Eine Nation unter Waffen

Freitag, 11. Januar 2013

Diese ganzen Redneck-Trottel, die mit ihrer Waffennarretei aus den Honky Tonks wackeln oder aus ihren Anwaltskanzleien strömen, sind verdammt noch eins unsere Freunde. Ihr sonderbarer Ansatz der Befriedung der Gesellschaft, in der sie leben, schadet uns doch nicht. Die meinen nämlich, dass Littleton, Blacksburg oder Newtown zu verhindern gewesen wäre, wenn sämtliche Lehrer an den Schulen auch bewaffnet zur Schule gegangen wären. Es gibt gewissermaßen nicht zu viel Waffen, die im Umlauf sind, sondern gegenteilig, es sind viel zu wenig.

Wir halten solche Ansicht hier in Deutschland zuweilen für reaktionär und schütteln verständnislos die Locken, wenn wir mit ihnen konfrontiert werden. Entgeht uns dabei der gesunde Geschäftsinn, den wir sonst an den Tag legen, wenn wir Waffen verschiffen? Da lauert doch dicker Umsatz. Umsatz, den wir sonst gerne in unsere Geschäftsbücher eintragen, wenn in anderen Teilen der Welt Waffen benötigt werden. Dabei ist des Rednecks Zu-wenig-Waffen-Theorie eine Goldgrube.

Bewaffneten sich die Lehrer auch im Unterricht - privat sind sie es ja unter Umständen schon -, so müssten nach Maßgabe dieser Eskalationstrategie auch die Kinderchen Schussgerät mit in die Schule nehmen. Schließlich könnte der Lehrer irgendwann austicken, wenn es zu viel Geschrei und Geschwätz gibt, da könnte er ja in Versuchung geraten. Nach der Sache in Newtown sagte ein befragter Amerikaner, wenn ein Lehrer eine Waffe gehabt hätte, dann hätte man dem Typen schnell den Kopf weggeknallt und dann wäre die Katastrophe eher ein Kataströphchen gewesen. Das kann man mal Weitsicht nennen! Kurzum, wenn der Lehrer ausrastet, dann müssen die Kinder die Möglichkeit haben, ihm den Kopf wegzuschießen. So funktioniert Befriedung.

Seien wir plötzlich nicht so ethisch. Das verhindert nur Geschäfte. Im Gegenteil, eine aufgerüstete Zivilgesellschaft bringt Innovationen mit sich. Mobiltelefone für Kinder gibt es doch auch. Warum nicht auch handliche und kindergerechte Pistolen? Sonst heißt es doch auch, dass Panzer nach Arabien Arbeitsplätze sicheren und schaffen. Sozial ist, was Kinderpistolen schafft. Und es sind ja nicht nur die Kinder, die dann Waffen benötigen, sondern auch die Eltern. Vor allem die Eltern! Schon mal Kinder erlebt, die wütend auf ihre Eltern sind? Man muss sich doch wehren können! Und das ganze andere Personal in Schulen braucht selbstverständlich auch Waffen. Und Kindergärtnerinnen, wenn es chic wird, dass man schon Hosenscheißer waffentechnisch ausstattet. Alles zur Sicherheit, versteht sich.

Was sollen wir denn da moralisieren? Wir liefern doch auch in andere Landstriche. Aufrüstung ist doch sonst ein Grund zur Freude. Die ganze liberale Rotte, die Waffenkontrollgesetze fordert, die ist doch nicht gut für den Waffenstandort Deutschland. Der Redneck und seine Waffenliebelei ist es hingegen schon. Wo sind denn plötzlich unsere Prioritäten? Warum so moralingetränkt, wenn einer von denen erläutert, auf Amerikas Straßen sind zu wenig Waffen unterwegs? Uns soll es doch recht sein. Trifft uns dann etwa die Schuld, wenn die schöne Theorie nicht aufgeht und alle fünf Sekunden jemand durch eine Waffe ums Leben kommt. Alle fünf Sekunden verhungert auch ein Kind - und das, liebe Leute, ist doch nur eine Marginalie.

