Das ist doch schon ein Zwang!

Montag, 2. April 2012

Der kann schwafeln was er will, wiederholen so oft er will. Frei ist er nicht. Frei ist was anderes. Der Mann spricht so zwanghaft von Freiheit, dass man glaubt, er habe keinerlei Freiheiten, sich seine Floskeln frei auszuwählen. Das ist nicht frei, nicht freier Wille - das ist determiniert, die Unfreiheit der ankonditionierten Zwanghaftigkeit.

Anders sprach er nie. Nun als Bundespräsident tut er das auch nicht. Freiheit, immer Freiheit. Polen sei für ihn das "Land der Freiheit" - das sagte er, kaum dass er im Bundestag sprach. Im Bundestag von Freiheit sprach - von was sonst? Dass Freiheit sein Thema sei, das wusste man ja. Aber der Mann ist schon jetzt inhaltlich so abgenutzt, dass man sagen kann: Kennt man eine Rede von ihm, kennt man alle! Freiheit - was ist denn das genau? Konkret ist das nicht, was er so von sich gibt. Die Freiheit, die die Negersklaven bekamen, die sich dann als schlecht dotierte Arbeitnehmer verdingen mussten, war bloß eine liberalere Form von Gefangenschaft - die Unfreiheit, die einer erhält, nachdem man die gegen ihn verhängte Todesstrafe aufhebt, ist hingegen wie ein Geschenk. Freiheit klingt wohlig, klingt eindrucksvoll - aber konkreter sollte er schon mal werden. Ständig nur Freiheitfreiheitfreiheit im Mund zu führen, wäre in etwa so konkret, so in nuce gehend, als würde man ein Referat über die Bundesliga halten, ohne auch nur etwas so profundes wie deren Struktur, deren Organisation oder auch nur den Namen einer Bundesligamannschaft zu benennen; als würde man anstelle von Inhalten nur immer wieder betonen, wie schön doch der Fußballsport sei.

Es graut einem bei diesen in Aussicht gestellten fünf Jahren. Jede Woche eine Rede, in der die Freiheit einen fest verankerten Platz hat - jetzt Polen als Land der Freiheit - demnächst vielleicht ein Besuch in China, das er lobt, weil es sich der westlichen Freiheit zuwende, das er ermahnt, die Freiheit nicht aufzugeben - und übermorgen zeigt er sich bei den USA erkenntlich, für deren unermüdlichen Einsatz für die Freiheit - ob dieser Mann auch die Freiheit textlich einbaut, wenn er sich eine Bratwurst bestellt? Der Mann ruft Freiheit! wenn jemand niest - Freiheit!, wenn er jemanden grüßt - Freiheit!, wenn er seine Liebste herzt. Kann er etwas anderes?

Wie schon erwähnt, Freiheit ist schön, wenn man nur immer jeweils wüsste, was mit der gerade erwähnten, gerade gemeinten Freiheit explizit gemeint sein könnte. Das ewige Problem des neuen Präsidenten, so las man, sei sein laxer Umgang mit dem Freiheitsbegriff, der gleichwohl derselbe der Marktliberalen sein könnte und vermutlich auch ist. Das ewige Problem seiner Präsidentschaft, so könnte man jetzt vermuten, wird die endlose Wiederholung stets gleich lautender Ansprachen sein. Er wird sich schnell abnutzen, wird eine ähnlich gleiche Standzeit haben, wie ein Bolzen, den man an die Schleifscheibe drückt. Eine Modern Talking-Gestalt, die nicht modern spricht, nicht zeitgemäß, sondern das tut, was Modern Talking tat: sich unter neuen Titel immer wieder wieder wieder wiederholen. Mit ungefähr demselben Tiefgang wie die beiden sonnengebräunten Kastraten damals.

