De dicto

Dienstag, 6. Oktober 2009

"Lieber Sarrazin, sind Sie verrückt? [...] „Die Probleme der Hauptstadt sind komplex.“ Und dann hätten Sie etwas Vorgekautes sagen müssen, das schon durch viele Mäuler ging. [...]
Sie haben Klartext gesprochen – aber Ihre Sprache ist nicht political correct.
[...] Für mich sind Sie ein wunderbarer Rüpel. Hoffentlich überleben Sie.“
- BILD-Zeitung, Franz Josef Wagner am 4. Oktober 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Man weiß nicht, was trauriger ist. Die ausländerfeindlichen, rassistischen, sozialdarwinistischen und reaktionären Ausdünstungen des Sarrazin oder der tosende Applaus dieser traurigen Gestalt des Boulevard. Wenn ein Mann, der durch Fingerschnippen zehn Journalisten bei der Hand hat, dies ausnutzt und in deren Gegenwart seinen elitären und menschenverachtenden Brei anrührt, dann ist das sicherlich mehr als bedenklich. Denn auch wenn es einem in der Seele schmerzt, man es sich nicht eingestehen will: Sarrazin nimmt sicherlich viel Einfluss auf eine ganze Reihe von Menschen in diesem Land, bestätigt ihre Vorurteile, verfestigt ihre Eindimensionalität, füttert ihre Ausländerfeindlichkeit. Aber wenn dann zu allem Überfluss auch noch ein journalistischer Kasper die Szenerie betritt, der dieser desolaten Vorstellung überdies noch großartige Haltungsnoten ausstellt, dann ist das ebenso gefährlich - weitaus gefährlicher!

Wagner erinnert in fataler Weise an jene Herren, die vor weniger als achtzig Jahren applaudierten, wenn mal wieder aus den diesigen Bierkellern des Reiches Wahrheiten heraufwehten, die nur Wahrheiten zwischen beißenden Rauchschwaden, klebrigen Maßkrügen und fettigen Brotzeiten sein konnten, die keinen Anspruch auf Objektivität und Toleranz besaßen, nur durch die schwummerige Berauschung zur Entfaltung kamen. Jene Herren waren keine Parteigänger des Schnauzbärtigen, hatten kein Parteiabzeichen. Sie hätten es sich verbeten, als Genossen des "gestiefelten Messias" (Camus) eingereiht zu werden. Himmelherrgott, wenn er aber doch mal wieder zur Höchstform aufgelaufen ist und besonders treffend über die personifizierten Mißstände herfiel, verbal in Stücke riss, was ihm vor die tollwütige Schnauze lief, soll man da etwa nicht loben dürfen? Nein, dann standen diese bürgerlichen Herren im Stehkragen auf, reckten ihren dicken, wohlgenährten Hintern empor und begannen frenetisch zu klatschen. Sie seien alle keine Anhänger dieses Bierkeller-Agitators - neinnein! -, haben sie verkündet, mit dem hätten sie nichts gemein - woher denn auch! -, aber wenn er doch mal Wahres ausspricht, dann müsse man das doch honorieren. Dazu ist man in aller Objektivität und im Namen der Wahrheit verpflichtet. Wagner benimmt sich ganz ähnlich, er richtet sich den Stehkragen auf, motzt über alles, was nur sozialdemokratisch riecht, wenn es denn innerhalb der namentlichen Sozialdemokratie überhaupt noch mal wirklich so riecht, kuschelt sich aber an den schielenden Trommler aus dem muffigen Lager. Wenn er doch Klartext redet, dieser "wunderbare Rüpel", dann macht man sich mit einem solchen Hosentaschen-Faschisten auch gerne gemein. Da ist Wagner gerne ganz objektiv.

Was Wagner Ehrlichkeit nennt, was er als solche feiert, ist gebündelte Inhumanität, die sich innerhalb dieser Gesellschaft immer breitere Bahnen reißt. Beängstigend ist es, wenn offensichtliche Menschenfeinde öffentlich Bekenntnis ablegen und ihre sophistische Diarrhö bräunlich durch und auf den Blätterwald sprenkeln. Wenn sich aber wieder einmal die feinen Bürgersleut' erheben, dem Durchfallpatienten Ehrungen zuteil werden lassen, weil er der mutige Desperado allein auf weiter Flur sei, dem die Wahrheit nur so aus dem Mund sprudelt, der Schmerzhaftes ausspricht, mit dem Ziel Linderung zu erreichen, wenn man einem solchen Gauner also wieder Applaus spendet, dann sind wir wieder dort, wo wir nicht mehr zu sein glauben wollten. Erst beklatscht man den unliebsamen Verkünder angeblicher Wahrheiten, dann hofiert man diejenigen, die sich der unliebsamen Aufgabe widmen, die Unliebsamen durch unliebsame Spezialbehandlungen abzufertigen.

