Nomen non est omen

Donnerstag, 7. Januar 2010

Heute: "Agenda 2010"

Die rotgrüne Regierung unter Schröder hatte im Jahre 2003 mit dem Schlagwort der "Agenda 2010" ein ganzes Bündel arbeitgeberfreundlicher Reformen in Form einer modernen politischen Vision angekündigt. Nun haben wir das Jahr 2010. Was von dieser vermeintlich großen Vision übriggeblieben ist, sind vor allem millionenfach verprellte SPD-Wähler, eine zukünftig stark steigende Altersarmut, privatisierte Lebensrisiken, über 2,5 Millionen Kinder in Armut, ein Niedrig-Lohnsektor, der mittlerweile fast ein Drittel aller Beschäftigungsverhältnisse ausmacht und vieles mehr, dass das Leben in Deutschland für Millionen Menschen erschwert hat. Der Begriff der "Agenda 2010" dürfte – ähnlich wie der Begriff der Reform – sehr negativ besetzt sein. Just in diesem Augenblick startet der Konzern Mediamarkt, Tochter der Metro AG, eine Spass- und Kaufaktion mit dem Namen: "Agenda 2010".

Ich weiß nicht, ob dahinter clevere Marketing-Strategen, wirtschaftspolitische Akteure oder einfach nur vermeintliche Spass-Animateure stehen. Was wir jedoch erleben werden, ist nicht nur eine Wandlung der Begriffsbesetzung und der Konnotation, sondern vor allem auch eine Trivialisierung des schröderischen Agenda-Inhalts. Ähnlich wie bei der TV-Produktion von "Big Brother" wird der Begriff, der ursprünglich eine Warnung an den Rechtsstaat beinhaltete verramscht, der Unterhaltung unterworfen, verkonsumiert – ja, letztlich entwertet. Wer von den sog. Container-Bewohnern oder auch den Zuschauern dieses TV-Mülls hat George Orwells "1984" wirklich gelesen und weiß noch, wofür der Terminus "Big Brother" einmal stand?

Mediamarkt startet nun eine große Konsum-Aktion mit dem Namen "Agenda 2010" und wirbt damit, dass jeder zehnte Einkauf umsonst sei. Das Schlagwort wird nun bald nicht mehr nur mit Schröder und seiner rotgrünen Sozialabbau-Clique assoziiert werden, sondern auch mit einem vermeintlich "geilen" Konsumangebot. Dass sich die Bedeutung von Begriffen im Laufe der Zeit durch verschiedene politische oder mediale Aktionen ändern, ist nichts ungewöhnliches. Bedenklich finde ich dennoch, dass gerade die Begriffs-Trivialisierungen von "Big Brother" und "Agenda 2010" zur Folge haben könnten, dass Orwells Überwachungsstaat und Schröders Sozialabbau damit zunehmend in Vergessenheit geraten.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

31 Kommentare:

Anonym 7. Januar 2010 um 12:00  

Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen!

Ich halte mich selbst für einen politischen und kritischen Bürger. Trotzdem ist auch bei mir "Big Brother" zu etwa gleichen Teilen mit dem RTL-Müll wie mit "1984" verknüpft und das, obwohl ich auch nicht eine einzige Folge des RTL-Schwachsinns angeschaut habe...

Ein nicht-repräsentativer Kurztest mit meiner Ehefrau gerade eben, brachte bei Ihr genau den gleichen von Dir genannten Effekt. Auch sie hat keine einzige Folge von dem Müll gesehen, assoziiert aber als erstes "Fernsehen" mit "Big Brother" und erst dann "1984".

Danke für diesen Weckruf! Heiner Geißler hat schon immer gewusst (und ausgenutzt), dass man das Denken durch besetzen von Begriffen lenken kann. Wir sollten aufmerksam sein, wer uns (ab)lenken will!

Gruß
Omnibus56

klaus baum 7. Januar 2010 um 13:29  

was das lenken vom denken durch begriffe betrifft, so sagte gestern im deutschlandfunk der vertreter der "regierung", man habe bei der ersten diskussion über die scanner am flughafen den fehler gemacht, von nacktscannern zu reden. das hätte eine emotionale abwehr hervorgerufen. man müsse das thema positiv besetzen, deshalb sprach er jetzt von body-scannern.

die herren und damen wissen genau, was sie tun.

