De auditu

Samstag, 23. Januar 2010

Die abschreckende Wirkung gehört zum täglichen Repertoire der Berichterstattung. Sie erscheint als Begriff in mannigfaltigen Bereichen - im Sozial- und Arbeitswesen ebenso wie bei der Verbrechungseindämmung. Kann man im letzteren Falle noch eine dünne Logik hinter der Verwendung von abschreckenden Wirkungen ausmachen, fällt es in den anderen Bereichen zunehmend in das Feld der Menschenverachtung. Wenn ein Sozialwesen auf abschreckende Wirkungen baut, damit die Bürger verschreckt werden, dann erschrecken alle aufgeklärten Gedankengänge, erschrecken Demokratie und Sozialstaatsgedanke.

Die abschreckende Wirkung bei Verbrechensbekämpfung klingt logisch, baut allerdings, wie oben erwähnt, auf dünnem Eis. Sie ist letztlich nur ein Mythos, denn die Todesstrafe läßt vor Mord nicht zurückschrecken, gleichwohl ein Meer von Kameraobjektiven ebensowenig vor Straftaten abschreckt. Ob das uferlose Überwachungszeremoniell auf Flughäfen fruchtet, kann nur vermutet werden. Es ist jedenfalls seltsam, dass beinahe wöchentlich von vereiteltem Flugzeugterror berichtet wird, obwohl der dortige Überwachungsmarathon doch eigentlich jeden Terroristen abschrecken müßte. Selbst wenn diese Totschlags nur am Reißbreit der Geheimdienste entworfen sein sollten, stützt es doch die These, wonach abschreckende Wirkungen keine Maßeinheiten sind, mit der polizeiliche Arbeit betrieben werden könnte. Denn wenn nicht mal der kreative Geheimdienstler der Überwachung Abschreckung einräumt, weil er ständig neue Terroristen ins Rennen schickt, dann ist es um den Gehalt des Begriffs nicht gut bestellt.

Ob nun die abschreckende Wirkung im Sozialwesen eine Einheit ist, mit der man rechnen kann, soll hier gar nicht beantwortet werden. Darf gar nicht beantwortet werden! Es verbietet sich darüber überhaupt auch nur nachzudenken. Derzeit hinterfragt man die abschreckende Wirkung der Praxisgebühr. Warum hat sie nicht mehr Patienten zurückschrecken lassen, einen Arzt aufzusuchen? Schrecken fünf Euro pro Arztbesuch vielleicht erfolgreicher ab? Nochmals: es verbietet sich, darüber zu sinnieren. Wo Patienten von ihrem Arzt abgeschreckt werden sollen, sollte sich der Bürger erschreckt genug zeigen, vor Konfrontation mit den Schreckensreformern nicht mehr zurückzuschrecken. Wird erstmal in dieser Weise über Patienten verfügt, dann ist es um den Gehalt von Demokratie und Sozialstaat schlecht bestellt. Kranke sollten eben nicht abgeschreckt, sie sollten zum Arztbesuch ermuntert werden.

Aber davon keine Spur! Ganz im Gegenteil. Man rekrutiert einen Terminus aus dem polizeilichen und juristischen Werktag und platziert ihn im Sozialwesen. Nicht nur dort freilich, abschreckende Wirkung soll so allerlei haben. So sollen Sanktionen in empfindlicher Höhe Arbeitslose davor abschrecken, zu unsittlicher Arbeit Nein zu sagen. Die übertriebene Kriminalisierung von Schwarzarbeit soll abschrecken, während jedoch nicht danach gefragt wird, warum Menschen überhaupt dazu genötigt sind, in solchen Verhältnissen zu buckeln. Man entlehnt den Begriff der Polizeiarbeit und Verbrechensbekämpfung, setzt ihn - wie im aktuellen Beispiel - in die Vorzimmer von Krankenkassen. Beim entlehnten Wort bleibt es aber nicht, denn hinter Worten stecken Intentionen. Mit dem zwielichtigen Wort wandern zwielichtige Hintergründe hinüber ins Gesundheitswesen. Der Verbrecher muß abgeschreckt werden - der Patient auch. Das Schlechte und Verhindertswerte, das Verbrechen, bedarf der Abschreckung - wenn Patienten abgeschreckt werden müssen, konnotiert man sie mit dem Schlechten und Verhindernswerten. Verhindert nicht mehr die Krankheit, verhindert den Kranken! Plötzlich sitzen die Abgeschreckten im gleichen Boot. Der Verbrecher wird nicht Patient, aber der Patient wird unterbewusst zum Verbrecher. Krankheit als Verbrechen!

