Gratuliere... aber schade, dass es euch noch geben muß

Dienstag, 30. November 2010

oder: sieben Jahre und kein Ende in Sicht.

Nun könnte man ja überschwänglich gratulieren und den NachDenkSeiten kameradschaftlich auf die Schulter klopfen, weil sie seit nunmehr sieben Jahren täglich am Werk sind. Fleißig seid ihr, könnte man loben; so herrlich anders, könnte man sie preisen. Ihr erspart mir die tägliche Zeitungslektüre zu neunzig Prozent, wäre sicherlich auch ein oft gehörtes Lob.

All das (und noch viel mehr) könnte man anbringen - zu Recht anbringen. Und Gratulationen gehören zum Ehrentag wie das Schlummern in der Kirche, dürfen nicht unterbleiben. Nur sollte man in stillen Stunden eines solchen Ehrentages auch mal nachdenken dürfen - zumal, wenn es sich um einen Jubilaren handelt, der sich NachDenkSeiten nennt. Sieben Jahre schuften die Köpfe hinter dem Projekt bereits; sieben Jahre ein Fischen in tristen Gewässern, kaum Lichtblicke, dafür viele Gründe für cholerische Kapriolen. Der Jubilar, stellte man ihn sich als Person vor, müsste eigentlich eine hochgradig depressive, gramgebeugte Gestalt sein.

Sicher trat man auch mit der Absicht an, Licht ins Dunkel zu bringen - aufzuklären, würde man etwas veraltet sagen. Und das ist tatsächlich auch gelungen, wenn auch die offiziellen Medien sich wenig davon beeindrucken lassen. Der ganz große Wurf ist den NachDenkSeiten genausowenig gelungen, wie den Bloggern hierzulande, die sich um aufklärerische Arbeit bemühen - kann sein, dass er noch kommt; kann aber auch gut sein, dass er ausbleibt. Jedenfalls ist an einem Tag, da sich ein Projekt wie die NachDenkSeiten jährt, nicht nur Gratulation angebracht. Man müsste die Feierlichkeiten eigentlich bedenkenträgerisch stören, müsste aufstehen und mit der Kuchengabel ans Sektglas klopfen und verkünden: Schade, liebe NachDenkSeiten, dass es euch gibt - schade, dass es euch immer noch gibt... geben muß. Schade, dass euer Auftrag immer noch nicht erfüllt ist.

Gratulation zum Siebenjährigen - aber schade, dass man euch noch braucht... und noch lange brauchen wird; Aufklärer werden nicht aus der Mode kommen, muß man befürchten - schade eigentlich...



16 Kommentare:

Margareth Gorges 30. November 2010 um 15:43  

Zitat Albrecht Müller:
"Mir geht es da wie Martin Luther, der selbst dann einen Apfelbaum pflanzen wollte, wenn morgen die Welt unterginge.
Die NachDenkSeiten sind ein Baustein zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit... Ob der Versuch erfolgreich sein wird, weiß man nicht. Aber auf jeden Fall kann man auf diese Weise vielleicht verhindern, dass es noch schlimmer kommt. "



DAS KÖNNT IHR ! Und Ihr müsst leider weitermachen!
Täglich weit über 60.000 Leser und Unterstützer der NDS arbeiten mit daran den Irrsinn zu stoppen !

Tiefe Dankbarkeit und Gratulation

Peinhart 30. November 2010 um 17:40  

Die NDS haben unbestreitbar ihre Verdienste in Sachen Aufklärung über neoliberale Verirrungen, Meinungsmache, Lobbyeinfluß etc. Dafür sei ihnen ewiger Dank.

Kritisch sehe ich allerdings die ex- oder implizite Ansicht, mit einer anderen (Wirtschafts-) Politik sei dieses System noch irgendwie zu retten, könne es irgendwie noch so weitergehen mit der Profitwirtschaft und dem Waxtum. Ein Keynesianismus des 'deficit spending' ist ebenso zum Scheitern verurteilt wie die Restaurationsversuche des Neoliberalismus gescheitert sind, mehr noch, er ist eigentlich schon den 70ern des letzten Jahrhunderts ebenfalls gescheitert. Ein Zurück in 'bessere Zeiten' ist ebenso unsinnig wie unmöglich, man könnte das, um im Jargon zu bleiben, als 'Hoffnungsmache' bezeichnen.

Und die wiederum verhindert den so dringend benötigten Diskurs, der über ein System hinausdenkt, das nicht mehr zu retten ist. Wobei man Keynes ja durchaus nicht ad acta legen müsste, nur eben das, was man heute analog zum Vulgärmarxismus vielleicht als 'Vulgärkeynesianismus' bezeichnen könnte. Insofern sind die NDS leider auch nur rückwärts gewandt, ganz böse Zungen könnten es vielleicht sogar 'reaktionär' nennen.

Dennoch Gratulation und beste Wünsche für die Zukunft!