klaus baum 7. Januar 2010 um 13:32  

hier der link zur sendung. dlf 6.1.10.
19:15 Uhr
Zur Diskussion
Der Preis der Angst: Wie
Körper-Scanner das Fliegen
sicherer machen sollen
Diskussionsteilnehmer:
- Hans-Christian Ströbele
MdB Bündnis 90 / Die Grünen
- Regina Ammicht Quinn
Eberhard Karls Universität
Tübingen
- Rene Beigang
Technische Universität
Kaiserslautern
- Klaus-Heiner Lehne
Europäisches Parlament, EVP

Anonym 7. Januar 2010 um 13:59  

Ich glaube nicht, das "Agenda 2010" irgendwann mit einer Blöd- und oder Geilmarkt Aktion identifiziert oder dadurch verniedlicht wird, dazu ist diese

"größte ""Sozial""reform"""

der Nachkriegsgeschichte dauerhaft zu aktuell, für ca 20% der Bevölkerung bereits ganz aktuell, mit steigender Tendenz.

Aber trotzdem ein interessanter Gedanke. Es wird interessant sein, zu sehen wie es kommen wird.

Ich habe "1984", im Jahre 1972 gelesen. Ich weiß noch wie ein älterer Herr, der damals schon älter war als ich heute, als ich das Buch im Buchladen ansah, unaufgefordert zu mir meinte: "Das Buch hat mich sehr beeindruckt".

Für mich ist Big Brother originär mit Orwell verbunden. Als Warnung nicht so sehr vor Überwachungsstaat, sondern vor Diktatur. Er schrieb das Buch ja meine ich als Reaktion auf Eindrücke von der Sowjetdiktatur.

Einiges von 1984 ist verwirklicht, auch viel Newspeake, aber (Entschuldigung) man muß die Kirche im Dorf lassen.

Anonym 7. Januar 2010 um 14:38  

Als ich vor kurzem an der Ampel stand und die neue Media Markt Kampagne gesehen habe, habe ich Gift und Galle gespuckt.

Ich frage mich, ob die Macher der Kampagne nur dumm oder auch zynisch oder dumm und zynisch sind. Bei mir jedenfalls ist die Werbung böse in die Hose gegangen - in diesem Saftladen kaufe ich in Zukunft nicht mehr! Damit erstreckt sich meine Konsumverweigerung nun schon auf eine erkleckliche Zahl von Unternehmen.

Dieses Scheißland kotzt mich in zunehmenden Maße an. Deutschland hat aus der Nazi-Zeit nichts aber auch gar nichts gelernt. Die Opposition im Bundestag erregt sich lieber über den "Radikalpazifismus" einer evangelischen Bischöfin, anstatt sich über derart schweinische und ekelerregende Werbung zu empören.

Es widert mich nur noch an! Haben eigentlich alle den Verstand verloren?

pillo 7. Januar 2010 um 14:41  

Ich würde den Machern dieser Werbung bzw. deren Auftraggebern noch nicht einmal vorsätzliche Semantik unterstellen (vielleicht bin ich da auch zu naiv).
Ich glaube, diese Leute kennen all die mit der Agenda 2010 verbundenen Drangsalierung-, Kürzungs- und Stigmatisierungfolgen bestenfalls vom Hörensagen. Diese Typen können sich noch nicht einmal ansatzweise die Lebenswelt der Betroffenen vorstellen. Im Gegenteil, gerade die "hohen Tiere" in den Großkonzernen (Metro) oder die "Kreativen" in den großen Werbeagenturen gehören doch zu den Gewinnern des ganzen Agenda-Betrugs.

Was die Problematik an sich angeht, hat Roberto natürlich vollkommen Recht. Hier wird wieder einmal ein negativ besetzter Begriff umgedeutet und verharmlost. Das ist das letzte Mittel, wenn alle vorherigen Versuche des Weißwaschens und Umdeutens fehlgeschlagen sind.
Viel häufiger findet man nämlich die Umbenennung bzw. Umschreibung harter Realitäten mit butterweichen Bergriffen. So wird heute niemand mehr entlassen oder gar gefeuert, nein, er wird freigestellt!

ad sinistram 7. Januar 2010 um 14:45  

Zitat Pillo:
"Ich glaube, diese Leute kennen all die mit der Agenda 2010 verbundenen Drangsalierung-, Kürzungs- und Stigmatisierungfolgen bestenfalls vom Hörensagen."