Eine Gesellschaft, die die sozialstaatlichen Maximen auf abschreckende Wirkungen platziert, damit sich beispielsweise Patienten vor dem Arztbesuch fürchten, hat die Mitmenschlichkeit vollständig verspielt. Eine solche Gesellschaft braucht keine abschreckenden Wirkungen zum eigenen Erhalt, sie ist sich selbst abschreckende Wirkung genug und über kurz oder lang nicht erhaltbar. Was ist das nur für ein Staat, in dem Patienten verschreckt werden sollen?

22 Kommentare:

Markus 23. Januar 2010 um 01:43  

Diese ganze Rhetorik der Neokonservativen, Menschen sollen abgeschreckt werden, man soll ihnen kein angenehmes Leben machen, die Politik muss Härte zeigen, der Einzelne muss Härte zeigen, gnadenlos sein im Konkurrenzkampf jeder gegen jeden, als das zeugt davon, was für eine Gesellschaft sie wollen und wohin sich unsere Gesellschaft auch immer mehr bewegt.

Anonym 23. Januar 2010 um 03:12  

Super Artikel, wirklich gut auf den Punkt gebracht!

MfG Oscar

Kassandra 23. Januar 2010 um 13:13  

Angst-besatzte Menschen sind immer manipulierbar(er).

Und manchmal scheint es, es ist egal, wer mit der Angst besatzt wird und sich besatzen lässt. Hauptsache der Mechanismus der Angst-Besatzung funktioniert.
Der Rest "regelt" sich dann von allein.

Kleine Einschränkung:
Was jedoch die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen angeht:
Es gibt nicht unzahlreiche Menschen, die -statt an anderer Stelle mal 'Nein' zu sagen oder notwendige konstruktive Konflikte einzugehen (z. B. am Erwerbsarbeitsplatz oder in der Familie)- lieber (auch) psychosomatische Krankheiten entwickeln (z. B. Gallensteine, in denen der verhaltene Zorn geronnen ist oder hoher Blutdruck als dann ebenfalls gegen sich selbst gerichtete verkleidete Aggression).
Aber krank zu sein gilt immer noch als legitim, als Entschuldigung und kostet in der Tat dann eine Menge Geld. Dann werden Symptome und "Bypässe" behandelt, die eigentlichen Ursachen (in den Menschen, den Strukturen, dem System) werden dabei aber weiter aufrechterhalten. Eine Verhaltensänderung (und/ oder Veränderung von Strukturen erfolgt nicht. Und dann beklagen "wir" die Umstände und Verhältnisse.
Insofern habe ich zu dieser Thematik schon zwiespältige Empfindungen.

Wolfgang Buck 23. Januar 2010 um 14:20  

Wieder einmal auf den Punkt gebracht.
Habe zufällig bei den nachdenkseiten.de gelesen, wie die BILD den Arbeitszwang für "HARTZ IV ler", den das "Koch-Ferkelchen" fordert verteidigt. Dazu gibt es eine Umfrage. Und was soll man sagen? 62% derer, die sich ihre Meinung bilden lassen sind für einen Arbeitszwang. Nun also Reichsarbeitsdienst reloaded? Gehört irgendwie auch zum Abschreckungswahn. Oder?

M.A. Verick 23. Januar 2010 um 14:47  

Ja, so ist es. Was aber, wenn die abschreckende Wirkung dieser Medikation die offensichtliche Wirkung verfehlt? Die Angriffe auf leere Portemonnaies ohne Erfolg verpuffen?

