Der Schmodder muß weg

Dienstag, 7. Dezember 2010

Der Stil der Springer-Journaille, der ja genaugenommen eher Stillosigkeit ist, ist die Verknappung, der gestraffte, der abgeknapste Satz. Eine Stillosigkeit, die zuweilen auch in seriöseren Blättern Anwendung findet - Richtschnur soll hierbei der Leser sein, der schnell, umfassend und effektiv informiert werden soll. Die Informationsvermittlung stehe somit im Mittelpunkt, unnötiger sprachlicher Tand wird zurückgewiesen; Springer und seine Nachahmer pflegen ein puritanisches, spartanisches Gepräge - sie frönen der frugalen Phrase, dem genügsamen Nebensatz, wenn es überhaupt einen Nebensatz geben soll.

Adjektive sind ohnehin Ballast, Verben unter Umständen auch - Franz Josef Wagner, derzeit Mann der Stunde bei BILD, rezitiert ausladend, aber nicht unzutreffend darüber. Für ihn zeichne sich der perfekte Satz dadurch aus, dass die Adjektive wegfielen, eventuell auch Verben - Schmodder nennt er das, die dem puren, rohen Satz im Wege stünden. Totale Verknappung sei das Prinzip. Aber gleichzeitig sollte Poesie erhalten bleiben, müsse man Sprachmelodie und Wohlklang einbauen. Wie aber die Ästhetik zu konservieren ist, wenn Eigenschafts- oder Zeitworte entfallen, verrät Wagner nicht - es bleibt sein Geheimnis, wie aus einem Satz, der hauptsächlich aus Nomen zusammengeschustert ist, ein aussagekräftiger, zudem noch schöner Satz entstehen soll.

Denn erstaunlich ist ja auch, dass Wagner zur Rechtfertigung des perfekten Satzes ausgiebig Adjektive benutzt - keine spannenden, keine seltenen fürwahr; Adjektive des Alltags zwar nur, welche wie dick, fett oder roh, aber doch immerhin Adjektive. Ohne diese, so scheint es, wäre ihm die Erklärung, wie er nach dem perfekten Satz jagt, nicht gelungen. Im Stakkato von Nomen hätte er sich vermutlich arg schwergetan, seine Stillosigkeit, die man in der BILD-Redaktion optimistisch Kunst nennt, zu umschreiben.

Bei BILD und Konsorten fallen Adjektive weg, was heißt: die Eigenschaft des Umschriebenen geht verloren, stellt nicht mehr den Gegenstand der Berichterstattung dar. Verben werden, oft durch Bindestrich-Komposita, verschluckt - der Protagonist springerscher Berichte ist damit jemand, der zur Untätigkeit verurteilt ist, weil es ihm am Tätigkeitswort mangelt. Wobei anzumerken ist, dass der Protagonist, Leute wie Guttenberg beispielsweise, durchaus auch Verben erteilt bekommen - der Protagonist (griech.; prótos, "der erste"; ágo, "ich handle") muß buchstäblich handeln; der Antagonist, Arbeitslose oder Ausländer zum Beispiel, klassische Gegenspieler also, sind beraubt des Tätigkeitswortes - sie können nichts mehr tun, sie sind zum Stillhalten verurteilt, wirken in den Berichten Springers daher undynamisch, lahm, faul. Es handelt sich dabei um Stützen-Schnorrer oder Hartz-Betrüger - das Verb wird zum Nomen, die Tätigkeit geht in die Person über; die dargestellte Person tut nicht: sie ist - sie ist an den Bindestrich geschmiedet.

Eine solche Sprache ist nicht nur für die Printmedien zweckdienlich, sie ist vielmehr tendenziell, sie frisiert Umstände, dirigiert das Denken in vorgesehene Bahnen. Wenn der Antagonist nicht mehr handeln kann, sei es nur anhand unzureichender Syntax, dann ist er dazu verdonnert, handlungsunfähig zuzusehen. Zudem treiben ihn die Komposita, mit denen man ihn überzieht, in die Rolle der Personifikation dessen, was er getan haben könnte - das heißt, er ist bereits, was als Vorwurf nur haltlos im Raum steht. Hier wird die Unschuldsvermutung untergraben, hier wird Vorurteil und Vorverurteilung erzeugt.



10 Kommentare:

Inglorious Basterd 7. Dezember 2010 um 09:37  

Roberto, das lasse ich Dir nicht durchgehen: Nach dem Frühstück die alkohol- und nikotingeprägte Fresse von Wagner und das Brötchen gab Pfötchen (kotz).

Die "Junge Welt" bringt Texte von Wagner manchmal online unter "Zitat des Tages" als Satire. Aber selbst das wertet ihn noch auf. Bin mal auf die anderen Kommentare zu diesem Text gespannt.

carlo 7. Dezember 2010 um 10:28  

Der Wagner von Bild schreibt doch wie ein Automat. Vielleicht ist diese unerklärliche Existenz das auch schon geworden. Der "inglorious bastard" hat recht, sowas lese ich eigentlich nicht, muß mir aber jeden Tag die albernen "Reflexionen" dieses baren Unsinns anhören. Sonst flieg ich raus....