Das kann schon sein. Nur: Das würde ja auch bedeuten, wenn sie es wüßten, besser wüßten also nur vom Hörensagen, hätten sie die Werbekampagne nicht ins Leben gerufen. Und genau das glaube ich eben nicht. Selbst wenn sie es wüßten, sie würden es umsetzen. Und ich gehe noch weiter: Selbst wenn ein Kampagnenerfinder vormals selbst ALG II bezogen hätten, alle Drangsalierungs-, Kürzungs- und Stigmatisierungsfolgen erlebt hätte, er würde das Projekt dennoch mittragen - wenn sich damit Geld verdienen läßt, werden Erinnerungen gerne betäubt...

ad sinistram 7. Januar 2010 um 14:46  

Nachtrag von mir an Pillo: Roberto hat übrigens nicht recht - es war Markus, der recht hat...

pillo 7. Januar 2010 um 15:19  

@Roberto
"Und ich gehe noch weiter: Selbst wenn ein Kampagnenerfinder vormals selbst ALG II bezogen hätten, alle Drangsalierungs-, Kürzungs- und Stigmatisierungsfolgen erlebt hätte, er würde das Projekt dennoch mittragen - wenn sich damit Geld verdienen läßt, werden Erinnerungen gerne betäubt..."

Siehst Du, und ich glaube immer noch daran, das trotz allem etwas Gutes in den meisten Menschen ruht. Daher gehe ich in meinem Optimismus (oder meiner Naivität?) davon aus, daß der überwiegende Teil der Betroffenen solchen Zynismus nicht mitmachen, geschweige denn ausdenken würde. Vielleicht gehe ich dabei auch nur zu sehr von mir aus und unterstelle dabei den Menschen eine Moral, die die meisten von ihnen nie hatten und nie haben werden.


@Roberto
"Roberto hat übrigens nicht recht - es war Markus, der recht hat..."

So ist es! Asche auf mein Haupt und ein dickes ENTSCHULDIGUNG an Markus.

Anonym 7. Januar 2010 um 16:52  

Unbequemer:

Nun, von Orwell habe ich mit 14 (8. Klasse) "Farm der Tiere" als Zeichentrickfilm im Unterricht gesehen. 1984 habe ich erst später gelesen, nach "Walden" von Henry David Thoreau, und auch nach Strindbergs "Lesebuch für die niederen Stände". "Über die Pflicht zum Ungehorsam ... ", ebenfalls von Thoreau ging es dann weiter.

Werbung hat immer nur ein Ziel - ein Image zu verkaufen. Und der Spruch "Geiz ist geil" hatte auch seine Zielrichtung. Wenn die Käufer verinnerlichen, dass sie selber Geizig sind, dann verstehen sie auch, dass die Arbeitgeber geizig sein können und eben keine hohen Löhne mehr zahlen wollen. Ist doch Geil, so ein Geiz. So Geil, dass jeder an sich denkt. ICH ICH ICH, dann klappts auch mit der Verarmung des Rests der Gesellschaft.

DAS ist das Ziel. Zerstörung von Gemeinschaftsinteressen hin zur eigenen Bauchnabelbeschau.

Wir sind schon lange, seit der "Geistig moralischen Wende" des Bimbeskanzler auf dem Weg, die Demokratie wird verhökert, schnell hin und die Reste für sich kaufen, 2010 ist da nur ein Pflasterstein der weiter in die Irre führt.

ad sinistram 7. Januar 2010 um 17:56  

@ Pillo
Ob es Naivität oder Optimismus ist, will ich nicht bewerten, zumal ich das gar nicht bewerten kann. Aber neidisch kann man darum sein - und zuweilen bin ich es denen, die optimistisch sind, die das Gute noch zu sehen meinen. Du gehst von Dir aus, sinnierst Du, weshalb Du das auf andere münzst. Das mache ich nicht. Niemals Rückschlüsse, bauend auf Eigenarten, ziehen - meistens denken, fühlen, sehen die Menschen eben nicht das, was ich denke, fühle, sehe.

Lutz Hausstein 7. Januar 2010 um 19:10  

Da ich ein paar Kenntnisse über die Marketingstrategien dieses Unternehmens besitze, weiß ich, dass sie sich auf Aufmerksamkeit um jeden Preis gründen. Eine gesellschaftspolitische Strategie steckt nicht dahinter. :-)

Nichts desto trotz sind natürlich die beschriebenen Wirkungen vorhanden. Ich kann es an mir selbst ersehen. Der Begriff "Big Brother" weckt bei mir als erste Assoziation diesen ganzen Container-Schwachsinn. Trotz ich diesen Blödsinn ja nicht einmal sehe. Und trotz meines Wissens um Orwell und meines regelmäßigen Verweisens auf "1984". Wie viel mehr an Überdeckung von eigentlichen Inhalten dies erst bei andern Menschen, die Orwell möglicherweise nur flüchtig kennen, hervorrufen dürfte, kann man sich an einer Hand ausrechnen.

