Demokratie der Pisspötte

Donnerstag, 3. September 2009

Sollte es zu einer rot-rot-grünen Regierungskoalition kommen, so verliert das Saarland sein Pissoir. Villeroy & Boch gibt bekannt, droht vielmehr, abzuwandern, wenn der Kommunismus an der deutsch-französischen Grenze seine Zelte aufschlägt. Bevor der Bolschewik Wasch- und Pissbecken enteignet, um sie zu Volkseigentum zu veredeln, der Keramikhersteller zu einem VEB umgewandelt wird, flüchtet man sich lieber hinüber nach Luxemburg.

Dort kann man dann bedächtig analysieren, kann nachrechnen, wo Villeroy & Bochs Krise entstanden ist. Man kann sich vorallem auch überlegen, in welcher Form Lafontaine Belohnungen zustehen. Welches Unternehmen kann schon die ganze eigene Misere hinter einer Partei verstecken, die noch nicht mal im Landtag gesessen ist, doch heute schon zum Sündenbock taugt? Gehört diese Funktion nicht belohnt? Wendelin von Boch, Aufsichtsratschef des Unternehmens, dürfte sich am Wahlabend mordsmäßig gefreut haben. Jetzt muß nur noch Rot-Rot-Grün wahr werden, dann kann er Hals über Kopf flüchten und die eigene Misswirtschaft verschwindet im Luxemburger Exil, alle Werksschließungen und Entlassungen sind dann vergeben und vergessen. Einem maßlosen Kapitalisten vergibt man gemeinhin nicht, wenn er einem die existenzielle Grundlage stiehlt, aber einem politisch Verfolgten wird alles vergeben und vergessen, da hat man Mitleid, selbst wenn der Arbeitsplatz stirbt.

Überhaupt Luxemburg. Dort sitzt das Unternehmen ja heute auch schon. Mitten im Sozialismus. Man bedenke, wenn Lafontaine und die Seinen Mindestlöhne einfordern, dann ging ein Raunen durch die Unternehmerreihen. Sicherlich auch beim Keramikhersteller, der solchem sozialistischem Gebabbel nicht besonders zugeneigt sein dürfte. Nicht nur einen Mindeststunden- sondern einen Mindestmonatslohn gibt es allerdings in Luxemburg. Dieser beträgt immerhin fast 1.700 Euro - und das für eine unqualifizierte Arbeitskraft. Hierzulande werden 7,50 Euro in der Stunde gefordert, nur um am Ende vielleicht doch mal, nach zäher Verhandlung, bei 6,15 Euro zu landen. Bei dieser ganzen bescheidenen Debatte unkt aber alles, man würde die DDR wiederbeleben.

Natürlich steht den Vertretern des Unternehmens Meinungsfreiheit zu. Man dürfe sich über das Gesagte gar nicht aufregen, kommentiert die Focus-Öffentlichkeit, immerhin herrsche Meinungsfreiheit. Ja und nein! Freie Meinung steht jedem zu, daran kein Deuteln. Aber wenn die ach so freie Meinung dazu dient, politisch Druck auszuüben, auch Druck auf die eigene Belegschaft zu erzeugen, dann muß man sich fragen, ob wir noch von freier Meinungsäußerung oder vorzugsweise von subtiler Erpressung sprechen wollen. Hier wird schließlich nicht nur geäußert, es wird gedroht, in eine gewünschte Richtung gestoßen, dabei mit Arbeitsplätzen jongliert, die man als Druckmittel benutzt. Am Ende laufen die Angestellten des Unternehmens als eine Art Privatarmee auf und protestieren medienwirksam für eine Einheitsfront gegen das linke Gesindel - wenn der Arbeitsplatz hops geht, gibt es keine Hemmschwellen mehr. Und verloren geht er am Ende womöglich trotzdem.