Franz Josef Wagner wandelt (wieder einmal) auf Spuren, die geradewegs ins Verderben führen. Er klatscht und johlt, wie weiland unsere (Ur-)Großväter, wie die (Ur-)Großväter des heutigen deutschen Bürgertums. Der eine ist ein Faschist der Tat, der eigene Gedanken, windige und hanebüchene Gedanken zwar, aber doch Gedanken, in den Raum wirft. Der andere ist ein mitläuferischer Faschist, der akklamiert, zustimmt, "Hoch soll er leben!" ruft. Faschisten sind sie am Ende beide. Man möchte es weniger drastisch sagen, möchte wenigstens dem Boulevard-Schmierfink ob seiner intellektuellen Nichtigkeit nicht zu nahe treten - alleine es gelingt nicht, sie sind beim Namen zu nennen.

26 Kommentare:

Desparada-News 6. Oktober 2009 um 02:02  

Sarrazin bekommt leider eine ganze Menge Beifall, in den Leserkommentaren, Foren, usw. Wenn ich das so lese, dann bedauere ich, in Deutschland alt geworden zu sein. Das bedauere ich nicht nur deshalb inzwischen, aber es ist auch ein Teil davon.

Und, es ist das Einzige, was ich in meinem Leben bedauere. Inzwischen kotzt mich manches schon sehr heftig an. Es ist gerade die Menge dieser Kasper, die aus allen Löchern zu kriechen scheinen, wenn so ein Thema und so einer wie Sarrazin mal auf der Tagesordnung auftauchen.

Das Erschreckende ist, dass das alles noch und wieder geschieht, so als wollten es diese Leute in die Tat umsetzen, was dumpf in manchen Stuben, und eben an den Stammtischen schon längst ein gängiger Spruch ist: "Es müßte wieder ein kleiner Hitler her!"

Diese unbeschreibliche Sehnsucht nach einem vernichtungswütigen Schreihals konnte ich nie verstehen. Es ging daran eine Bekanntschaft in die Brüche - das waren ordentliche und fleissige Leute, allerdings nicht reich, und die Frau war so drauf. Ich habe dankend auf weitere Gesellschaft dieser Menschen verzichtet.

Gerade weil es dies alles gibt, ist einer wie Sarrazin so gefährlich, und das muss eben immer wieder betont werden. Danke Dir.

klaus baum 6. Oktober 2009 um 07:37  

Lieber Lapuente, wie können Sie nur die Wahrheit sagen? Ist das denn erlaubt?

ad sinistram 6. Oktober 2009 um 08:08  

Die BILD bringt heute "Prominente", die Sarrazin in Schutz nehmen (den Link spare ich mir). Aufgereiht werden Baring, Giordano und Broder. Letzterer sagt: "Seien wir doch froh über einen, der Sinnvolles und Richtiges in provokanter Form ausspricht!“ Dem will ich mich anschließen, ich will auch etwas Provokantes sagen, und wenn es nur die Wahrheit ist. Etwas Provokantes, das mich in den Ruch des Antisemitismus bringen wird, diesem ewigen Beißreflex der Kritisierten.

Es ist nämlich mehr als erstaunlich, dass zwei Menschen jüdischer Religion daran teilnehmen, auf Minderheiten zu dreschen. Es ist unglaublich, dass sie jemanden die Stange halten, der behauptet, bestimmte Menschen hätten hierzulande keine ökonomische Funktion. Und das, obwohl die eigenen Vorfahren (im Falle Giordanos er selbst) betroffen waren von einer Bewegung, die in gleichen Maßstäben dachte. Carl Amery hat das in "Hitler als Vorläufer" erläutert.

