Kleine Waffenkunde nackter Brüste

Montag, 15. April 2013

Wir haben uns überlegt, was Frauen Radikales tun können, ohne Granaten werfen zu müssen - und da haben wir unsere Brüste hervorgeholt, sagte neulich eine gegen Putin gerichtete Feme im Morgenmagazin. Titten als Geschoss? Warzenhöfe als Schrapnell? Geht es hier noch um politische Signale oder ist die Aktion nur noch infantiler Spieltrieb?

Schon vor über vierzig Jahren waren solche "Kundgebungen" peinlich und sinnlos. Damals stürmten zum Beispiel drei Studentinnen barbusig auf Adornos Podium, wollten den Soziologen als Büttel des Staates kennzeichnen, mit ihren Brüsten verdeutlichen, dass er politischer eher rechts steht. Damalige Linke beklatschten diese Sinnlosigkeit freudig. Und sie tun es heute auch. Wenn sich linker Bewegungsdrang innerhalb des neoliberalen Kapitalismus so äußert, dass das Hervorholen von Titten schon applauswürdig ist, dann steht es um die politische Linke schlechter als gedacht.

Was soll als Signal und Motiv hinter Brüsten stecken, die man an die Luft setzt? Egal ob man sie einem Diktator entgegenreckt oder doch nur einem Soziologen: Das Signal ist, dass es keines gibt. Es ist Spaß, den man irgendwie politisch aufgeladen sehen möchte, um die Nichtigkeit zu verwichtigen. Widerstand muss Spaß machen, sagten die Kommunarden Ende der Sechzigerjahre. Die Leute um Dutschke setzten dem entgegen: Spaß machen ja, aber auch Sinn haben, Inhalt vermitteln. Die Feme im Morgenmagazin meinte auch, dass man das aus Gründen der Provokation tat, um auf sich und auf die diktatorische Kultur in Russland aufmerksam zu machen. Welche Inhalte vermitteln Titten denn genau? Was steckt hinter oder in ihnen? Fettgewebe? Bei jungen Müttern Milch? Klar! Aber politische Inhalte? Was soll die entblößte Brust sagen? Dass der Diktator Putin in seiner Heimat die Frauen zur Nacktheit verpflichtet? Nicht mal Philip Roth, der sich ausgiebig mit der Brust auseinandersetzte, kann der Titte politischen Charakter verleihen. Sein Protagonist, der sich in eine Brust verwandelt, skandiert nicht politisch, sondern will nur immer gerieben und gestreichelt werden. Zugegeben eine sehr mannhafte Phantasie, aber als Politikum taugt sie so oder so kaum.

Man muss gar nicht moralisch werden. Hole seine Titten raus wer mag. Politisch aufwerten sollte man diesen seltsamen Feminismus, der Nacktbilder in Magazinen verurteilt, um dann flitzen zu gehen, allerdings auf keinen Fall. Sitzstreiks, stures Ausharren, geschlossene Menschenketten - das sind Aktionen, die etwas deutlich machen, die versinnbildlichen, dass man etwas per se erreichen will. Hier sitzen wir, wir können nicht anders! Nacktes Ringelpiez mit Sicherheitskräften erreicht nur Anfassen oder besser gesagt: Gefasstwerden.

Eine Welt in der das Rausholen von Geschlechtsmerkmalen ausreichte, um politische Akzente zu setzen, wäre aber ehrlicherweise ein netter Entwurf einer friedlichen Welt. Man stelle sich vor, wie die IG Metall Streiks organisiert, bei denen nicht Trillerpfeifen dominieren würden, sondern offene Hosenlätze die Szenerie bestimmten. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen und für höhere Löhne einfach mal den Schwanz rausholen.

Fraglich ist indes auch, was gewesen wäre, wenn Putin nur der Ehemann der russischen Präsidentin Putina gewesen wäre, wenn es also die Dame des Hauses wäre, die diktatorische Anwandlungen aufweisen würde, und wenn das einige Machos zum Anlass genommen hätten, mit wedelnden Schwänzen auf die Lage in Russland aufmerksam machen zu wollen. Applaus der Linken? Und wie hätte die Damenwelt reagiert? Hätte man die Justiz gelobt, die diese Erregung öffentlichen Ärgernisses geahndet hätte?

