Moral Moral - doppelte Moral!

Dienstag, 2. Februar 2010

Sollte jene angsteinflössende, mit spannungsreichen Informationen vollgepfropfte Kompaktscheibe über kriminelle Informanten beschafft worden sein, äußern sich nun besorgte Stimmen vermehrt, so muss der Staat konsequent Nein sagen. Ein Rechtsstaat könne sich nicht erlauben, unmoralische Mittel zu verwenden, um unmoralische und ungesetzliche Vorgehensweisen zu bestrafen. Der moralische Staat und seine noch moralischeren politischen Vertreter, allesamt porentief rein, anständig, stets im ethischen Ringkampf mit sich selbst, stündlich im kategorischen Imperativ badend, lehnen jede Tugendlosigkeit brüsk ab. So nicht!, empören sich jene Moralisten. So nicht!, man hat doch sittlich zu bleiben. So nicht!, man muß doch Grenzen einhalten!

Geschäfte mit einem Filou, um dessen Berufskollegen im Großformat, allerlei mehr oder weniger berühmte Halunken und Hehler, auffliegen zu lassen, kann es mit moralischen Koryphäen nicht geben. Da sind sie ganz imperativ, Moral muß Moral bleiben, Pragmatismus ist hier unangebracht. Ethisch geht die Welt zugrunde! Wo käme man nur hin, wenn man nun nachgibt, wenn man nun unmoralisch würde, einzig um am Ende die eigene Klientel, Skatbrüder und Tennisfreunde, Parteikollegen und Saufkumpels, Geschäftspartner und Vereinskameraden zu entblößen? Neinnein, man muß sich moralische Grundsätze bewahren! Für den Rechtsstaat - und für die eigene Klientel, für die Brüder und die Schwestern desselben sozialen Ordens.

Der moralische Staat! In den Reden derer, die sich nun ereifern, erlebt er seine Renaissance. Es handelt sich dabei übrigens um jenen Staat, der schon im Kleinen, im Kleinlichen dazu ermuntert, ganz moralisch zu denunzieren und hinzuhängen - Schwarzseher und potenzielle Sozialparasiten dürfen zur Meldung gebracht werden, und den oft haltlosen Anschuldigungen wird selbstverständlich aus moralischem Eifer heraus nachgegangen. Es handelt sich um jenen Staat, der schier zerplatzend von Moralin, Angriffskriege unterstützt und seelenruhig zusieht, wenn gegen gesellschaftliche Randgruppen aufgewiegelt wird; um jenen Staat, in dem Koffer voll Schwarzgeld keine Karrieren beendet sondern beflügelt haben; um jenen Staat, in dem den Ärmsten sogar das Kindergeld angerechnet wird, während mancher Abgeordneter dreißig und mehr Nebeneinkünfte auf sich vereint und diese noch nicht mal auf Euro und Cent benennen muß; um jenen Staat, in dem ein Minister verkündete, illegale Foltergeständnisse müssen im Kampf gegen den Terror verwendet werden dürfen, ohne dass gellend dagegen interveniert wurde; um jenen, immer wieder um jenen Staat, in denen Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung beschnitten und aufgehoben werden; um diesen erbärmlichen Staat, in dem Mindestlöhne unmoralisch sind, weil nur der freie Markt moralische Hungerlöhne gewährleistet.

Es ist jener verfluchte moralische Staat, in dem solche, die sich ein ethisches Bewußtsein bewahrt haben, als Sozialromantiker von Vorgestern geschimpft werden, weil es der wirklichen, wahren Moral entspricht, nicht sozial zu denken. Jener verflixte Staat, in dem Hilflose als Asoziale tituliert werden, um das tatsächliche Asoziale der Machthaber zu retuschieren. Jener verwunschene Staat, in dem der Steuerbetrug eine Sache für den Datenschutz sein soll, gleichwohl man Arbeitslosen noch in die Unterhose greift, um etwaige verborgene Geldscheine zu ertasten. Moral Moral, allseits Moral! Moral Moral - doppelte Moral!

