... auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Dass Soldaten Mörder seien: so weit will die deutsche Gerichtsbarkeit offensichtlich nicht gehen. Aber für fahrlässige Totschläger hält man sie zuweilen schon.

Der Pazifismus lebt noch

Sage nochmal einer, deutsche Soldaten könnten in Afghanistan wüten, ohne zu Rechenschaft gezogen zu werden. Das stimmt so nicht! Im ganz großen Stil können sie das schon, wenn wieder mal ein Kriegsminister oder ein General Kollateralschäden befiehlt, dann wird später kein Richter bemüht - dann wird hernach nur ein Untersuchungsausschuss beauftragt, die Affäre versanden zu lassen. Aber so im Kleinen, da herrschen Argusaugen - da kann man nicht durch die Gegend ballern, wie es einem gerade beliebt. Dann droht in heimischen Gefilden der Richter.

So geschehen kürzlich. Ein Soldat, der einen tödlichen Schuss auf einen Kollegen abfeuerte, wurde der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden. Tötende Soldaten müssen also doch die Gerichtsbarkeit fürchten - Kriegsgegner und Pazifisten ereifern sich ja seit Jahrzehnten, dass der Soldat ein legalisierter Mörder oder Totschläger sei, den man ehrt statt bestraft. Aber so kann man sich täuschen! Der Pazifismus hat auch deutsche Richter erreicht - Zeit wurde es. Schönheitsfehler nur, dass das Opfer kein Afghane war...

Opfer ist, wen wir als Opfer anerkennen

Ein Opfer aus den eigenen Reihen - und plötzlich findet Soldat sich vor Gericht. Das ist natürlich wünschenswert, wenngleich man natürlich auch diejenigen belangen müsste, die jungen, mit Testosteron abgefüllten Männern Waffen in die Hand drücken. Dass dabei nur Unfug rauskommt, darf ja eigentlich nicht wundern. Wie steht es da eigentlich mit der Fürsorgepflicht? Solange wir dem Determinismus abschwören, gilt nach wie vor, dass jeder für seine Handlungen verantwortlich ist. Heißt: jungen Kraftprotzen Gewehre zu geben, sie in Kriegsgebiet zu bringen, wo Leben wenig Bedeutung hat und Blutrausch schnell entstehen kann, ist auch eine Verantwortung, die geprüft und gegebenenfalls bestraft werden sollte.

Und obgleich es richtig ist, dass man den Totschläger seiner Verantwortung überführte, so bleibt doch ein faderfader Beigeschmack. Wenn der Soldat einen Soldaten aus den eigenen Reihen tötet, dann überprüft man plötzlich die olle Aussage des Ignaz Wrobel, ob denn der Soldat vielleicht doch ein Mörder sei. ("Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.") So weit geht man im Regelfall dann nicht - fahrlässige Tötung attestiert man schon. So weit, den zu bestrafen, der so junge Kerle mit Waffen ausstattet, geht man jedoch nicht. Und so weit, den Totschläger von Zivilisten vor Gericht zu bringen, wird man ganz sicher, ganz sicher, ganz sicher - mit Schwur auf unser Grundgesetz, in dem die Gleichheit aller Menschen reklamiert wird! - nicht gehen. Der Soldat von seines Kollegen Hand getötet, er war Mensch - etwas, was wir denen, die da im Namen von Demokratie und Freiheit und Petrodollars zu Kollateralschäden werden, nie gewähren würden.



7 Kommentare:

Markus 26. Oktober 2011 um 16:37  

Warum wird im ganzen Artikel eigentlich durchgehend nur in der männlichen Form von Soldaten gesprochen? Weibliche Soldaten tun genauso den Dienst an der Waffe in Afghanistan. Ich weiss gar nicht, ob bei denen das fragliche Hormon auch Testosteron ist?

ad sinistram 26. Oktober 2011 um 16:42  

a) Der verurteile Soldat war ein Soldat.
b) Die politische Korrektheit, stets von Soldaten und Soldatinnen, Idioten und Idiotinnen, Trollen und Trollinnen zu sprechen, halte ich für dämlich und wird im Regelfall auch kaum praktiziert.
c) Ja, auch bei Soldatinnen ist Testosteron vorhanden - wenn auch auf andere Weise.

ninjaturkey 26. Oktober 2011 um 17:53  

Na, immerhin hat das Gesetz doch mit voller Härte zugeschlagen: Zweieinhalb Jahre auf Bewährung für einen Kopfschuss. Wahrscheinlich wird er auch noch "unehrenhaft" entlassen.
Wer mit einer Waffe in einem Einsatz, bei dem scharfe Munition eingesetzt wird, auf den Kollegen anhält, der kann sich nicht auf ein Versehen rausreden. Ein solches Maß an Fahrlässigkeit liegt direkt neben der Absicht.

@Roberto: das hat mit Testosteron weniger zu tun, eher mit Adrenalin. Testosteron ist ein gern beschworener Heldenmythos der spätestens mit 17 abklingt.

Anonym 26. Oktober 2011 um 17:59  

Schöner Gag am Rande: "...halte ich für dämlich..."

Da bestehe ich doch mal glatt auf der Verwendung der männlichen Entsprechung "herrlich". :-D

Ansonsten überwiegt die Zustimmung, obwohl...
Schon während der Zeit des Kalten Krieges wurden Soldaten vor den Kadi gezerrt, die beim unsachgemäßen Hantieren mit der Waffe ihre Kameraden schädigten. Allerdings waren wir da auch nicht in irgendwelchen Verteidigungs- oder Bündnisfallen gefangen, meistens jedenfalls nicht. Insofern wäre der Vorfall also keiner Aufregung wert, wäre da nicht die Verquickung mit einem Kriegseinsatz.

Da freut mich doch im direkten zeitlichen Zusammenhang die heute veröffentlichte Standort-Streichliste. Das ist doch gelebte Abrüstung. Weiter so!

Anonym 26. Oktober 2011 um 18:03  

„Warum werden immer nur die Millionen Ausführenden Mörder genannt, die auch millionenfach sterben durften und dürfen, während die Kriegsplaner, Propagandisten und Befehlsgeber zu ‚historischen Gestalten‘ aufsteigen?“ - Heinrich Giegold

Anonym 27. Oktober 2011 um 07:48  

In der Zivilgesellschaft sind die Gerichte da noch konsequenter:

"Das Gericht sprach den 52-jährigen Jörg K. der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Überlassung einer Waffe für schuldig. Sein 17-jähriger Sohn Tim K. hatte im März 2009 mit der Pistole des Vaters an seiner Schule in Winnenden und auf der Flucht in Wendlingen insgesamt 15 Menschen und sich selbst getötet. "

Er hatte seine Waffe "nur" unverschlossen in der Wohnung aufbewahrt, mit dem unmittelbaren Tatgeschehen also absolut nichts zu tun.

Anonym 27. Oktober 2011 um 21:53  

Nur zur Erinnerung:Die Hintergründe zum Tod des Soldaten wurden seiner Zeit von KT zu Guttenberg vertuscht.
Search:"Neue Vorwürfe – Getöteter Soldat: Guttenberg belog Bundestag"

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