Ein Fest der Kulturen

Donnerstag, 2. Juli 2009

Ein Fest der Kulturen in christsozialen Landen. Neben griechischen, thailändischen und taiwanesischen Gästen, auch türkische Folkloregruppen und Verkaufsstände. Man will sich ja kennenlernen, verstehen lernen, eine Brücke bauen. Fremde Kulturen zum Anfassen, zum Schmecken, Tasten, Riechen.

So reiht sich das christsoziale Völklein, die feinen Herrschaften einer oberbayerischen Provinzstadt, zwischen den Fremden ein, kostet Köfte, trinkt Chai, schnuppert an den Saubohnen, läßt sich kulinarisch verwöhnen. Damit auch dem kulturellen Aspekt Genüge getan wird, treten Tanzgruppen auf. Auch türkische Gruppen, in traditionellem Zwirn, tanzen jenes osteuropäisch-orientalische Gemisch, wie man es aus Reiseberichten aus dem Fernsehen kennt.

Ja, bei so einem Kulturfest strömt die Toleranz aus allen Poren provinzieller Engstirnigkeit. Ach, sieh nur, wie flink sie tanzen in ihren Röckchen, und die Männer tragen aber eine niedliche Kopfbedeckung! Chic, sag' ich nur, das sieht so fremd aus, paßt gut auf dieses Fest! Wie schön, dass sich diese Menschen ein wenig Heimatland bewahrt haben! Hach, ist das eine gelungene Veranstaltung! Da bekommt man ja Fernweh, wenn man dieses ganze fremde Volk in unseren Straßen sieht! Ein schönes Kopftuch tragen Sie da, richtig modern, schöne Farben, paßt gut für diesen Tag, als Gratwanderung zwischen Moderne und Tradition!

Am Fuße der Bühne steht der kulturelle Bodensatz der Gesellschaft, der zugleich auch die soziale Schaumkrone ebendieser darstellt, gafft auf das Vollzogene. Sieh nur, wie der Türke tanzt! Und Speisen zubereiten kann er auch. Und sogar nett ist er. Auch wenn seine Tanzbräuche vielleicht etwas infantil sind. Nicht mal den Griechen vom Nebenstand hat er beleidigt und er hat mit Grüß' Gott! begrüßt, wollte mir die Hand geben – man kann es auch übertreiben, finde ich. Aber so ist er halt der Türke, überfreundlich, kompensiert die Verschlagenheit seines Blickes mit der großen Geste, mit fraternisierender Gastfreundschaft. Aber lieber so, lieber zu freundlich. Und die Köfte, so feine Hausmannskost - mit Schweinehack würden sie sicher noch besser munden; und der Lahmacun, ein Hochgenuss, wirklich unglaublich, was so arme und zurückgebliebene Menschen an Köstlichkeiten herbeizuzaubern vermögen. Und dann die tollen Kleider, diese traditionellen Halbburkas, oder wie man diese Kleider nennt, da fühlt man sich ja fast wie ein Osmane. Salam alaikum!, schiebt man gesellig hinterher, schallendes bayerisches Gelächter ertönt. Aber a Weißwurscht is ma ollawei no liaba! Und mei Hoibe Bia freile a! Hahaha...