Anonym 7. Januar 2010 um 21:56  

"Ich glaube, diese Leute kennen all die mit der Agenda 2010 verbundenen Drangsalierung-, Kürzungs- und Stigmatisierungfolgen bestenfalls vom Hörensagen. Diese Typen können sich noch nicht einmal ansatzweise die Lebenswelt der Betroffenen vorstellen."

Ich habe letztlich keine Ahnung was in den genannten Kreaturen vorgeht. Ein Bekannter meint manche Abgeordnete wüßten nicht was in Hartz IV vor sich geht. Ich denke nicht, das diese Kreaturen überhaupt an die Lebenswelt von Hartz-Sanktionierten denken. Informationen gibt es, (z. B. "Ein Fall für Dietrich Schoch"). Diese Ebene erreichen diese Kreaturen jedoch gar nicht. Nein die sind ideologisch auf "In Deutschland kann jeder Arbeit haben der Arbeit haben will" gleichgeschaltet. Wie man dieser Verlogenheit und Lüge huldigen kann weiß ich letztlich nicht.

Eine Theorie die ich habe ist, das hinter allem die Lohnarbeit als Fetisch steht. Arbeit zu haben und damit Geld (und sich damit z. B. auch eine Frau kaufen zu können, im anderen Fall droht ja sie Scheidung) ist so zentral, das die Lohnarbeit zum Fetisch stilisiert ist. Man hat daher keinen Abstand zum Thema "Arbeit haben" und daher die ganzen Lügen und Verlogenheiten zur Thematik Arbeitslosigkeit und auch die Rechtfertigung von Hartz IV.

Anonym 7. Januar 2010 um 23:00  

"So wird heute niemand mehr entlassen oder gar gefeuert, nein, er wird freigestellt!"

Nur zur Ergänzung, der Newspeake "freigestellt" ist durch Werner "Sense" (alias Sinn) verbessert worden in:

Der Betreffende "gliedere" sich über den Sozialstaat "aktiv" aus dem Erwerbsleben "aus". (Das ist kein Scherz!) Damit soll man wohl noch besser auf den Sozialstaat einschlagen können. Meistens meine ich ja die entwickeln ihre Ansichten bewußtlos und meistens meine ich das immer noch, aber diese "Theorie" von Werner Sinn sieht verdammt bewußt konstruiert aus!

Ich traute meinen Augen nicht, als ich vor Jahren bereits die der Hartz-Gesellschaft perfekt angepaßte Ideologie las, in der "Rheinischen Post(Pest)".

Ein Soziologe, auf dessen Namen ich damals keinen Wert legte gab dem Erwerbslosen den Ratschlag das "Sein" dem "Haben" überzuordnen! Er erwähnte nicht die Anspielung auf Erich Fromms "Haben oder Sein". Bei Fromm hat das eine ganz andere Bedeutung. Fromm konnte ehemals noch vom ausreichenden Haben als selbstverständlich ausgehen und wenn man das hat, dann ist es relativ einfach, sich mehr auf das Sein zu konzentrieren (obwohl die meisten das nicht tun), da man ja keine Existenznöte hat.

Also im Prinzip gilt, erst wenn man hat, kann man Sein und das Haben zurückstellen und ein Soziologe zimmert die perfekte gegenteilige Ideologie der Hartz-Gesellschaft daraus. Für mich damals schon eine Überraschung, denn ich fragte mich damals: An den Universitäten müssen doch intelligente Menschen den Stuss und die Verlogenheit der Regierungspolitik erkennen, aber wieso haben die keinen Einfluss. Mittlerweile ist es vielleicht klar, die Ideologie erfaßt wohl auch die Universitäten. Mittlerweile ist mir als Beispiel dafür der Soziologe Bude bekannt.

Anonym 8. Januar 2010 um 01:56  

@anonym (unbequemer:)

Die Egozentrik kommt IMO auch sehr deutlich bei der Postbank rüber: «Unter'm Strich zähl' ich!» mit dem Zusatz des Partners/Partnerin «...und ich!» (Der/die Partner/Partnerin macht kein 'wir' daraus, sondern unterstreicht die Egozentrik sogar noch.)

Das ist für mich der Gipfel der Ich-Bezogenheit. Etwa auf dem Niveau «Wenn jeder nur an sich denkt, ist an alle gedacht», was ich, wie ich zum Heulen finde, schon von Leuten gehört habe, die würden sie vorher gedacht haben, das eigentlich selbst unerträglich empfinden würden...

Diese Postbank-Werbung macht aus den (auftretenden) Paaren ich-bezogene Einzelkämpfer - und es wird von den Meisten nicht einmal bemerkt...