Der Mann ist doch nicht frei - das ist doch schon ein Zwang. Wenn die Gerechtigkeit ihm mal so zum Zwang würde - aber dann wäre er nicht mehr Präsident, denn dann nähmen sich seine Installateure wiederum das, was er immer predigte: die Freiheit nämlich, ihm ein Affärchen anzudichten...



17 Kommentare:

Anonym 2. April 2012 um 07:41  

"als würde man ein Referat über die Bundesliga halten, ohne auch nur etwas so profundes wie deren Struktur, deren Organisation ... zu benennen ..."

Ein sehr schönes Beispiel! Wie ist denn die Struktur der Bundesliga? Ist die Bundesliga nicht ein Abbild, des von Konzernen beherrschten "freien" Welthandels. Eine Mannschaft beherrscht seit Jahren alles. Den anderen Mannschaften bleiben Brosamen. Wenn es nicht jedes Jahr eine Mannschaft gäbe, die über ihre Verhältnisse spielt (Bremen, Wolfsburg, VfB, nun BVB), wäre die Bundesliga seit Jahren schon, ein unerträglicher rot-weiß-blauer Einheitsbrei. So sieht die Freiheit der Neo-Liberalen aus. Wo ist ein Kartellamt, der den bayerischen Fußball-Konzern zerschlägt, damit wieder echter Wettbewerb zustande kommt? Damit auch mal wieder eine Mannschaft wie Eintracht Braunschweig (1967) Deutscher Meister werden kann?

Anton Reiser

ad sinistram 2. April 2012 um 08:01  

Mal themenfremd: Welche Mannschaft beherrscht seit Jahren alles?

Anonym 2. April 2012 um 08:31  

Diese Mannschaft
(ich bin Gladbach-Fan - gleichzeitig bin ich ein leidenschaftlicher Hasser dieser Mannschaft - seit sie 1974/75 in der ersten Runde des Europapokals der Landesmeister die Weltklassemannschaft Atvidabergs FF aus Schweden per Elfmeterschießen ausschaltete - sie war selbst im Elfm.schießen im Rückstand - erst als Sepp Maier einen Elfer hielt kamen sie weiter - danach holten sie den Cup - mit einem Tor in der 120. Minute. Mit demselben Dusel holten sie 1975 und 1976 den Cup.)

holte vor 1990 (also vor der Installation des Neo-Liberalismus) nur zweimal das Double:

1969 und
1986 (und das nur "vor Michael Kutzop's Gnaden" - als der einen Elfmeter an den Pfosten setzte - in der 88. Minute - am 33. Spieltag. So endete das Spiel 0:0 anstatt 1:0 für Werder. Wäre der Ball drinnen gewesen, wäre Werder Bremen Deutscher Meister gewesen ... Tja ... der berühmt-berüchtigte "B-Dusel")

Seit 2000 holten sie das Double (Meister und Pokalsieger im gleichen Jahr):
2000
2003
2005
2006
2008
2010
und vmtl. 2012 (bei dem Dusel ist das 100% sicher - siehe den "dreckigen" (so Spiegel-Online) 1:0-Sieg in Nürnberg)

Anton Reiser

Inglorious Basterd 2. April 2012 um 08:47  

Kay Sokolowsky beginnt in der neuen konkret ebenfalls seinen Aufsatz “Der Geschmack der Freiheit” mit folgendem satirischen Satz:

“Bundespräsidenten sind Leute, die einst auf Briefmarken gedruckt wurden, damit der Bürger lernt, wie so ein “oberstes Verfassungsorgan” von hinten schmeckt, nämlich nach kaltem Kaffee, durch alte Socken gefiltert.”

Anonym 2. April 2012 um 09:22  

Prima geschrieben !

Nur soviel zur Ergänzung ein umfangreiches Werk von Domenico Losurdo: Freiheit als Privileg, Eine Gegengeschichte des Liberalismus, vielleicht läßt sich ja der neue BP daraus vorlesen. :-)

Gruß
Hartmut

Anonym 2. April 2012 um 09:50  

...aber, aber Roberto....dieser Mann hat doch für die Freiheit gekämpft und das war doch in der DDR nicht so einfach.....fast mit dem Einsatz seines Lebens war er Bürgerrechtler....