Guardian of the Blind 30. November 2010 um 18:18  

Die NachDenkSeiten waren bei mir persönlich das erste Blog, das ich regelmäßig gelesen habe. Und auch bei vielen meinen Bekannten, die sonst wenig außerhalb der Mainstream-Informationsquellen lesen, kennen, wenn sie Blogs kennen, die Nachdenkseiten (und meistens noch BilBlog). Ich glaube, dass sie vielen Menschen die Augen geöffnet haben - auch wenn es immer noch zu wenige sind.
Und ich hoffe, dass Deutschland sich nicht ewig den wirtschaftlich sinnvollen Argumenten verschlie0en und nicht ewig in der neolieralen Ideologie verharren wird. Es ist inzwischen immerhin eine der letzten Länder, in denen der Neoliberalismus dermaßen dominiert (selbst in den USA wird wieder verstärkt keynesianische Politik betrieben.)

Guardian of the Blind 30. November 2010 um 18:21  

@ Peinhardt:
Da muss ich dir ganz klar widersprechen. GErade das zeigen die NDS ja im Prinzip jeden Tag, dass der Keynesianismus eben nicht gescheitert ist.
'Vulgärkeynesianismus':
So etwas ähnliches gibt es auch, den sogenannten Bastard-Keynesianismus (auch bekannt als Neokeynesianismus)

landbewohner 30. November 2010 um 18:24  

auch ich glaube, daß es diesem land etwas helfen würde, wenn die nds 6 millionen leser hätten. und um über die wahren absichten und taten sowie lügen unserer "eliten" aufzuklären sind sie schon die richtige lektüre,
wie peinhard muss ich allerdings auch feststellen, daß die nds etwas sozialdemokratisch daherkommen, den kapitalismus glauben reparieren zu können, der allerdings meiner meinung nach per se bösartig und menschenfeindlich ist. etwas kämpferischer und "utopischer" dürften die seiten schon sein.

Margareth Gorges 30. November 2010 um 19:06  

@ peinhart

wie Sie zu der Ansicht kommen die NDS würden die implizite Ansicht, mit einer anderen (Wirtschafts-) Politik sei dieses System noch irgendwie zu retten, oder den "Keynesianismus" als Heiligmittel anpreisen erschließt sich mir absolut nicht !

Das Deutschland bzw. die ganze Welt von der Finanzindustrie regiert wird, darum geht es - und ich empfehle Ihnen das gerade stattgefundene Pleisweiler Gespräch auf Einladung der NachDenkSeiten mit Heiner Flassbeck dazu anzuhören:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=7500

Anonym 30. November 2010 um 22:34  

Peinhart hat gesagt...

Deinen Kommentar zu den NDS kann ich weitgehend folgen.
Sie leisten eine gute aufklärerische Arbeit unter den gegenwärtigen Umständen.
Dass es darüber hinaus - außer ihn "verbessern" zu wollen - keinerlei Perspektiven über diesen barbarischen Kapitalismus hinaus gibt, teilen die NDS leider mit allen anderen mir bekannten Blogs, einschließlich fast aller dort auftretenden Kommentatoren.
Praktisch bewegt sich die ganze Bloggerszene doch im geistig-politischen Rahmen der heutigen kapitalistischen Gesellschaft, diese zwar von früh bis spät verdammend, verurteilend, "entlarvend"..., dabei oftmals ohnmächtig-hilflos an die "Einsicht" der Mächtigen appellierend, deren "guten Willen"(!), doch letztlich die gegenwärtigen Machtverhältnisse resignativ hinnehmend als schier unüberwindlich, quasi "gottgegeben".
Wie dem auch sei, ich wünsche den NDS weiterhin viel Erfolg, möglichst viele Leser, mehr ist gegenwärtig nicht zu erwarten.

MfG Bakunin

Anonym 1. Dezember 2010 um 00:21  

Die Sache ist einfach, dass ein einziges Sarrazin-Buch alle paar Jahre seine Inhalte stärker im öffentlichen Bewußtsein verankern kann als alle Blogs in der Zwischenzeit zusammengenommen.

Auch lesen ja nicht wenige z.B. die NachDenkSeiten nicht nur zustimmend. Ich selbst habe lange aufgegeben, auf Umstimmigkeiten und nach meiner Sicht fehlgeleitete Ideologien dieser Seiten hinzuweisen.
Letztlich sind diese Seiten wie jeder journalistische Beitrag auch und allgemein wie jeder geäußerte Gedanken jedes Menschen mit Vorsicht zu genießen und zu hinterfragen.

Das Fazit der Kommentare zum Jubiläum finde ich an sich utopisch. Als ob es einmal keine widerstrebenden Interessen mehr unter den Menschen geben könnte, als ob es durchgehend widerspruchsfreie Politik geben könnte. Eine Forderung danach wäre auch schlicht unmenschlich bzw. widernatürlich.
Ambivalenz gehört zum Menschen und muss eben im Blick behalten werden.

Margareth Gorges 1. Dezember 2010 um 07:35  

Slogan der NDS :
"Für alle, die sich noch eigene Gedanken machen"

oder anders ausgedrückt:
==>Think for yourself and question authority!

Peinhart 1. Dezember 2010 um 12:46  

"Gerade das zeigen die NDS ja im Prinzip jeden Tag, dass der Keynesianismus eben nicht gescheitert ist."

Natürlich ist er das. Soviel deficit kann der Staat gar nicht spenden, dass der Laden wieder läuft, geschweige denn in sowas wie einen 'selbsttragenden Aufschwung' übergeht. Und wenn du meinem Link mal folgst - Keynes selbst hat für die Situation, in der wir uns befinden, ganz andere Vorschläge gemacht. Hier nochmal ausführlicher. Das ist aber gerade nicht Bestandteil dessen, was gemeinhin als Keynesianismus läuft. Auch bei Flassbeck nicht, der dann lieber schon mal Robinson Crusoe oder gar das Say'sche Theorem bemüht, um 'Vollbeschäftigung' für möglich zu halten.

Willi Brand 1. Dezember 2010 um 12:54  

Sieben Jahre NachDenkSeiten heißt in erster Linie sieben Jahre Aufklärung ohne wenn und aber. Dabei kommt es bei den "Machern" nicht auf die Verbreitung von Sensationen, sondern alleine um die Verbesserung des "Allgemeinwohls" an. Mit anderen Worten: " der eine hilft dem anderen, so gut er eben in der Lage ist."
Keine Eitelkeiten, keine Selbstbeweihräucherung und schon gar keine Selbstbedienung in finanzieller Hinsicht, nur die Sache zählt.
"Macher" die WIRKLICH noch für Andere schaffen ohne jegliche Profitgedanken.

Ein kleiner Dank, aber ganz besonders eine um so größere Anerkennung an die Margareths, Wolfgangs und Albrechts etc., die hinter den Kulissen der NDS die letzten Jahre zum Wohle der Allgemeinheit geschuftet haben und auch bestimmt wieder werden.

JEDER von UNS hat die Möglichkeit in Form von "Beteiligung", egal wlcher Art, zurück zu zahlen, in die große "Solidaritäts-Kasse", die die letzten Jahre schon so oft geschröpft wurde.
JEDER so wie er kann.

Anonym 1. Dezember 2010 um 14:34  

Blogs lesen heißt ja nicht, dass man auf Dauer die Ansichten des Schreibers übernimmt.
Ich sehe mich politisch rechts und lese seit langem die Nachdenkseiten und auch hier.
Insgesamt hat es mich in meinen Ansichten bestärkt, da ich in der Problembenennung meist übereinstimme, es aber hier und in den NDS oft an Lösungsansätzen mangelt oder ich gute Argumente weiss, diese als (für mich) fehlgeleitet einzuordnen.

Da gilt, was Karlheinz Weissmann einmal schön auf den Punkt brachte:
"Die Linke interessiert sich für die Anomalie, die Rechte für die Normalität. Die Linke faszinieren multiple Persönlichkeiten, die Rechte das Vorbild."

Also Blogs wie dieses oder die NDS leisten Beiträge, die teils aber nicht im Sinne der Verfasser sind, sondern gerade andersartige Ansichten bestärken.
Aber im Ziel sind wir ja alle vereint: Möglichst großes Heil für alle Menschen.

Andreas Zech | Wer-fragt-Wen.com 1. Dezember 2010 um 17:32  

Die NachDenksSeiten (NDS) sind super, aber ...

Aber wer kennt denn die Lehren des Friedrich von Hayek, den unsere Kanzlerin Merkel so lobte ?

Aufklärung in Sachen Bildung ist das, was wir alle brauchen. Dann gibt es auch nich die Elitenbildung. Logisch !

Ähnlich die Freiheit des Wählens, die meines Erachtens ad ab surdum geführt wird ...

Viele Themen zum NachDenken. Nur: Wer will schon Nachdenken ?

Kassandra 1. Dezember 2010 um 18:03  

Die Nachdenkseiten üben stell-vertretend die PrimärAufgabe der Medien/ des Journalismus aus, die die meisten Medien nur (noch) simulieren.

Frank F. 2. Dezember 2010 um 14:33  

WER schlägt eigentlich die Kandidaten für den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) vor? Für mich wären die Initiatoren der Nachdenkseiten seit langem aller erste Wahl!!

Auch würde so eine bedeutende Auszeichnung der Sache einen enormen Schub verleihen...

Anonym 2. Dezember 2010 um 15:41  

Passend dazu die Überführung eines zentralen Mitarbeiters des Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung als Stasi-Spitzel... Das Institut, auf deren Studien sich die Linke gern beruft mit der vermeintlichen Absolution der Wissenschaftlichkeit.

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