Ein Staat unendlicher Moral, ein Staat voll bester Absichten, der sittlich beschwingt sein will, dessen Moral eine Lebenseinstellung ist - sofern man zur richtigen Klientel gehört! Ein Staat, der Moral für jene reserviert hat, die sie sich kaufen können...

25 Kommentare:

M.A. Verick 2. Februar 2010 um 02:37  

Wie kam diese Information der Steuerdaten-CD an die Öffentlichkeit? War's der Informant selbst, der damit eine offene Debatte über ein für und wieder anstiess, immer im Hinterkopf behaltend, den Verkauf der CD somit nicht zu gefährden? War's ein Informant aus dem Ministerium für Finanzen? War's insgesamt investigativer Journalismus der F.A.Z.?

Ich finde das Ganze ziemlich seltsam, wenn ich diese "unbestätigten Informationen" so lese. Worum geht es denn wirklich?

Anonym 2. Februar 2010 um 05:54  

Danke Roberto, Du sprichst mir wieder einmal aus der Seele!

Diese verlogene Doppelmoral zieht sich durch alle Bereiche und Schichten unserer Gesellschaft - so vieles wird verdreht und auf den Kopf gestellt.

Anonym 2. Februar 2010 um 07:07  

Sehr interessant ist das Wort "Rechtsstaat". Besonders dann, wenn man sich von der allgemeinen Erklärung (Neusprech?) löst und einen freudschen Versprecher vermutet: "Rechts-Staat". Vielleicht offenbart sich hier mehr Wahrheit als uns lieb ist.

Warum gibt es keinen Liebes-Staat (Ein Staat in dem die Liebe regiert)? Schade.

endless.good.news 2. Februar 2010 um 07:53  

"Der Ankauf gestohlener Ware um des eigenen Vorteils willen ist Hehlerei, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, der Versuch ist strafbar."
Alles klar ich bin dabei. Wir alle sind der Staat. Wenn wir die fünf Jahre durch 60 Millionen teilen kommt jeder auf 1.971 Sekunden Gefängnis. Ich würde meinen Teil entrichten. Ein blöderes Argument vom Spiegel habe ich selten gelesen. Wenn der Staat wollte könnte er ein Gesetz machen was sogar erlaubt diese Daten zu kaufen.

Anonym 2. Februar 2010 um 09:55  

@Tagebuch eines Überlebenden:

Da ist was dran.
Wie weit rechts unser Staat tatsächlich steht (im ökonomischen und gesellschaftlichen Sinne), sieht man auch sehr schön anhand der Verteilung der Parteien in dieser Grafik:
http://www.politicalcompass.org/germany2005

gitano 2. Februar 2010 um 10:02  

Vielleicht nicht ganz unwichtig beim Vergleich von Staats- und Untertanenmoral: der eine setzt die Standards und sanktioniert seine Abweichung vom Pfade der Tugend flugs durch eine gesetzliche Neuregelung, so daß er immer rechtschaffen dasteht.
Wohingegen die Bild-Zeitungsgemeinde dafür sorgt, dass ein noch so geringfügiger Gesetzesverstoß des Rechtsuntertanen zur moralischen Ächtung führt.
Sieht ganz so aus, als ob die "Staatsmoral" einen unverbindlichen Idealismus bei der Ausübung legitimer Gewalt darstellt, der nach Opportunitätsgesichtspunkten gehandhabt wird.
Dann kürzt sich aber die Größe "Sittlichkeit" aus der doppelten Buchführung des Staats raus.
Das hat einen immensen Vorteil: man kann auf sie im Bedarfsfalle als Waffe zum Zuschlagen zurückgreifen.
Wetten, daß der Ankauf dieser Daten ein sehr populärer Gesetzesverstoß wird, der von den moralischen Segenswünschen der Untertanen begrüßt werden wird?