Anonym 2. April 2012 um 09:58  

Der Fußballsport ist ein wunderbares Abbild der realen ÖKONOMIE, wenn man seine Entwicklung seit den 50er Jahren verfolgt. Für Fritz Walter und Uwe Seeler war es noch undenkbar wg. des Geldes den Verein zu wechseln. In ihren Heimatvereinen waren sie Helden, man verehrte sie wie Fußballgötter. Die Verehrung der Menschen in ihrer Heimat war ihnen wichtiger als der MAMMON. Der Wendepunkt wurde mit Franz Beckenbauer erreicht. Franz war wie Fritz und Uwe ein "Local Hero", wechselte aber 1977, zur Zentrale des internationalen Finanzkapitals, nach (Cosmos - sic! - "Masters of the Universe") New York. Zur Strafe durfte er nie mehr für den DFB spielen, er blieb bei 103 Länderspiele stehen. Danach ergab sich der DFB der Geldgier der Spieler (d.h. er streifte seine "Biederkeit" ab - der DFB wurde "weltmännisch" - und Geld regiert bekanntlich die Welt). Auch geldige "Ausländer" durften ab sofort (80er Jahre) für das DFB-Team auflaufen.

Vielen Menschen ist in den letzten Jahren aufgefallen, daß der Neo-Liberalismus beinahe so rigide ("Sachzwänge") ist wie der verpönte Kommunismus (außer unserem Bundespräse, der dauernd von "Freiheit" faselt - und zu diesem Thema eine kleine Fibel - gestreckt auf winzige 64 Seitilein - herausgebracht hat, die fleißig gekauft und gelesen(?) wird.).

http://www.misik.at/sonstige/burger-gauck-und-der-betrug-mit-der-freiheit.php


Auch zu diesem Thema hat der Fußball eine Analogie zu bieten.

Mit Erich Mielke's Hilfe (er "deligierte" die besten Fußballer nach Berlin - wenn einer nicht so recht wollte, wurde er sanft darauf hingewiesen, daß er demnächst in die NVA eingezogen wird - und zwar in der tiefsten DDR-Provinz) holte der BFC Dynamo die DDR-Meisterschaften 1979, 1980, 1981, 1982, 1983, 1984, 1985, 1986, 1987, 1988.

Mit MAMMONs Hilfe (wenn ein Spieler nicht so recht will, wird er einfach "mit GELD zugeschissen" - Mario Adorf als Generaldirektor Heinrich Haffenloher in "Kir Royal" - die Serie zeigte uns 1986 tiefe Einblicke in die "Münchner Bussi-Gesellschaft", die ja einen Großteil der Anhänger dieses Clubs stellt.) holten "die Roten" - die mit dem berühmt-berüchtigten "B.-Dusel" - die Meisterschaften .... (die Aufzählung erspare ich mir)

Anton Reiser

Anonym 2. April 2012 um 10:27  

Zur Gauck'schen "Freiheit", wie es wirklich um sie steht:

Zitat Michael Mross:
Demokratie?
„Demokratie – was ist das? Die Demokratie ist schon längst abgeschafft! Wir leben in einer Diktatur des Kapitals und der Junta aus Brüssel. Im Bundestag sitzen die Marionetten und müssen das Volk beruhigen. Die können ja nicht sofort sagen: Wir nehmen Euch Euer Erspartes weg, sondern es kommt in kleinen Portionen, angefangen mit 10-20 Mrd. für Griechenland. Die Untertanen haben zu springen und am Ende ihre gesamten Ersparnisse abzuliefern.“

Das ganze Interview mit Michael Mross:
http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/9818-michael-mross-geld-oder-leben

Anton Reiser

landbewohner 2. April 2012 um 10:33  

klar fast jedes kind in der 3. welt hat die freiheit glücklich zu verhungern, hartzer sind so frei, daß sie unter brücken schlafen dürfen, eine absolute minderheit hat die freiheit straflos gegen alle gesetze zu verstossen und politiker haben die freiheit fast täglich lügen zu dürfen ohne dafür zur verantwortung gezogen zu werden.
alles freiheiten, die kein mensch braucht. soviel zu gauck und freiheit.