Kowalsky 7. Dezember 2010 um 10:33  

Ein Schreibtischtäter mit Sendungsbewußtsein.. und daß diese Dreckschleuder in seinen hingerotzten Kurzmachwerken sogar Poesie verortet, läßt schon tief blicken.

Ein abstossender Geselle - aber Robertos Zeilen passen schon! :-)

carlo 7. Dezember 2010 um 11:25  

Gut gesagt Kowalsky....
fragen wir mal "ganz dumm"?
Was will der "Herr" Wagner denn?

HH

Er und sein Gossenblatt sind ja lange schon so drauf.

Anonym 7. Dezember 2010 um 13:01  

Der Nominalstil wurde vielfach als Kennzeichen des historischen nationalsozialistischen Sprachgebrauchs beschrieben. Nach dem 2. Weltkrieg galt der Nominalstil in der Pädagogik als verpönt.

Diagnostiziert der Intellektuelle nun privat die politische Transformation zu einem neuen Faschismus, preist er öffentlich die Vorzüge der Symptome ebendieser Transformation. Wer wollte ihm das zum Vorwurf machen?

Der Intellektuelle sieht sich gewöhnlich als unabhängig von der Macht, und tatsächlich: Unabhängig davon, ob etwas Sozialismus oder Faschismus herrschen, glorifiziert er das je persönlich vorgefundene System als die beste aller möglichen Welten. Das ist für ihn die businessplanentscheidende Frage um Anerkennung oder Auschluss.

(Und ja: Der ebenso charakteristische Kollektivsingular ist hier bitterböse Absicht.)

PeWi 7. Dezember 2010 um 15:18  

Das ist nicht nur der BILD-Stil. Die Literaturwelt wird heutzutage auch vornehmlich von Journalisten geprägt. In einem Textseminar wurde genau das verbreitet. Literatur heute, kommt OHNE Adjektive aus. Es gäbe genügend Substantive, die genau das ausdrücken würden, was die Adjektive umständlicherweise halbherzig ausdrücken. Und genau so sehen die Texte dann eben aus, wie BILD. Alle, die es wagen Adjektive zu verwenden werden heutzutage als hoffnungslos altmodisch eingestuft. Ach wie gern bin ich altmodisch.

epikur 7. Dezember 2010 um 17:02  

@pewi

Ich teile Deine Einschätzung. Es soll eben nicht mehr gesagt werden WIE etwas sei, sondern es soll gesagt werden DAS etwas so sei. TINA sei dank!

Infamis 7. Dezember 2010 um 19:32  

Seit geraumer Zeit und diesem Artikel

http://blog.zeit.de/politik-nach-zahlen/2010/11/20/all-the-news-that%E2%80%99s-fit-to-print-die-verstandlichkeit-der-berichterstattung-zur-bundestagswahl-2009-in-print-und-online-medien_2657

gibt es für mich ein neues Schimpfwort: Neun-Wort-Versteher

ekelfranz 7. Dezember 2010 um 21:37  

Vor vielen, vielen Jahren kam einmal ein Buch mit dem Titel: „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ heraus. Drei Sprachkritiker hatten den Wortschatz, den Satzbau und die spezielle Grammatik untersucht, deren sich die Propagandisten der Nationalsozialisten in Deutschland bedienten, um ihre Parolen und Losungen zu verbreiten. Der unbestreitbare Erfolg dieser unmenschlichen Sprache, so fanden diese Sprach-Experten damals, sei umso bedenklicher, da – Zitat: - „der Verderb der Sprache ist der Verderb des Menschen“.
Wagners Wortschatz, seine Art sich zu artikulieren, schlicht alles, was er von sich gibt, ist im Wesentlichen wohl diesem Wörterbuch geschuldet. Als ob dem o. g. Zitat der Klosterschüler und verhinderten Abiturienten Franz Josef Wagner als Ursprung gedient zu haben scheint - was nicht möglich ist, da er zum Zeitpunkt der Formulierung gerade erst 14 Jahre alt war - ist es dennoch in vollem Umfang auf ihn zu beziehen.
Ein anderes Buch, neueren Datums, in dem dieser Herr auch, neben vielen seiner Zunftgenossinnen und –genossen, vorkommt, beinhaltet einen einzigen Satz, der in seiner glasklaren Logik alles über Wagner, aber nicht nur ihn, sagt. In dem Buch „Die Alpha-Journalisten“ gibt es ein Glossar, geschrieben von Hajo Schumacher, das beginnt mit dem Satz: „Journalisten sind wie Insekten!“ Grandios. In der logischen Fortsetzung bedeutet es, nun ist die Fantasie der Betrachter dieses Beitrages gefordert, man kann jedem/jeder x-beliebigen Person mit einer solchen Berufsbezeichnung „Journalist“ ein Wesen aus dem Insektenbereich zuordnen. Beim Wagner-Seppl kommt mir immer und immer wieder die Kakerlaken in den Sinn.
Einer der Autoren des „Wörterbuch des Unmenschen“ stellte am Ende dieses Buches leicht resignativ fest, dass dieses Wörterbuch das Wörterbuch der heutigen Schrift- und Umgangssprache geblieben ist. Wagner beweist mit seinen Schmierereien in der BILD und mit seinen anderen Machwerken die Richtigkeit der bereits 1957 gemachten Aussage.

klaus Baum 7. Dezember 2010 um 22:29  

BILD-Wagner gesteht!

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