Araber dramatisch arbeitslos

Mittwoch, 18. Januar 2012

"Iraker, Afghanen, Pakistani" in roter Alarmschrift über dem Titel - "alarmierend hohe Hartz IV-Quoten bei Ausländern". Das ergeben die letzten verfügbaren Zahlen der BfA - die sind so topaktuell auch nicht mehr, passen aber derzeit geradezu optimal ins Konzept der BILD. Neulich kotzte sich eine Göre über Ausländer- und Arbeitslosenkinder in Kreuzberg aus und nun liefert BILD Zahlenmaterial nach.

Die selbsterfüllende Prophezeiung

Nun gibt es ja zwei Lesarten. Und zwei Lesertypen. Die einen sagen: BILD hatte immer recht, es sind Iraker, Afghanen und das ganze Zeugs, die Araber halt, mit denen kein Staat zu machen ist - die Zahlen belegen es! Oder man sagt: Komisch, dass ausgerechnet Menschen mit arabischen Wurzeln (und solche, die wir für arabische Wurzeln halten) dort ganz oben stehen; es muß doch einen Grund dafür geben! Rauschebartträger im wallenden Gewand, Männer mit dunkler Haut und stierem Blick, Frauen totalverhängt - ausgerechnet die tun sich offenbar schwer damit, einen Arbeitsplatz zu finden. BILD liest man schichtübergreifend - auch Personalchefs lesen sie. Bei Namen die irgendwo ein Ibn oder dergleichen aufweisen, dürfte die Bewerbungsmappe vorschnell auf dem Stapel landen, den man mit einer vorgefertigten Absage belohnt.

Ausgerechnet das gehegte und gepflegte Feindbild ist es, das keinen Arbeitsplatz findet. Der obskure, verschlagene, brutale Araber, den man nicht über dem Weg traut - an dieser Legende hat die Redaktion der BILD kräftig mitgestrickt und nun ereifert sie sich, dass bestimmte ethnische Gruppen relativ erfolglos am Arbeitsmarkt postiert sind. Solche kann man doch nicht einstellen - ich habe es in der BILD gelesen!, könnte als Statement durchaus durchgehen.

k.u.k.-Journalisten unterschlagen Prekärbeschäftigung

Mit der herablassenden Arroganz eines k.u.k.-Beamten schreibt BILD über "Anstiege bei Serben" und "Rückgänge bei Ukrainern" - gut, herrschaftlichen Ton ist man gewohnt. Letztlich auch die Unterschlagung von anderen Zahlen, die man nicht erwähnt. Während seit 2009 bei deutschen Arbeitnehmern ein leichter Rückgang bei geringfügig entlohnter Beschäftigung zu verzeichnen ist, stieg dieselbe bei Ausländern an. Schon vor 2009, als deutsche Arbeitnehmer auch noch vermehrt in Prekärbeschäftigung schlitterten, gerieten ausländische Arbeitnehmer stärker in Prekarisierung als deutsche. Vielleicht ist das ja der statistische Beweis für den Allgemeinplatz, dass Ausländer Dreckarbeit annehmen, wo Deutsche davon Abstand nehmen.

Dies nicht zu erwähnen ist doppelt dreist. Einerseits verbirgt man so, dass Bürger ausländischer Herkunft durchaus auch Arbeit ergreifen, wenn sie mies entlohnt wird und ihre Bedürftigkeit eingrenzen - und andererseits unterschlägt man, dass viele ausländische Hartz IV-Empfänger arbeiten und nebenher mit ALG II aufstocken.

Schlagzeilen mit fadenscheinigen Zahlen

Augenfällig ist dabei, wie lapidar BILD mit Zahlen um sich wirft. Die Zahlen zu den verschiedenen Nationalitäten, die man bietet, entstammen den letzten verfügbaren Daten des Ausländerzentralregisters (31. Dezember 2010). Dort ist tatsächlich nachzulesen, dass es in Deutschland 81.272 irakische Männer und Frauen gibt. Weiter steht dort aber auch, dass 20.978 hier lebende Iraker unter 15 Jahre sind - weitere 1.347 sind älter als 65 Jahre - von den 2.326 Irakern im schwer vermittelbaren Alter zwischen 55 und 65 Jahre, gar nicht erst zu sprechen. Wieviele Menschen irakischer Herkunft in Deutschland erwerbsfähig sind oder nicht, sagt die Statistik nicht aus - immerhin kommen diese Menschen aus einer Gegend, die Diktatur war und nun Kriegs- oder Krisengebiet ist, sodass mit einem erhöhten Indikator an körperlichen und seelischen Gebrechen zu rechnen ist. Dasselbe gilt auch für Afghanen, die auch überproportional arbeitslos sind.