Anhand der Äußerungen aus den Hallen weltberühmter Keramik, läßt sich ablesen, wie sehr Politik heute von der Wirtschaft manipuliert wird. Hinter dieser Äußerung tut sich ein Abgrund auf. Man möchte gar nicht wissen, wie hinter den Kulissen gedroht und gefordert wird, wie Belohnungen und Prämien verteilt, Verachtung und Ausgrenzung an denen praktiziert wird, die nicht das tun, was von ihnen verlangt wird. Fast möchte man die menschgewordenen Handpuppen aus der Politik als arme Schweine begreifen lernen. Aber das Spiel basiert ja auf Gegenseitigkeit, wenn keiner dieser Zunft nähme, könnte gedroht werden was will. Doch in dieser Form ist es ein erbringliches Geschäft für beide Seiten.

Wenn jemand seine Stellung so missbraucht, sollte er dann nicht sogar berechtigten Enteignungsfuror haben? Wäre das Gespenst, welches im Saarland herumirrt, dann nicht sogar wünschenswert? Wünschen möchte man es denen von Villeroy & Boch schon. Gute Reise und auf Nimmerwiedersehen. Man sollte diese Bande auserwählter Demokraten, die offensichtlich aller Realität enthoben ist, wahrscheinlich zu häufig am Urinstein geleckt hat, in ihren eigenen Pisspötten runterspülen.

16 Kommentare:

Rebecca Evan 3. September 2009 um 11:37  

Recht so, Robert, recht so!
Mein aller erster Gedanke nach dieser Meldung war: Sofort enteignen um Arbeitsplätze zu sichern!

Das geht aber nur, wenn die richtige Politik angewandt wird. Ergo müssten wir da jetzt durch, wenn andere Firmen diesem Beispiel von V&B folgen, -und 'links' wählen. Um wenigstens in der Zukunft Arbeitsplätze dauerhaft sichern zu können. Mit der Wahl der 'linken' zur Regierung müsste mit sofortiger Wirkung diese Enteignungsregel in Kraft gesetzt werden um Abzüge auszuschließen.

Ein Raunen würde zwar durch Deutschland gehen, die Arbeitnehmer würde dies jedoch freuen.

fletcher2 3. September 2009 um 12:18  

Ja, der Wendelin. Ein von Boch läßt sich nicht einfach von linkem Gesindel regieren. Laßt ihn nach Luxemburg gehen und den dortigen Mindestlohn zahlen. Was werden sich viele Saarländer freuen, wenn sie dann in Luxemburg eine Stelle finden und dort dann auch noch fürstlich entlohnt werden - im Gegensatz zu hier. Dort kann man zudem billig tanken und günstig Tabak und Kaffee kaufen.

Eine Krankenschwester z. B. verdient dort ca. 1000 € mehr als hier.

Frank W. 3. September 2009 um 12:46  

Ein Abbau von Arbeitsplätzen war doch vorher in Erwägung gezogen. Es wundert mich daß diese plumpe Erpressung zumindest in den Köpfen vieler Menschen Wirkung zeigt.
V&B hätte ja nun wirklich nichts davon die Produktionsstätte nach Luxemburg umzusiedeln. Es ist ein einfacher Versuch den billig-Lohn-Standort Deutschland zu wahren.
Der Trick ist so simpel und durchschaubar und wird dennoch seine Wirkung entfalten. :(

Ulrike/Ulinne 3. September 2009 um 12:47  

Ganz genau meine Meinung, und es wäre schön, wenn es so ginge wie Rebecca vorschlägt.