Und dann neigt sich der fröhliche Tag dem Ende zu. Schade! Schön wars! So romantisch, so exotisch, so voller Fernweh, voller vaterländischer Sehnsucht der Fremden, dieser fremden Kulturträger! Aber alles geht einmal zu Ende, daher raus aus den Klamotten, raus aus den fremden Stoffen, Kopftuch herunter, sprecht wieder deutsche Zunge! Ihr seid immer noch nicht, nach so langer Zeit in diesem Lande, integriert. Ihr lebt hier, hier in unserer Kultur! Paßt Euch an! Werdet einer von uns! Moscheen bauen, Freitagsgebet - ha, so ein Irrsinn, Verschwendung unserer Steuergelder! Hört mit Euren arabischen Sitten auf, wir leben in Europa! Das Fest der Kulturen ist um, jetzt haltet ganz fest an unsere Kultur. Es war ja schön, es war ein toller Tag, aber nun genug! Nicht zu viel Kultur, eine reicht aus – unsere! Bei uns tanzt man nicht einfach auf Straßen, man plärrt nicht ohrenbetäubend durch die Gassen, also benehmt Euch! Deutsch sein heißt diszipliniert sein: Ihr lernt es nie! Grüß Gott? Hast Du gehört, Sepp, der redet von Gott, der Ungläubige! In unseren Schützenverein willst Du eintreten, Ahmed? Ja, äh... gerne, wir freuen uns ja eigentlich über jedes neue Mitglied, aber es geht nicht, wir sind leider überfüllt! Tut mir leid!

Der Zoo ist geschlossen, der Käfig, der als Tanzbühne fungierte, ist abgebaut. Das Fest der Kulturen war ein voller Erfolg. Der türkische Tanzbär hat voll eingeschlagen. Fremde Kulturen sind eine feine Sache, wenn sie im Bereich der Folkloreromantik angesiedelt werden. Aber wer will schon halbwilde Wüstensöhne durch bayerische Flaniermeilen ziehen sehen? Bayern ist weltoffen – es läßt Kulturfeste zu. Nur zu feste darf fremde Kultur nicht zelebriert werden. Ja, man ist weltoffen in Bayern: denn es steht der Welt offen, gar nicht erst herzukommen. Wenn sich das schwarze Pack, deren Oberfundi aus eben jener Provinzstadt stammt, in Wahlkämpfen gegen Überfremdung engagiert, dann erkennt man die wahre Liebe zur Kulturenvielfalt, die mit jener geheuchelten und kulturgeilen Liebe von Kulturveranstaltungen so gar nicht zusammenpassen will, aber genau besehen der gleichen Art Liebe zugehören. Oder wenn in bayerischen Daily Soaps türkische Charaktere eingewoben werden, die mit offenen Armen von der bayerischen Dorfbevölkerung aufgenommen werden, dann riecht man förmlich, dass es letztlich immer am Türken selbst liegen soll, der sich dem bayerischen savoir vivre entzieht. So ein Lump, so ein anatolischer Eigenbrötler!

So, jetzt wird wieder angepasst, wieder über Türkischsprachige gemeckert, Kindern in bayerischen Hauptschulen auch am Pausenhof das Plauschen in türkischer Sprache verboten, bei Ertappen sanktioniert, über die Undankbarkeit der Gäste gehadert. Bis man wieder Feste feiert, bis man wieder folkloristische Romantik bestellt, um die bayerische Feststimmung polyglott zu bereichern, kosmopolitisch aufzupolieren. Die Welt zu Gast bei Freunden! Wenigstens gibt so ein verlogenes Kulturfest eine wahre Antwort: Diejenigen, die da Schauobjekt sein dürfen, sind Gäste. Vergeßt das nicht, Ihr lustigen Tanztürken: Ihr seid nur Gäste! Aber heute, da wir feiern, seid Ihr willkommen!

3 Kommentare:

klaus baum 2. Juli 2009 um 13:09  

Auf der documenta 1987 hing ein Großdia von Jeff Wall mit dem Titel "The Storyteller". Oberhalb einer elektrifizierten Eisenbahntrasse und links unterhalb einer Autobahnbrücke saßen auf einem Rasen-Stück verteilt eine Handvoll kanadische Ureinwohner (Wall ist Kanadier) in C & A Konfktionskleidung.
Bei Führungen erklärte ich den einzelnen Gruppen auch immer dieses Bild von Wall. Die damalige Agrarministerin (sie hatte jedenfalls mit Landwirtschaft zu tun und gehörte der CDU an) berief sich auf ihre Erfahrungen, um meiner Interpretation der Verelendung der Ureinwohner zu widersprechen. Ihre Erfahrung war: Man hatte ihr folkloristische Gruppen vorgeführt. Man könnte sagen: Hier lag eine Verwechslung der folkloristischen Aufbereitung der Realität mit der Realität vor.