Anonym 2. Februar 2010 um 10:31  

Moin Roberto!

Welche Überraschung!Don Rolando,verkleidet als Volker Bouffier,hat auch ganz eilfertig verkündet,
Datenkauf komme nicht infrage,darf der Rechtsstaat nicht,schadet ihm gar!!

Grüße
Hagnum

Anonym 2. Februar 2010 um 10:59  

Alles treffend beschrieben. Diese Doppelmoral ist mit Händen zu greifen, wer sie nicht sieht will sie einfach nicht sehen.
Nur, gehört Doppelmoral nicht zum geistigen "Grundstock" einer jeder Klassen- bzw. Ausbeutergesellschaft?
Oder kann mir hier jemand auch nur eine einzige Ausbeuterklasse und ihre Lakaien in Vergangenheit oder Gegenwart nennen, die sich zwecks Verteidigung der eigenen Herrschaft, der Verteidigung der eigenen gesellschaftlichen Privilegien nicht einer Doppelmoral bediente?
Es nützt letztlich gar nichts, den Ausbeutern und Herrschenden samt deren gekauften Lakaien von früh bis spät Doppelmoral vorzuwerfen, es kommt vielmehr darauf an, diesen Kreisen für alle Zeiten das Handwerk zu legen, sie zu ENTMACHTEN!
Wollen WIR das wirklich?

"Die Philosphen haben die Welt nur verschieden interpretiert, aber es kömmt darauf an sie zu verändern".., (Karl Marx, DEUTSCHE IDEOLOGIE, Feuerbach-Thesen)

Wollen WIR das wirklich?

mfg Bakunin

Lesefuchs 2. Februar 2010 um 11:36  

Ich denke, dass Frau Merkel und Herr Schäuble vorab schonmal ein paar Namen von der CD-Liste bekommen haben (vielleicht sogar ihre eigenen). Warum sonst sind sie sich so schnell einig? Als die hessischen Steuerprüfer abgeschossen wurden, hörte man auch kaum was aus Berlin.
Der Kauf wird lediglich zur Schadensbegrenzung dienen !!!
Wenn die Liste im Netz steht, gibt es kein zurück mehr !!!

Maerchenwelt 2. Februar 2010 um 14:05  

Zitat:"um jenen, immer wieder um jenen Staat, in denen Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung beschnitten und aufgehoben werden;"

Das ist in JEDEM Staat der Welt möglich, in Deutschland sind die Regelungen dazu verglichen mit den meisten anderen Staaten sogar sehr strikt.
Weshalb Ihre "moralische" Empörung, Herr De Lapuente ?
Haben Sie etwas dagegen, dass gewalttätige rechtsextreme Demonstrationen (die trifft es am allermeisten) verboten werden?
Haben Sie etwas dagegen, dass Straftäter auch gegen ihren Willen in der Wohnung verhaftet werden dürfen?
Haben Sie etwas gegen Wohnungsdurchsuchungen bei Steuersündern wie Herrn Zumwinkel ?
Alles wird immer , außer bei Gefahr im Verzug, von Gerichten genehmigt . Eine Klage dagegen steht JEDEM offen, auch mit Prozesskostenhilfe.
Die pauschale "Moral, Moral"-Keule, die Sie anderen vorwerfen, fällt die Ihnen nicht ein bißchen auf die eigenen Füße?
Gar nichts Gutes an Ihrem Staat ?

Anonym 2. Februar 2010 um 14:37  

Schlechte Wirtschaftspolitik und höhere Lohnspreizung machen Steuerhinterziehung erst möglich!

Meine Frage.

Angenommen die Bundesbank druckt 20 Milliarden Euro.