Erwerbsfähige Iraker gibt es nach Abzug der Jungen und der Alten: 58.947. Die von BILD präsentierte Zahl der Hartz IV-Empfänger ist insofern ebenfalls zu überarbeiten. Bedarfsgemeinschaften wären ohnehin aussagekräftiger gewesen - Hartz IV-Bezieher sind aber natürlich reißerischer. Alle 52.075 irakischen Hartz IV-Bezieher beziehen aber gar keinen ALG II-Regelsatz, sondern auch Sozialgeld, weil sie entweder noch nicht oder nicht mehr erwerbsfähig sind.

Die tatsächliche Arbeitslosigkeit dürfte auch mit geklärten Zahlen immer noch sehr hoch sein, wahrscheinlich jedoch nicht so dramatisch wie BILD das malt. Und die Gründe sind sicherlich nicht Faulheit oder Kuschelstunden in der sozialen Hängematte, sondern tatsächlich die erschwerte Vermittlung, an der auch die Presse mitgewirkt hat, indem sie die Muslime kriminalisierte.



6 Kommentare:

Inglorious Basterd 18. Januar 2012 um 08:03  

Deutschland ist nun mal EinWANDERungsland. Andere Länder mit Erdöl, Bodenschätzen und "seltenen Erden" dagegegen nach der aktuellen Bundeswehrdoktrin potenzielle Ein- MARSCH-länder. Die Statistik nennt übrigens fast ausschließlich Länder, die laut UN zu den Entwicklungsländern gehören, mithin für die westlichen Nationen Beuteobjekte sind.

Und übrigens: Wenn ich als Pakistani nicht weiß, wie ich meine Familie vor dem Hungertod bewahren soll, aber gleichzeitig lese, dass in Deutschland 1/3 der Lebensmittel auf dem Müll landen, nicht verkauftes Brot als Brennmaterial verwendet wird, dann ist es doch verständlich, dass ich mich in Richtung derart reicher Überflussländer auf den Weg mache, um mal einen Blick in die dortigen Kühlschränke zu werfen.

landbewohner 18. Januar 2012 um 09:55  

schon vor diesen zahlen konnte man aus den veröffentlichten statistiken klar erkennen, daß besonders menschen aus ländern, in denen kriegsähnliche zustände oder sogar krieg herrschten, hierzulande überproportionale probleme, nicht nur auf dem arbeitsmarkt, hatten. wundern dürfte das allerdings niemanden, der auch nur sekunden darüber nachdenkt. aus welchen gründen nun menschen, die ihre von usa und nato zerstörten länder verlassen haben oder mussten, überdurchschnittlich oft von arbeitslosigkeit betroffen sind, könnte oder müsste ermittelt werden. aber unabhängig davon ist ja wohl der krieg als hauptursache für jedermann leicht auszumachen. und wenn dann solche kriegstreiber wie bild und co die opfer dann noch einmal stigmatisieren, dann ist das nicht neu sondern ganz normale neoliberale verhaltensweise.