klaus baum 2. Juli 2009 um 14:23  

Ergänzung: Es war die Ministerin aus Hessen. 1987 wurde im April erstmals die Landesregierung von der CDU gestellt. Walter Wallmann wurde Ministerpräsident. Und beim Goooogeln fand ich dies, was insonderheit mit Bezug auf die Sozialschmarotzerkampagne der BILDzeitung interessant sein dürfte:

Wallmann ließ sich auf Staatskosten sein privates Anwesen verschönern.

http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13497882&top=SPIEGEL

Und, was keiner mehr weiß, er kam mit dem Hubschrauber zur documenta. Auch auf Staats(landes)kosten.

Manul 3. Juli 2009 um 12:15  

Als Migrantin erster Generation (wie man es im Amtsdeutsch so schön nennt), frage ich mich oft wirklich was in Deutschland eigentlich mit Intergration gemeint ist und komme immer mehr zu dem Entschluss, dass man Assimillierung meint, aber Intergration sagt. Intergration für mich hat nämlich nie bedeutet die Herkunft, die Kultur und die Sprache zu vernachlässigen - mir wars sogar auch eine ganze Zeitlang wichtig meine Muttersprache auch hier in Deutschland in der Schule zu lernen. Zugegeben, als Ausländer aus einem anderen europäischen Land hat man es immer etwas einfacher, da die Kultur dem gemeinem deutschen Michel doch etwas mehr entgegen kommt als Kulturen der Menschen aus Kleinasien, oder Nahost. Die Erwartungshaltung ist aber die gleiche, auch uns fragen viele Leute, ob wir zu Hause deutsch sprechen - So ein Quatsch auch! Den Ausländer, der seine Familie mit Deutsch traktiert, statt in seiner Muttersprache mit ihnen zu reden, möchte ich noch kennen lernen, weil selbst unter denen, die grob gesagt als integriert bezeichnet werden können, macht das keiner so - und ich kannte und kenne viele Ausländer, auch Türken ;)

Der Begriff 'Deutsche Leitkultur', der vor 10 Jahren schon mal durch den Blätterwald jagte, verdeutlicht aber die generelle Einstellung zur Integration als Solches. Danach dürfen wir zwar ein wenig unserer kulturellen Identität behalten, aber ansonsten soll unsere 'Andersartigkeit' aus dem Alltagsbild verschwinden. Diese Denkweise ist aber schon uralt und wurde schon so auf den Ostgebieten des geteilten Polen im 19. Jahrhundert praktiziert. Die Preussen haben dort ein Jahrhundert lang versucht die Bevölkerung mit Zwang und Strafen zu germanisieren und sie zu einer 'richtigen' deutschen Bevölkerung zu machen. Die Polen aber, stolz und zäh wie sie manchmal sein können, haben sich erfolgreich dagegen gewehrt und auch trotz Repressionen wurde heimlich polnisch unterrichtet und die Kultur und der Glaube gepflegt. Kultur lässt sich eben nicht aufzwingen und schon gar nicht Menschen, die in der Ferne leben und für die bestimmte kulturellen Bräuche eine Brücke in das Land ihrer Herkunft darstellen, ohne die ein Zurechtfinden in einer fremden Gesellschaft sehr schwer ist. Kultur ist einfach ein Teil der eigenen Identität und die bleibt wie sie ist, egal in welchem Land man lebt - zu verlangen die eigene Kultur abzulegen ist schon wieder nur preussische Umerziehung, wo man diejenigen, die einem nicht ins Bild passen, einfach passend machen will.

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP