Nomen non est omen

Mittwoch, 26. Mai 2010

Heute: "Sozialstatus"

Klassifikationssystem, das Menschen in wertvolle und weniger wertvolle Personen einteilt, ähnlich dem Kastensystem in Indien. Genauer: subtiles Herrschaftsinstrument zur Unterstützung und Stabilisierung der vorhandenen gesellschaftlichen Ungleichheiten. Der Sozialstatus bestimmt den Umgang der Menschen unter- und miteinander. Wer einen angesehenen Beruf nachgeht, viel Geld und gesellschaftlichen oder sozialen Einfluss hat, große Besitztümer sein Eigen nennt, darf sich als Herrenmensch fühlen und gebaren. Alle anderen haben ihm - direkt oder indirekt - zu dienen oder zumindest ehrfürchtig zu ihm aufzublicken.

Sozial im Sinne von "an andere denken" bzw. "das Gemeinwohl im Auge zu behalten" ist hier nicht gemeint. Eigentlich müsste man meinen, dass Menschen mit hohen sozialen Kompetenzen, also Menschen mit Empathie, Einfühlungsvermögen, Ehrlichkeit usw. einen hohen Sozialstatus hätten. Der Gebrauch des Begriffes beschränkt sich jedoch nur darauf, aufzuzeigen, wie hoch der finanzielle oder soziale Einfluss eines Menschen ist und eben nicht, wie hoch seine tatsächlichen sozialen Fähigkeiten sind. Ähnlich wie bei dem Schlagwort vom "sozial schwachen" Menschen, wird eine Kausalität zwischen sozialer Kompetenz und privatem Vermögen hergestellt. Dabei ist die Kausalität meist wohl eher andersherum: derjenige, der über viel Vermögen verfügt, hat ihn meist über unsoziale, egoistische und wenig altruistische Handlungsweisen erworben.

Marktwirtschaftliche Propaganda benutzen den Begriff "sozial" nicht selten als Deckmantel und Maske, um die Fratze des eiskalten und berechnenden Profitdenkens dahinter zu verbergen. Sei es die angeblich "soziale Marktwirtschaft", "sozial ist, was Arbeit schafft" oder ein vermeintlich "sozial verträglicher" Stellenabbau – ein Ausnutzen der positiven Assoziation des Wortes findet hier statt, um unsoziale Handlungen zu verschleiern und zu beschönigen.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

11 Kommentare:

ninjaturkey 26. Mai 2010 um 15:01  

Der soziale "Abbau" ist ja schon ein Euphemismus. Suggeriert der "Abbau" doch für gewöhnlich die Gewinnung eines Gutes, das zuvor nicht zugänglich war. Ebenso wie "freisetzen". Was da durch Abbau zwangsweise freigesetzt wird, entspricht für gewöhnlich aber der Vernichtung einer Existenzgrundlage zugunsten von Anteilseignern, für die der Abbau insofern durchaus gewinnbringend sein kann. Der solchermaßen freigesetzte sieht sich dagegen frei aller Möglichkeiten, die ihm zuvor noch als Erwerbstätigem zur Verfügung standen.
Sozial ist daran, wier richtig erwähnt, gar nichts, und verträglich sind allemal die so benannten Strukturen für die Verursacher, die erfolgreiche Klagen vor "Sozial"- und Arbeitsgerichten verhindern helfen.

Anonym 26. Mai 2010 um 15:01  

"[...]Dabei ist die Kausalität meist wohl eher andersherum: derjenige, der über viel Vermögen verfügt, hat ihn meist über unsoziale, egoistische und wenig altruistische Handlungsweisen erworben[...]"

Gab es nicht einmal in "Der Pate" ein Vorwort in die Richtung? Mal frei aus meiner - sicher auch lückenhaften - Erinnerung zitiert. Ging es nicht folgendermaßen: "Kein großes Vermögen wurde mit rechten Mitteln erwirtschaftet".

Oder so ähnlich....

