Salafisten!

Freitag, 27. April 2012

Oh, diese Salafisten! Hardliner! Rückständige Extremisten! Salafisten: kommt von Salaf - den Vorfahren. An diese Altvorderen orientieren sie sich. Reaktionär sind sie somit. Restaurativ. Feudal. Rückschrittlich. Sie zirkeln die moderne Welt an den Zuständen ab, die ihre Vorfahren als ihre Gegenwart wahrnahmen. Gestrige Gestalten. Rückwärts immer... Das Gestern ist ihr Heute - und das Heute soll möglichst von gestern sein. Salafisten halt - an Vorfahren ausgerichtete Nachfahren.

Die Öffentlichkeit kennt Salafisten erst neuerdings. Der Begriff war ihr relativ unbekannt. Jetzt spricht jeder von ihnen. Dabei hat man sie immer gekannt. Man nannte sie nur anders.

Salafismus: die an den Vorfahren bemessene Gegenwart. Wie damals, wie bei ihren Ahnen wollen sie die Welt strukturieren. Es darf kein Vorwärts im Rückwärts geben. Kein Fortschritt im Rückschritt - das heißt, Fortschritt schon. Aber nicht allenthalben. Fortschritt in den Profiten darf es geben. Fortschritt in Effektivität. Fortschritt in der Beschleunigung des Alltages. Aber niemals dort, wo gearbeitet und wo privat gelebt wird. Dort soll es zurück gehen. Zu den Vorfahren aus Manchester.

Zurück zu längeren Arbeitszeiten, zu fehlendem Kündigungsschutz und ganz generell ins betriebsinterne Feudalwesen. Zurück in Zeiten, da der Sozialstaat noch eine Utopie, der Rechtsstaat eine Einrichtung für den Reichtum war. Restaurierung der Zustände. Damit sie so aussehen wie bei den Vorfahren. Zurück in die Belle Epoque, die belle nur war, wenn man sich Brot leisten konnte und man nicht zu müde Knochen nach einem langen Tag unter Kuratel eines Ausbeuters aufwies. Armut muß Armut bleiben - Ausgrenzung Ausgrenzung - fehlende Teilhabe fehlende Teilhabe. Am eigenen Schopf kommt man da raus - oder gar nicht. Was sie nicht umbringt...: Weisheiten süffiger Ortsvereinsrunden. Mitsprache unterbinden, Demokratie behindert den Wohlstand! Stimmen wie von zigarrenpaffenden Pfeffersäcken, von aufgeblasenen Profiteuren aus Manchester und kapitalistischem Umland. Wie damals im jungen Kapitalismus, wie zu Zeiten, da die Gleichheit kein prinzipielles Ideal, sondern ein beklemmender Graus war.

Die Salafisten arbeiten emsig. Sie verteilen keine heiligen Bücher, sie buchen die Öffentlichkeit für ihren Extremismus. Salafisten kennt jeder. Auch wenn er nicht in der Fußgängerzone deren Bücher entgegennahm. Salafisten kennt man, auch wenn man das Wort nicht kennt. Fanatische Gestrige - Ahnenkult betreibende Restauratoren - durch Altes inspirierte Erneuerer - erneuerte Veraltete. Jeder fischt auf seine Weise in den trüben alten Tagen menschlicher Geschichte. Die einen in der feudalen Wüste - die anderen im wüsten Feudalismus. Die einen machen es für einen Gott - die anderen für den ihren. Beide aber sind sich dessen sicher: Wenn alles wird, wie es mal war, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Die Beine des Menschen erlauben es nicht, rückwärts so große Schritte zu machen, wie sie es vorwärts vermögen - keine gute Metapher für den Geist von allerlei Salafisten, der rückwärts größeren Schrittes schreitet, als er es nach vorne kann.



10 Kommentare:

Anonym 27. April 2012 um 08:00  

Endlich mal etwas erzkonservativ Neues ! Salafismus.

