reservoir an revolutionärem Potenzial. Nur ein paar hundert Kilometer von den PIGS-Ländern entfernt lösten sie den arabischen Frühling aus und sind Heute ideales Rekrutenmaterial für Terrororganisationen aller Art. Wer einen vernünftigen Job, Familie und Kinder hat geht nicht zu ISIS. Wer das nicht hat, für den ist der Weg zu Gewalt und Umsturz erheblich kürzer.

Wer meint dass uns in Westeuropa das nicht betreffen wird ist genauso naiv wie die Römer vor 1600 Jahren, die ebenfalls glaubten dass Alles ewig so weiterlaufen würde - auch wenn die Vandalen schon an ihre Stadtmauern klopften.

Was soll aus den Milliarden Menschen werden deren Lebensunterhalt bald von Robotern und Computeralgorithmen verrichtet wird? In einem kapitalistischen System in dem Lebensstandard und Arbeit untrennbar verknüpft sind ist für diese Menschen kein Platz mehr.

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