Gruß Omnibus56

ad sinistram 8. Januar 2010 um 08:01  

@ Omnibus56
"Die Egozentrik kommt IMO auch sehr deutlich bei der Postbank rüber: «Unter'm Strich zähl' ich!» mit dem Zusatz des Partners/Partnerin «...und ich!» (Der/die Partner/Partnerin macht kein 'wir' daraus, sondern unterstreicht die Egozentrik sogar noch.)"

Das ist treffend analysiert. Nicht mal mehr das Wir ist drin - aus dem Wir wird eine Ich-Ich-Zweckgemeinschaft destilliert. Auch wenn man sich in die Nesseln setzt: Der Feminismus, so wie er in seiner entfesselten Kultur, über die Welt gestülpt wurde, hat zumindest Teilschuld. Nicht, weil er erklärte, Frauen seien gleichberechtigt etc., was sie natürlich ohne Unterlaß sind, nein, sondern weil er immer wieder einen Keil zwischen die Geschlechter trieb und treibt.

Wenn heute Paare verkünden, sie hätten ein Gemeinschaftskonto, wenn sie also sagen "unser Konto" oder "wir haben unser Konto bei...", gibt es immer welche, die die Augenbrauen hochziehen und das als Fehler werten. Was, wenn man sich trennt? Und überhaupt: gibt es einen Ehevertrag? Wie habt ihr euch abgesichert? Dass man als Wir in eine Beziehung geht, scheint vielen Menschen heute undurchsichtig. Sie sehen nur ihr Ich, dass sie neben ein anderes Ich-Objekt stellen. Und sie denken nicht in Wir-Kategorien, für sie ist das Leben eine Zweckgemeinschaft der Ichs - anders gesagt: für sie gründet die gesamte Welt auf vertraglichen Grundlagen zwischen Individuen bzw. Egoisten...

dst 8. Januar 2010 um 10:14  

Noch ein Beispiel für sprachlich gestütze Gehirnwäsche: stand "Ground Zero" nicht einst für die totale Zerstörung der Städte Nagasaki und Hiroshima durch US-amerikanische Atombomben? Heute stellt sich der Täter mit diesem Label für den ehemaligen Platz der WTC-Türme als Opfer dar. Geniale Methode.

Anonym 8. Januar 2010 um 10:15  

War das "wir" in der Partnerschaft denn früher mehr als das "ich" des Patriarchen? - Ich glaube nicht. Heute stehen zwei sich "ich" gegenüber - bis daraus ein echtes "wir" wird, dürfte noch einige Zeit vergehen!

Perspektive2010 8. Januar 2010 um 10:26  

Aber hey, es passt soch, auch die Media Markt-Aktion ist eine Umbverteilung von unten nach oben. Denn reich ist und sich ein neues hochpreisiges Prodkt bei Media Markt kaufen will, der holt einfach 9 Freunde dazu, die alle mit Kreditkarte zahlen. Da wird erst 2-4 Wochen später abgerechnet. So hat man einmal alle Endziffern von 0 bis 9 und bekommt das Produkt umsonst. Die anderen tauschen dann alleamt wieder um. Das können die kleinen Arbeitnehmer oder Hartzer, die auch bei Media Markt einkaufen, natürlich nicht. Aber auch die hoffen auf die richtige Endziffer. Haben sie dann einen Treffer, haben sie vielleicht ein paar DVDs oder die neue Glotze umsonst bekommen, während der Reiche ggf. ein Produkt im Wert eines Kleinwagens geschenkt bekam. Versteht Ihr das Prinzip nicht? Umverteilung von unten nach oben, ganz wie bei Schröders Agenda 2010. Ob die Gerhard Schröder oder Peter Hartz als Berater eingesetzt hatten?!

Kassandra 8. Januar 2010 um 11:17  

@ anonym 7.1.10, 14:38

zu:
"Als ich vor kurzem an der Ampel stand und die neue Media Markt Kampagne gesehen habe, habe ich Gift und Galle gespuckt.

Ich frage mich, ob die Macher der Kampagne nur dumm oder auch zynisch oder dumm und zynisch sind. Bei mir jedenfalls ist die Werbung böse in die Hose gegangen - in diesem Saftladen kaufe ich in Zukunft nicht mehr! Damit erstreckt sich meine Konsumverweigerung nun schon auf eine erkleckliche Zahl von Unternehmen.

