Facie prima

Montag, 7. Februar 2011

Heute: Der Lebemann, Silvio Berlusconi

Aus den Boulevardmagazinen lächelt uns verführerisch ein adretter Herr im besten Alter entgegen - ein alter Gigolo, wie flankierende Texte behaupten, der von keiner noch so jungen Frau die Finger lassen will. Er wirkt charmant, gepflegt und fast ein bisschen gütig, jedenfalls humorvoll. Affären hat er, so kann man den Blättern entnehmen, ausreichend; sein ganzes Leben scheint eine Orgie an sich windender Frauen zu sein, die in seinen ältlichen Händen geradezu schmelzen. Der brünstige Großvater lächelt stets, wenn er bildlich dargestellt wird, stets nimmt er eine Pose ein, die an einen sensiblen latinisierten Liebhaber, einen ästhetischen Schönling erinnert. Als das, was er eigentlich ist, findet er keine Abbildung: als demokratisch legitimierter Westentaschen-Diktator aus Italien; als das, wovor sich Adorno schon fürchtete: vor Faschisten in der Maske der Demokraten. Er ist für die Regenbogenpresse das Spottbild eines Lebemannes, weniger Politiker oder gar selbstherrlicher Tyrann - die Opfer seiner Politik können jedoch nicht über seine Eskapaden spotten.


Silvio Berlusconi glänzte bislang als Despot, der sich turnusmäßig von den italienischen Massen, die von seinen TV-Sendern gezielt verdummt und betrogen werden, wählen läßt - er ist der Prototyp einer neuen Art Diktatur, die gar nicht fortwährend im Amt sein muß, um dennoch ihre despotischen Gelüste und Interessenpolitika durchzuringen. Man kann sich in einem solchen Modell durchaus aus dem Amt jagen lassen, denn ein oder zwei Jahre später ist man ohnehin wieder zurück - die TV-Anstalten und das damit verbundene Meinungsmonopol, deren Herr man ja ist, sorgen schon dafür. Berlusconi wirkte bisher vorallem als Tyrann, der keinerlei Geschmack kennt. Er nährt Antiziganismus und unterstützt Bürgerwehren; er veralbert Asylbewerber und Opfer von Naturkatastrophen - und nebenher erlässt er Gesetze, die seine wirtschaftskriminelle Energie in die Legalität hieven.


Als Despot findet er im Boulevard aber keinen Niederschlag. Stattdessen ist er dort der etwas peinliche Lebemann, der einem zuprostet, der triebhaften Frauchen den Hintern tätschelt und dabei stets ein Lächeln auf den Lippen trägt. Ein etwas schmieriger, etwas zu geiler Greis, den man verhöhnt und nicht zu ernst nehmen sollte. Ein an sich herumnestelnder, stets an seiner Kleidung fummelnder Alt-Adonis, der den Eindruck erweckt, es ginge in seinem Leben nur darum, gut angezogen und mit Frauen eingedeckt zu sein. Der Lebensinhalt dumpfer Lebemänner eben, die an nichts anderem Gefallen finden wollen. Berlusconi ist aber kein solcher Lebemann, jedenfalls nicht nur. Hinter der Maske des Gigolos verbirgt sich ein Mann, der knallharte Interessenpolitik durchboxt und sich dabei selbst Immunitäten verleiht, die einstmals nur Königen oder Zaren zustand. Er ist nicht konservativ, sondern reaktionär; ist Herr flapsiger Sprüche, die immer zulasten Schwächerer gehen; ist ein arroganter Autokrat von Wählers Gnaden.

Die Frauen, die im Boulevard diesen kleinen König der italienischen Demokratur zieren und die Bilder, auf denen er als eitler Weiberheld abgelichtet ist, sie verleihen im eine lächerliche Aura, die darüber hinwegtäuscht, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Der Boulevard, der einen Despoten in solcher Weise abbildet und damit für lächerlich erklärt, hilft der Diktatur in die Schuhe, läßt eine demokratisch fadenscheinige Figur wie Berlusconi in der gesellschaftlichen Mitte ankommen.