HAL9002 3. September 2009 um 12:59  

Stimmt genau soooo!!!!
Aber trotzdem ist es immer wieder verblüffend wie tief sich der Hass auf alles bißchen Linke in diese Seelen eingegraben hat.
Hätten die Arbeitnehmer auch nur einen Funken dieses Klassenbewußtseins, könnte es echte Diskussionen über die Gestaltung der Zukunft geben.
Ich glaube nicht, dass sich z.Z. viele Arbeiter über eine Links-Regierung freuen würden.
Das Rauen wäre ein Entsetzensschrei. Naja, sollte man trotzdem mal probieren (so, im Sinne der Urschrei-Therapie).

klaus baum 3. September 2009 um 14:14  

Volle Unterstützung meinerseits. Bourdieu nannte solches Verhalten schon im letzten Jahrhundert eine Erpressung.
Ich verweise auf mein Pispers-Zitat von gestern.
“Das ist das große Geschenk der Meinungsfreiheit, dass sie nicht durch Fakten behindert werden darf.”

Was Herr Bohlen von und zu Halbach-Boch da von sich gibt, hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun, sondern mit der Leugnung von Fakten. Im übrigen trägt sein Verhalten infantile Züge: Wennihr nicht tut, was ich will, gehe ich eben. Auch das haben die heutigen Bonzen mit den Nazis gemein: Primitive Verhaltensmuster in Gestalt eines Herrenmenschenbewußtseins.
Sie sind die Herren, weil sie die Macht haben. Sonst aber haben sie wenig an humaner Qualifikation vorzuweisen.

Anonym 3. September 2009 um 14:38  

Drum merke: Nur im Kapitalismus kann man Scheiße so schön wegspülen. :-)

ad sinistram 3. September 2009 um 15:11  

Tatsächlich, lieber Klaus, trifft das mit den infantilen Zügen zu. Irgendwie denke ich da an Bruno Ganz, wie er als Hitler nach Fegelein verlangt. "Ich wil Fegelein! Fegelein! Fegelein!"

Lesefuchs 3. September 2009 um 16:01  

Erpressung ist bei uns sehr leicht, da die Menschen sich kaum informieren. Und in den "normalen" Medien kommt immer nur eine Richtung zum tragen. Warum sind, bei dem jahrelangen, ständigen Klagen der Konzerne, denn noch so viele Firmen im Land? Viele Firmen wissen ganz genau was los ist. Mit der kompletten Regierung hinter sich ist drohen recht einträglich.
Auszug aus:
http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article913814/Firmen-kehren-aus-dem-Ausland-zurueck.html

Denn oftmals erweist sich die Abwanderung ins Ausland als Irrweg. "Unternehmen agieren hier teilweise sehr kurzsichtig und unprofessionell", kritisierte der VDI-Chef, "da sie schlicht und einfach viele Kosten nicht berücksichtigen." Das Hauptmotiv bei 88 Prozent aller Betriebsverlagerungen sind die Billiglöhne in Zielländern. "Doch genau diese rein lohnorientierte Verlagerung ist blauäugig und rechnet sich in vielen Fällen nicht", urteilt Steffen Kinkel vom Fraunhofer Institut. "Denn die Lohnkosten machen in vielen Betrieben nur noch 10 bis 15 Prozent der Gesamtkosten aus. Die hier zu erzielende Hebelwirkung ist also begrenzt." Alle weiteren Kosten und Nachteile würden dagegen oft vernachlässigt.

Anonym 3. September 2009 um 19:28  

In Berlin gibt es auch Rot-Rot – ist aber ein einziges Unternehmen deshalb dort weggezogen? Zumal Berlin gar einen linken Wirtschaftssenator hat, was im Saarland nicht unbedingt der Fall wäre. Die Drohungen von Villeroy & Boch sind nicht ernst zu nehmen. Und wenn schon: sollen sie doch wegziehen. Dann haben wir halt im Saarland ein paar mehr Arbeitslose, obwohl die sicher auch über die Grenze pendeln können.

Insgesamt ist es aber völlig egal, wenn sich einzelne Unternehmen als Herr im Lande aufspielen. Ignorieren und weitergehen ist die beste Vorgehensweise. Und selbst wenn die Wirtschaft wegen Lafontaine plötzlich abwandert und der Lebensstandard sinken würde: lieber ein gerechtes und armes Land als ein reiches und von den Konzernen gelenktes.