Die geschaffenen Begehrlichkeiten werden beschützt, damit sie nicht von allen erreicht werden, oder? Und wenn die Defensive durch finanzielle Hürden nicht mehr funktioniert? Sich das Individuum nicht mehr in ausreichender Menge vertreiben lässt, von den üppig aufgestellten Fleischtöpfen? Welche Perversitäten werden als Nächstes aufgetischt?

Die Konsequenz aus Defensive, ist eine Offensive, ist der Angriff, die 'Aufgabe', zwischen beiden Extremen .

"Schlagt sie doch einfach Tod", diese gesamten Nichtsnutze und Minderleister, welche der Gesellschaft zumuten, ihre hässliche Fratze ständig angesichtig zu werden - dann hört auch diese ständige Heuchelei endlich auf. Ständig diese Erinnerungen an unnützen Fleiss, ohne Preis. Verfahrt mit ihnen einfach so, wie aus den Geschichtsbüchern zu entnehmen ist. Fadenscheinige Begründungen für offensichtliche Vorgänge sind ekelhaft, eine Frechheit. Und damit meine ich beide Seiten, der Kampflinie.

Anonym 23. Januar 2010 um 16:05  

Mich interessiert eigentlich seit Jahren nur noch Folgendes:

Weiß diese Gesellschaft was sie tut? Wie kann man sich das sonst ausdenken? Wird das bewußt kalkuliert. Ist man wirklich überzeugt davon? Wie kann man die gesamte Öffentlichkeit gleichschalten. Erklärt sich das alles aus Gruppendruck?

Wie entstehen Kreaturen, die sich das ausdenken? Haben die Zuhause einen Spiegel? Höchstens einen für Abends?

Ist das nur reflexartiges Verhalten. Liegt das in den Genen?

Sind das Aliens?

Anonym 23. Januar 2010 um 16:22  

Eine Frage in die Runde: ist das alles letztlich durch das Lambsdorf Papier 1982 zur Zeit des Dolchstoßes gegen Schmidt und der Übernahme der Verantwortung durch die Freien Demokraten entstanden? Ich habe daß 82 gar nicht mitbekommen, habe das auf den Nachdenkseiten aber nun so gelesen.

M.A. Verick 23. Januar 2010 um 18:20  

@ Anonym 23. Januar 2010 16:22
Nein, aber es scheint einem Nährboden zu entspringen, der bestes Gedeihen ermöglichte. Immer dann, wenn es darum ging, Vermögen und deren Ansprüche zu rechtfertigen. Das ist 'Recht fertigen' für diejenigen, die gezwungen werden unter ihm zu dienen.

Anonym 24. Januar 2010 um 01:25  

unbequemer:

Nun, wer meint andere mit Abschreckung an Dingen zu hindern, sollte mal zuerst an die eigene Nase fassen.

Denn, schreckt es etwa euch Politiker ab, sich Schwarzgeldkassen und Unternehmensspenden anzunehmen, aus Angst davor, als bestechlich dazustehen?

Hat es Strauss, Lambsdorf, Koch, Kohl, Schäuble abgeschreckt? Oder aktuell die FDÜ-Spitze?

Wie könnte man passend zur französichen Revolution sagen: "Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende".

Und zur Zeit sind die Taten unserer (nicht nur unserer) Politiker ein Schrecken ohne Ende.

Und im Wissen um die tatsächliche Macht des Volkes, die den Zuständen ein Ende mit Schrecken bereiten könnten, wurde der EU-Vertrag umgesetzt.

Es wäre ja wirklich vermessen anzunehmen, alle Bürger in allen EU-Staaten würde gleichzeitig für ihre Freiheit aufstehen.

Wie mit einzelnen unzufriedenen Bevölkerungen umzugehen ist, hat ja nicht nur Ungarn und der Prager Frühling gezeigt. Nein auch Chile und viele andere Länder könnte ich aufzählen.

Wenn irgendwann der "Deutsche Michel" aufwacht und aufsteht, dann dürfen ja nach dem EU-Vertrag die Truppen der anderen Staaten hier für Ordnung sorgen. Denn eventuell würde sich die Bundeswehr ja weigern auf die eigene Bevölkerung zu schiessen. Bei Soldaten aus anderen Ländern habe ich da meine Zweifel.