13 Kommentare:

Anonym 7. Februar 2011 um 09:06  

Bravo!

potemkin 7. Februar 2011 um 09:26  

Wir haben es hier mit einem modernen Feudalismus italienischer Prägung zu tun, der sich -gemäß unterschiedlicher Mentalitäten und historischer Hintergründe - überall ausbreitet. Der neue Adel ist juristisch kaum noch zu belangen, führt ein Eigenleben, welches sich jenseits der Öffentichkeit abspielt und nur dann den Massen gezeigt wird, wenn Eitelkeit oder politisches Kalkül im Spiel ist. Einmal im Jahr trifft sich dieser neue Welthochadel in einem Schweizer Bergdorf...

Anonym 7. Februar 2011 um 11:10  

Erst ist er "demokratisch legitimiert", dann aber läßt ihn erst der Boulevard "in der Mitte der Gesellschaft ankommen" (die ihn eben noch wählte)?
Dass der Artikel in diesem eklatanten Widerspruch kulminiert, darüber würde einer gönnerhaft lächeln: Berlusconi.

Anonym 7. Februar 2011 um 12:05  

Benito Mussolini, Silvio Berlusconi, Gerhard Schröder, ... wo ist der Unterschied ?
gez. Braunes Hartz.

pillo 7. Februar 2011 um 14:01  

Im Grunde ist Berlusconi mit seinen Machenschaften doch der feuchte Traum vieler "demokratischer" Politiker im Westen. Obama, Merkel, Sarkozy, Cameron, Zapatero und wie sie alle heißen, sind doch eher neidisch auf Berlusconi als das sie ihn ernsthaft und glaubwürdig kritisieren könnten.

Für viele Männer ist Berlusconi insgeheim ein Vorbild. Im Stillen (bzw. im Freundeskreis) zollt man ihm Anerkennung für seine Machtfülle und sein ausschweifendes Sexualeben. Zumindest ein wenig neidisch ist man(n) schon. Geld und Macht ohne Ende, junge, hübsche Frauen en masse - Männerherz was willst du mehr!?

Von unseren Medien ist natürlich auch keine Kritik zu erwarten. Wie auch? Sollen etwa Leute wie Liz Mohn, Friede Springer oder Rupert Murdock ihren Bruder im Geiste attackieren? Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus! Außerdem könnte ja der eine oder andere Bürger auf die Idee kommen, die Zuistände im eigenen Lande einmal kritisch zu hinterfragen. Da müßte er nämlich feststellen, daß wir hierzulande zwar noch nicht ganz so weit aber doch schon auf dem besten Wege zu italienischen Verhältnissen sind.

Es steht zu befürchten, daß Italien wieder einmal die Blaupause (wie schon bei Mussolinis Faschismus) für viele andere Länder abgeben wird. Und die Deutschen werden, mit ihrem Hang zur Perfektion, ihre italienischen Vorbilder wieder einmal übertrumpfen. Der smarte Freiherr aus Bayern wäre zum Beispiel eine Figur, die über die entsprechenden politischen, medialen und wirtschaftlichen Netzwerke und Kontakte verfügt, um in einigen Jahren den deutschen Berlusconi abzugeben.

Anonym 7. Februar 2011 um 14:09  

"... wo ist der Unterschied ?"

Das Augenmaß fehlt leider oft nicht nur der regierenden Kaste, sondern auch der außerparlamentarischen Opposition, die in jeder Geste letztlich den Faschismus sieht.

Anonym 7. Februar 2011 um 15:52  

Anonym hat gesagt...
"Benito Mussolini, Silvio Berlusconi, Gerhard Schröder, ... wo ist der Unterschied ?"

Konrad Adenauer(Restauration der alten Machtverhältnisse) KIessinger,ehem.NSDAP-Mann), Willy Brandt(Radikalenerlaß, Berufsverbote..) Helmut Schmidt(Nachrüstung), der "Bimbes"- Kohl, "Gerd"&"Joschka", Merkel.....
Wo waren da je gewichtige Unterschiede?
Alle wollten immer nur das Gleiche, weiter das Gleiche bis in nur jede denkbare ZUkunft hinein...., und Millionen Spießer, deren Wähler ebenso.....
Findet von Unten kein energischer Klassenkampf statt, dann tobt man sich Oben eben um so trunkener, um so überheblicher aus.
Ist das nicht alles "Menschlich Allzu Me1nschlich", unerbittles Gesetz aller Gesellschaften?
Berlusconi passt zu Italien wie Merkel zu Deutschland, beide Deckel auf einen passenden Topf.