Brüste als Granaten! Ist das Hohn oder einfach nur Verquastheit? Welche Granatsplitter treiben denn Brüste in das Umfeld ihrer Explosion? Wo zieht man den Splint heraus? Und was ist das für eine Waffenkunde? Wehrerziehung für Spaßguerilla oder für Anhänger der Freikörperkultur? Die Nacktheit des Menschen als Waffenarsenal? Ist diese Denkweise nicht puritanisch unterlegt, ist nicht Prüderie deren Fundament?

Natürlich haben die Femen mit dieser Taktik nudistischer Kriegsführung nicht falsch gelegen. Sie wollten auf sich aufmerksam machen. Das ist ihnen gelungen. Ihre Brüste waren in allen Zeitungen. Die einen beklatschten sie, die anderen schüttelten den Kopf und mancher mag sich an diesen jeweils zwei Argumenten aufgegeilt haben. Aber was bleibt außer die Erinnerung an Brüste? Denkt dabei überhaupt noch jemand an Putin? Oder an diese Kanzlerin und den Ex-Kanzler, die mit Putin in Freundschaft Geschäfte abwickeln? Über die Motive schrieb kaum jemand. Diese Aktion Titte gegen Tritte landete im Boulevard. Die politischen Ressorts schoben diese Meldung gleich weiter.

Den Bild-Lesern haben die Femen eine Freude gemacht, sie durften an einem Tag Bild-Girl und einen Femen-Akt bestaunen. So einen Feminismus kann man gut leiden! Früher meinte man ja immer, der Feminismus sei eine intellektuelle Angelegenheit - und heute landet er in der Kultur des mentalen Bullshits, direkt im Boulevard. Für den wirbt Schwarzer und strippt die Feme fatale. Man muss halt mit dem Boulevard zusammengehen, wenn man Aufmerksamkeit will. Endlich ist man mit dem Bullshit versöhnt. So wie mit der Islamophobie und der Religionsfeindlichkeit an sich. Und nebenher wird die soziale Frage ausgeblendet. Hartz IV-Bezieherinnen sollen nicht Titten zeigen, sondern arbeiten gehen.



9 Kommentare:

altautonomer 15. April 2013 um 08:19  

Protest ist vielseitig, bunt und phantaievoll. Und so mancher EinzelkämpfER hat schon seinen nackten Hintern einem prominenten Politiker entgegengestreckt (Queen in Australien). Es war eine amüsante Aktion. Die Frauen haben ja nicht nur ihre Busen gezeigt, sondern ihren nackten Oberkörper mit einer Botschaft versehen. Das unterschlägst Du leider.

Bezüglich der Wirkungslosigkeit derartigen Mätzchen bin ich ja mit Dir einig. Aber Deine Argumente lassen sich auch auf jede "friedliche" Latschdemo anwenden. Auch sie ist für die Herrschenden der Beweis, wie hervorragend demokratisch und tolerant es in der Zivilgesellschaft zugeht.

Streiks sind dagegen eine andere Kategorie. Das ist Widerstand.

Volker Birk 15. April 2013 um 08:51  

Nanu, Nacktheit provoziert nicht mehr durch den Tabubruch? Die Frauenunterdrückung funktioniert nicht mehr durch die Tabuisierung des weiblichen Körpers bis zur Burka? Religionen wie das Christentum oder der Islam sind nicht mehr inhärent frauenfeindlich gar?

Da muss ich was verpasst haben, scheint doch diese Welt durch eine ganz andere ersetzt worden zu sein, in der “Titten” nur noch was für den Boulevard sind.

Eric 15. April 2013 um 08:55  

Hallo Roberto,

leider hab ich grad nicht den passenden link zur Hand (da auf Arbeit), aber meiner Info nach ist der Hintergrund der Femen recht dubios. Bezahlung von mind. 1000 € im Monat, unklar wo Geld herkommt (USA?), haben u. a. auch schon vor islamischer Institution derart demonstriert.