Die Geschäftstüchtigkeit deutscher Waffenkonzerne und ihrer politischen Schmierlappen verhindert Panzer für Arabien oder Maschinengewehre für Afrika nicht. Der Bürger zuckt nur mit den Achseln. So ist das halt mal, Geschäft ist Geschäft und von irgendwas muss man ja leben. Bis der Redneck kommt, der amerikanische Freund. Dann versteht man die Welt nicht mehr. Wie kann man nur so blöd sein, fragt man sich dann, wenn man so einen Typen das Maul aufmachen sieht und hört. Klar, der ist ja wie wir, denkt man. Westliche Kultur und so. Westliche Aufklärung. Weißer Mann. Und dann will er aufrüsten, will er Pädagogen mit Knarren sehen. Und dann kehrt der Bürger, der bei Panzer für die nicht-weiße Welt mit seinen Schultern zuckt, seinen Widerwillen heraus, wird ganz ethisch, wütend sogar und kann nicht begreifen, wie sich weiße Vernunftsmenschen gegenseitig in die Eskalation peitschen.

Ein fiktiver Präsident namens Romney hätte womöglich die Waffengesetzgebung gelockert. Und nehmen wir nur kurz an, ein deutsches Magazin hätte unter Berufung auf geheime Dokumente darüber geschrieben, dass diese Lockerung den deutschen Waffenlieferanten Mehraufträge in Milliardenhöhe einbrächte, was hätten wir da im Angesicht von Littleton, Blacksburg und Newtown geschimpft und gewettert. Geschäftssinn ade! Dergleichen regt uns auf. Arme weiße Kinder unter der Fuchtel bewaffneter Pädagogen. Schwarze Kinder unter dem Diktat von der westlichen Welt bewaffneter Generale sind leichter zu ertragen.

Eskalation als Deeskalation. Im Kalten Krieg haben wir das als Methode erlebt. Atomwaffen und noch mehr Atomwaffen. Immer zwei oder drei mehr als der Gegenspieler besitzen. Eskalation ist das Prinzip in dieser Welt. Wir eskalieren ja auch. Der Markt hat versagt. Lösung: Noch mehr Freihandel und Deregulierung. Die Freiheit ist vom Terrorismus gefährdet. Lösung: Freiheit einfrieden. Es fehlt Binnennachfrage. Lösung: Noch mehr sparen.

Seid also nicht so verlogen, sondern unterstützt den Redneck. Für eure Arbeitsplätze. Für den Wohlstand in Deutschland. Mehr Waffen müssen unser Schaden nicht sein. Man könnte natürlich dieselbe Moral walten lassen, wenn mal wieder Waffenladungen in den Kongo gehen sollen. Aber das könnte Arbeitsplätze gefährden und von irgendwas muss man doch leben ...



10 Kommentare:

Anonym 11. Januar 2013 um 07:19  

bitterböse glosse und so wahr!

ninjaturkey 11. Januar 2013 um 07:27  

Wir würden ja gern in die USA liefern, nur leider ist dieses Krisengebiet selbst für unkritische deutsche Waffenlieferanten zu kritisch.

Anonym 11. Januar 2013 um 08:33  

was sol´s....im Strassenverkehr kommen jährlich mehr Menschen um....

Hartmut 11. Januar 2013 um 10:06  

Zynismus muß auch mal sein....
(reinigt den Denkapparat :-))

Spontan fällt mir hierzu ein, das Buch von Barry Sanders, Der Verlust der Sprachkultur, mit dem Untertitel "Die Pistole ist das Schreibgerät der Analphabeten".
Erscheinungsjahr dieses Buches war 1994 ! - Na,ja, es gibt doch noch Propheten.

Lutz Hausstein 11. Januar 2013 um 10:28  

Roberto, Du hast leider mitten in der Kausalkette abgebrochen. Ich werde es deshalb noch ein wenig weiterführen.

So denn Kinder bewaffnet Sicherheit erführen, fragt sich doch sofort besorgt der Tierfreund: "Denkt denn auch irgendjemand einmal an die Tiere?" All die Hunde, Katzen, Goldhamster, Schildkröten und Guppys, welche nun plötzlich der Willkür der waffenstrotzenden Kinder wehrlos ausgesetzt sind.

Das ist eine echte Marktlücke(TM)! Mit Wachstumspotential(TM)! Sofern keine Gliedmaßen zum Betätigen des Abzugs vorhanden sind, müssten Waffensysteme entwickelt werden, welche neuronal das Gehirn der Tiere mit vollautomatischen Waffen verbinden, um diese zu schützen. Soooviel Wachstumspotential!

In der nächsten Eskalationsstufe müssten dann vermutlich die freilebenden Tiere mittels eigener Waffen vor der Gefahr durch Haustiere geschützt werden. Wölfe vor Schafen, Kaninchen vor Hunden, Vögel vor Katzen.

