Das große Thema seiner Präsidentschaft

Freitag, 16. Dezember 2011

Das politische Feuilleton ist sich darüber einig: ein Bundespräsident benötigt ein "großes Thema seiner Amtszeit". Eines, dem er während seiner Präsidentschaft stringent folgt, das er immer wieder formuliert und aufwärmt. Das präsidiale agenda setting sei der persönliche und individuelle Stempel, mit dem man die eigene Ära politisch und historisch prägt. Christian Wulff gilt auch deswegen als blass, weil man ihm bescheinigt, noch kein Thema gefunden zu haben. Offenkundig ist das aber falsch - es kristallisiert nun heraus, dass auch er eine thematische Linie gefunden hat.

Von denen nehmen, die haben

Wulffs Leitsatz ruht auf der Teilhabe aller am erwirtschafteten Reichtum. Kommt jemand zu Millionensummen, so läßt sich Wulff selbst von ihm aushalten. Fliegt kostenfrei auf Ferieninseln, läßt sich Mikrokredite mit Mikrozinsen erteilen, wohnt gratis in Villen - das ist gelebte Umverteilung. Nicht zaudern, nicht mosern, sich den Reichtum anderer gut tun lassen. Von denen nehmen, die haben - das ist das große Thema des Bundespräsidenten Wulff. Er spricht wenig darüber, er handelt - kein Mann großer Worte, wohl aber ein Macher.

Das Thema seines damaligen Kontrahenten Gauck, wäre die Freiheit gewesen. Seid arm, aber erfreut euch der Freiheit, die es euch ermöglicht, arm zu sein, hätte er paroliert. Ich bin so frei und verteile aus reichen Taschen in solche, die nicht so voll sind, so der Wulff-Theme. Damit möchte er aufrütteln und andeuten, dass das ein gesellschaftlich verbindliches Modell sein kann. Nehmt denen, die Millionen von Euro haben und gebt denen, die Millionen von Sorgen haben. Wulff rüttelt die Politik wach, Maschmeyers und Geerkens Großzügigkeiten auch in Gesetze zu packen, auf dass alle etwas davon haben.

Auf Korruption, Patronage und Lobbyismus aufmerksam machen

Als Mann weniger Worte, als Anpacker und Macher, kann seine Aktion freilich auch anders interpretiert werden. Vielleicht möchte er als sein großes Thema vor unser aller Augen führen, dass die Politik käuflich und korrupt ist, ein von der Wirtschaft mit Urlauben und Huren versorgter Sektor. Möglich, dass er zum Ausdruck bringen will, dass selbst der Bundespräsident in diesem Lande nicht mehr frei von Käuflichkeit ist; dass er ungefähr so unabhängig ist, wie die Dorfmühle vom Dorfbach.

So oder so, man muß nur die Augen öffnen, denn es ist mitnichten so, dass der Bundespräsident noch immer nach seinem großen Thema sucht. Er hat es gefunden und bringt es regelmäßig auf den Tisch. Wulffs großes Thema ist eine Mischung aus beiden Interpretationen, darf man annehmen. Und noch etwas dürfte sein Thema sein - und das teilt er sich mit seinem Vorgänger. Jenes nämlich, dass in dieser Berliner Republik farblose, uncharismatische und unscheinbare Apparatschiks zur Bundespräsidentschaft gelangen können - das bringt er mit jedem Satz und jeder Regung auf den Punkt. Dass es um parteipolitisches Geschacher und nicht um irgendeine Würde irgendeines Amtes geht, wenn zur Präsidentenwahl geblasen wird, das ist auch so ein großes Thema dieser Präsidentschaft...



13 Kommentare:

klaus baum 16. Dezember 2011 um 07:00  

du hast völlig recht, wulff redet nicht viel, er verköpert sie, die käuflichkeit der politik durch die üppigen.

Anonym 16. Dezember 2011 um 10:12  

Ein sehr schöner Artikel - danke dafür :)

Ist es nicht interessant, dass es oft die scheinbar auch so anständigen, aalglatten, in Wulffs Fall auch noch demonstrativ religiösen Biedermänner sind, die bei näherem Hinsehen so viel Dreck am Stecken haben? Fast könnte man meinen, je mehr man sich am besonders guter Mensch inszenieren muss, umso mehr hat man zu verbergen.

Wolfgang Buck 16. Dezember 2011 um 10:51  

Ein schöner und richtiger Artikel.

Und dennoch juckt es mich den Wulff etwas in Schutz zu nehmen. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er sich durchaus um ein echtes "Agenda setting" bemüht. Er versuchte die Moslems aus der Schmuddel-Ecke zu hohlen und sie als Partner und Mitbürger zu etablieren. Überaus notwendig und sinnvoll!
Allerdings scheint ihm der Gegenwind der CDU und CSU, der Broders und Sarrazins eingeschüchtert zu haben. Nu hält er pfleglich sein Maul. Seine Nähe zur Moneten-Elite scheint aber auch vielen gerade in der CSU recht gelegen zu kommen, so geht es halt wenn man der Versuchung nicht widerstehen kann ...