Wenig überraschte Grüße von
Bakunin

Trojanerin 7. Februar 2011 um 17:30  

Berlusconi hat so viel Dreck am Stecken. Jeder andere wäre für Berlusconis kriminelle Machenschaften (Rechtsbeugung, Korruption, Steuerhinterziehung u.v.m. längst im Gefängnis. In diesem Punkt gleicht Italien wirklich einer Bananenrepublik. Ich habe in den letzten Wochen auf den nachdenkseiten einen Beitrag gelesen, in dem es sinngemäß hieß, dass es bezeichnend ist, das Berlusconi(vielleicht) ausgerechnet über einen Sexskandal stolpert, während sein jahrelanges begangenes Unrecht keine Konsequenzen für ihn hat. Italien hat mit Abstand die meisten Regierungswechsel seit dem Ende des 2. Weltkrieges erlebt. Wenn Berlusconi wieder einmal eine Regierung vor die Wand gefahren hat, dann hat er stets eine neue Partei gegründet, ist neue Bündnisse eingegangen und ist gestärkt aus den Regierungskrisen hervorgegangen. Für mich ist das nur erklärbar mit der uneingeschränkten macht der Meinungsmache, welche Berlusconi in Italien ausübt.
Bis zum Juli 2010 schloss sich Berlusconi immerhin mit der neofaschistischen Alleanza Nationale von Gianfranco Fini zusammen. Wenn Berlusconi abtritt, steht Fini vielleicht schon bereit. Nach einem korrupten Lustkreis mit Verbindungen zur Mafia würde Italien dann von einem smarten Neofaschisten regiert.

Anonym 7. Februar 2011 um 20:33  

Trojanerin,
"Für mich ist das nur erklärbar mit der uneingeschränkten macht der Meinungsmache, welche Berlusconi in Italien ausübt."

Warum fragst Du nicht einmal einen Italiener (Pizzeria an der Ecke), wenn Dich das Thema ansatzweise interessiert, anstatt Dir völlig ins Blaue irgendetwas auszudenken?
Die Italiener haben nicht so das große Problem mit dem "Gewieftsein", es hat gesellschaftlich einen anderen Stellenwert als hierzulande.
Deine Art, an Deinen Maßstäben andere Länder zu bemessen, ist genau diese kulturimperialistische Ader, die dann auch Mentalitätsunterschiede zu z.B. Asiaten nicht einordnen kann und für ein Desinformationsproblem dieser Leute hält - dabei ist es ein eigenes Desinformationsproblem.