Anonym 2. April 2012 um 12:55  

"Eine Modern Talking-Gestalt, die nicht modern spricht, nicht zeitgemäß, sondern das tut, was Modern Talking tat: sich unter neuen Titel immer wieder wieder wieder wiederholen. Mit ungefähr demselben Tiefgang wie die beiden sonnengebräunten Kastraten damals."

Riesenkompliment, Herr De Lapuente !!!
Das beste und lustigste Bild vom Gauckler ever.
Leider bekomme ich dieses nicht mehr aus dem Kopf, und für Alkoholisches ist es noch zu früh.

Also mit zwiespältigen Grüßen,
Heiko

mann_von_nebenan 2. April 2012 um 14:02  

Lieber Roberto J. de L.
lieber @anonym vom 2. April 2012 12:55,

das entspricht genau meiner Wahrnehmung: bei vielen Sprechübungen unserer Freiheits-Begriffsschleuder fühlte ich mich spontan an Dieter Bohlen erinnert;
Mimik. Gestik, Diktion - da SPRINGEN Parallelen ins Auge …
Wobei mir Dieter B. weniger obszön erscheint, meiner Abneigung gegen seine persona zum (scheinbaren) Trotz …

awmrkl 2. April 2012 um 15:37  

@Anonym 2. April 2012 08:31

"vor 1990 (also vor der Installation des Neo-Liberalismus)"

Heftiger Widerspruch!
Der wurde bereits (spätestens?) 1982 installiert, und zwei weltpolitische Hampelmänner zeichnen sich dafür aus: Reagan und Thatcher.

Die Saat wurde jedoch schon viel früher gelegt: Stichwort Chicago-Boys und deren div. südamerikanische Experimente, v.a. Chile und Argentinien.

Anonym 2. April 2012 um 17:32  

Lasst mich raten: sein Lieblingslied ist "Looking for Freedom".

Anonym 2. April 2012 um 23:18  

@Roberto J. De Lapuente
Sehr gut analysiert. Gauck scheint tatsächlich ein Zwangsneurotiker zu sein der ständig nur Phrasen drischt. Wäre er doch mit der Kirche im Dorf geblieben!

Hartmut 4. April 2012 um 08:21  

Ich vermute er nimmt den den berühmten Satz Dostojewskis "Geld ist geprägte Freiheit" wortwörtlich !

mann_von_nebenan 4. April 2012 um 11:46  

@Hartmut - Volltreffer!

Machen wir doch einfach mal den acid-test und nehmen uns seine Texte vor- unter Austausch des Wortes FREIHEIT gegen das Wörtchen GELD!

Anonym 4. April 2012 um 18:56  

"[...]Das ewige Problem seiner Präsidentschaft, so könnte man jetzt vermuten, wird die endlose Wiederholung stets gleich lautender Ansprachen sein[...]"

@Roberto J. de Lapuente

Vortrefflicher Satz bei dem ich zunächst nicht an Gauck, sondern an ein anderes System dachte, dass auch immer wieder zwanghaft Sätze wiederholen ließ - von Honecker bis Caeusescu in Rumänien.....

Eine Ironie der Geschichte, wie öfters erwähnt, die neoliberale Ideolgie ist in ihrem Scheitern auch nicht besser als der autoritäre Staatssozialismus östlicher Prägung.

Gruß
Bernie

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