Im Vergleich zum Vorgänger ist allerdings seine Untätigkeit sogar noch wohltuend.

ad sinistram 16. Dezember 2011 um 10:54  

Du hast recht, Wolfgang. Ich hatte das aber nie als Einstieg in eine Agenda gesehen, sondern als positiven Ausrutscher. Ich gebe ehrlich zu, dass Wulff mich damals beeindruckt hat. Da aber umgehend nichts mehr kam, war der Eindruck gleich wieder ein anderer.

Anonym 16. Dezember 2011 um 11:56  

Hinz und Kunz wissen längst Bescheid, es wird längst überall von den Dächern gepfiffen!
"Stellt endlich die Systemfrage!"
www.faz.net/aktuell/feuilleton/das-krisen-ensemble-stellt-endlich-die-systemfrage-11558289.html
Die Frage ist wie gesagt nicht mangelnde Information, WAS los ist, sondern WIE zu handeln ist!!!

ad sinistram 16. Dezember 2011 um 12:20  

Ja, stimmt, die FAZ schreibt darüber, deswegen ist das System am Wanken... lach!

Stephan 16. Dezember 2011 um 14:56  

ach diese sog. konservativen. sie haben doch nun wirklich nachweislich den ganzen alten muff an konservatismus abgelegt außer im geiste, wenn´s um andere geht!

aber oma und opa fürchten das fegefeuer, wenn sie ihr X nicht bei einem dreiklang mit C.. machen, egal und wenn der Enkel dafür den Arsch hinhalten muß.....

die linke will den sozialismus für alle, die konservativen wollen ihn auf höchstem niveau nur für sich, sind halt eben leistungsträger, oder zeichnen sich durch träge leistung aus.

Wolfgang Buck 16. Dezember 2011 um 19:57  

Update:

Wenn ich die aktuellen Radiomeldungen so höre könnte es durchaus noch so weit kommen, dass Wulff zurücktreten muss.

Dann würde wohl der Evangelist der Neoliberalen, Herr Gauck Bundespräsident.

Irgend wie eine Vorstellung die ganz zum heutigen Sauwetter passt.

ulli 19. Dezember 2011 um 17:40  

Christian Wulff ist in vielem ein Abbild der heutigen deutschen Mittelschichten: Man hat zwar kaum inhaltliche Substanz, weiß aber ganz genau, wie man sein Schäfchen ins Trockene bringt: Beispielsweise ordentlich sparen beim Hauskauf. Es ist ja auch viel angenehmer, in einer Millionärsvilla zu urlauben, als in einem kleinen Hotel oder gar auf dem Campingplatz. Und dass Wulff als Präsident eine inhaltliche Nullnummer ist, macht auch nichts: Die gesamte Finanzbranche streicht bekanntlich gigantische Gehälter ein, auch wenn man jährlich Milliarden verzockt. Dass er seine Affäre nun einfach schweigen aussitzt, passt auch ins Bild. Es geht ja auch immer so weiter mit unserer Mittelschicht, nach dem Motto: Außen hui, Innen pfui!

Eberhard Herold 24. Dezember 2011 um 19:52  

Er sagt ja selbst in seiner Vernebelungsrede, dass ihm "Freundschaft persönlich wichtig" ist- ach! Wie edel! - Solche Freunde möchte ich auch mal haben, die mir den Urlaub bezahlen, auch wenn ich es garnicht nötig habe! - Für wie doof halten seine Redenschreiber denn die Menschen?

Für die Freundschaft mit Herrn Maschmeyer würde ich mich allerdings eher schämen, oder dem erst einmal öffentlich die Leviten lesen, bevor ich mich öffentlich mit ihm zeigte!

Logma 30. Dezember 2011 um 19:24  

Man kann sich als Politiker in Deutschland alles Mögliche leisten, ohne dass dies ernsthafte Konsequenzen hätte. Man kann dummerhafte Gesetze erlassen oder viel Geld für Prestigeprojekte ausgeben, die sich dann als große Fehlinvestition erweisen. Man kann nach der Wahl das Gegenteil von dem tun, was man vorher angekündigt hat, und überhaupt die Wähler für Menschen halten, die nur betrogen werden wollen. All das ist kein Grund für einen Abschied von der Politik, geschweige denn einen sofortigen Rücktritt. Aber wehe, man ist einmal zu oft in der Nähe von Menschen erwischt worden, die in diesem Land als zu wohlhabend gelten, dann gibt es kein Halten mehr.

Bislang wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, in Heinrich Lübke eine besondere moralische Instanz zu sehen. Oder in Karl Carstens, dem Wanderpräsidenten. Oder dem fröhlichen Walter Scheel, der immer ganz oben auf dem gelben Wagen hockte.
Wenn doch jemand die Salamitaktik im Bundespräsidialamt eingeführt hat, dann war es der Wulff-Vorgänger und Vorzeige-Sozialdemokrat Johannes Rau, der sich in seiner Affäre über ein paar zu viel geflogene Flugmeilen immer nur an das erinnerte, was die Medien gerade zutage gefördert hatten, nicht? "Nachinformieren" nannten Raus Anwälte diese Form der.. haha.. selektiv einsetzenden Späterinnerung. Sie sicherte ihm die volle Amtszeit von fünf Jahren.

Anonym 24. September 2012 um 14:36  

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Anonym 25. September 2012 um 14:27  

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