Die da Oben wissen ganz genau was sie tun, die Unten hoffen immer nur, dass es Andere trifft und sie verschont. Dieser Irrglaube hat sich schon einmal als falsch erwiesen.

Anonym 24. Januar 2010 um 04:24  

"hat die Mitmenschlichkeit vollständig verspielt."

Ich habe auch das Empfinden, das dem so ist. Deshalb will ich jetzt mal einige Grundsatzfragen stellen.

1. Ist dies notwendigerweise so 60 Jahre nach einem Krieg, bzw.nach einer Katastrophe. Benötigt man eine neue Katastrophe für einen Neuanfang?
2. Ist es in anderen Ländern der "freien" Welt besser (es werden immer die skandinavischen genannt, die restliche Welt bietet für mich keine Alternative)? Dann wären die Zustände in Deutschland nicht unausweichlich.

Die Gesellschaft müßte human (gedacht) ja völlig anders funktionieren. Warum funktioniert sie so unmenschlich? Wer krank ist sollte natürlich zum Arzt und Josef Ackermann sollte eigentlich solidarisch dem weniger betuchten den Besuch mit ermöglichen. Man darf Ackermann aber nicht heranziehen, da er ohnehin schon ganz viel Kirchensteuer zahlt und dann die Leistung verweigert.

Frage liegt es im Durchschnitt (stammesgeschichtlich erworben) in der Natur des Menschen so inhuman zu sein wie der deutsche Staat es immer mehr ist? Wie sonst ist es möglich, das die Humanität immer mehr verschwindet?

Es schreit doch gen Himmel wie das System funktioniert.

Ein Beispiel: Ein Rentner, hat Schwierigkeiten die Miete zu zahlen. Es gibt nun im System für solche Fälle nicht etwa eine soziale Einrichtung, die sich um den Fall kümmert und aus einem Gemeinschaftsfond hilft, nein die Gesllschaft schickt den Gerichtsvollzieher. Der Gerichtsvollzieher hat zwar Mitgefühl, aber er muß seine Arbeit tun und er wird uns erzählen, das er seine Arbeit gerne und trotzdem auch aus Überzeugung tut. Der Rentner fackelt seine Wohnung ab und bittet um eine lebenslängliche Haftstrafe, die aber abgelehnt wird.

Also es ist so, das die Gesellschaft ja nicht nur speziell sondern auch grundsätzlich inhuman eingerichtet ist.

Nochmal woran liegt das? Kann die Gesellschaft human nicht finanziert werden und weiß das die Durchschittsseele instinktiv (aber nicht bewußt), so das sie das Inhumane gar nicht wahr nimmt?

Oder ist es rationaler? D. h. kann man davon ausgehen, das wenn man einen Rentern unterstützt, dann alle sich stützen lassen wollen.

Ist es so, daß wenn man einen Erwerbslosen nicht sanktioniert, dann alle Anderen sich auch auf die faule Haut legen. So wird das letztlich rationalisiert. Ich denke das nicht, aber die deutsche Gesllschaft funktioniert so

Um direkt zum Thema zurückzukommen: Muß man die Praxisgebühr erheben, weil sonst die Solidargemeinschaft ausgenutzt wird. Es ist ja so, ausgenutzt wird ja vermutlich immer in begrenztem Umfang. Aber ich hatte immer die Einstellung, das bißchen Ausnutzung kann ich mittragen, wenn ich dadurch die viel schlimmere Inhumanität verhindere. Bzw. ich rationalisiere das gar nicht. Ich komme nur auf humane und gar nicht auf inhumane Gedanken

Trotzdem rational: Kann die Gesellschaft voll human finanziert werden oder nicht?

Oder spricht vielleicht die Inhumanität dafür, das nach den Gesetz der großen Zahl der Mensch instinktiv im Durchschnitt "weiß" das das nicht geht und damit unbewußt zu seiner Inhumanität gezwungen wird?

Peinhard 24. Januar 2010 um 11:41  

"Trotzdem rational: Kann die Gesellschaft voll human finanziert werden oder nicht?"