Gruß

Eric

altautonomer 15. April 2013 um 09:32  

Eric: Richtig. Das war bereits bei den Pussy Riots so. Stöber mal auf den Seiten von Wolf Wetzel zu diesem Namen unter dem Thema "Pussy Riot – zwischen Rührung und Wunschproduktion". Dann stößt Du auf "National Endowment for Democracy" als Unterstützer der Pussys. Die Linie kann belegbar über Madeleine Albright als Chefin des NED bis zu Joschka Fischer verfolgt werden. Keine VT!!!

ulli 15. April 2013 um 09:48  

Ich denke auch, dass du einen zentralen Aspekt übersiehst: Nichts ist autoritären Regimen und alten, autoritären Männern verhasster als Frauen, die ihre Weiblichkeit unter eigener Regie, selbstbestimmt ausleben. Darin sind sie sich alle einig: Von den arabischen Ölpotentaten, über Irans Mullahs, zu Putins Russland, bis zu den fundamentalistischen Christen, die diesen Schmarrn der jungfräulichen Heirat hochhalten. Übrigens neigen die sicher alle zu extremer Doppelmoral, so dass sie ihre Frauen nicht nur auf der Straße von oben bis unten verhüllen, sondern sie im privaten ohne Zweifel zu Pornohäschen machen. Der ideale Kandidat für femen wäre Berlusconi.

Übrigens gab es hier in Berlin-Charlottenburg den ersten weiblichen Schwimmverein Deutschlands, die "Nixe". Diese "Nixe" veranstaltete Wettkämpfe in einem Seitenarm der Spree: Das Gelände wurde dann mit einem hohen Bretterzaun abgeschirmt und es durften nur Frauen teilnehmen oder zusehen. Vor allem wurden die Wettkämpfe aber von der Polizei überwacht. Schon im Wilhelmismus wusste man: Frauen in Badeanzügen, die sich der Autorität ihrer Männer entziehen, können verheerende Wirkungen auf die öffentliche Ordnung haben.

landbewohner 15. April 2013 um 12:13  

volle zustimmung. sehe das ganze auch eher als klamauk auf dsds-niveau denn als politische demonstration.
den hinweis von "eric" halte ich da auch für durchaus plausibel.

der Herr Karl 15. April 2013 um 12:38  

Ich bin ja oft nicht der selben Meinung wie der Blogbetreiber, aber dieser Artikel ist wieder ein wunderschönes Beispiel dafür, dass man links UND differenzierend, objektiv und selbstkritisch (was linke Sichtweisen angeht) sein kann. Ich sehe es auch so, dass das "Rausholen von Geschlechtsmerkmalen" allein noch keine politische Aussage hat. Es ist reiner Klamauk.

Dies ist auch ein mutiger Artikel, vor allem für einen Linken!

baum 15. April 2013 um 20:32  

es fällt mir erst jetzt ein: kennst du den film von woody allen "was sie schon immer über sex wissen wollten, aber nie zu frage wagten". darin gibt es eine riesentitte, ungefähr 6 bis 10 meter hoch, die über die wiese schwappt und allen bedroht. sie schießt mit milch aus ihrer warze, ihrem nippel - und tötet.

Anonym 16. April 2013 um 19:53  

Hmmm...
wenn das Präsentieren von Titten und bemalten Körpern so wahnsinnig sinnlos ist, warum reagieren dann nur die Sicherheitsbeamten immer so hysterisch ? Klar ist doch unzweifelhaft, dass es sehr viel größere Medienaufmerksamkeit erregt als eine lahmarschige Latschdemo mit Trillerpfeifensonate.
In scheinheiliger Heuchlergesellschaft von Politikern und Würdenträgern ist das unangemeldete Präsentieren von Mammas immer noch ein Aufsehen erregender Affront, und das trotz BLÖD-Zeitung und RTL. Und nicht umsonst hat der uckermärkische Hosenanzug so dämlich geglotzt wie eine Kuh bei Gewitter.
Ob sich mit der Tittenshow tatsächlich was verändern lässt, bleibt mal dahingestellt, Aufmerksamkeit haben sie jedoch zweifellos erhalten.
Anton Chigrh

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