Dieses Scheißland kotzt mich in zunehmenden Maße an. Deutschland hat aus der Nazi-Zeit nichts aber auch gar nichts gelernt. Die Opposition im Bundestag erregt sich lieber über den "Radikalpazifismus" einer evangelischen Bischöfin, anstatt sich über derart schweinische und ekelerregende Werbung zu empören.

Es widert mich nur noch an! Haben eigentlich alle den Verstand verloren?"

Antwort/ Ergänzung:
Mir erging ähnlich, jedoch empfand ich an Stelle Ihrer Wut einfach nur Ekel und ebenfalls Anwiderung.

Das Problem ist:
Werbung ist erlaubt, denn sie erhöht (in)direkt das QUANTITATIVE Bruttosozialprodukt und fragt nicht nach Sinnhaftigkeit. Je höher das QUANTIATIVE BSP, desto mehr Einnahmen hat der Staat aus Steuern und Beitragszahlungen. Erwerbsarbeitslosigkeit wäre so minimierbar, so der Mythos von in alten Schubladen Denkenden. Und die Wiederwahl von PolitikerInnen wird von diesen dann auch als sicher gewähnt.

Sie fragen, ob alle den Verstand verloren haben:
Nein, eben nicht. Das Problem ist, dass fast alle eben nur mit ihrem Verstand/ Vernunft arbeiten. Einfühlungsvermögen und eine gewisse Sittlichkeit sind durch eine einseitig geistig und moralinsaurer ausgerichtete Erziehung und ebenfalls einseitig geistig ausgerichtete Ausbildung seit Kindheitstagen durch Kindergarten, Schule, im Job und durch mediale Beschallung und Indoktrinierung abtrainiert und der Verdrängung zugeführt worden.
Und Emotionales wird seit "Schreinemakers" und "Lady Di in den letzten Jahren vor ihrem Ende" auch von beruflichen VerhaltenstrainerInnen als etwas Instrumentelles angesehen - um aus Menschen/ Beschäftigten gut funktionierende Automaten zu machen, die sich nach Zielvorgabe zweckrational, aber nicht mehr spontan menschengerecht und eben nicht kreativ verhalten sollen, weil sonst nicht controllbar.
Das ausschließliche Nutzen des Verstandes bewirkt über Verdrängungsmechanismen, dass unangenehme Empfindungen und Gefühle wie z. B. Angst vor Jobverlust, Schamangst, usw. nicht mehr wahrgenommen und (aus)gehalten und KONSTRUKTIVEN und eben SINNERFÜLLTEN Lösungen zugeführt werden müssen.

Hakan089 8. Januar 2010 um 11:41  

Das ist nichts Gewöhnliches. Erstaunlich daran ist nur, dass man sich auf "ad sinistram" darüber mockiert. Begriffe werden, mit genügend historischen Abstand, zwangsläufig zur "leeren Signifikaten", weil die Öffentlichkeit sie instrumentalisiert. Das hat Marcuse irgendwann in den 60ern mit "Der eindimensionale Mensch" auf den Punkt gebracht (von welcher Freiheit sprechen wir eigentlich genau, wenn sogar Visa mit dieser werben kann?) und Foucault in seiner Diskurstheorie weiter parzelliert hat (wer sagt das Wort Freiheit eigentlich und wie versteht dieser das?)
Dass Agenda 2010 der gleichen Systematik unterliegt, ist nicht weiter verwunderlich. Der große Unterschied ist, dass Media Markt lediglich eine Kampagne aufrollt, die zwangsläufig ideologische Muster repräsentiert und auch reproduziert, aber es bleibt fraglich, ob es gesellschaftlich nicht ohnehin schon zu einer Abstumpfung gekommen ist. Das Haltbarkeitsdatum von politischen Aussagen ist meist kürzer als das der Frischmilch und das liegt nicht am Irrglauben, dass Politiker (willentlich) immer lügen. Von daher. Wer wusste 2003 überhaupt, was die Agenda 2010 ist? Das ist die interessantere Frage in meinen Augen. Hartz hat mehr zur Verprellung geleistet und zwar im Alleingang als Schröders Haudrauf-Regieren.

Peinhard 8. Januar 2010 um 11:51  

"Und der Spruch "Geiz ist geil" hatte auch seine Zielrichtung. Wenn die Käufer verinnerlichen, dass sie selber Geizig sind, dann verstehen sie auch, dass die Arbeitgeber geizig sein können und eben keine hohen Löhne mehr zahlen wollen."

