Selig, die da geistlich arm sind...

Sonntag, 1. Mai 2011

Die katholische Kirche geht mit ihren Persönlichkeiten gerade so um, als seien diese masochistische Kreaturen, an denen man allerhand Erniedrigungen austoben dürfe. Über den Wojtyla-Papst kann man mancherlei Bedenkliches sagen - er war misogyn, verstockt, sexualkonservativ und homophob. Immerhin entschuldigte er sich für Verfahrensfehler in der Affäre Galilei - späte Reue zwar, aber Reue. Mit Leonardo Boff und Hans Küng ging er hingegen weniger zimperlich um. Und obwohl er sich keine ordinierte Frauen vorstellen konnte, mochte er Frauen immer dann gerne, wenn sie Jungfrau Maria hießen. Aber nüchtern gesprochen: der zweite Johannes Paul, so altbacken und verklemmt er auch war, er war durchaus politisch mutig und taugte hin und wieder ganz gut als moralische Instanz, wenn er Kommunismus und Kapitalismus unterschiedslos schalt, ob deren unpersönlichen und unmenschlichen Auswüchse. Lobenswert war auch sein öffentlich zur Schau getragenes Siechtum, das man als Affront gegenüber einer Gesellschaft ansehen durfte, die sich der unzerstörbaren Jugendlichkeit verschrieben hatte.

Kurzum, Wojtyla war ein kritisch zu beäugender oberster Priester der Weltkirche - aber das hat er nicht verdient, was man ihm heute da in Rom antat! Nimmt man ihn doch wirklich in die Litanei der Seligen auf, unterwirft man ihm der Beatifikation, legt man ihn in einer Schublade ab, in der es nur so wimmelt von Schlächtern, Pedanten und Psychopathen - legt man ihn in der Vorstufe ab, wo es zu geheiligten Kriegsherrn, geheiligten Prinzipienreitern und geheiligten Verrückten hinführt. Selige und Heilige: die einen haben im Namen ihres christlichen Gottes gelyncht und mit dem Schwert umerzogen, die anderen haben für dasselbe Hirngespinst ihren blanken Hals zwecks Abtrennung auf Holzpflöcke gelegt - standhafter Glaube, nannte man das hernach dann, wenn man den Kopflosen in den Stand eines Seligen oder wahlweise, wenn der Kopf der rollte, besonders stur und glaubensfest war, in den Stand eines Heiligen ernannte. Und dann sind da noch diejenigen aus der christlichen Heiligen- und Seligenfamilie, die Stimmen hörten und diese als Ansprache Gottes zu erkennen glaubten. Solche fände man heute unter dem Label "schizophrene Psychose" in stationärem Aufenthalt - mit guter Hoffnung auf Genesung! Kirchenhistorisch betrachtet: der Kanon der Seligen und Heiligen, das ist die psychologische Klinik, in die man jene steckte, die im Wahn Stimmen vernahmen und sich demutsvoll zu Boden warfen, weil sie dahinter den Götz' witterten. Chronische Halluzinationen gesellten sich mitunter auch noch dazu - mancher Engel, mancher erschienene Sandalen-Jesus und manche Marienerscheinung ließe sich heute in guter ärztlicher Behandlung kurieren.

Nun ist es ja ehrenhaft, dass die katholische Kirche solche Persönlichkeiten nicht für verrückt erklärte, sie ganz im Gegenteil integrierte und gar dafür adelte: doch was um Himmels willen hat Wojtyla dort zu suchen? Er war sicher frauenfeindlich, aber er tötete in seinem religiösen Eifer keine Frau - er hing stur an dem, was er für seine Religion hielt, aber so masochistisch, dass er die Pistolenkugel, die ihn durchbohrte, nicht entfernen ließ für seinen Glauben, war er nun auch wieder nicht - sein Weltbild war sicherlich für diese moderne Zeit verrückt, aber so verrückt, dass man davon lesen musste, er würde fortan Stimmen hören, war er letztlich keinesfalls. Keiner hat verdient in diesen suspekten Katalog aufgenommen zu werden - will man der Tradition gerecht werden, so müsste man Bush als Kreuzritter selig- und später heiligsprechen; oder Bischof Walter Mixa, der mit der Intelligenz eines Lemmings an den von ihn postulierten Dummheiten haftet - so pedantisch glaubensfest können nur Hohlköpfe sein; oder man besuche einmal eine Klinik für Psychosen, da tummeln sich potenzielle Selige und Heilige, da ist das Stimmengewirr in den Köpfen so Legion, da muß doch jemand dabei sein für eine Beatifikation!

