Bombig interpretiert

Montag, 24. September 2012

Die Nachrichten von gefundenen Weltkriegsbomben häuften sich, seitdem in Münchner Stadtteil Schwabing eine spektakuläre Sprengung stattfand. Beinahe täglich ein neuer Fund. Zuletzt in Viersen - davor in Ismaning, Hamburg, Oberhausen, Nürnberg, Worms, Dortmund, Amsterdam und auf Helgoland. Kaum eine Nachrichtensendung, die nicht mit neuem Fund aufwartet - und man bekommt den Eindruck vermittelt, als würden die Alliierten viele Jahrzehnte nach dem Krieg noch nachbombardieren.

Flächenbombardement wie immer

5.500 Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg werden jährlich in Deutschland entschärft. 2009 wurden allein in Bayern 35 Tonnen Weltkriegsmunition gefunden. Aber jetzt erst erzeugen die Medien das dumpfe Gefühl, dass immer mehr, im Wochentakt oder fast täglich Bomben gefunden würden. Seitdem in Schwabing die Entschärfung einer Bombe durch Feuerball erevakuiert wurde, scheint jeder Bombenfund ein Spektakel zu sein, ein berichtenswertes Ereignis selbst für die überregionalen Medien.

Die Zahlen machen aber deutlich, dass mitnichten ein Mehr an ans Tageslicht gekommenen Bomben herrscht, sondern etwas ist, was ansonsten relativ unbeachtet höchstens einen mittellangen Artikel in den Regionalgazetten oder eine belanglose Tickermeldung in überregionaleren Zeitungen bewirkte. Es ist ein Flächenbombardement, wie es immer stattfand - nur dass sich sonst kaum jemand darum kümmerte. Erst Schwabing hat die Bombenfunde spannend gemacht und in Szene gerückt.

Immer mehr tote Bischöfe

Das erinnert an etwas, das man den Bischof-Effekt nennen könnte. Vor einigen Jahren haben sich regelmäßige Leser des Wikipedia-Nekrologs einer Weltverschwörung gegen den hohen katholischen Klerus gegenübergesehen. Von einen Tag auf den anderen führte dieser Nekrolog wöchentlich gleich mehrere verstorbene Bischöfe und Altbischöfe auf. Im Diskussionsfaden des Nekrologs wurde zynisch angefragt, ob denn innerkirchliche Säuberungen anstehen. Das Rätsel war keines, es war wohl nur die Wikipedia-Begeisterung eines oder wahrscheinlich mehrerer Menschen. Vermutlich fingen die plötzlich damit an, ihr Wissen über das Ableben diverser Kirchenvertreter in die Eingabemaske Wikipedias zu tippen.

Die angedachte Verschwörung gegen Bischöfe und Altbischöfe erwies sich als unsinnig - man hat nur damit begonnen, das Ableben dieser Kleriker chronistisch zu erfassen. Es starben nicht mehr Bischöfe und Altbischöfe als vormals, nur hatten sie mittels Wikipedia Öffentlichkeit erlangt.

... es kömmt darauf an, sie zu interpretieren

Das Abzählen und Chronologisieren wird gerne mit einer Häufung verwechselt. Klar, wenn man vorher etwas nicht beachtete, dem nun aber Beachtung schenkt, dann ist diese Schlußfolgerung eigentlich verständlich - aber sie ist falsch. Realität ist letztlich immer die Interpretation chronologisch erfasster Abläufe und Ereignisse. So kann alles wie immer sein und trotzdem kann durch mediale Vermittlung glaubhaft gemacht werden, dass etwas geschieht, was vorher nicht so war.



9 Kommentare:

ninjaturkey 24. September 2012 um 07:33  

Abzählen ist keine Häufung, richtig. Dieser Irrtum ist häufig, vor allem mit Themen, die sich tatsächlich seit Jahrzehnten NICHT verstärkt haben (teilweise sogar verringert): Kriminalität, Kindesmisshandlung, Komasaufen, Fettleibigkeit, linke Straftaten...

Vermehrt laufen einem dagegen trotz bewußten Nichtaufzählens andere Dinge über den Weg: Ignoranz, rechte Gewalt, Armut, Dummheit (bin mir nicht sicher, ob dass früher besser war, sie wird wahrscheinlich nur hemmungsloser zur Schau gestellt), Rücksichtslosigkeit, ...

