Die bürgerliche Dialektik des Streiks

Dienstag, 23. Juni 2009

Nein, egoistisch ist es nicht, das verpartnerte, Vollzeit arbeitende, gut verdienende Bürgertum. Es wendet sich ja ausdrücklich nicht gegen Erzieherinnen und Erzieher. Nur diese antiquierte Form des Arbeitskampfes duldet man eben nicht. Um es mal ganz deutlich zu sagen: Man ist gegen eine veraltete Streikvariante, die Schaden anrichtet, die den nichtstreikenden Mitmenschen spürbar macht, dass die streikende Berufsgruppe wertvolle Arbeit tut; man ist gegen eine Art des Streiks, bei der überdeutlich wird, wie wichtig die bestreikte Aufgabe dieser arbeitsteiligen Gesellschaft doch ist. Nein, man ist doch demokratisch gesittet, man ist doch nicht egoistisch, man hat doch nichts gegen Streik - nur schaden darf er keinem, nicht zu Lasten derer gehen, die die Arbeitskraft der Streikenden notwendig brauchen.

Daheim, in der Freizeit, in den Pausen, ja, da darf man doch streiken, das wäre mal eine Abkehr von der antiquierten Form des Arbeitskampfes, bei der man so rücksichtslos seine gottgegebene Pflicht vernachlässigt. Man ist doch liberal, man ist doch in der Tiefe bürgerlichen Herzens auf der Seite der Erzieherinnen und Erzieher, man würde sich ja freuen, wenn man diesen Menschen auch ein wenig mehr aufs Konto überwiese, zumindest solange des Bürgers Konto dafür nicht mehrbelastet würde. Man ist doch nicht unmenschlich, will doch Wohlstand für alle, aber bitte nicht, indem man zwei werktätige Elternteile so drangsaliert, ihre berufliche Karriere geradewegs aufs Spiel setzt. Der Bürger hat doch Verständnis für die Sorgen der Erzieherinnen und Erzieher, warum hat das erziehende Völkchen aber so wenig Verständnis für die Nöte der Eltern? Hat es doch! Und genau deshalb setzt man hier den Streik an – so funktioniert effektiver Arbeitskampf. Was Eltern im bürgerlichem Geiste fordern: Man soll beißen, aber bitte vorher das Gebiss herausfummeln, sich bloß mit blankem Zahnfleisch verkeilen. Wie man so durchs Fleisch kauen will, bleibt deren Bürgertumsgeheimnis.

Streikt doch, aber nicht auf Kosten unserer Kinder! Da holen doppelverdienende Elternteile in Vollzeitstellen, diese karrieristisch ausgerichteten Familienentwürfe die Moralkeule hervor, finden es schlimm, dass man ihre Kinderchen instrumentalisiert und schieben selbst ihre Sprösslinge als Instrument ihrer Entrüstung an die Luft der Öffentlichkeit. Oh, geht es den lieben Kleinen schlecht, diesen ausgesperrten Kreaturen, die ob des Streiks total verängstigt ihres traurigen Lebens harren. Da weckt man das elterliche Schutzbedürfnis, das darf sich Vater und Mutter nicht gefallen lassen, schließlich trägt man ja die Verantwortung. Nur die Verantwortung, während der Streiktage auf den lieben Nachwuchs selbst aufzupassen, die will man nicht haben - diese ekelhafte Verantwortung gegenüber dem plärrenden Nachwuchs, diese widerliche Verantwortung gegenüber denen in der Gesellschaft, die sich bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen erstreiken wollen. Die Kinder müssen einem förmlich leidtun, wenn man so liest, wie es ihnen ergeht. Was sind schon Kinder in Hartz IV-Armut? Was sind schon afrikanische Zustände? Nein, in heutige Kindertagesstätten muß man schauen, das heißt, an den Eingangsbereich jener Stätten, wo zitternde und völlig apathische Kinder auf ihre Erzieherinnen warten und die Welt nicht mehr verstehen ob ihres Ausbleibens.