Und leiht diese der deutschen Bundesregierung.
Diese stellt nun mehr Beschäftigte ein.
Diese geben den größten Teil ihres Einkommens aus.
Ob sie sparen und wieviel hängt von der Lohnspreizung ab.
So wandert das Geld von einer Hand in die andere.
Und jedesmal werden auch Steuerzahlungen geleistet.

JETZT DIE FRAGE:

Wieviel Menschen haben zusätzlich Arbeit?

Wie hoch sind die Gesamtsteuereinnahmen?

Wie haben sich die Gesamtlöhne in der Wirtschaft erhöht?

Über wieviel zusätzliche Einnahmen konnten die Sozialversicherungen verfügen?

Es ist offentsichtlich , dass je mehr Geld von einer Hand in die andere wandert, je weniger gespart wird, desto höher ist der Wohlstandseffekt.

EInkommensungleichheiten und je höher diese sind, desto niedriger wird das Wachstum und der Wohlstand unserer Nation sein.

Deshalb ist die Wirtschaftspolitik der FDP schlecht!

Deshalb ist es schlecht wenn der Chef 5000 mal mehr als der Pförtner verdient.


1972 waren Wachleute Frührentner.

Heute müssen 20jährige diesen Job machen, weil es sonst keine Arbeit für sie gibt.

Woran mag das wohl liegen?

Wer Globalisierung sagt, muss mir erklären, warum es 2008 270 Milliarden Euro mehr zu verteilen gibt als 1999.

Ajax 2. Februar 2010 um 15:30  

Nur ein Hinweis. Ich meine der Dieb ist bekannt, aber nicht verhaftet.

Das ist dann klar, wenn man dem Hinweis eines Bekannten folgt, der sich über die Berichterstattung zum Thema aufregte, weil sie die Angelegenheit als Sache für den Staatsanwalt darstellt. Aber er stellte klar, das der Dieb wohl von der Bank aber sonst nicht belangt werden kann. Aber die Presse macht daraus eine Sache für den Staatsanwalt.

maguscarolus 2. Februar 2010 um 17:07  

@Lesefuchs 2. Februar 2010 11:36

Das ist wohl der Grund, aus dem 2,5Mio so rasch locker werden, denn ein investigativer Journalist wird dieses Angebot schwerlich toppen können.

Schade! Die Liste im Netz - das wär's!

dickunddoof 2. Februar 2010 um 18:03  

Maerchenwelt....wie komme ich in ebendiese? Die in der ich lebe, ist ganz sicher nicht die Ihre, würde es Ihnen etwas ausmachen, mir die Reisemöglichkeiten dahin zu nennen? Bitte nicht Alkohol und Tabletten, kenne ich schon!
Helau

Anonym 2. Februar 2010 um 18:26  

Hätten wir einen echten moralischen Staat, dann wäre er gefeit vor Vorwürfen, die ihm nachsagen, er würde Klientelpolitik betreiben. Die Moral bestünde darin, erst einmal wirkungsvolle Politik zu machen, in der jede Investition in ihrer Wirkung verfolgt und deren Erfolg oder Misserfolg entsprechend gewürdigt wird (durch weitere Förderungen und Entscheidungen im entspr. Sinne) oder korrigiert (durch personelle Umbesetzung und Anpassung der angewendeten Methoden). Wichtig dabei ist, dass keiner an seinem Stuhl klebenbleiben kann, sondern ganz schnell weg ist, wenn er Mist baut. Die Leute mit einem Händchen für gute (verifizierbare) Wege und messbaren Erfolgen bleiben da, wo sie hingehören. Die "Söhne Papas" und "Vettern des Chefs" verschwinden, wenn Sie es nicht schaffen, ihre Verantwortung in Effizienz und Demut vor dem Volke zu tragen.

Wenn diese Moral der "besten Mittel in überprüfbarer Einbettung" etabliert wäre, dann gäbe es keine Platz für unmoralische Sesselfurzer.