Volker hört die Signale 24. September 2012 um 09:00  

Eigentlich ist es etwas ganz Alltägliches, was Sie hier beschreiben, Themen haben immer wieder Konjunktur und ebben dann wieder ab: Ist mal wieder ein Großflugzeug abgestürzt, wird über jede kleine Turbulenz in den Hauptnachrichten berichtet, gab's nen spektakulären Autounfall wird hysterisch über härtere Strafen getalkt (und wenn mal nichts passiert, dann darüber, dass Blitzer nur Abzocke sind und man davor warnen dürfen muss, damit man in Ruhe rasen kann); gab es nen besonderen Mord, sehen die Journalisten plötzlich überall Mörder, und Steuersünder gibt es auch nur dann, wenn man wieder CD's gekauft werden, im Rest des Jahres wirtschaften die Gemeinden dann wieder einfach schlecht und vor allem schlechter als die Privaten.
Irgendwann wird es den Journalisten dann langweilig und sie finden andere Themen, die gerade "cool" sind.
Darum gibt es ja auch kaum Berichte über rechte Straftaten - die haben es geschafft, dass die inzwischen als "normal" hingenommen werden, und normal ist eben nicht berichtenswert; dann doch lieber brennende Nobelkarossen oder natürlich, weil das offenbar nie aus der Mode kommt, Straftaten von Ausländern - immerhin gehören die ja nicht hierher und sollen wieder verschwinden.
Exemplarisch lässt es sich übrigens an der "Rocker"-Hysterie nacherzählen. Ich weiß schon gar nicht mehr, was passiert war, aber plötzlich war es "in", darüber zu berichten, ein paar Vollidio...ähm, Entschuldigung, seriöse Journalisten von Qualitätsmedien gaben dem Pressesprecher der Hells Angels dutzende Seiten Platz, um seine krude Weltsicht zu verbreiten, andere zeigten, wie insbesondere lokale Zeitungen massiv unter Druck gesetzt wurden und wie sich Politiker zu Mittätern machten. Dann wurde über ein paar Verbote und Razzien berichtet, um zu zeigen, dass die Politik was macht und inzwischen ist wieder praktisch alles beim alten und nur bei einzelnen Journalisten tröpfelt es ab und zu noch nach, weil das nächste "in"-Thema da ist, bei dem die Medien der Bevölkerung verspielen können, die Politik würde etwas tun gegen das Problem: Der NSU-Skandal, bei dem sich gerade die öffentlich-rechtlichen Nachrichten offenbar wieder eifrigst einen "Echo" verdient haben für gedankenloses Nachplappern der irrwitzigsten Ideen der Politikerkaste - ich kann das allerdings nur vom Hörensagen her berichten, weil ich Merkels Propagandaprogramme seit längerer Zeit schon nicht mehr sehe, von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen (die mich wiederum regelmäßig motivieren, denn Herrn, an den ich gar nicht glaube, darum zu bitten, doch bitte Hirn vom Himmel regnen zu lassen - "Tagesschau" und "heute" brauchen ganz dringend ihren eigenen, prominenten Watchblog!).

Hartmut 24. September 2012 um 09:14  

Vollkommen richtig, es ist alles eine Frage der Interpretation. -
Nur, wer kann sich hierzu die Zeit, die uns durch den ökonomischen Takt aufgezwungen wird, noch nehmen, diese Meldungen zu hinterfragen ?

Vielleicht beginnt jetzt ein "bombastisches Zeitalter" ? ;-)

baum 24. September 2012 um 13:33  

ich habe auch schon eine weltkriegsbombe gefunden, ich glaub, es war 1949.

Bademeister 24. September 2012 um 15:06  

Die Atom-"Bomben" welche uns Merkel in der Asse hinterlassen hat gehen schließlich nur peu a peu hoch und sind somit deshalb langweilig wegen fehlendem Spektakel, deren Bergung wird eine zukünftige Regierung in 10-15 Jahren vermutlich einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten, wenn die strahlenden Fässerchen denn überhaupt zu heben sind.

Über die atomaren Altlasten der Bleiernen liest man so gut wie nichts.

Anonym 24. September 2012 um 15:21  

Interessante Auseinandersetzung mit dem, was als Realität bezeichnet wird. Die unterschiedliche Gewichtung der bekannt gemachten Fakten verhindert eine Annäherung an die Objektivität.

der Herr Karl

Vogelschweinegrippenrinderwahn-Experte 25. September 2012 um 09:24  

Die nächste Welle kommt bestimmt...
...bald ist wieder Impfzeit: tagesschau.de: WHO warnt vor neuer Lungenkrankheit

...bitte machen Sie doch schon mal Ihren Oberkörper frei. ;-)

Anonym 25. September 2012 um 11:19  

Wenn die Nachrichten immer gleich gewichtet sein müßten, müßten seit Hunderten von Jahren täglich auf den ersten Seiten aller Blätter nichts anderes als die immerselben Berichte über Hungertote stehen.
Würden die Leute bald zu Blättern wechseln, die einen breiteren Horizont haben? Natürlich.
Soviel an Herrn Karl zu dem Kommentar "Die unterschiedliche Gewichtung der bekannt gemachten Fakten verhindert eine Annäherung an die Objektivität."

R@Z€ 26. September 2012 um 13:18  

Hier vielleicht noch etwas Erhellendes zu den angeblich moslemweiten "Ausschreitungen":

"Wer hat Angst vor der 'Wut der Muslime'?"

http://www.avaaz.org/de/7_things_you_should_know_global/?bxfYHbb&v=18132

Es ist immer und überall der Arschlochfaktor schuld!!!

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