Man muß Johannes Paul Zwo ja nicht lieben: aber er hat nicht verdient mit Gewaltverbrechern oder bis in den Tod treuen Fanatikern zusammengesteckt zu werden. Und ins Irrenhaus gehört er auch nicht! Will man ihn auszeichnen, so sage man: er war ein Mensch - streitbar und widersprüchlich...



6 Kommentare:

Anonym 1. Mai 2011 um 19:31  

wie gut, dass ratzinger mich gestern nicht heilig gesprochen hat. ich danke gott dafür, dass dieser kelch an mir vorüberging.

klaus Baum 1. Mai 2011 um 19:32  

sorry, der letzte beitrag war von mir

Momo 1. Mai 2011 um 21:01  

Die FR veröffentlichte am 28.4.2011 ein sehr interessantes Inverview mit Hans Küng zur Seligsprechung Johannes Pauls II.:
"Johannes Paul taugt nicht als Vorbild"
http://www.fr-online.de/politik/-johannes-paul-taugt-nicht-als-vorbild-/-/1472596/8386710/-/index.html

Anonym 1. Mai 2011 um 21:40  

Unglaublich übertriebener Rummel um eine Hochzeit bei Königs, eine Stadt im Freudentaumel ob einer Meisterschaft im Fussball und heute nun auch noch Millionen "guter Christen", die ihrem verblichenen Oberhaupt huldigen.

Und über jede dieser Nebensächlichkeiten wird berichtet, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt.

Herr, schmeiss' Hirn vom Himmel!

Es ist alles so traurig.

Diana

Anonym 1. Mai 2011 um 23:14  

"[...]Und ins Irrenhaus gehört er auch nicht! Will man ihn auszeichnen, so sage man: er war ein Mensch - streitbar und widersprüchlich...[...]"

Johannes Paul sicher nicht, aber die die ihn selig gesprochen haben schon, denn die Begründung für die Seligsprechung von Johannes Paul II war ein "Wunder". Welches? Jeder Hausarzt würde einem für solch ein Wunder in ein Irrenhaus stecken - Eine Nonne soll angeblich via Fernheilung vom toten Papst von ihrer Parkinsonkrankheit geheilt worden sein. Ja? Wo leben wir denn? Im 21. Jahrhundert in der westlichen Welt oder irgendwo im brasilianischen Busch?

Warum mich das "Wunder" so ärgert? Ich hatte letztes Jahr das zweifelhafte Vergnügen selbst mit einem solchen Wundergläubigen im selben Krankenzimmer eines Krankenhauses zu liegen, und der machte die Patienten, die Ärzte und die Pflegekräfte verrückt mit seinen abfälligen Äußerungen über die Krankenhausmedizin. Er fing immer wieder davon an, dass er von einem Wunderheiler in Brasilien gehört habe, der durch Handauflegen heilen würde - Zum Glück hat dieser arme Mensch (er litt an Lymphdrüsenkrebs) sich nach 2 Tagen selbst entlassen, da er zuhause noch finanzielles zu regeln hätte.

Und beinahe ein halbes Jahr später erhält ein Papst eine Seligsprechung mit so einer sinn- und wirkungslosen Wunderheilung!

Ärgerlich, denn jeder, der die Normalmedizin jetzt ablehnt, der kann sich auf die Seligsprechung von Johannes Paul II berufen.

Die Wissenschaft ist aber mittlerweile nicht mehr mittelalterlich - wie die römisch-katholische Kirche, und ich hoffe, dass der Vatikan dies auch einmal bemerkt.

Gruß
Bernie

Anonym 2. Mai 2011 um 21:41  

So kann man es auch sehen. Wirklich geistreich... Aber:
Selig, die da GEISTIG arm sind, denn ihrer isst das Himmelreich. So wird eine Wahrheit daraus... Allen Ernstes.
Paranoide und Schizophrene sind KEINE Irren. Eher das Gegenteil.

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