Alles auf Kosten der Kinder! Wirklich, was bilden sich diese Streikenden eigentlich ein? Jetzt weiß der quengelnde Linus, die vorlaute Hannah, der egozentrische Justin und die dominante Laura, dass sie nicht der Lebensmittelpunkt für jeden Erwachsenen dieser Welt sind; jetzt bricht eine Welt für bestimmte Sorten von Rotznasen zusammen, die zwar von Mama und Papa abgeschoben werden, aber in den wenigen Momenten familiärer Glückseligkeit die volle und einzige Aufmerksamkeit und den dazugehörigen materiellen Plunder von beiden Sklaven erhalten. Ja, das geht auf Kosten der Kinder! Die Streikenden nehmen willentlich in Kauf, dass die ausgesperrten und psychisch angeschlagenen Streikopfer aus ihren egozentrischen Sphären geschüttelt werden. Und das schon im Kindesalter - welch Barbarei, welche Streikbarbarei! Sie nehmen in Kauf, dass man im Bürgertum annehmen müsste, es sei keine Ehre mehr, die Kinder gesellschaftlicher Leistungsträger betreuen und glücklich machen zu dürfen.

Daher muß in angemessener Form weitergekämpft werden, daher ist die antiquierte Streikvariante sofort einzustellen. Man kann doch die Leistungsträger nicht derart belästigen. Wer bezahlt den streikenden Pöbel denn? Sicher, Verständnis ist da, liberal ist man auch, man wünscht das Beste – aber wenn keine Zeit zum Streik ist, wenn es eben nicht geht, dann geht es nicht. Solidarisch ist man auch, aber bitte, irgendwann muß es doch gut sein, irgendwann muß man halt einmal hinnehmen, dass man einen schlechtbezahlten Arbeitsplatz hat. Hauptsache Arbeit, oder nicht? Natürlich tragisch, aber alle Tragik hat hinter dem Kindeswohl zurückzustehen.

Man wünschte sich schon oft, das Bürgertum hätte ein solches Engagement gezeigt, als immer deutlicher wurde, dass innerhalb deutscher Grenzen immer mehr Kinder in Armut geworfen werden. Aber da handelte es sich nur um den Nachwuchs von Gesindel, um Kinder falscher Leute, wie es einer der lautersten Marktschreier deutschen Bürgertums unlängst formulierte; da ging es nur um die Kinder der Schmarotzer. Aber Schmarotzer sind wir alle mehr oder weniger. Das Kita-abhängige Bürgertum schmarotzt sich ja auch an den Mißständen der Erzieherinnen und Erzieher gesund, an der Ausbeutung dieser Berufsgruppe. Auf Kosten Ausgebeuteter wird ruhigen Gewissens zur Arbeit gefahren, hat ihr Nachwuchs zu gedeihen, auf Kosten Ausgebeuteter, die miserable Arbeitsbedingungen ertragen sollen und dann auch noch schlecht daran verdienen, werden Karrieren vorangetrieben und Ellenbogen ausgefahren. Und als Krone der Frechheit ruft man dazu auf, den Arbeitskampf in andere Bahnen zu lenken, in genehmere Wege münden zu lassen, damit im Namen ökonomischer Vernunft, keine Störungen den Betrieb behindern. Dass jeder Arbeitskampf, ob nun antiquiert oder modern, diese Störung benötigt, um überhaupt eine kleine Aussicht auf Erfolg haben zu können, wird absichtlich verschluckt. Denn wie soll denn sonst Gehör verschafft werden, wenn nicht störend und damit Nachteile erzeugend? Welch kruder Witz soll denn eine Streikform sein, die keine Unannehmlichkeiten für die Bestreikten mit sich bringt? So gesehen ist die derzeitige Form des Arbeitskampfes, wie sie hier, wie sie allerorten hierzulande praktiziert wird, noch viel zu brav, viel zu untertänig. Es dürfte schon ein Mehr an Unannehmlichkeiten entstehen, damit begriffen wird, mit wem man es zu tun hat.

Nein, man ist ja liberal und demokratisch, man will doch keinem das Recht auf Demonstration verbieten, aber doch nicht auf Kosten der Leistungsträger. Vielleicht meint die werktätige elterliche Gegeninitiative ja auch: Sucht einen anderen Weg, bestreikt doch die Kindertagesstätten und Kindergärten solcher Leute, die nichts leisten, dafür aber uns Leistungsträgern ordentlich auf der Tasche liegen. Arbeitslose können auf ihre Plagen ja auch selbst aufpassen, bestreikt doch das Gesindel, dann auch auf Kosten ihrer Kinder unserethalben, gerne tagelang, auch wochenlang, für immer, wenn es so sein soll. Sucht euch die richtigen Opfer eures Streiks, aber uns laßt in Ruh'...