Aber nicht nur das, er hat auch etwas erläutert, was Giordano zur Sprache brachte: "Eingebrockt haben uns diese Verhältnisse Multikulti-Illusionisten, professionelle Gutmenschen, Umarmer vom Dienst, Sozialromantiker und Beschwichtigungsapostel." Amery weist darauf hin, dass dies die Hauptmotivation Hitlers war, die Juden zu vernichten. Der jüdische Geist, der Humanität und Nächstenliebe praktizierte, der auch in der weltweiten Diaspora aktiv aufkeimte, sei angeblich gegen das Naturgesetz. Und wer wider die Natur steht, der muß getilgt werden.

Oh ja, es ist mehr als unglaublich, dass man nun auf der "richtigen Seite" stehen will, wenn es los geht mit den Hetzereien, wenn man dazu übergeht, verbal zunächst, nur als Vorstufe, den Menschen in ökonomischen Wert und Unwert zu unterteilen.

Aber nein, das bedeutet nicht, "schon wieder die Juden!", es bedeutet, dass es gerade diese beiden Herrschaften sind, die gerne das Andenken an damals wachhalten - zurecht! - und die andererseits andere Randgruppen bedrängen. Baring steht da nicht außen vor, auch wenn er nicht jüdisch ist. Er trägt die gleiche Verantwortung - das heißt, er trüge sie, wenn er sie denn tragen wollte.

Kurzum, nach Broder habe ich nun etwas Provokantes verlauten lassen. Er sollte froh sein, dass es Menschen gibt, die sich das noch trauen. Auch wenn das Provokante meinerseits, nicht provokant war, nur ehrlich. Sarrazin hat ebensowenig Provokantes verkündet, er verkündete die wortgewordene Dummheit, zündelt schon mal herum, damit er gut gerüstet steht, wenn wieder Häuser abgefackelt werden.

christophe 6. Oktober 2009 um 08:27  

Es wäre - und sei es nur als 'populistische' Geste - das mindeste gewesen, wenn das neue Politbüro der SPD anläßlich seiner Ernennung durch sich selbst den Genossen Sarrazin aus der Partei ausgeschlossen hätte. Es ist jedoch zu vermuten, dass selbst Wolfgang Clement noch Mitglied wäre, wenn er nicht selbst gegangen wäre. Aber so entgeht man natürlich dem Vorwurf der Gossenpresse, intolerant zu sein...

Anonym 6. Oktober 2009 um 09:00  

Lieber Roberto,

"Wehret den Anfängen".

Danke für den Artikel.

E. Bonacker

Andreas 6. Oktober 2009 um 09:40  

Dieser Vorgang wird wohl morgen auch Thema bei "hartaberfair" sein. Die Gästeliste ist zurzeit noch nicht bekannt.

Wer aber schon jetzt mal einen Blick in das dortige Gästebuch werfen möchte: Die meisten bisherigen Einträge sprechen Bände. Ggf. sollten vor dem Lesen derselben also schon mal Kotztüten in Reichweite liegen...

Traurig, aber wahr!

Anonym 6. Oktober 2009 um 09:42  

Sarrazin wiederholt eigentlich nur das, was er vor einbem halben Jahr bereits schon einmal sagte. Nur da war der Adressat das Prekariat im allgemeinen - mit den Türken hat er sich jetzt eine Gruppe ausgesucht, die viel Zuspruch verspricht.

Man schaue mal ins Hard-aber-fair Gästebuch.

Da gibt es bereits offenen Drohungen und somit ein klarer Beweis, dass hier der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist.

Diese Reaktion zeigt aber auch, was diesem Land bevorsteht, wenn die nächste Runde in der Finanzkrise eingeläutet wird.

Statt sozialer Empörung kann es wieder zum Progrom kommen. Und Herr Sarrazin agiert wohl kaum als Individuum - er handelt im Auftrag der Gruppe, für die er auch in der Bundesbank sitzt. Dieser Punkt fehlt mir in der allgemeinen Diskussion.