Gruß
Bernie

persiana-451 26. Mai 2010 um 19:22  

Es gibt eben immer Bestrebungen, die eigene Stellung, die mittels Rücksichtslosigkeit und Ausbeutung anderer Menschen erreicht wurde, irgendwie zu rechtfertgen: Unter immer wieder anderen Masken ist es immer wieder dasselbe: Die katholische Kirche sprach von Herrscher durch "Gottes Gnaden". Danach gab es eine Spaltung der Kirche - die Protestanten waren keineswegs besser, insbesondere die Calvinisten nicht. Ich habe es neulich mal nachgelesen, es ist ja schier unglaublich - sie glauben tatsächlich, dass es ein Zeichen der Güte Gottes sei, wenn sie zu soviel Reichtum wie möglich kommen, und wer sehr reich ist, ist eben ein Auserwählter. Arme Menschen haben ihrer Ansicht nachpraktisch nicht einmal eine eigene Seele, die nach dem Tod überleben und ins Paradies eingehen könnte. Später gab es dann die Eugeniker, die glaubten, nur die Gene bestimmter Familien, befähigten zu Intelligenz und Erfolg. Übrigens war Julian Huxley, der Bruder von Aldous Huxley, ein begeisterter Eugeniker, der später der erste Präsident der Unesco werden sollte. Auch der vielgerühmte Maynard Keynes hing diesem Irrglauben an und war ejahrelang Direktor in der Eugenic Society...Dann gab es noch den Marxismus, bei dem bin ich mir auch nicht so sicher, ob der es wirklich gut mit dem Individuum meint, hier gibt es die "Diktatur de Proletariats" an deren Spitze dann aber auch wieder irgendeine Elite stehen soll, die angeblich die Besten Entscheidungen zum angeblichen Gemeinwohl fällt...

Anonym 26. Mai 2010 um 19:42  

Die Sozialprognose neoliberal-kapitalistischer Gesellschaften ist erbärmlich. Jeden Tag können wir das erleben. Seien es verhungerte Hartz IV-Empfänger oder Preisabsprachen von Unternehmen, seien es Aufstände in Griechenland oder die Habgier der Wall Street.
Nicht Gemeinsinn wird von den Eliten vorgelebt, sondern Eigensucht in widerwärtigster Art und Weise ausgelebt.
Korruption und Asozialität herrscht.
Eine Zukunft hat eine solche Gesellschaft nicht.

Wer Krieg gegen Menschen führt, um sich dadurch persönliche Vorteile zu verschaffen, der wird umkommen.

res_inutilis 26. Mai 2010 um 22:44  

Treffender als Bertolt Brecht das gesagt hat, kann es meines Erachtens nicht gesagt werden:

"Reicher Mann und armer Mann
standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
'Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich'."

Noch einen schönen Abend

misfit

Tim 27. Mai 2010 um 00:06  

Als Sozialwissenschaftler muss ich ja mal kleinkariert anmerken, dass "sozial" an sich erstmal nur ganz neutral 'den Mitmenschen betreffend' bedeutet. Die zweite Bedeutung dieses Wortes wird wohl mit "Empathie" oder "Altruismus" besser getroffen.
Insofern heißt "sozialer Status" eben auch nur "gesellschaftliche Stellung", und daher passt das schon so, wie es allgemein gedeutet wird.

Ansonsten stimme ich dem Text aber zu.

Anonym 27. Mai 2010 um 07:14  

Schuldzuweisung - Jammern - Rechtfertigung
sind die 3 Säulen des Opferdaseins!

So lange so viele Menschen genau die Parteien wählen, welche den "Sozialabbau" oder die Beschneidung der Menschenrechte verwirklichen, so lange gibt es keine Änderungen. Diese Menschen sind nur Opfer der Umstände oder "Sachzwänge", die Andere für sie erdacht haben.

Wo waren und sind Proteste zu all den Verbrechen der letzten Jahre. Die überwältigende Mehrheit ist z.B. gegen den Krieg in Afghanistan. Trotzdem wurden die kriegstreibenden Parteien wiedergewählt. Und, und, und...

Die Arbeiter könnten streiken! Ein Generalstreik würde das Land in kürzester Zeit lahmlegen. Es ist wahr, dass die Gewerkschaften nur noch Instrumente der (dunklen) Macht sind, aber die Arbeiter könnten sich anders organisieren...

Die Feigheit des Einzelnen ermöglicht doch die Zustände, wie sie jetzt sind.

Peinhard 27. Mai 2010 um 09:13  

@Bernie

"Hinter jedem großen Vermögen steht ein Verbrechen." - das wird aber bereits Balzac zugeschrieben, Puzo zitiert es nur...

Anonym 28. Mai 2010 um 23:27  

@Peinhard

Danke für den Hinweis ;-)

Ich kenne es ja nur aus meiner "lückenhaften Erinnerung". Liegt schon einige Jahre zurück, dass ich "Der Pate" gelesen habe. Das Buch habe ich nicht mehr.

