Die heißen nur Amis, sind aber keine

Samstag, 2. November 2013

Sind wir jetzt noch Freunde?, fragen diverse Zeitungen seit Monaten besorgt, seitdem Snowden offenlegte, wie die Vereinigten Staaten spitzeln. Vor einigen Tagen sagte ein US-Diplomat, dass Deutschland und die USA keine Freunde seien, dafür aber Partner. Das entrüstete manchen Journalisten. Über dieses Gerede wie "Willst du mein Freund sein?" oder "Wir sind keine Freunde mehr!" bin ich persönlich schon seitdem ich etwa zehn Jahre alt war hinweg. Damals haben wir auf dem Pausenhof oder Bolzplatz genau so gesprochen. Hab ich mich mal mit dem sonst so bösen Rainer verstanden, sagte ich meiner Mutter stolz: Wir sind jetzt Freunde; der ist voll nett. Und lief es nicht so gut, dann verkündete ich: Der Rainer ist nicht mehr mein Freund! Mit dem spiele ich nicht mehr.

Dieses infantile Getue des Journalismus' vertuscht obendrein, dass es sich bei der Beziehung beider Länder stets um eine Partnerschaft, um eine Geschäftsgrundlage gehandelt hat. Von Anbeginn an, als man die Bundesrepublik in den Westen holen wollte, damit der Osten nicht noch weiter vordringt. Es ging ferner um Absatz und Marktzugriff. Freundschaft bedeutet unter anderem auch, sich gegenseitig ohne Hintergedanken zu unterstützen. Darum ging es bei dieser binationalen Geschichte aber nie. Die heißen nur amis, sind aber keine. Und waren sie auch nie. 

Überdies ist es natürlich peinlich, wenn Reporter die begrenzte Rhetorik kleiner Kinder verwenden. Heute Freunde - morgen fragen, ob wir noch welche sind - übermorgen keine mehr sein wollen: Mir kommt das alles bekannt vor. Ich habe derzeit wenig Überblick, mit wem mein Kind nun befreundet oder schon wieder entfreundet ist. So viel anders nimmt die Öffentlichkeit die Beziehung zwischen den beiden Ländern auch nicht wahr. Wer die Welt so begreift, als Freund und Nicht-mehr-Freund, der hat den geistigen Horizont eines Zehn- bis Zwölfjährigen erreicht. Insofern ist der Kind-in-der-Badewanne-Vergleich, den NSA-Chef Alexander kürzlich anbrachte, fast schon richtig. Irgendwie scheinen die deutsche und die amerikanische Gesellschaft ja doch sehr kindlich zu sein - die Sprache, mit der man ihnen die Weltenläufte näherbringt, belegt das.

Hätte man die Gesellschaften der Nachkriegszeit nicht mit so kindischen Stilmitteln eingelullt, dann wüssten wir heute, dass die Amerikaner stets nur Kompagnons aus demselben Geschäft waren. Mit denen säuft man mal was, wenn die Geschäfte gut laufen. Befreundet ist man deswegen noch lange nicht. Das würde das Verhältnis trüben. Was, wenn der Geschäftspartner mal rausgeworfen, ausgetrickst, liquidiert werden muss? Das hemmt nur. Und Ladehemmungen kann sich im internationalen Wettbewerb keiner leisten.

Diese Interpretation von Freundschaft erinnert überhaupt mächtig an jene, die man aus der mafiösen Literatur kennt. Dort gibt es Partner, die zusammen ein Olivenölgeschäft aufgebaut haben, die sich beim Tricksen und Morden decken, die sich mit Küssen begrüßen und gegenseitig zu Familienfesten einladen, die sich aber eiskalt abknallen, wenn die Situation es gebietet. Geschäft ist Geschäft, würde jeder Corleone da sagen. Aber gut, wenn man mit Freundschaft natürlich das meint, dann sind auch die Amis wirkliche amis.


8 Kommentare:

Anonym 2. November 2013 um 12:51  

ANMERKER MEINT:

Ich sehe das genau so, Roberto.
Die moralische Überhöhung einer bestehenden Geschäftsgrundlage bringt gar nichts. Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass schon immer "Spione am Hof des Freundes" lebten und von dort berichteten, mit dem Risiko des Entdeckt -, Geköpft-,
Ausgewiesenwerdens etc. Insofern nichts Neues unter den Herrschenden der Welt. Eigentlich wird mal wieder vom Wesentlichen abgelenkt, nämlich dass die Staaten der Welt ihre Bürger*nnen unter Generalverdacht stellen und diese in nie gekanntem Ausmaß bespitzeln. Die da oben werden sich schon "freundschaftlich" einigen, aber eigentlich geht es nach wie vor um den Umgang mit uns da unten!!!!!

MEINT ANMERKER

Sledgehammer 2. November 2013 um 17:06  

Ami go home, definitely!

Anonym 2. November 2013 um 18:51  

Exakt den Punkt getroffen - mal wieder. Nur der Typo im letzten Satz sich -> sind sollte noch korrigiert werden. :-)

MichaMue 2. November 2013 um 20:04  

Ein alter Spruch aus DDR-Zeiten, als die Sowjets noch "Brüder" waren:

"Freunde kann ich mir AUSSUCHEN, Brüder nicht!"

Von daher würde ich die US-Amerikaner auch nicht als Freunde bezeichnen. Zugegeben, ich mag das Land, auch aufgrund familiärer Bindungen. Aber ich frage mich auch, wann ich nicht mehr einreisen darf, weil ich in der FDJ war und bei der "falschen" Armee gedient habe.

Hartmut B. 2. November 2013 um 21:21  

Ach das sind doch Tom Sawyer und Huckleberry Finn am Mississippi, die spielen doch nur.....

hab ich sogleich wiedererkannt.....mit denen war ich mal befreundet :-)

Anonym 3. November 2013 um 11:13  

Komplizen trifft es wohl am besten

Lutz Hausstein 3. November 2013 um 12:01  

Um mal den Ansatz von MichaMue weiterzuführen und etwas mehr auf die Spitze zu treiben:

Man versetze sich nun einmal in die Lage eines DDR-sozialisierten Ostdeutschen. Damals waren die Sowjets/Russen noch die Freunde und Brüder. Und urplötzlich, nach der Kehre, waren dies die Amerikaner. Während die Russen nun auf einmal die "Feinde" waren. Und das vor allem "schon immer".

So ganz im Orwellschen Sinne, wo Ozeanien schon immer mit Eurasien im Krieg gelegen hat. Bis ganz plötzlich Ostasien schon immer der Gegner war. Und es war auch nie anders. Angeblich.

Wie schizophren muss man eigentlich sein, um im vollsten Brustton der Überzeigung diesen Unsinn zu verbreiten? Und wie eingelullt in die alltägliche Indoktrination muss man sein, um dies unwidersprochen hinzunehmen?

Anonym 11. November 2013 um 00:48  

Nicht nur die Reporter sind kindisch, sondern vor allem die Politiker und Diplomaten, die dann gerne mal vergessen, dass sie x Millionen Menschen vertreten. Die lassen sich sicher nicht alle die Freundschaft kündigen. Aber so sollte man nicht mit Menschen umgehen und sie aus reiner Rache ins Gefängnis werfen.

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