Kurze Antwort: nicht im Kapitalismus. Und schon gar nicht im Spätkapitalismus, der schon Kreditexzesse braucht, um die Akkumulation - die conditio sine qua non seiner Existenz - noch irgendwie in Gang zu halten. Der oberflächlich richtig scheinende Spruch 'Geld ist genug da' ist vor diesem Hintergrund schlicht falsch.

Michel 24. Januar 2010 um 14:36  

Das Sozialsystem braucht eine abschreckende Wirkung, weil Löhne von Vollzeit-Angestellten mittlerweile so niedrig sind, dass sie (fast/nahezu) auf HartzIV-Niveau sind, wobei man dann noch bedenken muss, dass Vollzeit-Arbeiter doch oft Berufskleidung, bürotaugliche bzw. "verkäuferinnentaugliche" Schuhe, Kosmetika usw. kaufen müssen.

Dass Problem ist nicht, dass hartzIV zu hoch oder Arbeitslosigkeit in einem Land mit Arbeitslosen- und Sozialversicherung zu attraktiv ist, sondern dass das die niedrigsten Vollzeit-Löhne zu niedrig sind.

Leider wird dieser Zusammenhang von den Medien nicht ausreichend deutlich dargestellt.

Stattdessen erlaubt man Koch und vonderLeyen, ihr Gift zu versprühen, ersterer ganz offen unter dem Deckmantel von Fairness, letztere subtiler.




@ all: postet doch nicht immer als "annonym", da kann man sich so schlecht auf Beiträge beziehen.

Wenn ihr "Name/URL" anklickt, könnt ihr euch einen beliebigen Namen ausdenken, eine URL, also eine www. muss nicht angegeben werden, kann man freilassen.

Anonym 24. Januar 2010 um 18:49  

Schwankende Wechselkurse und Rohstoffpreise, über der Wachstumsrate liegende
Zinssätze und zunehmende Gewinnchancen kurzfristiger Finanzspekulation dämpfen das
Wachstum der Realinvestitionen und damit der Gesamtwirtschaft; als Folge steigen
Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung, was wiederum einen Abbau des Sozialstaats als
„Sachzwang“ erscheinen lässt.

Stefan Schulmeister.

Ich hasse diese Untergangsrethorik von manchen Kommentatoren.
Macht euch doch erst mal Sachkundig.
Untergangsrhetorik ist gut für den Finanzkapitalismus.
So begründet man Jojopreise auf den Rohstoffmärkten.

Anonym 24. Januar 2010 um 18:57  

Die Zunahme der Ungleichheit in der Einkommensverteilung dämpft die
Konsumnachfrage „strukturell“, und damit auch die Erträge der Unternehmen aus
realwirtschaftlicher Tätigkeit. Dies hat gemeinsam mit den Anreizen zur
Finanzakkumulation als Folge der neoliberalen Ent-Fesselung der Finanzmärkte sowie der
steuerlichen Begünstigung von Finanzkapitalerträgen zum Rückgang des Wachstums der
Realinvestitionen wesentlich beigetragen.

Unsere Probleme steigende Arbeitslosigkeit, steigende Kriminalität, steigende Einkommensungleichheit sind Folge der Wirtschaftspolitik.

Jetzt meine Frage an die Untergangsrhetoriker.
Ist eine Wirtschaftspolitik wie sie Willy Brandt gemacht hat nicht mehr möglich?

ulrich 24. Januar 2010 um 19:23  

hallo peinhard
warum ist der spruch:" geld ist genug da" falsch
mfg ulrich

M.A. Verick 24. Januar 2010 um 20:22  

Ja, die Mitmenschlichkeit. Von ihr wird geträumt, besteht lediglich aus Gedanken. Noch bevor es zu diesen Mitmenschlichkeiten (zusammen mit dem Menschen) im Tun und Handeln kommt, zollt die Konstruktion einer Gesellschaftsform ihren Tribut, die darauf hin ausgerichtet wurde, in ständigem Wettbewerb zueinander zu stehen - es kommt einem Kampf gleich. Wettbewerb belebt das Geschäft, heisst es doch, oder? Der Preis für diesen Wettbewerb ist die Mitmenschlichkeit.