Das ist mE weit überinterpretiert. Wie bei der 'Agenda'-Werbung steckt zunächst viel weniger dahinter - nicht Absicht, sondern schlicht Gedankenlosigkeit in der Form, dass man damit einen 'Hingucker' erzielt. Weiter reicht das nicht oder spielt sich allenfalls in sowas wie einem 'kollektiven Unbewussten' ab. Und das wirft nach meiner Meinung ein noch viel härteres Schlaglicht auf diese - nicht nur an Gedanken - ärmliche Gesellschaft.

Anonym 8. Januar 2010 um 12:20  

Unbequemer:

Ich erinnere mich immer wieder an die Worte von Martin Niemöller, die leider nicht bei allen im Verstand angekommen sind:

(Zitat Anfang) als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte. (Zitat Ende)

Die Werbung macht es Heute möglich, auf der Klaviatur des Egoismus zu spielen. Wie lernte ich in einem Kurs - Rhetorik - der Mensch reagiert zu 90 % Emotional. Also mit Vernunftgründen steht man aif verlorenem Posten. Leider.

Die Gegenwehr müsste ebenfalls über Emotionen angesprochen werden. So wie die Werbung für Spendenaufrufe bei Brot für die Welt und andere Ziele. Da wird mit dem Mitleid auch immer wieder bei vielen Menschen das Ziel erreicht, dass sie spenden. Tafeln und Suppenküchen sind ebenfalls Abfallprodukte die es möglich machen sein Gewissen zu beruhigen.

Eine kleine Spende an Lebensmitteln gibt dem Spender das Gefühl, er tue etwas Gutes.

Psychologisch betrachtet ist alles eine Sache der Dissonanzreduktion. UNd bei Politikern funktioniert diese Methode besonders gut, wenn sie Gesetze beschliessen, die einen Teil der Bevölkerung ins Elend treiben. Damit haben sie ja dem (noch) größern Teil etwas Gutes getan.

Das erkennt man auch an den Aussagen Westerwelles. Der glaubt das wirklich, was er sagt.

Demokratie ist eben die Diktatur der Stimmenmehrheit über eine Minderheít. Mehr nicht. Echte Demokratie wäre es erst dann, wenn wirklich an alle gedacht wird.

Sind also alles Bolschewiki im wahrsten Sinne des Wortes, - Mehrheitler - eben. Die Menschewiki, Minderheitler, das sind nun einmal die ALG-2-Bezieher und andere Ausgebeuteten.

Und wer der Gewinner war, ist bekannt. Nur eben nicht auf Dauer. Denn je mehr ausgebeutet wird, um so größer wird die Zahl der Menschewiki. Das lässt hoffen, das diese Gruppe eines Tages dann die Bolschewiki sind. Und dann geht es von vorne los - so wie von Orwell in Farm der Tiere beschrieben wurde.

Es kann also nur eine richtige Lösung geben - die drei in der französischen Revolution benutzten Schlagworte.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Das Schreckgespenst der Ausbeuterklasse.

Anonym 8. Januar 2010 um 12:38  

"Das ist treffend analysiert. Nicht mal mehr das Wir ist drin - aus dem Wir wird eine Ich-Ich-Zweckgemeinschaft destilliert. Auch wenn man sich in die Nesseln setzt: Der Feminismus, so wie er in seiner entfesselten Kultur, über die Welt gestülpt wurde, hat zumindest Teilschuld. Nicht, weil er erklärte, Frauen seien gleichberechtigt etc., was sie natürlich ohne Unterlaß sind, nein, sondern weil er immer wieder einen Keil zwischen die Geschlechter trieb und treibt.

Wenn heute Paare verkünden, sie hätten ein Gemeinschaftskonto, wenn sie also sagen "unser Konto" oder "wir haben unser Konto bei...", gibt es immer welche, die die Augenbrauen hochziehen und das als Fehler werten. Was, wenn man sich trennt?" (ZE)

Hallo Roberto,

ich bin eine Frau und ich gebe Dir uneingeschränkt Recht. Ich bin mit meinem Mann seit knapp 19 Jahren zusammen und habe seit dem Zusammenziehen vor 16 Jahren (auch schon als wir noch nicht verheiratet waren) ein gemeinsames Konto. Ich sehe das so: wenn man in einer Beziehung immer Angst hat, zu kurz zu kommen und evtl. mehr zu geben als zu nehmen, dann ist doch die ganze Beziehung schon beim Teufel, bevor sie überhaupt angefangen hat. Wir hatten und haben einfach keine Lust, jeden Joghurt und jede Fahrkarte abzurechnen, weil das läppisch und lieblos ist. Man ist doch ein Liebespaar und keine Wirtschaftsgemeinschaft!