HAL9002 6. Oktober 2009 um 10:24  

Hmmmm,
sehen wir Sarazin nur mal einen Auswuchs einer bestimmten gesellschaftlichen Richtung - dann stellt sich mir die erste Frage: Wie kann eine Gesllschaft reagieren, die ins Ungewisse abgleitet, die verängstig ist?
Sie kann wie eine Herde enger zusammen rücken, oder sich auflösen. Sarrazin steht für den Zerfall in Einzelinteressen, die zuerst einmal in der Zerschlagung der Struktur münden werden.
Nun die Gretchenfrage: Könnte man genauso wie Sarrazin und Bild die Auflösung derGesellschaft betreiben, das gleiche auf der anderen Seite machen?
Mit blöden, vielleicht inhumanen Haudraufsprüchen für mehr Solidariätät werben?
Oder anders herum: Kann man die "Bild" et. al. so instrumentalisieren, dass Blödheit, Egoismus und Fachismus etwas Gutes ergiben?
Die Antwort ist wohl selbstreferenzierend, der Überbau klar, der Weg schon hundertfach beschrieben. Trotzdem verblüffen die irrsinnigen Datails immer wieder.
Los ihr Clements, Sinns, Olaf Henkels, Niebels, Brünnings! Verblüfft mich!

Maverick 6. Oktober 2009 um 10:47  

Selbst wenn die Parteispitze es nicht für nötig erachtet, solche Individuen wie Sarrazin und Konsorten aus der Partei zu komplementieren, sollte bei einer gesunden Parteistruktur wenigstens die Basis dafür sorgen. Aber still ruht der See. Somit ist die gesamte Partei schuldig und nicht wert, dass man ihr nachtrauert .

Anonym 6. Oktober 2009 um 11:50  

Ich habe auch mal nen Blick ins "hart aber fair" Gästebuch geworfen und kam mir dort erstmal vor wie in einem NPD Forum.

Das wirklich Traurige an der Sache ist dass viele der Leute die ihn und seine ausländerfeindlichen Texte dort verteidigen wahrscheinlich auch zu den Menschen zählen die am Rande der Gesellschaft leben (Entweder Hartz IV oder Niedriglohn) Und was sagte er nochmal über die?

"Das Problem ist das 40 % aller Geburten in der Unterschicht stattfinden und diese füllen dann die Schulklassen."

"Wir brauchen eine andere Familienpolitik, weg von Geldleistungen vor allem für die Unterschicht."

Diese Äusserungen sind leider in der jetzigen Debatte über die ausländerfeindlichen Äusserungen etwas untergegangen obwohl sie mindestens genauso schlimm sind.

Man kann Sarrazins Äusserungen ganz simpel zusammenfassen.

Arme + Ausländer = Untermenschen die überflüssig sind für die Gesellschaft.

Systemfrager 6. Oktober 2009 um 12:11  

Wir sollen nicht falsch deuten, worum es geht.

Die Ganoven Schröder, Sarrazin, Münte, Clement, Rister, Gabriel, Nahles, Scheer, ... haben die Wünsche des Klassenfeindes mit einer diabolischen Hartnäckigkeit realisiert. Sie haben dies so gründlich getan, dass die schwarz-gelbe Koalition gar nichts Besonders mehr zu tun braucht. (Also der Gedanke, jetzt kommt ein Sozialschlag und die SPD kommt großartig zurück, ist eine Naivität und für die SPD ein frommer Wunsch.) Auch wenn die Scharz-grünen Lust auf weitere Grausamkeiten hätten, die EU-Staaten würden es nicht mehr erlauben. Die anderen sind auch nicht blöd, um nicht zu merken, wie die deutschen Überschüsse entstanden sind. Deutschland wird nicht einfach weiter so Lohn- und Sozialdamping betreiben können und den anderen den Markt kaputt machen. Aber zurück zur SPD.

Diesen Ganoven haben sich erhofft, jetzt kommt der große Dank von der Wirtschaft - fantastische Gratifikationen. Nein! Schröder hat auch gemeint, die deutsche Wirtschaft würde ihn auf den Armen tragen und ihm Denkmale bauen. Er musste sich aber nach Russland verpis... Jetzt wird man die anderen SPD-Verräter elegant als Sozialfriedenstörer entfernen und das Volk wird klatschen: mit Recht.