Allerdings wäre der Kampf um den Erfolg und die Ziele um einiges härter, da die hinter den ausführenden Kräften präsenten Ideologien nicht mehr im Elfenbeinturm diskutiert würden, sondern sie stünden mit den Projekten, Vorhaben und Staatszielen ebenfalls an vorderer Front und müssten sich gefallen lassen, in ihrer Tragbarkeit an der Wirklichkeit gemessen zu werden. Erst dann würden sie stehen oder fallen, wie es ihnen gebührte.

Ob uns das bekäme, mag ich nicht beurteilen. Nicht, dass ich keine Meinung dazu hätte, aber diese "forcierte Stille" soll als Anregung dazu dienen, selber den Kopf darüber zu martern, was dann los wäre. Bruderkrieg wäre ein "zu netter Ausdruck".

Die Offerte der CD ist eine brutale Bilanzziehung der aktuellen politischen und ethischen Gesinnung. Hier kann man erkennen was gerade an menschlichen und gemeinschaftlichen Werten zu Grabe getragen wird -- oder auch nicht. Hier erst können die echten Schreibtischtäter erkennen, was ihnen blüht, wenn der Staat auch plötzlich "in die Kacke haut" und ihm "jedes" Mittel recht ist, um bösartige Umtriebe zu verhindern.

Aus Sicht der Deontologie wäre es nie rechtens, kriminelle Mittel zur Bekämpfung von Kriminalität einzusetzen. Aus dieser Ideologie heraus hat man nicht viel zur Hand, um bösartige Aktivitäten zu unterbinden. Wenn aber nun der Staat Gefallen daran findet, für große Schurken den großen Hammer auszupacken, dann ist dies wohl auf allen Ebenen und in allen Schichten der Bevölkerung ein Zeichen, dass "es nun zuviel ist", dass es so nicht weiter gehen kann mit den Oberschurken. Eine tolle Wahlwerbung übrigens, die die SPD nie hätte realisieren können.

Im kleinen Maßstab kann dadurch aber auch der rechtliche "Fingerklopfer" für die unteren Bevölkerungsschichten gerechtfertigt werden, die nicht das tun, was sie offenbar gemäß den gängigen Industrievertretern sollen (nämlich arbeiten auch wenn es nicht das Geld dafür gibt, das es zum Leben braucht). Einen Bumerang-Effekt gibt es immer...

Es kann aber auch sein, dass dieser clevere Anbieter der CD so clever ist, dass er eine weitere CD zur Hand hat, in der auch namhafte Politiker und Bonzen gelistet sind, die nun die Wahl haben, ob sie für 2,5 Mio EUR Schweigegeld weiter in der Schublade bleiben oder für lau mal eben an die Öffentlichkeit preisgegeben werden, weil sie nicht gezahlt haben. Die Folgen wären doch verheerend.

Um auch in Zukunft nicht verfolgt oder im Stillen um die Ecke gebracht zu werden, braucht es schon einiger Absicherungen. Da ist die krimireife Versicherung, eine Kopie der CD lagere "bei Freunden" und werde veröffentlicht, wenn ihm etwas zustoße, nur eine von vielen Schutzarten.

Meiner Meinung nach hat der CD-Anbieter Agentenqualitäten und weiß sehr gut, wie er sich schützen kann, sonst gäbe es ihn schon gar nicht mehr.

Anonym 2. Februar 2010 um 18:58  

So sehr die Kritik an der Doppelmoral auch angebracht ist, so sehr ist ein bedingungsloses Einhalten geltenden Rechts durch den Staat vonnöten. Das Argument, der Staat könne geltendes Recht übertreten, da es dem selben Staat eines moralischen Gesichts mangelt und rechtsübertretungen durch den Staat (bzw. die Personen, die ihn repräsentieren) ohnehin ständig begangen werden, ist in sich grundlegend verdorben. Das selbe Argument legitimiert jegliche ungerechtfertige staatlihe Gewaltausübung, Unmenschlichkeit und Willkürr. Übertritt ein Privatmann die gesetzlichen Grenzen, mag man das mit zivilem Ungehorsam legimitieren können - einem Staat steht ein solches moralisches/gewissenhaftes Legitimationsmittel nicht zur Verfügung - zu Recht.