flavo 18. Januar 2012 um 11:15  

28 jähriger Araber, Pflichtschule, Bandscheiben kaputt, da 6 Jahre als Lieferant gearbeitet. Derzeit arbeitslos.
Wenn den Fremdleben zerstörenden Subjekten die Waschmaschine in den 4 Nichtliftstock des renovierten Stilaltbaus zu schleppen ist und die Woche darauf ein Massagevibrationssessel, dann sind die farbigen Menschen gut genug. Dann läßt man das prüfende Herrscherauge galant sich auf die Schleppbewegungen kullern und apperzepiert die Anstrengung. Das Herz wird dann warm und das steinerne Herz fühlt sich wärmer an und erwürgt ein ruppiges Dankeschön und auf Wiedersehen. Der Stereotyp im Kopf ist momentistisch beruhigt. Der Geruch von Schweiß in Baumwolle schlägt vielleicht wie kleines Geißelschlägchen auf den dösenden Stereotyp und läßt ihn fast erwachen in der Erinnerung an den Mief der Unterschicht und all der dort ansässigen Subjekte. Fast wäre die wohlwollende Begutachtung, die Nichterzürnung des gereizten Gemütes, das Sekunde um Sekunde von hinten her, aber blind dafür, seiner verwirkten Lebenszeit nicht gewahr, aber viszeral angemahnt wird, fast wäre das Monster auferstanden und hätte die wohlwollende Herrschaftsverhältnisszene mit Verachtung und Zorn angefüllt und das tragende Individuum mit dem Stereotyp übergossen und darunter begraben und ihn zum Teufel gejagt. Die nichtssagende Szene hätte Beleidigung, Zorn und Rachedrang erwirkt, wegen nichts, aber nicht nichts, immerhin ein übler Achselgeruch war gerade nicht intensiv genug.
Das gereizte Gemüt erduldet es nicht leicht, nicht gereizt zu sein. Es ist wie zu dünn geratener Nerv, schwach, der nicht zu viel aushält und dafür wuchtige Mechanismen des Verhüllens der Wirklichkeit entwickelt hat. Die schräge Verknöcherung einer solchen Seele wird mit dem Alter zudem spröde. Aus Angst zu zerbrechen, zerbricht sie lieber die anderen, im Zerbrechen wird sie zerbrecherisch.

Anonym 18. Januar 2012 um 11:32  

flavo 18. Januar 2012 11:15

"28 jähriger Araber, Pflichtschule, Bandscheiben kaputt, da 6 Jahre als Lieferant gearbeitet. Derzeit arbeitslos.
Wenn den Fremdleben zerstörenden Subjekten die Waschmaschine in den 4 Nichtliftstock des renovierten Stilaltbaus zu schleppen ist und die Woche darauf ein Massagevibrationssessel, dann sind die farbigen Menschen gut genug."

Wozu sind sonst Proletarier im Kapitalismus gut als von den Besitzenden, die Wohlhabenden, den "besseren Leuten" ausgebeutet, ausgenutzt, und wenn vernutzt, billig weggeworfen zu werden?
Das alles hat weder was mit der Hautfarbe, der Sprache oder sonstigen Eigentümlichkeiten eines Proletariers, eines kapitalistischen Lohnknechtes zu tun.
Das ist einfach der - Kapitalismus!

Trotzdem gute Besserung und achte zukünftig zuerst auf deine Gesundheit, da sie nun mal unersetzlich ist! :-)

Fröhlichste "marktwirtschaftlichste" Grüße von

Bakunin

Sammy 18. Januar 2012 um 21:34  

Danke für diesen Artikel.

Ein Wort fehlt mir allerdings das ich für essenziell halte: "Flüchtling" (auch wenn indirekt darauf eingegangen wird).

Es ist nun mal ein elementarer Unterschied ob ich aus der Türkei nach Deutschland ziehe um hier eine Arbeit zu erhalten oder ob ich aus dem Irak nach Deutschland gezwungen werde, weil meine Lebensgrundlage zerstört ist und meine Familie ständig von Bombenattentaten bedroht ist.

Diese Iraker sind nicht hierher gekommen um zu arbeiten. Es sind gestrandete, komplett entwurzelte Menschen denen hier alles komplett fremd ist.

Wenn er könnte sollte sich der BILD-Leser einen Moment vorstellen, er hätte nichts zu essen, nicht einmal Brennholz bei diesen Temperaturen (auch im Irak und Afghanistan kann es im Winter bitter kalt werden) und immer mal wieder wird ein Familienangehöriger von einer Bombe zerfetzt. Die letzte Rettung für den armen BILD-Leser wäre die Flucht nach Mosul oder Kirkuk mit völlig anderer Kultur, Religion und vor allem Sprache. Kaput und traumatisiert steht der arme ohne seine BILD tausende Kilometer von der Heimat entfernt da und das erste was er zu hören kriegt ist, dass er ein fauler Sack ist.

Zuviel der empathischen Vorstellung für einen BILD-Süchtigen.

Horst Horstmann 19. Januar 2012 um 00:25  

Ach, sieh an!
*facepalm*
Und ich hatte mich schon gewundert, warum der Herr Quasistiefoppa gestern mit mal was von irgendwelchen Irakern zu erzählen wußte - die kassieren hier nämlich unser Geld und bekommen sogar noch kostenlos besseren Zahnersatz als er.
Bla.
Manchmal wünsche ich mir einfach nur noch mehr Analphabeten.
Viel mehr.
Titten und Rasen mit Ball drauf, das ist eh für die meisten schon schwer genug zu verarbeyten...

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