Eines Siegers gleich, der am Ziel angekommen, den Verlierern zujubelt: "Kommt zu mir, wir wollen uns diesen Preis zusammen teilen, damit wir alle beim nächsten mal erneut, unsere Geschicklichkeiten verbessern können." Ein merkwürdiges und unbekanntes Bild. Wer siegen will, der muss verstehen, dass auf dem Siegertreppchen, in dieser Realität, nur Platz für sehr wenige ist. Die Verlierer, der Grosse Rest, bilden den pyramidialen Sockel - an deren Spitze es sich vorzüglichst Leben lässt.

Dies 'könnte' mit Gegenmenschlichkeit (gegen den Menschen gewandt) verwechselt werden. Erdacht und ausgearbeitet vor ewigen Zeiten, von gerademal 1% der Menschen, ordnen sich fast alle 99% diesem menschlichkeitsfeindlichen System unter. Allerdings nie bis in alle Ewigkeit, obwohl mit Hochdruck ständig daran gearbeitet wird. Daher gab/gibt es auch ständig nur Updates und Patches an diesem unseren gesellschaflichen Betriebssystem, der Einfluss von wenigen Mächtigen ist einfach zu gross - schon von je her.

Ein Krieg könnte die Lösung sein - die Loslösung von Altem, und kann es ermöglichen, das gesellschaftliche Betriebssystem an Neue, noch perversere Denkmuster anzupassen. Die Akteure verdrängen offenbar, das wir einen 3. bewaffneten Weltkonflikt, bei den Potenzialen an A-B-C Waffen, wohl kaum überleben werden.

Geniessen wir das Spektakel, welches geistlose Spinner und abgelenkte Unmenschen, einer vorgefertigten Agenda gleich - von uns abarbeiten lassen.

Anonym 24. Januar 2010 um 21:29  

@Anonym 24. Januar 2010 04:24
(also an mich selbst)

Ich versuche ja eine "tiefschürfende" Analyse warum die Mitmenschlichkeit verspielt (hat).
Nun frage ich mich ja imnmer, ob jemals Mitmenschlichekeit bestanden hat. Es war ja mal preiswerter und es wurde nicht abgeschreckt.

Aber das heißt ja nicht, das es da menschlich war. Ich sage immer die "Verkommenheit" zeigt sich daran, daß bei der ersten Krise alles auf die "Schwächeren" abgewälzt wird. Man versucht nicht die Leistung zu erhalten, man kürzt und erhöht und quält, das es unerträglkich wird.

Wenn es aber vormals besser aber nicht menschlich war, dann ist es jetzt schlechter aber nicht unbedingt unmenschlich.

Man kann es dann so erklären:

Sie haben einfach zuwenig Geld. Deshalb erhöhen sie die Gebühr und sie wollen, das für sie alles so bleibt wie bisher. Also holen sie es sich nicht von Ackermann, sondern vom "armen Schwein".

Früher haben sie Schwimmbäder für jede Stadt mehrere gebaut, als die Kohle da war. Sie wollten ja wiedergewählt werden. Wenn sie nun kürzen und erhöhen, sind sie eigentlich nicht unmenschlich, genausowenig wie sie zuvor menschlich waren. Das sind nur Opportunisten.

Bleibt die Frage warum sie die Gebühr per Abschreckung rechtfertigen. Das ist entweder pervers oder abgekartet.

Aber sie haben die Menschlichkeit nicht verspielt weil sie nie menschlich waren.

Manchmal muß man am selben Tag noch umdenken, obwohl ich sagen muß ich dachte immer daran, das es am Geld liegt was sie tun. Freilich sie könnten trotz Geldmangel humaner sein, aber sie haben einen Richtungswechsel eigentlich nicht nötig.

Dabei will ichs erstmal belassen, obwohl ich es noch etwas abrunden könnte.

Ajax 24. Januar 2010 um 21:34  

Ok so 21:30 am 24. eben war von mir, aber seid doch nicht immer so unfreundlich, wenn man nicht der allgemeinen Blog-Meinung ist.

