De auditu

Donnerstag, 20. September 2012

Einer der schlimmsten Euphemismen, die wir im heutigen Deutschland kennen, ist etwas Gemütliches, eigentlich nichts Schlechtes. Das paranoide Abstandsgebot zu dieser Institution und dem Begriff, das um 1968 herum ausgesprochen wurde, ist jedoch weit übertrieben - denn sie kann durchaus missbraucht werden und zuweilen auch Ort versteckter Täterschaft sein, ist aber gleichfalls, und das hoffentlich viel öfter, eine Anlaufstelle für Geborgenheit und Akzeptanz. Der Begriff aber, er wird schamlos ausgebeutet und dient der Verklärung und Verschleierung, schafft Identität, wo es keine braucht, wo es sie aber aufgrund "höherer Interessen" geben soll. Es geht um die Familie. Die dürfte einer der schlimmsten Verschleierungsbegriffe sein.

Betriebe nennen ihre Belegschaft Familie, um auszublenden, dass man dieserlei "Familienmitglieder" auch entlassen kann - und Söhne und Töchter sind einfach treudoofer als Angestellte. Knallt nächtlich Geschirr und vernimmt man Geschrei und klatschende Hautpartien, spricht die gerufene Polizei hernach von Familienstreitigkeiten, um das zu Gehör getragene Gewaltpotenzial im Privaten zu belassen. Bringt man sich familiär um, so geschah eine Familientragödie. Muslime kennen keine Familientragödien, bei ihnen spricht man von Ehrenmorden, wenngleich es nicht selten auch ein übertriebener Ehrbegriff ist, der Familientragödien hervorruft. Neulich erst brachte ein Vater im Zuge von Sorgerechtsstreitigkeiten seinen Sohn um, er selber versuchte sich danach das Leben zu nehmen, was ihm misslang. Die Medien berichteten von einer Familientragödie, auch wenn es wohl ein ehrabschneidendes Gefühl war, dass man dem Vater vermittelte. Durchaus kann es seine verlorene Ehre, erst als Partner, dann als Vater gewesen sein, die ihn zum Kindsmörder werden ließ. Vom Ehrenmord schrieb jedoch niemand. Die Familientragödie ist der tragische Versuch, zerrüttete Verhältnisse bei nichtmuslimischen Familien zu entpolitisieren. Die Ehre als Motiv in muslimischen Familien wird deshalb betont, um sie als private Tragödie ans Tageslicht zu ziehen, sie zum Politikum zu machen.

Die Familie kann ein Hort der Zufriedenheit sein. In vielen Fällen ist sie es nicht. Sie hat aber nach wie vor einen guten Ruf, denn selbst die zerstörteste Familie bleibt im Angesicht einer kalten Umwelt, immer noch ein Rückzugsort, an dem man sich nicht ganz so unwohl fühlen muss wie draußen. Dieser gute Ruf, der Assoziationen wachrüttelt, die mit Gemütlichkeit oder Geborgenheit zu tun haben, wird mal bewusst, mal unbewusst missbraucht, wenn man die Familie als Begriff nutzt. Und wie im Falle des Ehrenmordes, ist die Unterschlagung der familiären Dimension eines Verbrechens, ebenso politisch und tendenziell. Die Aberkennung des Familiären in diesem Falle, raubt einer solchen Tat die menschliche Dimension und gibt ihr den Anstrich reiner, gefühlsloser Ideologie - die muslimische Familie wird somit generell als Ort der Härte und Unnachgiebigkeit gezeichnet, als Diktatur gegenüber Kindern und Frauen. Die Familientragödie aber, die vielleicht von einem Familiendiktatur begangen wird, darf sich Familiäres anheften.

Familie kann man sich nicht aussuchen, heißt es - den begrifflichen Gebrauch damit allerdings schon.



6 Kommentare:

Anonym 20. September 2012 um 09:20  

Was Familie angeht, die hält auch meist nur zusammen bis ein Familienmitglied stirbt, und wenn das nichts geregelt hat ist die sprichw.... Kacke mächtig am dampfen.

Man nennt es dann Erbstreitigkeiten, und Erbengemeinschaft, die die ganze Brutalität des kapitalistischen Systems auch in der Familie zeigt.