Eben ging über die Ticker, dass die Bundesregierung die CD kaufen wird. Nächste Woche wird dann der Abschuss von Passagiermaschinen legitimiert, übernächste Woche bekommen wir Zwangskastration für Sexualstraftäter und in einem Monat wird Folter zur "Gefahrabwehr" legitimiert. Schöne neue Welt.

Anonym 2. Februar 2010 um 19:18  

Das sind zwar alles grundsätzlich richtige Überlegungen. Doch die CD zu kaufen, wäre tatsächlich falsch. Es ist zwar gerecht, wenn reiche Steuerhinterzieher ihre Steuern und eine Strafe zahlen müssen und die Steueroasen insgesamt für die reiche Kundschaft riskanter wird. Aber wie ist es zu rechtfertigen, dass ein Mensch dafür eine Straftat begeht und dafür auch noch mit 2 Millionen belohnt wird. Der Staat zahlt einem einzelnen Menschen 2 Millionen, und den Beziehern sozialer Leistungen ein paar hundert Euro im Monat.

Politik muss sich schon an - rechtsstaatliche - Grundsätze halten. Im konkreten Fall mag es nur reiche und kriminelle Mitbürger treffen - ansonsten trifft diese prinzipienlose Politik des öfteren die breite Mehrheit der Bevölkerung und gerade die ärmsten Menschen. Wegen ein paar Missbrauchsfällen bei Hartz IV werden alle Bezieher unter Generalverdacht gestellt und schärfstens kontrolliert - und hier wird der Staat wegen einigen Steuerhinterziehern zum Hehler.

Aber dass die Kritiker Heuchelei betreiben, ist klar, weil der Staat auch sonst kein nach moralischen Prinzipien handelndes Wesen ist.

Anonym 2. Februar 2010 um 21:16  

Ich finde ebenfalls dass die Politiker doppelzüngig reden. Das Ankaufen von ausgespähten Daten ist keine Hehlerei, weil der Tatbestand der Hehlerei gar nicht erfüllt ist. Und ob ein Beweisverbot vorliegt, entscheidet ein Gericht. Bei Zumwinkel gab es einen Durchsuchungsbeschluß. Da hatte sich also schon mal ein Gericht gegen ein Beweisverwertungsverbot entschieden ... Also würd ich anstelle der Politiker und der Mainstreampresse die Füße stillhalten.

Gruß
Bernd

Unterdosis 2. Februar 2010 um 21:21  

Der Staat übertritt hier kein Gesetz. Dieses Scheinargument dient lediglich der Abwehr. Es gibt kein Beweismittelverwertungsverbot für illegal beschaffte Beweise, davon können so einige Inhaftierte ein Liedchen singen. Das Bankgeheimnis wiederum wurde bereits 2005 quasi ausser Kraft gesetzt, wenn es der Ergreifung von Sozialbetrügern dient.
Das Geschrei, was jetzt überall ertönt, rührt aus dem Schock der Erkenntnis heraus, dass diesmal nicht diejenigen Opfer sein könnten, gegen die diese Waffen in Stellung gebracht wurden, sondern jene, die solche Gesetze erst gewollt haben, um noch mehr Sozialabgaben zu sparen.
Jetzt, wo diese plötzlich selber in den dunklen Lauf der Waffe starren, sind die Hosen plötzlich gestrichen voll.

Ralf-zwei.null 3. Februar 2010 um 03:58  

Es sei angemerkt, dass es rechtlich zulässig ist, vor deutschen Gerichten Beweismittel zu verwenden, deren Herkunft aus zweifelhaften Quellen offensichtlich ist.