Anonym 6. Oktober 2009 um 13:10  

Unabhängig davon, dass es (übrigens seit Jahrzehnten) viele inhaltliche (und z. T. selbst verursachte) Themen auch in unserem Land gibt, die der umfassenden und allseits humanen Lösung bedürfen und zwar ohne Nullsummenspiele!:

Was für Vorbilder für z. B. 14jährige Kinder, die sich an noch Jüngeren vergreifen, sie mißhandeln und anschließend in den Gully werfen! Die Kinder und Jugendlichen brauchen gar keine Videospiele o.ä., um zu verrohen – nein, es wird ihnen von nah und fern vorgelebt.
Hübsch verkleidet hinter so manchen Nadelstreifen und Seidenschals finden sich immer wieder lauter Skelette, abgenagte Gerippe.
Der physische Amoklauf von Schülern entspricht dem verbalen Amoklauf „von ebenfalls ganz normalen, ruhigen und netten Menschen von nebenan“. Und die Medien geben der Vorstellung (im doppelten Wortsinn) auch noch eine Bühne.

Mal wieder wird ein Bevölkerungsteil gegen den anderen ausgespielt. Und noch erschreckender: Minderheiten pöbeln (in bester Absicht?!) gegen Minderheiten, um zur (scheinbaren) Mehrheit gehören zu können und an die (im)materiellen Tröge zu gelangen.
Ist es eigentlich schon einmal vorgekommen, dass sich eine Minderheit für eine andere aktiv eingesetzt hat?
Ich hätte im Leben nie gedacht, selber einmal das von Ekel erfüllte Empfinden in mir sprießen zu lassen, dass es Menschen(gruppen) genießen könnten, einer Minderheit anzugehören und diese Angehörigkeit missbrauchen könnten, um -auf Kosten und des Lebens anderer- insgesamt an Status und Ansehen gewinnen zu können oder ins Fernsehen zu kommen.

Und wer ist der lachende Dritte bei diesem „Spiel“?


Und immer wieder dieses Verwechseln von Symptomen und Ursachen und die ewige Suche nach austauschbaren Sündenböcken!
Und alle sind beteiligt: in den Betrieben, in Behörden, in den Schulen, im Verein, in der Politik, der Wirtschaft, zwischen Nationen.

Was soll damit verdeckt werden??:
Unsere sog. Wissenselite weiß (seit gut zwei Jahrzehnten) absolut nicht mehr weiter (Erwerbsarbeitslosigkeit, Klima, sog. Finanzkrise, usw.). Wir drehen uns immer und immer wieder im Kreis.

Wie schlimm muß die öffentliche und jeweils private Lage sein, dass dies (wieder) möglich wird.

Gott, wie ich diese selbstgerechten Menschen satt habe, die sich (un)bewusst zum Maßstab aller Dinge und immer mehr auch aller Menschen machen, dabei das Gemeinwohl propagieren und (un)bewusst einen Kollateralschaden nach dem anderen produzieren.

PS: Ich empfehle ‚Der Wahnsinn der Normalität‘ von Arno Gruen – einem Autor, der auch einer Minderheit angehört, dies aber in sich gemeistert zu haben scheint (Ich kenne ihn nicht persönlich), weil er seine Empfindungsfähigkeit nicht abgestumpft hat und innerlich lebendig geblieben ist.

Jutta Rydzewski 6. Oktober 2009 um 13:28  

Das "Sommermärchen", wie es der Historiker, Arnulf Baring, und sein Gesinnungs-Kumpel, Christean Wagner, (CDU-Fraktionschef im hessischen Landtag, der u.a. als hessischer Justizminister Fußfesseln auch für Arbeitslose und Drogenabhängige forderte) im Jahre 2006, anlässlich einer Veranstaltungsreihe gesehen und bekundet haben. Wagners damaliger Einladungstext:

Die Fußballweltmeisterschaft in unserem Land hat den Umgang mit nationalen Symbolen wieder selbstverständlicher gemacht. Die Diktatur der Nationalsozialisten und die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs hatten das deutsche Nationalgefühl stark beschädigt. In den Jahrzehnten nach 1945 hatten wir Deutsche große Probleme, zu einem normalen Patriotismus zurückzufinden. Das scheint nun gelungen zu sein. Unser Staat braucht Patrioten. Nur der, dem seine Heimat am Herzen liegt, zeigt auch Engagement für die Gemeinschaft. Die Liebe zur Heimat ist keine überholte Tradition, sondern einer der Eckpfeiler eines intakten Gemeinwesens. Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Was uns leitet - Eckpfeiler einer bürgerlichen Kultur" nimmt sich der Eröffnungsvortrag dieser Thematik an. Der Historiker und Publizist Arnulf Baring wird das mitunter schwierige Verhältnis der Deutschen zu ihrer Nation beleuchten. Sein Vortrag „Es lebe die Republik – Es lebe Deutschland“ verheißt eine anregende Diskussion.