Waffen für alle!

Vielleicht kehren wir alle ja aber einfach nur wieder zur guten alten Steinschleuder zurück.

Anonym 11. Januar 2013 um 10:47  

Es gibt bei diesem Thema nur ein Problem, dass tunlichst alle ausblenden, um ihre jeweilige Rhetorik nicht zu gefährden:

diese 'Büchse der Pandorra' (Waffenbesitz in nicht-staatlicher Hand) lässt sich nie wieder schließen.

Kein noch so strenges Gesetz wird diese Waffen aus der Welt schaffen (die 'braven' gesetzestreuen Bürger, die sie freiwillig abgeben, sind so oder so nicht Teil des Probs).

Es könnte nur über das Verbot des Verkaufs der Munition der "Markt" nach und nach ausgetrocknet werden, was aber auch Jahrzehnte dauern wird (und nie 100% erreicht).

Ansonsten bleibt wirklich nur die zynische Alternative der NRA die "guten" weiter aufzurüsten.

der Herr Karl 11. Januar 2013 um 10:50  

Beim Spiegelfechter hatte ich am 9. Januar Folgendes geschrieben:

Leute, bleibt doch mal ein wenig am Boden und lasst euch nicht von Nebensächlichkeiten wie privaten Schusswaffen ablenken.

Marktanteile am Export von konventionellen Waffen nach Nationen im Zeitraum von 2007 bis 2011: Deutschland auf Platz 3 weltweit, hinter USA und Russland…
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/151877/umfrage/weltweite-marktanteile-am-export-von-konventionellen-waffen-nach-nationen/

“Die Bundeswehr hatte am Dienstag mit der Verschiffung der Ausrüstung für den Einsatz von zwei “Patriot”-Raketenabwehrstaffeln begonnen.” (SPON)

Die Patriots werden wahrscheinlich später gegen den Iran gebraucht…

kevin_sondermueller 11. Januar 2013 um 14:36  

@Lutz Haustein,

das wäre ein Sujet für den seligen
Paul Scheerbart.

In >Rakkox der Billiardär< entwickelt er ähnliche Gedanken.
Überhaupt kann diese Story als ante festum-Satire auf die Auswüchse der heutigen Globalisierung verstanden
werden.
Er war eben ein wirklicher Phantast!

Anonym 12. Januar 2013 um 23:45  




Die Amis fordern jetzt auch "mehr Waffen für die EU" und damit verbunden auch eine "schmalere Demokratie":

http://www.welt.de/wirtschaft/article112701882/Europas-Problem-ist-das-Wohlfahrtsstaats-Modell.html

Die Amerikaner und hiesigen Bertelsmämmer von Random-House zeigen sich jetzt offen solidarisch zueinander.Die trauen sich jetzt immer öfter den Leuten zu sagen wie sie sich den ganzen Spass vorstellen.

Monti

Anonym 12. Januar 2013 um 23:53  

Ich finde, dass die Waffenlobby durchaus recht hat mit ihrer Argumentation: nicht Waffen töten, sondern Menschen.

Man muss sich die einfache Frage stellen, warum die Gewaltbereitschaft in den USA so hoch ist. Es ist doch nicht so, dass ohne Schusswaffen dort alles in Ordnung wäre. Schusswaffen machen die Schadwirkung einzelner Subjekte höher, doch ändert es doch nichts an der Gewaltbereitschaft, die sich auch mit Küchenmessern und Baseballschlägern ausleben lässt.

Der US-amerikanische Gesellschaftskörper ist krank.

Nehmen wir die schweizer Gesellschaft: bewaffnet bis an die Zähne vom Staat, jeder Mann hat zuhause eine automatische Waffe, die Munition gibt es bei jeder jährlichen Übung zum einfachen einstecken.

Gibt es dort das Gewaltproblem der USA? Nein.

Schusswaffen erhöhen den Wirkungsgrad, ursächlich ist aber tatsächlich eine überbordende Gewaltbereitschaft.

Die interessante Frage ist also: wo kommt die her? Eine Analyse dazu wäre sehr interessant.

Dass die Waffenlobby der USA ihr zynisches Spiel mit den Leuten treibt, will ich nicht weiter vertiefen, aber die Aussage, dass Waffen keine Gewalt verursachen, würde ich unterschreiben.

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