Charlie 26. Januar 2010 um 02:38  

@ulrich, 24. Januar:

Auch wenn die Frage nicht an mich gerichtet war, will ich sie gerne beantworten:

Der Spruch "Geld ist genug da" ist in der Tat falsch - richtig müsste er heißen: Geld wäre genug da, wenn wir ein vernünftiges Geldsystem hätten.

Es gibt zwar immer mehr (virtuelles) Geld, aber durch die Begründung unseres Geldsystems auf den Zins und Zinseszins entstehen mit der Zeit immer höhere Abgabelasten und Ungleichgewichte, die exponentiell anwachsen, auf Seiten der wenigen Reichen zu immer mehr überquellendem Reichtum führen und das wachsende Geldvermögen zunehmend binden. Das muss zwangsläufig entweder in den Systemkollaps führen - oder in eine Welt wie Orwells "1984".

Peinhard 26. Januar 2010 um 10:17  

Das 'Geldsystem' ist nach wie vor nur sekundärer Ausdruck des Prinzips, aus Geld mehr Geld zu machen. Ersteres anzugreifen ohne letzteres auch in Frage zu stellen heisst nichts anderes als auf Ausbeutung zu bestehen. Denn das schaffe ja immerhin noch 'Arbeitsplätze'...

Ajax 26. Januar 2010 um 13:32  

@ Charlie 26. Januar 2010 02:38

Ich habe fachlich keine Ahnung von Ökonomie und ich kann nicht wirklich sagen ob genug Geld da ist.
Meine Ansicht ist, aber auch, das viel Geld "virtuell" ist, es wird damit spekuliert, um es zu vermehren statt es in die Realwirtschaft zu investieren. Der Superreiche weiß nichts mit den Geld anzufangen und versenkt dann wie Steven Spielberg mal locker 300 MIO US Dollar bei Maddoff.

Er würde es vielleicht eher in die Realwirtschaft investieren, aber dazu müssen Ideen vorhanden sein in die investiert werden kann (z. B. in eine Neugründung wie Google).

Da es nicht genug Ideen gibt in die investiert werden kann, müßte das Geld weggesteuert werden, um es an diejenigen zu verteilen, die keine bzw, nicht genügend eigene Einnahmen haben. Dann würde es durch deren Konsum produktive Folgen haben. Derzeit erhöht es als "virtuelles" Geld nur die Einnahmen der Banken und derjenigen die an den Spekulationen erfolgreich teilnehmen.

Das ist alles recht simpel gedacht aber bisher hat mir bei diesen Gedanken noch niemand sachlich widersprochen.

Charlie 27. Januar 2010 um 02:22  

@ Peinhard:

Darüber haben wir ja an anderer Stelle schon einmal diskutiert ;-) ... aber Du missverstehst mich, wenn Du meinst, ich würde am kapitalistischen Wirtschaftssystem festhalten wollen. Es ist nur so, dass auch jedes andere (sinnvollere, humanere, ökologischere) System nicht funktionieren kann, wenn nicht zuerst das Geldsystem geändert wird. Solange der Zins zu einer exponentiell ansteigenden Kurve des "ewigen Wachstums" ("exponentiell" und "ewig" sind zwei Dinge, die sich de facto ausschließen) verdammt, solange kann auch kein anderes Wirtschaftssystem zu einem gerechteren, humaneren und schöneren Leben für alle verhelfen.

@ Ajax:

Genau das, was Du beschreibst, ist eine Folge dieses Geldsystems: Leute, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, "verleihen" es eben gerne gegen Zinsen, weil sie auf diese Weise letztlich immer mehr Geld besitzen, ohne irgendetwas dafür tun zu müssen ("leistungsloses Einkommen"). Sie müssen sich fühlen, als besäßen sie das Füllhorn oder den Goldesel. Und genauso ist es ja auch.

Einen ersten kleinen Überblick kannst Du dir verschaffen, wenn Du dir den kleinen Film über den Goldschmied Fabian ansiehst, in dem das Geldsystem und der Zinsfehler sehr anschaulich erklärt werden:

http://video.google.de/videoplay?docid=8862164735311239449#

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