Die Gnade des frühen Kreuzes

Freitag, 18. November 2011

Früh gstorben bin ich. Das war mein Massel. Dreißig bin ich gworden. Vielleicht auch Dreiunddreißig. Genau weiß ichs nicht, wir haben früher nicht so gezählt. War nicht wichtig. An alter Mann war ich noch nicht. Ich habe gsagt, ich bin früh gstorben. Das stimmt so nicht. Ich bin da a bissel in a Schlamassel geraten damals. Dem Kaiser sein Statthalter, ein dünkeliger Schmock war der, hat mich verurteilt. Getötet haben die mich dann. Mit Dreißig oder Dreiunddreißig. Aber des war mein Massel.

Ich war a bissel a Revoluzzer damals. In Tempel bin ich gangen und hab mich mit den werten Herrn da gestritten. Habe gsagt, Nichts schachern mehr!, Nichts wuchern mehr!, wir sind im Haus vom Herrn. Die werten Herrn haben nur gelacht. Doß sie den Tinnef lassen, hab ich sie beten und hab noch allerlei Kibez gmacht. Machen Sie net a Räuberhöhle daraus, hab ich gsagt. Dann hat es gegeben an riesigen Bohai. Ich hab gekriegt Bammel, hab aber so gmacht, als hätt ich kein bissel Angst und hab denen ihre Tische umgeworfen. Ich hab es nur versucht, da bin ich ehrlich. Die waren zu schwer, ich konnt sie nicht umkippen, war schwach wie a dünnes Mejdele, was nicht komisch is, nach der langen Wanderschaft. Ihr habt später mehr aus mir... an kräftigen Bub habt ihr aus mir gmacht. Die werten Herrn sind trotzdem bös worden, weil sie ihre Gewinne in Gefahr gsehen ham.

Damals wollt ich nur Gerechtigkeit machen. Die Welt war schlecht. Die jüdischen Obergelehrten ihr Religion war unmenschlich. Ich hab damals gsagt, doß sie unjüdisch ist. Später habt ihr Nachkommenden erzählt, ich hätt gsagt, doß sie unmenschlich gwesen wär. Ihr wolltet damit ja um die Erde, mit meinem Namen und mit an Glauben, den ich nie auch nur gemoischelet hab. Finde ich aber gut, hört sich besser an und ist es auch. Ein bessere Welt. Was wäre da schlecht an ein bessere Welt, hab ich mich gfragt. Haben später viele sich auch und sind dann geendet, wie ich geendet hab. Früh gstorben. Früh gestorben wordn. Aber das war mein Massel, ich hab es schon gsagt.

Ich war noch jung, im Alter von Revoluzzern. Später sind viele kommen, die worn mit Dreißig oder Dreiundreißig noch meschugge genug, an Revoluzzer zu machen. Protestierten, haben Tische umgworfen - die hatten vielleicht mehr Kraft als ich Bürschele damals -, warfen mit Eier auf Unrecht, ham Ungehorsam gmacht. A Paar haben ihre Feinde auch küsst; liebet eure Feinde, habt ihr mir in den Mund glegt. Das gfällt mir so gut, doß ich es gsagt haben könnt. Ich hab nicht mal alle meine Freund' gliebt. Doß man seine Feind' lieben soll, ich hab das nie baldowert. So romantisch sind wir damals nicht gwesen. Reicht nicht ein Finger abzuschneidn, wenn des Recht eigentlich zwej vorsieht, hab ich mal gfragt. Des hab ich unter Güte, des hab ich unter Liebe verstanden. Den Bobkess hat nur niemand aufgeschrieben. Mit Dreißig oder Dreiunddreißig hat ma noch Ideale ghobt. Aber als alter Mann oder alter Froj war es aus mit Revoluzzern. Sie kauften sich an kessen Anzug und gingen in Beruf. Ich hab Massel ghabt. Ich wär kein guter Zimmermann gwesen. Im Zimmermann wäre ich niemals aufgangen. Nie! Und ich hab a großes Massel ghabt, weil niemand hätte meinen Namen noch gwusst, wenn ich aus dem Revoluzzeralter herausgfallen wär.

Nachdem mich die römische Mischpoke gerichtet hat, haben die Leut mein Revolutionsgeist und meinen Widerwillen gegen die weltliche Macht in die Welt tragn. Bis die selbst weltliche Macht gwordn sind. Wenn ich später mir an Anzug gkauft hätt, wär Ethikkommissär der römischen Legion gwordn, glauben Sie, man hätt mein Namen je in die Welt tragn? Ich glaub das nicht! Wenn die gsagt hätten, der Revoluzzer hat dies und das gesagt und nun ist er dabei, den Legionen vom Kaiser zu zeigen, wie man Leut ethischer umbringt, dann hätten die den Botschaftern von meiner Lehre gsagt, doß die Kohl redn. Zurecht!