Es klingt wie eine Metapher für den Geist der Zeit. - Nach 30 Jahren neoliberalistischer Globalisierung ist es höchste Zeit zur inneren und äußeren Umkehr !

Das stetige zurückschrauben aller sozialen Leistungen, besonders der Arbeitnehmerschutzgesetze muß nicht nur beendet werden, sondern nahezu wieder erkämpft werden....

Wo sind wir nur wieder gelandet ?

Danke für den "erfrischenden und wachrüttelnden" prima Artikel !

Hartmut

Anonym 27. April 2012 um 08:05  

Über 'unsere' Salafisten wird kaum hergezogen: Kreationisten, Teaparty-Anhänger, Herdprämienverteiler, militante Verteidiger der christlich-jüdischen Wertegemeinschaft, strenggläubige Schulverweigerer, Organisationen wie Opus Dei usw. In der Fußgängerzone steht nahezu jeden Tag eine Propagandaabteilung der Zeugen Jehovas, selten bleibt dort jemand stehen. Aber irgendwie gehören die eben 'zu uns'...

mann_von_nebenan 27. April 2012 um 08:40  

Klasse Beitrag wie so oft.

Ja, erneut haben Veralter (die alle
echten, vor allem sozialen Innovationen im Nu verwelken lassen wollen) wieder
Hochkonjunktur. Natürlich sind sie einander spinnefeind: die Welt möge doch bitte ausschließlich an ihrem Wssen verwesen äh genesen.
Evolutionär bevorzugen sie die Abwärtsentwicklung.

War die Steinzeit denn wirklich so schön, das sie sich so nach ihr zurücksehnen?

Anonym 27. April 2012 um 08:47  

KLASSE Text!

dave 27. April 2012 um 10:39  

frei nach Volker Pispers:
"was sind Muslime? Menschen die ihre religion ernstnehmen. Für einen Katholiken natürlich unvorstellbar."

flavo 27. April 2012 um 11:36  

Exzellente Zeilen. Das hat mir gefallen. Ein formender Hammerschlag auf das weißglühende Eisen Sprache.
Die Salafisten, der Brückenschlag zwischen Scheichmonarchien und Bankerkapitalisten.

marco 27. April 2012 um 12:13  

wir ,die westliche Welt,werden immer mehr in eine orwellsche Realität hineingezogen das mir Angst u.Bange wird.Nirgengwo ist auch nur der Ansatz von Widerstand zu sehen.wie Lemminge springen wir über die Klippe in den Abgrund.

Dein Text ist klar u.deutlich ,er müßte eigentlich in jedes Gehirn gehämmert werden damit man aus dem grauen klebrigen Gedankenbrei den Manipulationsmedien herausfindet u.die Augen sich öffnen können

Anonym 27. April 2012 um 13:30  

Toller Artikel, vielen Dank dafür!

Anonym 27. April 2012 um 14:36  

"Nirgengwo ist auch nur der Ansatz von Widerstand zu sehen.wie Lemminge springen wir über die Klippe in den Abgrund."

Das ist doch völliger Schwachsinn.
Mach mal die Augen auf! Solche dumpfen Kommentare reizen mich.
In jeder Mainstream-Talkshow ist mittlerweile etliche Male das Ende des Kapitalismus beschworen worden, kein Wirtschaftsmagazin war mitterweile ohne Titelthema "Alternativen zum Kapitalismus" (das "Brand Eins"-Magazin z.B. widmet aktuell seine gesamte Ausgabe diesem Thema), usw.

Mephisto 28. April 2012 um 13:50  

Wiw wärs denn mal mit einer geharnischen Auseinandersetzung mit der "Islamkonferenz"?
Kostet Geld, bringt keine Ergebnisse, sondern bauchpinselt nur Funktionäre von Verbänden, die mit einem Staat im Staat nicht nur gut leben könnten, sondern auch etwas dafür tun würden.
Läßt sich etwas schärfer aburteilen als das?

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