Christean Wagner äußerte sich besonders über die Ausführungen von Arnulf Baring hoch zufrieden. Baring habe "vielen aus dem Herzen gesprochen" als er zum Ausdruck brachte:

Die Deutschen müssten "die eigene Würde und Selbstachtung wiederfinden". Dabei könne man auf "lange Jahrhunderte deutscher Tüchtigkeit und deutscher Friedlichkeit" aufbauen. Die Nazi-Diktatur sei hingegen nur "eine beklagenswerte Entgleisung" gewesen. Baring vertrat die Auffassung, dass die Deutschen in der Nazi-Zeit zwar antisemitisch gewesen seien, die Ermordung der Juden aber abgelehnt hätten. Sie hätten sich von Adolf Hitler eine "Konsolidierung" des Landes versprochen, die er bis 1938 auch geleistet habe. "Alles, was danach kam, ist doch von der Bevölkerung nicht gewollt worden", behauptete der Redner. Er verwahrte sich gegen die Einschätzung, dass die Judenvernichtung als Verbrechen "einzigartig und unvergleichbar" sei. "Das scheint mir schon eine Übertreibung zu sein." ... Die Gewalttaten heutiger Rechtsextremisten sieht Baring nicht als neonazistisch motiviert. "Das sind keine Nazis", sagte er. Es gehe um "Jugendverirrungen" von Leuten, "die sich wichtig machen wollen. Das ist nicht politisch." Mit Blick auf Einwanderer forderte Baring, nicht Integration sei gefragt, sondern "Eindeutschung". Er verwende den Begriff, auch wenn der von den Nazis benutzt worden sei. "Diese Berührungsangst, irgendwelche Vokabeln zu übernehmen, die das Dritte Reich verwendet hat, hat auch was Kleinkariertes", urteilte Baring.

Ich denke, dass sich jede weitere Diskussion über Typen wie Baring, Wagner und Co. erübrigt.

Jutta Rydzewski

rauskucker 6. Oktober 2009 um 13:32  

Interessant dazu vielleicht auch das Interview mit Olaf Henkel im DLF:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1045960/
Witzig daran fand ich, daß Henkel und der (ansonsten ganz vernünftige) Interviewer sich einig waren, es handele sich bei Philipp Rösler (FDP-Minister) um einen "erfolgreich integrierten" Zuwanderersohn aus Ostasien. Der ist als Baby adoptiert worden und bei deutschen Eltern aufgewachsen. Aber wenn einer asiatisch aussieht, muß er eben ein Ausländerkind sein. (Und so wird er wohl der Quoten-"Ausländer" der neuen Bundesregierung...)

Ansonsten vielen Dank für den Artikel und besonders für den Hinweis auf Carl Amery.

Sepp Aigner 6. Oktober 2009 um 14:00  

Broder & Co.:
Was diese Leute auszeichnet ist nicht, dass sie juedischen Kulturhintergrund haben, sondern dass sie Zionisten sind. Das eine geht nicht aus dem anderen hervor und ist schon gar nicht identisch. Es gibt in Israel und anderswo Menschen , die sich als Juden definieren, die gegen solche wie Broder ankaempfen.

Ansonsten: Gruss, Roberto De Lapuente. Deine Texte lese ich fast taeglich, und fast immer mit Gewinn. Fuer mich ist ad sinistram einer der Top.Blogs.

Anonym 6. Oktober 2009 um 15:09  

Die Situation bleibt spannend! Wer macht das Rennen? Bürger? Beamte? Politiker? Banker? Superreiche? Wer wird in den kommenden Arbeitslagern verheizt? Welcher Genozid entwickelt sich? War das dritte Reich nur ein Vorgeschmack auf das globale Verderben? Logisch wärs, infiziert sind sie alle vom vermeintlich rationalen Wirtschaften. Abhängig sind sie alle von billigen Arbeitskräften. Und warum sollte es Deutschland nicht auch mal ein paar Jahre so dreckig gehen wie den ausgebeuteten Staaten in Afrika? Wäre nur fair, wenn die fetten industrialisierten Staaten, denen die letzten 100 Jahre das Leid der anderen am Arsch vorbei ging in einem lodernden Genozid das Leid erfahren, das sie seit Jahrzehnten ins Ausland tragen. Bitter, aber fairer Ausgleich! Gleiches Leid für alle! Wenns mit dem Wohlstand schon nicht klappt, teilen wir den vorhandenen Reichtum dieser Welt ;-)
Wer hat wirklich geglaubt das die Welt in eine endlose Schleife aufsteigender Zivilisation hinaufgleiten würde? Hm? Warn wir das nicht alle? Ein bischen mehr ein bischen weniger haben wir den singsang der Lügen geglaubt, die uns in den Schlaf gesungen haben, während andernorts der exportierte Krieg, Massenmord, Neokolonialismus und Ausbeutung tobte.