21 Kommentare:

landbewohner 23. Juni 2009 um 18:37  

bravo - stimmt haargenau - so sind sie. leider ist aber zu befürchten, daß die verdi spitze mit hinweis auf die armen betroffenen den streik beenden, bzw. einen für die beschäftigten hundsmiserablen abschluss tätigen wird.
und nebenbei bemerkt: wo ist das problem für die karrieremutti oder den -vati; für ihr gehalt können sie locker ne private kinderpflegerin einstellen, ihre freude am job und karriere könen sie ja auch mit 0 € Gewinn ausleben.

pillo 23. Juni 2009 um 19:09  

Wie immer ein grossartiger Beitrag!

Dieses Muster "wie koennen die nur" war ja schon bei den Streiks der Lokfuehrer und der Muellentsorger zu beobachten. Das ganze ist Teil einer Kampagne, die den Streik als solches verunglimpfen und als unangemessene Aktion (nicht Reaktion!!) der Ausgebeuteten - aeh Mitarbeiter - darstellen will.

Koennen Sie sich noch daran erinnern, welch Zeter und Mordio wegen des Streiks der Lokfuehrer geschrien wurde? Man schmiss mit Horrorzahlen, ob des angeblichen volkswirtschaftlichen Schadens um sich und diffamierte so die Streikenden als verantwortungs- und gewissenslose Schaedlinge am deutschen Volks(wirtschafts)koerper.

Da das volkswirtschaftliche "Argument" in der momentanen Situation eher laecherlich, ja geradezu entlarvend, wirken wuerde, versucht man das Ganze auf die persoenliche Ebene der "armen", betroffenen Eltern herunterzubrechen.

potemkin 23. Juni 2009 um 19:52  

Da juckt es doch in den Fingern, ein Wort zur deutschen Streikkultur zu verlieren: Das Wort war nie sonderlich beliebt, schließlich war der Vorgang 1000 Jahre lang verboten und hatte danach stets einen kommunistischen Beigeschmack. Schon in den frühen Jahren der Republik witzelte man gern über Italiener und Franzosen, die lieber streiken statt arbeiten. Überhaupt das preußisch-protestantische Arbeitsethos! Es hat sich über zwei Weltkriege gerettet und wird selbst in der schlimmsten Wirtschaftskrise hochgehalten. Die Gewerkschaften? - Die wurden schon früh in die 'Sozialparnerschaft' eingebunden und Funktionäre korrumpiert. Der erste Bankenskandal betraf seinerzeit die gewerkschaftseigene 'Bank für Gemeinwirtschaft', dann folgte der Skandal 'Neue Heimat', falls sich jemand noch daran erinnert. Spätestens ab da war klar, was aus der deutschen Gewerkschaftsbewegung geworden ist. Streik? Das kostet nur Streikgelder, die in Anlagefonds viel besser aufgehoben sind. Und wenn doch mal gestreikt wird, dann so, dass es möglichst keiner merkt. Der Gipfel der Renitenz besteht im Verteilen von Trillerpfeifen. Wenn es jetzt dennoch 'Arbeitskämpfe' gibt, dann liegt das nur am massiven Mitgliederschwund. Irgendwann werden nämlich sonst die gutbezahlten Funktionäre mangels Masse überflüssig, verlieren ihre Existenzberechtigung, wenn der Apparat nicht mehr bezahlt werden kann. Zu spontanen Streiks, zur Gründung kleiner, unabhängiger Gewerkschaften wird es in diesem Land nicht kommen, wohl aber zur Bildung elitärer, durchsetzungsfähiger Interssenvertretungen wie die der Lokführer und Piloten.

epikur 23. Juni 2009 um 20:37  

In Wahrheit sind sie eben NICHT auf der Seite der Erzieherinnen, sondern immer nur auf einer Seite: der eigenen! Bürgerlich-biedermaierisches-Egoistentum ist das und nichts anderes. Einfach nur widerlich!

Allein das Wort "bestreiken", was die Journaille gerne benutzt, soll schon Angst machen. Die Streikenden bestreiken, ja belagern quasi den Betrieb. Und ein Belagerer ist ein Barbar, ein Eroberer. Und mit so einem hat man keine Sympathie zu haben. Der stört nur den geregelten Tagesablauf.

Ira 23. Juni 2009 um 20:50  

Vielen Dank!
Diese Gedanken spukten schon lange in mir, aber leider schaffe ich es nicht, sie zu schöner Sprache auszuformulieren.

Daher nochmals meinen Dank für diesen verdammt guten Artikel.