Liebe Grüße

Andrea

ad sinistram 8. Januar 2010 um 13:06  

Liebe Andrea,

genau darauf wollte ich hinaus. Manchmal kommt es mir so vor, als würden die Menschen abwägen, wieviel Profit noch in einer Beziehung steckt. Wer so denkt, sollte alleine bleiben...

Anonym 8. Januar 2010 um 14:39  

Lieber Roberto J. de Lapuente,

treffend formuliert.

Übrigens, ich habe gerade heute bei Nachdenkseiten mal gemutmaßt, dass auch die "Steuersenkungen" höchst manipulativ eingesetzt werden, von unseren Medien.

Es wird zwar immer wieder von "Steuersenkungen" gesprochen, aber weitgehend verschwiegen für wen die eigentlich nützlich sind.

So dämlich, dass wir aber die Manipulation nicht durchschauen, sind, zumindest in meinem Lebensumfeld die Menschen nicht.

Man weiß schon, wer von den "Steuersenkungen" profitiert, und für wen die schwarz-gelb durchsetzt.

Seltsam finde ich nur, dass es, wie so oft von mir erwähnt, immer noch so ruhig ist in Deutschland. Oder ist es nur die berühmte "Ruhe vor der Sturm"?

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 8. Januar 2010 um 14:47  

Noch was, wenn man es von Literatur hat - ich las einmal "Vom Wohlstand der Nationen", des Urgroßvaters des Liberalismus Adam Smith. Die wenigsten heutigen Liberalen (FDP & Konsorten) wissen was dieser große Ökonom wirklich schrieb, d.h. noch schlimmer, die benutzen dieses Werk als Ausrede für die Agenda 2010 & eiskalten Sozialabbau. Man sollte denen einmal empfehlen Adam Smith im Original, und ganz zu lesen. Der große Ökonom wäre mit den heutigen Liberalen höchst unzufrieden, da er eben nicht der eiskalte Vertreter der "unsichtbaren Hand" war für den manche ihn halten, sondern, ähnlich wie bei Angebot- und Nachfragetheoretikern, beide Seiten der Münze sah. Ich bin sicher würde Adam Smith heute leben dann wäre er evtl. ein zweiter Paul Krugman bzw. Joseph Stiglitz, d.h. alles aber weder Neoliberaler noch Kommunist, sondern in der Grauzone zwischen beiden.

Vielleicht macht es genau diese Tatsache den heutigen (Neo-)Liberalen so leicht nur die Dinge von Ökonomen der angelsächsischen Schule abzukupfern, die in ihre menschenverachtende Ideologie passen, die ja dank Neuer Weltwirtschaftskrise - man kann es nicht oft genug schreiben - fulminant gescheitert sein dürfte.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

PS: (Neo-)liberale kupfern auch beim Gründer bzw. Großvater der Volkswirtschaftslehre Adam Smith nur die Dinge ab, die ihnen in den Kram passen. Am Interessantesten fand ich übrigens die Beschreibung des Merkantilismus, den Adam Smith im "Wohlstand der Nationen" anprangert, und widerlegt. Warum? Einige Dinge an diesem Adels-Wirtschaftssystem, welches Adam Smith kritisiert, erinnert an heutige neoliberale Theorien - Fazit: Prof. Dr. Max Otte hat in "Informationscrash" Recht, wenn er vom Neoliberalismus als Neofeudalismus schreibt - Sogar Adam Smith wäre heute dagegen, wenn er noch leben würde.

Andreas 8. Januar 2010 um 15:52  

Ich warte auf die erste Leiharbeitsbude, die mit dem Slogen "Arbeit macht frei" im Zusammenhang mit Billigst-Leiharbeitern wirbt.

maguscarolus 8. Januar 2010 um 18:26  

@Anonym 8.1.12:20

Die Gegenwehr müsste ebenfalls über Emotionen angesprochen werden

Sehr richtig! Aber leider wird sie dann angesichts der geballten Meinungsmacht der Gegenseite als "Populismus" oder "Panikmache" öffentlich verbrannt!

Anonym 8. Januar 2010 um 20:20  

Hierzu passt der Stoßseufzer des Neubürgers in der neoliberalen Welt: "Die Welt ist schlecht - jeder denkt nur an sich! Nur ich denke an mich!"

Hans-H.

Peinhard 9. Januar 2010 um 14:05  

"Manchmal kommt es mir so vor, als würden die Menschen abwägen, wieviel Profit noch in einer Beziehung steckt."

Das war schon immer eine meiner Lieblingsformulierungen: 'Ich habe doch soviel in diese Beziehung investiert...'. Man frage sogleich nach dem 'break even'.

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