Packen wir uns an unsere Nasen anstatt uns heute darüber aufzuregen das dieser oder jener Menschenfeind auf einer Position seine Menschenfeindlichkeit auslebt, die er erst und letzten Endes hat, weil das Volk nie verhindern wollte und nie wirklich wissen wollte. Erst heute sammelt sich eine kritische Öffentlichkeit, die aber immer noch nicht mit wirklichem Aktionismus glänzt, sondern gebeutelt buckeln sie immer noch mit dem System um einen eigenen
Anteil am Gewinn in demselben.

Wir habens nicht besser verdient.

Grüße

Anonym 6. Oktober 2009 um 16:05  

Laut SPON äußerte Sarrazin, osteuropäische Juden hätten einen um 15% höheren Intelligenz-Quotienten als Deutsche. Diese Aussage ist allerdings Blödsinn und wirft, sofern es sich nicht um einen Druckfehler handelt, ein sehr schlechtes Licht auf Sarrazins eigenen IQ und seine Allgemeinbildung. Prozentsätze lassen sich bekanntlich nur bei Verhältnisskalen (= Rational- oder Proportionalskalen) berechnen, das heißt: wenn (a) die Abstände zwischen den einzelnen Werten gleich groß sind und es (b) einen absoluten Nullpunkt gibt.

Als Volkswirtschaftler sollte er wohl wissen, dass der IQ sich nur auf einer Rangskala, im besten Falle einer Intervallskala bewegt – es gibt nämlich keinen IQ von Null, und wie ließe sich nachweisen, dass der Abstand zwischen einem IQ von 110 und einem von 120 ebenso groß ist wie der zwischen einem IQ von 80 und einem von 90?

(Übrigens wird auch die Temperatur in Celsius auf einer Intervallskala gemessen; deshalb würde, wenn es gestern 20°C waren und heute 22°C, kein Metereologe davon reden, die Temperatur sei nun um 10% gestiegen!)

Seine sonstigen Prozentangaben („70% der in Berlin lebenden Türken und 90% der Araber...“) sind sicher ebenso blind aus der Luft gegriffen. Mit anderen Worten: Er hat zwar keine Ahnung, aber ein beneidenswertes Selbstvertrauen und findet verblüffenderweise immer wieder ein noch dümmeres Publikum, das seinen unausgegorenen Stammtischparolen johlend applaudiert.

Statt sich über sein Geschwätz aufzuregen, sollte man ihn besser totschweigen: „Das ist christlicher - und ärgert mehr“ (Curt Goetz).

Liebe Grüße

Saby

landbewohner 6. Oktober 2009 um 17:17  

es ist nicht nur schlimm, daß solche menschen so etwas öffentlich aüssern können und ungestraft bleiben, es macht angst.
schließlich sind seit der nazi greuel gerade mal so 70 jahre vergangen und der boden für solche gedanken und worte wurde ja schon seit längerer zeit vorbereitet. warum merkt die schweigende mehrheit nicht, wohin die reise gehen soll, kann man geschichte einfach so vergessen?

ad sinistram 6. Oktober 2009 um 21:38  

Die kommentierende Inhumanität macht mir hier wieder zu schaffen. Wie bekannt ist, zensiere ich. Dazu stehe ich, denn Menschenverachtung wird hier keinen Raum erhalten. Demjenigen, der mir unterstellte, ich würde einen fundamentalen Fehler begehen, weil ich unkommentiert lasse, was daran schlecht sein soll, Menschenleben gegen Menschenleben abzuwägen, biete ich keinen Raum. In diesem Sinne wünsche ich demjenigen eine gute Weiterreise... die Lobhudeleien, wonach ich ja ach so tolle Schreibformen anwende, die allerlei solcher asozialen Kommentare einleiten, fruchten nicht. Es gibt Menschen, von denen will man nicht einmal gelobt werden.