Robert Reich 23. Juni 2009 um 21:09  

"Bahnstreik - ja, Verständniss für Lokführer könnte man haben, aber die Fahrgäste, die müssen leiden. Was gehen uns die niedrigen Löhne der Lokführer an, die sollen doch froh sein, dass sie Arbeit haben.
Streik beim Klinikpersonal - mein Gott die Krankenschwestern! Sollen doch froh sein, dass sie Arbeit haben.
Und jetzt noch Kita-Erzieherinnen, haben die denn kein Mitleid mit uns Arbeitenden, Leistungsträgern! Nur wieder niedere Gelüste nach mehr Geld befrieidigen wollen?
Streik gegen Hartz4 - Symphatisieren mit den Hartz-lern? Die wollen bloß nicht arbeiten, wir haben ja noch Arbeit, streiken wäre fatal. Was für ein Glück, daß wir so herrliche Opportunisten sind. Was geht uns deren Elend an."
Blos keine Solidarität! Pfui!

Grüße von Robert

Lada 23. Juni 2009 um 21:21  

Toller Artikel Roberto,

Allerdings eine Frage: Kann man die von dir vorgenommen Einteilung in arme Streikende auf der einen Seite, arbeits- und lohngeiles Bürgertum (ich formuliere mit Absicht überspitzt) so beibehalten? Meinst du nicht, dass unter den betroffenen Eltern auch eine ganze Reihe solcher Leute sein werden, die trotz Vollbeschäftigung beider Ehepartner kaum etwas von ihrer Arbeit haben und gar nicht zum "Bürgertum" gezählt werden können?

Mir stellt sich übrigens eine weitere Frage: Haben die Kinder denn keine Oma und keinen Opa, die sich der Kleinen liebend gerne annehmen würde?

G. G. 23. Juni 2009 um 22:20  

Die Mächtigen freuen sich, denn die Masse bzw. das Volk zerfleischt sich selbst. Traurig, aber wahr.

Anonym 24. Juni 2009 um 00:44  

. . . ist diese "Elterninitiative" nicht doch wieder nur eine neoliberale Nebelkerze von irgendeinem Think-Tank ?!
Es wird im Deutschland-Sumpf doch mittlerweile manipuliert bis sich die Balken biegen.
Gründet man eine kleine Initiative gegen irgend ein Umweltschwein oder Militaristen erfährt man doch nicht die kleinste Aufmerksamkeit in der (lokalen) Presse, aber gegen die Umverteilungs-Fans zugunsten der wirklichen Leistungsträger ist doch die Presse-Artillerie bestens in Stellung gebracht.
Vielleicht sollte man mal wieder an Marx erinnern: Proletarier aller Länder (auch aller Branchen - der Kommentator) vereinigt Euch

MfG - Hans

Anonym 24. Juni 2009 um 01:10  

@ lada:

Wer zum Bürgertum gehört und sich eine Kita leisten kann (denn die sind meistens NICHT gänzlich kostenlos), der verdient meist auch ganz gut.

Dazu kommt noch, dass viele Kita-Eltern nicht nur wegen des Geldes in den Beruf zurückgehen, sondern vor allem auch, um am Ball zu bleiben... zukünftige Profite sozusagen.

Tim 24. Juni 2009 um 03:08  

"Mir stellt sich übrigens eine weitere Frage: Haben die Kinder denn keine Oma und keinen Opa, die sich der Kleinen liebend gerne annehmen würde?"

Nein, denn die moderne Leistungsgesellschaft fristet ein vereinzeltes Dasein.

Anonym 24. Juni 2009 um 11:03  

Dazu muss man noch wissen, dass fast jeder Kindergartenplatz mit mehreren hundert Euro _monatlich_ von den Gemeinden subventioniert wird. In den Haushalten der Gemeinden lässt sich nachlesen, dass der einzelne Kindergartenplatz real 400 bis 600 Euro im Monat kostet - trotz Ausbeutung der Erzieherinnen.

Hier sind alle Schmarotzer, wenn man so will - oder Nutznießer einer Aufgabenteilung in einer solidarischen Gesellschaft.

Auch das ist dann wieder eine Ausformung der zunehmenden Entstaatlichung und Entsolidarisierung - und das (Bildungs-)Bürgertum hat noch nicht begriffen, dass es alleine überhaupt nicht existieren kann und unterstützt deshalb diese Entwicklung.

Wir werden Zustände wie '32/'33 brauchen, bis Viele verstehen, wer _nicht_ für die Interessen Vieler einstand. Die spannende Erkenntnis wird dann sein, wem das Wahlbürgertum dann seine Zukunft anvertraut. Davor hab' ich Angst.