Kategorien wie "Rechtsstaat" sind also in dieser Diskussion eher nebensächlicher Natur, denn der Kauf hätte eine solide rechtliche Basis. Schließlich ist die Auslobung von Belohnungen für Hinweise zur Ergreifung von Straftätern alles andere als rechtlich unzulässig und wohl kaum moralisch verwerflich.
Warum sollte also jemand, der dem Staat Informationen zur Ergreifung von kriminellen Straftätern liefert, nicht belohnt werden? Was ist daran unmoralisch?

Im Übrigen teile ich Robertos Ansichten zu diesem unseren Staate vollkommen.

River Tam 3. Februar 2010 um 08:48  

@endless.good.news:
Die Prüfung der Strafbarkeit läuft in folgenden Schritten:
1.Objektiver Tatbestand = Sind die im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt?
2.subjektiver Tatbestand = Liegt Vorsatz bzw. bei Fahrlässigkeit Pflichtverletzung vor?
3.Rechtswidrigkeit = Liegen Rechtfertigungsgründe vor? (z.B. Notwehr oder Nothilfe)
4.Schuldfähigkeit = Ist der Täter schuldfähig bzw. liegen Entschuldigungsgründe vor?
Die Diskussion dreht sich in erster Linie um den Punkt 3. Das hat einen schlichten Grund: gegen rechtswidrige Taten (z.B. weil keine Notwehr/Nothilfe vorliegt oder die gewählte Methode die Verhältnismäßigkeit überschreitet) darf man sich wehren, ist die Rechtswidrigkeit verneint, dann nicht.
Dazu kommt ein weiteres Problem: Eine Strafbare Handlung kann per definitionem grundsätzlich nur von einem oder mehreren Tätern begangen werden, im vorliegenden Fall also von den Personen, die die Daten dann konkret ankaufen sollen...
@ Ajax:
Kommt drauf an. Stellt man nur auf den Diebstahl der CD ab, dann handelt es sich um eine geringwertige Sache, weil man beschreibbare CD´s oder auch DVD´s für unter 50 € kaufen kann. In diesen Fällen, ist es tatsächlich am Bestohlenen einen Strafverfolgungsantrag zu stellen, sonst wird die Staatsanwaltschaft nicht aktiv. Aber hier geht es ja nicht um die CD, sondern um die darauf enthaltenen Informationen. Hier sind §§ 202a ff. StGB einschlägig, mit denen die Strafbarkeit der Datenspionage seit 2007 erweitert wurde. Hier dürfte ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehen, so dass die Staatsanwaltschaft „von Amts wegen“ (also sobald sie Kenntnis hat) ermitteln dürfte...

Kohlhaas 3. Februar 2010 um 09:19  

@Maerchenwelt:


Ich gebe Ihnen in sofern recht, als dass die Regeln zur Aufhebung der Grundrechte in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten relativ restriktiv sind- z.B. im Vergleich zu Russland, wo man sich mit derlei Geplänkel gar nicht erst aufhält, sondern missliebige Subjekte gleich final entsorgt.

Was einen aber nachdenklich stimmen sollte, ist die zunehmende Erosion dieser Grundrechte im Namen eines diffusen Sicherheitsbegriffs, die in bedenklichem Maße zugenommen hat. Und schauen Sie sich doch spaßeshalber mal die bayerischen Entwürfe zur Einschränkung des Versammlungs- bzw. Demonstrationsrechts an, da kommen mir doch zunehmend Zweifel an der Festigkeit der Grundrechte in diesem unserem Lande.

Die rhetorischen Fragen, die Sie stellen, sind wieder mal ein schönes Beispiel für die Anwendung von Techniken aus dem Seminar "Erfolgreich verhandeln (Grundstufe)". Man stelle Fragen, die die extremen, zumeist brüchigen Ränder des Argumentationsraums des Gegners betreffen. Dieser muss dann zugeben, dass die Argumentation bei Extrembeispielen vielleicht nicht immer trägt, und schon hat man seine Position ins Wanken gebracht.