Geht mal in ein Erbrechtsforum im Internet und gebt "gesetzliche Erbengemeinschaft" bzw. "Erbengemeinschaft" ein, da bekommt man das kalte Grausen was Familien sich alles antun, wenn Vermögenswerte, oder gar ein Geschäftsbetrieb durch einen plötzlichen Tod des Inhabers, strittig werden.

Die Nachlassgerichte haben dann viel zu tun, was traurig ist, aber auch mir - als Mitbetroffenen einer Erbengemeinschaft - zeigt die ganze Brutalität des neoliberalen Kapitalismus zeigt sich auch bei einem Todesfall in Deutschland.

"Familie" bzw. Zusammenhalt in einer solchen ist dann nämlich gar nichts mehr wert, sondern nur noch der Nachlass......das Vermögen....der Geschäftsbetrieb....das Kapital eben....

Trauriger Gruß
Bernie

David 20. September 2012 um 10:20  

Familientragödien und Ehrenmorde haben unterschiedliche Motive, die Begriffe stehen also für unterschiedliche Sachverhalte, sind mitnichten austauschbar.
Beim Ehrenmord sind Art des Vergehens und Strafmaß als eine gesellschaftliche Norm aneinander gekoppelt. Es gibt eine gesellschaftliche Übereinkunft, "wenn man A tut, dann folgt daraus als Strafe B."
Bei der Familientragödie geht es um einen persönlichen Ehrbegriff, der von einer gesellschaftlichen Norm zu unterscheiden ist.

Anonym 20. September 2012 um 11:21  

Naja, es ist nicht das gleiche.
Beim Ehrenmord herrscht ein gesellschaftliches Einverständnis für die Tat. Bei der Familientragödie nicht.
Ein Ehrenmord tut einer Konvention Genüge. Eine Familientragödie nicht.

Bademeister 20. September 2012 um 11:43  

Die Natur des Ehrenmordes besteht darin dass mittels des Mordes die Ehre wiederhergestellt werden soll. Die Ehre der Familie bzw. ihres Oberhauptes. In einer patriarchalen Kultur fällt das Verhalten jedes Familienmitglieds direkt auf sein Oberhaupt und dessen Ehre zurück. Muslime haben kein Abo auf patriarchale Familienstrukturen, die kann es auch in christlichen oder atheistischen Haushalten geben.

Im weiteren Sinne könnte man auch Duelle als Ehrenmorde bezeichnen, wie sie bei uns bis vor 100 Jahren durchgeführt wurden. Ferdinand Lassalle, einer der Gründer der SPD, starb bekanntermaßen bei einem Duell um seine persönliche Ehre wiederzuerlangen.

Ein Ehrenmord kann also auch eine Familientragödie sein, muss aber nicht. Ebenso kann eine Familientragödie auch ein Ehrenmord sein, muss aber nicht.

Viele "Familientragödien" sind erweiterte Suizide, in der Regel Väter die nach einer Trennung ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder nehmen.

Mitunter geht es auch um Banalitäten wie Geld, so beim Doppelmord von Krailing, oder um die Vertuschung anderer Straftaten wie Vergewaltigung welche häufig im familiären Rahmen begangen werden.

Folglich sind Begriffe wie "Ehrenmord" oder "Familientragödie" unpräzise, emotionalisierend und ideologisch aufgeladen.

Dennis 20. September 2012 um 12:59  

Ehrenmorde sind im Unterschied zu Familientragödien häufig Gemeinschaftstaten. Die Ausführenden eint ein gesellschaftlicher Code.
Bei Familientragödien gibt es gesellschaftliches Verständnis für die Emotion, nicht aber für die daraus resultierende Tat.
Die Motivation bei Ehrenmorden hingegen ist gesellschaftlicher Natur. Emotion und Tat werden hier als zusammengehörig angesehen.

Golem 21. September 2012 um 15:30  

Schuld daran, dass in der Integrationspolitik in den vergangenen Jahren so viel schief gelaufen sei, hat für Buschkowsky übrigens ein Kartell aus ideologischen Linkspolitikern und Demokratie-Zurechtstutzern, das den Menschen das Recht abspricht zu sagen, was sie am eigenen Leib erfahren.

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