Raze 6. Oktober 2009 um 21:41  

Was mich wundert: Über Sarrazin wird sich aufgeregt. Über einen Beitrag im ARD-Magazin "Kontraste", der in eine ganz ähnliche Kerbe haut, wird geschwiegen. Ich rede hiervon
und von den Kommentaren .

Ich fürchte, der Weg Deutschlands ist klar - volle Kraft zurück in den Faschismus. Und wenn nicht ein Wunder geschieht und alle Menschen hierzulande aufwachen, läßt sich das nicht mehr verhindern.

Systemfrager 7. Oktober 2009 um 08:22  

Lieber Roberto,

die freiheitsschwadronierenden Arschl... sollen besser dafür sorgen, dass man die Zensur anderswo aufhebt. Ich war von jedem liberal-konservativen Blogger schon nach dem ersten Kommentar rausgeschmissen. Nur wir linksbesinnten Aufklärer und Humanisten sind richtig großzügig und gehen bis zur letzten Schmerzgrenze, wenn es um die Freiheit geht. Die richtige und ehrliche Freiheit ist immer und überall nur die linke Freiheit.

Alle diejenigen, die gegen Zensur sind, sollte sich - ist nur ein Beispiel von sehr-sehr vielen - bei den Freiheitsaposteln im anarcholiberalen Blog „Wirtschaftliche Freiheit“ beschweren.
http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=623

Systemfrager 7. Oktober 2009 um 08:36  

@ Raze

Wie Recht hast du. Und noch etwas zur Zivilcourage:

Man hat den Riechen das Geld in den A... gesteckt, jetzt gibt es nicht einmal genug Geld für die Polizei. Nun soll der „mutige Bürger“ noch auch für „Law and Order“ sorgen. Da fällt mir noch ein Idee ein: divide et impera). Ein-Euro-Jobber. Sind billig, nur noch zu bewaffnen und gegen alle Nichtleistungsträger und Sozialschmarozer los zu lassen. Das wäre was! Nicht war? Und zumindest wir in Deutschland haben damit beste Erfahrungen: SS und SA. Man soll nur alles in Erinnerung rufen.

Anonym 7. Oktober 2009 um 15:41  

Ich kann den Kommentaren kaum etwas hinzufügen, ausser,'bei Wagner muss ich kotzen, bei Broder werd ich krank'. Der Hinweis auf Broder ist recht interessant,auch in Bezug auf seine sogenannte 'Achse des Guten', dort kann der rechte Pöbel seine Jauche verspritzen,dass dass einem übel wird, dagegen ist'Stürmerstar'Wagner ein Feingeist.
Wir werden uns warm anziehen müssen..
Übrigens möchte ich bei dieser Gelegenheit an eine bedeutende Frau des linken Spektrums erinnern, die heute ihren 75. Geburtstag feiern könnte, auch wenn ich dabei Widerspruch ernten werde..Ulrike Meinhof.Trotz aller Fehler, Widersprüche und allen Lügen zum Trotz.

Anonym 7. Oktober 2009 um 21:43  

Das ist mein erster Besuch auf dieser Seite und ich muss sagen, dass sie mir auf Anhieb gefällt. Intelligente Menschen, die intellegente Kommentare verfassen, klasse Beiträge. Sowas ist im www zur Zeit wirklich rar gesät. Hut ab.

Georg Jonathan Precht 8. Oktober 2009 um 13:01  

Lieber Roberto J. De Lapuente

Es ist schön all das, was einem durch das Herz geht, hier und in allen anderen Artikeln so wundervoll formuliert zu sehen.
Ich wünsche Dir, dass Du nie die Lust an Deiner Wut verlierst, denn sie ist nötiger den je.
Danke für Dein Engagement.

karuna 8. Oktober 2009 um 13:17  

hallo Raze,

dieser weg in den faschismus ist nicht nur für deutschland vorbestimmt!

in vielen ländern der so genannten westlichen demokratien werden die freiheitsrechte eingestampft: siehe nach uk oder usa...

dies nur um den pöpel zu kontrolieren und ihn bei bedarf ausschalten zu können.... und was gibt es besseres, als wenn er sich gegenseitig beseitigt?

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