Und natürlich steht jedem, auch und vor allem in Fragen der Grundrechtsverletzung, der Weg zu den Gerichten offen. Die Frage ist nur, ob ob ein positiver Ausgang des jeweiligen Prozesses in jedem Fall auch eine angemessene Wiedergutmachung des vorher angerichteten Schadens durch den Grundrechtseingriff sein kann. Da melde ich einfach mal erhebliche Zweifel an.

Insgesamt kann ich nicht erkennen, dass Ihre Argumente die Position des Artikels irgendwie entkräften.

Anonym 3. Februar 2010 um 11:17  

@ Maerchenwelt

Schön wäre Ihre Märchenwelt, wo der Rechtsstaat Menschenrechte wahrt und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Der Umweltaktivist und Bürgerrechtler Eberhard P. aus Petershagen bei Berlin wäre noch am Leben. Er starb am 2.Dezember 2009 an Herzversagen, unmittelbar nachdem die Gerichtsvollzieherin mit Haftbefehl mit gefälschter Unterschrift und mit Polzeieskorte angebliche Gebühren eingetrieben hatte.

Seinen tödlichen Zusammenbruch mitverursacht haben selbsternannte Glücksbringer, die zu jeder Wohnung Zutritt haben, die Bezirksschornsteinfeger. Ihr Milliardengeschäft mit gesetzlich vorgeschriebenen substanzlosen Überprüfungen und dem schwunghaften Handel mit - nach eigenen Angaben - jährlich 180 Millionen Daten.

maerchenwelt 3. Februar 2010 um 12:40  

@ Kohlhaas:
Nein, um einen rhetorischen Trick, wie sie vermuten ("Extrembeispiele darstellen"), handelt es gerade nicht.
Die von mir aufgeführten Beispiele (Demonstrationsverbot Rechtsradikale, Festnahme von Straftätern in Wohnungen oder Durchsuchung zur Beweismittelsicherung) sind die häufigsten Tatbestände, die Rechte bezüglich Versammlungsfreiheit oder Unverletzlichkeit der Wohnung einschränken, keine Extrembeispiele.
Wenn man will, könnte man Ihnen, Forist Kohlhaas, einen rhetorischen Trick vorwerfe, aber lassen wir das.
Kurz gesagt: Die meines Erachtens generalisierten Vorwürfe gegen "den Staat" treffen zumindest hier nicht zu.

Kohlhaas 3. Februar 2010 um 20:01  

@Maerchenwelt (03.02.):

Sehr bedauerlich, hätte gerne erfahren, welches rhetorischen "Tricks" (Ihr Ausdruck, nicht meiner) ich mich bedient haben soll.

Außerdem bedeutet der Begriff Extrembeispiel in diesem Zusammenhang, dass es sich um Beispiele aus dem Extrembereich handelt- das hat mit deren Häufigkeit erst einmal überhaupt nichts zu tun. Die Häufigkeit allein wandelt ein Extrem außerdem nicht zum Normalfall. Ich will Ihnen zugute halten, dass hier einfach ein Missverständnis vorliegt.

Auch hätte mich Ihre Ansicht zu meinen übrigen Ausführungen interessiert, auf die Sie aber leider nicht eingegangen sind. Jedenfalls hüte ich mich vor denjenigen, die Extremisten über den gleichen Leisten schlagen wie alle anderen, die von einem Gesetz betroffen sind. Und um noch einmal auf Ihre Wortwahl einzugehen: Rechtsradikale Demonstrationen, so bedauerlich sie auch sein mögen, muss ein demokratischer Staat aushalten können, gewalttätige rechtsextreme (Ihre ursprüngliche Formulierung) sind dagegen nicht zu dulden.

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