flavo 8. Februar 2011 um 12:17  

Der Cavaliere ist Ausgeburt der neidischen Mittelschicht des Nordens und strahlendes Hoffnungslicht des armen Südens und informell-clanhaften Südens und permanentes Produkt einer völlig desolaten (Mitte-)Linken, die andauernd ihre eigene Inkompetenz und Illusionenpolitik reproduziert. Der Cavaliere löst, entspannt den Neid und die Prätention der aufsteigenden Mittelschicht des Nordens, die ihresgleichen im rücksichtslosen Durchsetzen eigener Strebungen gegen den schwachen und korrupten Staat sieht. Einen Helden, mit dem die Ich-Ideale verschmelzen, Geld, Frauen, Aggression, anything goes. Greise nähren sich an ihm in der Hoffnung auf ewige Potenz. Der jugendliche Eroberungstrieb wird geweckt. Das bandenhafte des Cavaliere ist die Art und Weise des Überlebens im Süden, schönes smartes Außen und gewaltige Gewebe im Hintergrund. Der Cavaliere ist unpolitsch, er folgt seinem Sozialcharakter gemäß der Ehre, dem Distinktionsstreben, dem Reichtum und den Frauen, der maskulinen Ethik des Kampfes und der Führerschaft und nicht-lange-herum-diskutieren, dem Gut-dastehen-wollen mit unendlichem Abstand zum nächsten, dem italiensichen Destillat das american man. Das ist sein Lebenssinn, was daran ihn hindert, wird Objekt seines politischen Unternehmens. Faschisten und Rassisten seiner Anhängerparteien sind nur Instrumente. Links und Rechts können auch vertauscht sein, er würde genau so gegen die Faschisten wettern, wie gegen die Kommunisten. Und das wissen sie auch, ohne seine synthetisierende Funktion und sein Identifizierungsangebot an die Massen, wären sie Splitterparteien , die im alltäglichen politischen Tauschgeschäft ihr Dasein fristen müßten. Und alle Opposition, um so Linker, um so stärker, erkennt, wie ihre Ideen, wie Stunden an Überlegen und tausende Seiten an Geschriebenem zu Illusionen geworden sind, die sanft aufgesogen und verwandelt wurden von Opportunismus und Postenerlangung in den eigenen Reihen, dass Realutopien nur Chimären waren, eine Maske für verdrängte, aber drängende Strebungen und dass das vor Jahren kollektivierende Gerede zu vereinzelnden Schaumblasen geworden sind, deren einzger Sinn darin liegt, dass damit einige gutes Geld machen können in Form von Abgeordneten, Sekretären und Gehilfen. Der Inhalt der Linken wird durch deren Praxis dauervergewaltigt. Wie fertige Schablonen werden Inhaltsfragmente gekünstelt und daher fehleranfällig an die Öffentlichkeit gehalten, im intimen wissen, eine lächerliche und lügnerhafte Figur machen zu müssen. Das merken die angeblichen Repäsentierten natürlich, sodass jede Lust daran vergangen ist. Dagegen strozt der Cavaliere vor Kraft und Erfolg, seine Parolen sind klar und ansprechend, lustbereitend, spannungslösend, keine muffigen Relikte aus der Dachkammer angeblich emanipativer Bewegungen, die auch nicht anders als der Cavaliere blindes Vertrauen in die intellektualistische Welt der Repräsentanten verlangt haben und es ebenso gebrochen haben im Namen von insiderhaftem Wissen über die geschichtliche Bewegung der sozialen Welt und nicht mehr zu bieten haben, als moralische Empörung über das sich für sie als pervers darstellende Leben ihres Gegeners und darin ihren Klassenstand anscheinend jenseits aller Reflexion stümperhaft zum Ausdruck bringt. (man könnte schon bei Wilhelm Reich nachlesen, dass die Unterschicht in sexuellen Angelegenheiten weit freier, verdrängungsärmer und entspannter ist als verklemmte bügerliche und heute mittelschichtige Menschen. Siehe auch Robertos Eintrag: die fickende Unterschicht). Er serviert Enttäuschung mit Lust. Die Opposition serviert Enttäuschung mit Maskeraden. Niemand bereitet mehr Lust als der Cavaliere.

Anonym 9. Februar 2011 um 11:16  

"Zumindest ein wenig neidisch ist man(n) schon. Geld und Macht ohne Ende, junge, hübsche Frauen en masse - Männerherz was willst du mehr!?"

Wer geistig so verarmt ist, darauf neidisch zu sein, hats verdient sich im Neid zu verzehren.

Ziemlich arm...

Ich empfehle denken statt ficken. Und ja, es ist knattern, hacken, billiges ficken wie es käuflicher Sex immer ist.
Mehr hat der alte Knacker da auch nicht und das, verehrter Herr, kann sich nahezu jeder für 20 Euro an jedem Straßenstrich kaufen.

Worauf also soll man wirklich neidisch sein?

Reichtum ist vergänglich, billiger Sex käuflich und Macht korrumpiert.

Ja, ich behaupte das diese Menschen kein Glück kennen, keine Zufriedenheit aus dem Inneren.

Wir sollten diese Menschen bedauern, nicht beneiden. Dafür muss man sich allerdings selbst erst einmal von den Lebenszielen dieser Damen und Herren Groß-Gutsherren verabschiedet haben.

Können Sie das?

Anonym 9. Februar 2011 um 11:40  

Wie schnell die Geschichte einen gerade erst geschriebenen Artikel überholen kann:

"Der italienische Regierungschef Berlusconi soll sich in der "Ruby"-Affäre vor Gericht verantworten. Mailänder Staatsanwälte haben nun ein Schnellverfahren beantragt. Die Anklagepunkte: Amtsmissbrauch und Begünstigung von Prostitution mit Minderjährigen."
www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,744514,00.html

Anonym 15. Februar 2011 um 15:32  

Na bitte, jetzt hast du doch deine Monsterbilder:
www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,745636,00.html
Das Verfallsdatum der Artikel ist nur noch wenige Tage teilweise...

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP