Rechtsstaatsverdrossene drängen in Schulen

Dienstag, 6. September 2011

Beide sind Geschöpfe aus dem Axel-Springer-Hochhaus. Sie: die blaublütige Gattin eines ramponierten blaublütigen Politikers - er: ein drittklassiger Darsteller, der sich hin und wieder viertklassig als Regisseur betätigt. Sie: bejubelt als Jeanne d'Arc, die fehlende juristische Legitimität ihres Handels wegwischend - er: gefeiert als Regie-As, die Langatmigkeit und an einer Hand nicht mehr abzählbaren Schnitt- und Folgefehler (wie letztens im gelobten Streifen Kokowääh) ignorierend. Sie schiebt juristische Bedenken und demokratische Unvereinbarkeit ihrer TV-Sendung beiseite und nennt sie einen Meilenstein - er kennt keine Bedenken, Sexualstraftätern Menschenrechte abzuerkennen, die "keine Rechte mehr haben", wie er es vor einigen Monaten bei Betroffenheitsquassler Lantz formulierte.

Das sind zwei gefeierte Ikonen, geschätzte Vertreter bundesdeutscher Elite, die zueinandergefunden haben. Schweiger und Guttenberg zusammen gegen Kinderschänder. Er, der stammtischig-knorrige Radikalo, der mir nichts dir nichts einfach mal Menschenrechte aushebeln möchte - ein wenig Anleihen am Faschismus haben scheinbar noch nie geschadet, um als honoriges Mitglied der Gesellschaft zu gelten. Sie, das nasal-fistelige Stimmchen der bürgerlichen Mitte, als das sie keine Probleme damit hatte, Straftaten zu fingieren und zu ihnen zu ermutigen, um vermeintliche oder wirkliche Sexualstraftäter an den öffentlichen Pranger zu stellen - ein bisschen Show muß schon drin sein, wenn der Rechtsstaat gebeugt und zur Bespaßung aller pervertiert wird.

Der Kampf gegen den sexuellen Gebrauch von Kindern hat sich diese heilige Allianz auf den Wimpel geschrieben. Hierzu tourt Innocence in Danger durch deutsche Schulen. Aufklärung betreiben und so. Was zunächst ja nicht schlecht ist, wobei man sich fragen muß, ob es nicht ratsamer wäre, wenn Lehrer über dieses sensible Thema aufklärten. Die stehen ihren Schülern schließlich näher, könnten langfristig auf- und erklären, immer wieder darauf aufmerksam machen. Das sind lediglich rein praktische Bedenken. Inhaltliche Vorbehalte wären aber: Soll eine Organisation, deren namhaftesten Stimmen offenkundig antidemokratische Klänge anschlagen, die Kriminelle oder gar schon nur einer Straftat Beschuldigte von Menschenrechten exkludieren möchten, die juristische Praxis beugen, um Täter dingfest zu machen - soll eine solche Organisation in Schulen ausschwärmen? Sexuell aufklären und demokratisch verdummen? Damit unsere Kinder stark gemacht werden, wenn sie in Gefahr geraten, sexuell gebraucht zu werden - gleichzeitig aber schwächeln, wenn sie dabei zusehen, wie demokratische und rechtsstaatliche Mindeststandards hysterisch ausgeknipst werden?

Schweiger jedenfalls scheint sich der Hysterie bewusst zu sein, auch wenn er damals selbst hysterisch gemosert hat, als er vom Entzug der Menschenrechte fabulierte, es als Unart von Gutmenschen abtat, wenn man auch Kriminellen Rechte einräumt. Kinder manchmal unnötig Angst machen, so wird er gefragt, sei das denn richtig - das Risiko müsse man eingehen, antwortet er. Er weiß also von der Hysterie, nimmt sie aber wohlwollend hin. Angst ist indes immer ein schlechter Berater - wer Kinder mit Angst einlullt, der stärkt sie nicht, der macht sie schwach und ohnmächtig. Aber was ist von Gestalten zu erwarten, die offensichtlich so voller Furcht sind, dass sie auch den Rechtsstaat abmontieren würden, um ihre Angst in den Griff zu bringen? Wer Menschenrechte für humanistischen Tand hält, für etwas, was nicht jedem unveräußerlich zustehen sollte, der nimmt keine Position der Stärke ein - der enttarnt nur seine Angst, entlarvt seine Schwäche. Angst, wie gesagt, ist kein guter Berater; Verängstigte sind es daher auch nicht.

Wenn von den Medien gepuschte, aus der Elite stammende Rechtsstaatsverdrossene in Schulen stürmen, um dort aufzuklären, so kann die Absicht dahinter durchaus ein ernstes Anliegen sein. Doch dem Anspruch einer aufgeklärten Gesellschaft kann dieses Unterfangen nie gerecht werden. Leute, die mit Kopf ab!-Rhetorik heiligen Zorn versprühen, sind auf ihre ganz eigentümliche Art für Kinder gefährlich. Sie gehören nicht an Schulen, sondern hinterfragt.



5 Kommentare:

Fleur 6. September 2011 um 08:25  

Man sollte sich nochmal erinnern, dass selbst Churchill nach den Erlebnissen des zweiten Weltkriegs noch an das Gute in jedem Menschen geglaubt hat und das im Hinblick gerade auf Schwerverbrecher äußerte und für Resozialisierung statt für stumpfes Strafen eintrat. Welcher Politiker würde heute noch so reden?

Die rechtsliberale Ideologie scheint über weit mehr Verrohungspotential zu verfügen als jeder Krieg...

ericool 6. September 2011 um 09:36  

Es gibt ja eine Menge Gründe, über die Zukunft unserer Gesellschaft besorgt zu sein. Unsere Kids sind schließlich die, die diese Zukunft gestalten müssen.

Und nicht genug, daß ihre Seelen vergiftet und ihre Hirne vernebelt werden von Freiheit-am-Hindukusch-Verteidigungs-Indoktrinierern und der Bertelsmann-Stiftung, jetzt kommt auch noch dieses oberflächliche Promipärchen über sie. Das habe ich noch gar nicht mitbekommen bisher und bin eigentlich fassungslos, andererseits wundert mich schon lang schon gar nichts mehr.

Warum nicht gleich ganz konsequent sein und dem Staat einen Haufen "unnötiger" Kosten sparen? Lehrer raus aus den Schulen, durch TV's ersetzen und die Kids mit ARDZDFRTLPRO7usw. unterrichten und zu unkritischen Konsumsklaven der Wirtschaftsdiktatur erziehen. Seien wir doch nicht zu zimperlich!

Und ich geh mal k...!

Anonym 6. September 2011 um 13:11  

Cui bono ?

Immer bedenken das diese "Stiftungen" und "Gesellschaften" jemanden dienen, egal ob es darum geht ein umlagefinaziertes System für den Finanzmarkt kaputt zu machen, oder Stimmung für härtere Gesetze um dann eine extra Sau durch's Dorf zu jagen ohne das es jemand mitbekommt ...
Es nützt ja leider nix der Staatsanwaltschaft mal eine Anzeige wegen Aufrufs zu einer Straftat zukommen zu lassen, die "blauen Geblüte" stehen da ja leider wie der "Geldadel" weit über dem geltenden Gesetz, Vitamin "B" macht's möglich ...
Was in den Schulen vermittelt wird dürfte im Interesse der beteiligten Firmen/Manager liegen, nicht im Interesse der Kinder ...

pillo 6. September 2011 um 21:32  

Schon seit einiger Zeit fallen mir häufiger PKW's mit dem widerlichen Aufkleber "Todesstrafe für Kinderschänder" auf.
Wenn ich hinter so einem herfahren muss, zuckt es bei mir jedes mal im Bein. Zu gern würde ich Gas geben und diese Gehirnamputierten rammen, wenn ich nur mein Auto nicht so dringend bräuchte.

Es steht zu befürchten, dass diese Adelspuppe und ihr Proll-Freund vielen "anständigen" Mitbürgern aus dem Herzen sprechen. Solange ein Großteil der Deutschen seine Bildung aus der BILD bezieht, ist dieses Beispiel wohl das beste Argument gegen Volksentscheide.

willi 7. September 2011 um 02:54  

Natürlich hast du Recht und die lieben Kleinen sollten mitkriegen, das es so etwas wie eine Rechtskultur bei uns gibt. Allerdings ist die Sache durchaus zweischneidig. Ein Blick auf die politische Realität zeigt sehr deutlich, dass Rechte bei uns häufig nur dann gültig sind, wenn sie den Mächtigen nützen und in den Kram passen.
Bestenfalls könnte so ein gefährlicher Trottel wie dieser Schauspieler die Kids vor einer Enttäuschung bewahren und auf das "wirkliche Leben" vorbereiten;-).

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