Wo finde ich die Stelle bei Balzac?

Ich kenne Balzac ja auch, jedoch nur teilweise, und würde das Originalzitat gerne nachlesen...

In welchem seiner Bücher steht es?

Gruß
Bernie

Anonym 28. Mai 2010 um 23:37  

@persiana-451

Das wirklich Abartige an der Religion, und deren kirchlicher Vertreter ist nicht allein die Heiligung des Mammon und die Anhäufung der Reichtümer....

...es ist viel schlimmer als wir beide denken...

Was meinst du wo das ganze Vermögen der Kirchen, nicht allein der von dir erwähnten Richtungen herkommt? Man sprach Armen nicht allein das Seelenheil ab....

...nein man verdummte die noch mit Ablässen - Luther hat es ja bereits angeprangert....

Darauf will ich aber nicht hinaus....

Die Ursprungsfrage ist:

Woher stammt das Vermögen der christlichen Religionen? Freiwillige Spenden? Stiftungen?

Soll ich es verraten?

Stelle dir mal einen Ketzer im Mittelalter vor, oder eine "Hexe" oder einen sonstigen "Unhold"....

...der wurde meist verbrannt, oder sonstwie grausam zu Tode gebracht...

...und jetzt kommt das wirklich Abartige....

Die Ermordeten mußten mit ihrem Vermögen ihre eigene Folter, und Hinrichtung bezahlen....

Fazit:

Die Nazis waren nicht ersten die solche perversen Forderungen an ihre Mordopfer gestellt haben....

Es fing schon mit den Kirchen an, die die "Hexen", "Häretiker" und "Unholde" verbrannten, oder sonstwie grausamst zu Tode brachten (meist Foltertod, gegen den heutige Folter ein Gnadenerweis darstellt - so zynisch sich dies anhört seit Abu Ghraib und Guantanamo), und nicht erst mit den Faschisten weltweit....

Zum Abschluß:

Die Opfer der kirchlichen Justizmorde mußten nicht allein für ihre eigene Folter und Ermordung zahlen, nein auch deren gesamter weltlicher Besitz fiel der Kirche zu....

...die Kirche, egal welcher Konfession, hat also Blutbesitz - bis heute - in ihrem Eigentum...

...die oft anonymen Opfer der Justizmorde der Inquisition sind längst vergessen....

Soviel ich weiß verjährt aber "Mord" nicht, und eigentlich müßte die Kirche (egal welcher Konfession) das Geld irgendwie "zurückgeben"....

...ich weiß, es wird - zumal in einer Zeit wo ein Ex-Großinquisitor in Rom Papst spielen darf - nie geschehen....

Die Kirche übrigens verhöhnte auch hier die Opfer, nicht erst bei der Mißbrauchsdebatte im 21. Jahrhundert....

Trauriger Gruß
Bernie

Anonym 29. Mai 2010 um 08:35  

"[...]Die Ermordeten mußten mit ihrem Vermögen ihre eigene Folter, und Hinrichtung bezahlen....
[...]"

Sorry, ich vergass gestern:

Nicht allein die Opfer der Kirchen mußten für ihre grausamste Folter, und anschließende Ermordung mit viel Geld bezahlen.

Ein krasser Fall (sicher kein Einzelfall) noch:

Sogar die Anverwandten, in einem Fall sogar der eigene Ehemann, mußten Holz für die Verbrennungen bereitstellen - unfreiwillig.

Man stelle sich vor, deine geliebte Ehefrau (Ehemann) wird grausamst gefoltert, du kannst nichts dagegen unternehmen - die Gesellschaft ist nicht auf deiner Seite - und du mußt sogar noch das Brennholz für den Scheiterhaufen liefern.

Lese gerade ein Buch zum Thema, das auf Originalquellen basiert....

Gruß
Bernie

PS: Die Gefolterten "Hexen" (nicht immer ältere Frauen - sehr oft auch jüngere Frauen in Kerkerhaft unter Anklage der Hexerei) wurden oft im Kerker von den Henkern, Kerkerwärtern, und Angehörigen des geistlichen Standes - vergewaltigt bzw. mißbraucht....und anschließend verbrannt....auch kein Einzelfall in der Zeit der kath. Inquisition - die Protestanten waren da sicher nicht anders....das Beispiel im Buch hier bezieht sich aber auf Katholiken...

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