Anonym 4. September 2009 um 02:35  

ich werde jetzt jedenfalls gleich mal ordentlich auf Villeroy scheissen und wenn sie dann tatsächlich abwandern, weiss ich jedenfalls, welche Produkte ich in Zukunft nicht mehr kaufe. Halte ich auch mit anderen Drecksackfirmen so, und wenn das alle täten, könnte man mal so richtig schön zurückerpressen.

Margareth Gorges 4. September 2009 um 07:49  

Als Saarländerin habe ich natürlich ein V& B Klo zu Hause. Und wenn ich nun sage : ich sch...... auf V & B bekommt der Satz eine ganz neue Aussage :))
Bleibt noch eine Frage an Herr von Boch:
Wohin sind sie denn ausgewandert, als Oskar im Saarland Ministerpräsident war???

hier noch ein Artikel aus dem Tageblatt Luxemburg:

Kloschüsseln und Demokratie



Also sprach der Herr Wendelin Boch, Vorstandspräsident der halbeponymen Kloschüsselmanufaktur: „Saarländer, wenn ihr euch untersteht, eine Partei zu wählen, die Mir nicht in den Kram passt, dann vernichte Ich im Saarland Arbeitsplätze.“ Nach der Wahl wiederholte Boch dann seine Drohung, dass er Firmensitz und -verwaltung nach Luxemburg verlegen werde, falls die gewählten Vertreter des saarländischen Volkes ihr von der Verfassung garantiertes Recht, eine rot-rot-grüne Koalition zu bilden, wahrzunehmen sich trauen würden. Der Mann spielt in der Saar-CDU als Chef des parteiinternen Wirtschaftsrates eine wichtige Rolle. Derartige Nötigungsversuche gegenüber Wählern und Volksvertretern sind aber eindeutig vordemokratischer Natur. Indem er für die Saar-CDU wahlkämpfte, machte sich unser Juncker mit jener Sorte von Junker gemein, die in einer Demokratie eigentlich keinen Platz mehr haben dürfte: einem Kerl, der offenbar der Meinung ist, dass dem Volke nach wie vor nur eine Art frommt, nämlich die Gutsherrenart.

Quelle: Tageblatt Luxemburg
http://tageblatt.editpress.lu/editoriaux/31830.html

HAL9002 4. September 2009 um 09:46  

@Margareth

Das mache ich als Exil-Saarländer auch :-)
Voller Nostalgie habe ich das Tageblatt gelesen und meiner Linkssammlung einverleibt - Einfach geil
Danke

klaus baum 4. September 2009 um 13:22  

das tageblatt von luxemburg ist klasse. wieos sind bei uns solch klaren töne in der presse nicht bzw. kaum möglich? --- wenn es die blogs nicht gäbe......man bekommt den eindruck, der zugang zum establishment - also auch der zu den etablierten medien -ist nur um den preis eines sacrilegium intellectus möglich.

Anonym 5. September 2009 um 09:27  

Dazu paßt, dass Rüttgers gegen Rümanen hetzt - mit arbeitslosenfeindlichen Vorurteilen - und keiner in den Mainstream-Medien einmal den Vergleich Arbeitslosenhass und Fremdenfeindlichkeit bringt. Die Äußerungen dieses CDU-Menschen würden nämlich keinen in Deutschland aufregen, dieser "Demokratie für Pisspötte", wenn er in seiner Rede statt Rumänen Arbeitslose erwähnt hätte. Da bin ich mir fast sicher. Übrigens mir beweist der Vorfall auch wie nahe sich rassistische, und fremdenfeindliche, Vorurteile und Hasspredigten gegen Arbeitslose sind. Fällt dies noch jemandem auf?

spiegelei 5. September 2009 um 14:54  

das unternehmen gehört den menschen die da arbeiten. enteignet die schmarotzer an der spitze!!!

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