Mit Fünfunddreißig... oder sag ich es anders: hätt mich dem Kaiser sein Angestellter nicht hinrichten lassen, hätt er mir nur eine kleine Straf geben, gut möglich, doß ich nachdacht hätt und mir gesagt hätt, jetzt wird es zu heiß, jetzt musst ans Weiterleben denken, wo man niemand auf die Füß tritt. Schon meine Bobe hat immer ihr Finger ghoben und hat gsagt, Bubele, hat se gsagt, de Welt ist schlecht, du kannstse nur ändern, wenn du ihre Spielregeln spielst. Es gibt kein Wahl, kein Alternative, wie ihr bei euch heut sagt. Mit Dreiunddreißig hab ich das noch nicht gsehn; nach Läuterung hätt ich es begriffen. Ich hätt dann Beamter werdn können oder Zöllner. Gsucht haben die damals ja immer einen, der für sie Münzen einsammelt. Ich hätt dann gebn, was des Kaisers ist und hätt gsagt, doß des was dem Herrn ist, die Sach von den Gelehrten bleibn muß. Und ich hätt mich dann moischelnd für Reformgelehrte ausgsprochen, die nichts verändert hätten, dafür alles a bissel anders, a bissel menschlicher erklärt, damit es wieder jüdischer oder menschlicher zugeht in der Welt.

Wenn ich aber meine Ansichten treu bliebn wär, dann wär ich kein Beamter worden. Ich hätt was gmacht, was meine Kompetenzen gwesen wärn. Ethischer Kommissär eben - oder ich hätt denen, die gleich ans Kreuz gnagelt worden wärn, a bissel die Angst gnommen, hätt gesagt, doß alles gut wird werden - oder ich wär Präfektor für Nächstenliebe gwordn. Vielleicht auch nicht, weil die Nächsten hab ich auch nicht immer lieb ghabt. Ich wär dann meine Anschauungen treu bliebn. Hätt mich noch im Spiegel, den ich nie ghabt hab, anschauen können. Mein Weib hätt sagen können, doß sie stolz ist auf sein Mann, weil der niemand besebeln muß in seim Fron. Den guten Mann von Nazaret hätten mich die Leut gheißen, an Kügel mir zu Ehren hättense backen. Aber keiner wär in die Welt raus und hätt von mir erzählt. Von mir, dem Kommissär oder dem Tröster der zum Kreuze Verurteilten. Die hätten gsagt, der Mann von dem ihr da redet, der meint es bestimmt ganz gut, aber der kriecht den Besatzern doch auch nur in dene ihrn farkakte Arsch. Nie wär ich auch nur a bissel koscher genug gwesen, damit ich Gründer von a neuer Religion gewesen wär. Was ich nicht wollt, aber mich hat keiner gfragt. An Arschkriecher hättens mich genannt - und Arschkriecher wär ich auch gwesen. Auch wenn ich es gut gmeint hätt, ich wär nimmer der gwesen, der ich war, als die mich unter Wimmern und Heulen ans Holz gschlagen ham.

Ein Gnade ist es gwesen, doß ich so früh gstorben worden bin. Damals hab ich das noch nicht gsehen. Später erst! Die meisten Leut müssten früh sterben, dann wärn sie Heilige. Dann sind sie noch jung gnug, um für Ideale in Tod zu gehn. Da gehn die manchmal für jeden Schamass in Tod. Gibt bei euch, in eurer Zeit auch solche, die Helden gwordn wärn, wenn sie nicht die Vierzig überschritten hättn. Ich kann keine Namen nennen, weil ich keine weiß. Woher auch? Bin ich vielleicht a Gott oder was, einer der alles sieht? Aber ich kanns mir denken, doß es auch bei euch solche Leut gibt. Mit Dreißig Protest, mit Dreiunddreißig entweder langsam ans Kreuz oder doch zu Kreuze kriechen - und mit Vierzig sitzens dann auf der Seitn von der Macht. Mit Fünfzig a kesser Anzug über den Leib gworfn und in an Senat marschiert und spöttisch grinsen, wenn man a bissel von früher was fragt. Jede Zeit hat solche Leut. Aber ihr habt kein Kreuz mehr, wo ihr junge soziale Leut, wie ihr die nennt, anbringt. Deswegen habt ihr kein Heiligen mehr...



2 Kommentare:

Anonym 18. November 2011 um 09:18  

literatur am morgen. daumen hoch.

Rainer 22. November 2011 um 07:23  

'weil ihr kein Kreuz mehr habt, habt ihr auch keine Heiligen mehr' - - genial.

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