Anonym 24. Juni 2009 um 11:20  

@Lada & Tim

Das Problem bei Oma und Opa ist, dass bei 40-50 Jährigen Eltern, die Großeltern schon zu alt sind, um ohne Herzinfarkt die lieben Kleinen zu betreuen.

Und bei Jungen Eltern wie bei meiner Frau und mir ist es so, dass Oma und Opa selbst noch arbeiten.

Ich gehöre aber trotz dieses Problems nicht zu denen die etwas gegen diesen Streik haben, aber ich gehöre auch nicht zu denen die Wirklich davon betroffen sind, da meine Kinder in einen Kinderladen (durch Eltern organisierte KiTa) gehen und die Erzieherinnen gut entlohnt werden und auch nur 6 Kinder auf eine Erzieherin kommen, wenn mal alle Kinder da sind.

Dafür muss man natürlich auch einige Dinge in Kauf nehmen:
- es kostet etwas mehr (das sollten einem aber die Kinder wert sein)
- Instandhaltungsarbeiten müssen die Eltern organisieren/selbst ausführen.
- Kochen müssen die Eltern selbst (einmal im Monat ist aber verkraftbar)
- Wenn eine Erzieherin krank ist, muss auch mal ein Elternteil einspringen.

Wenn Eltern die diese Dinge nicht machen wollen, aber auch keine streikenden Erzieher/innen haben wollen, dann sollen sie gefälligst dafür sorgen, dass es mehr Erzieher/innen und bessere Bezahlung gibt.

Your_Ugly_Mom 24. Juni 2009 um 13:28  

Das von Dir beschrieben Phänomen ist leider kein bürgerliches Phänomen, auch wenn dieses natürlich ein besonders bigottes Stück der Solidaritäts-Kultur darstellt.
Es ist vielmehr ein Gesamtgesell-schaftliches. Jeder ist solidarisch, solange die negativen Auswirkungen von Streiks nicht ihn persönlich betreffen...


YUM

Andreas 24. Juni 2009 um 15:04  

Mal abgesehen von den "armen" Gören doppelverdienender Eltern hat die Frage des Streikrechts längst größere Dimensionen angenommen. So meint der EuGH in einem Urteil vom 18. Dez. 2007, das (in Deutschland durch das GG geschützte) Streikrecht sei grundsätzlich gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit abzuwägen. D.h., Recht auf Streik ja, aber nur wenn dadurch der freie Dienstleistungsverkehr nicht behindert wird.

Siehe hier:

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62005J0341:DE:HTML

Und ein Artikel dazu in der taz:

http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/sogar-das-streikrecht-in-gefahr/

persiana 24. Juni 2009 um 20:55  

Ich habe ja auch mal Kinderpflegerin gelernt. Leider hatte ich mich vorher nicht erkundigt, wieviel man verdient, wenn man fertig ist.

Es ist ja nun schon etliche Jahre her, aber auch damals waren 800,- DM! BRUTTO!!! alles andere als ein Lohn, von dem man hätte leben können. Ich habe mich daher schnell entfernt von der sozialen "Karriere", denn nachdem ich erfahren hatte, dass man, um Erzieherin zu werden jahrelang unentgeltlich!! Vollzeit arbeiten muss, habe ich das einfach nicht eingesehen, auf die Kinder anderer Leute aufzupassen, die richtiges Geld verdienen, während ich selbst mir noch nicht mal ein anständiges Zimmer hätte mieten können. Als ungelernte Verkäuferin habe ich brutto damals fast das Doppelte verdient, und auch das hat noch nicht für ein anständiges Leben gereicht.

Eigentlich sollte für so wenig Geld am Besten überhaupt niemannd arbeiten. Aber mit den Frauen kann mans ja machen...

Manfred 24. Juni 2009 um 21:17  

@lada: Die Frage ist doch vielmehr, ob die Eltern ihre Kinder wirklich haben wollen oder ob sie die Eltern nur bei ihrer Karriere stören. Es besteht heute scheinbar Konsens darüber, dass Mütter so schnell wie möglich nach der Geburt wieder arbeiten wollen sollen und Väter sowieso ohne Pause durcharbeiten, auch wenn das Elterngeld was anderes sagt. Dabei geht die ganze Sozialisation flöten und wir gehen ganzen Problemgenerationen entgegen!

@Roberto: Werner Schmickler stößt übrigens bei den Mitternachtsspitzen vom 20.06.2009 ins selbe Horn! Wunderbar!!!

Lesefuchs 24. Juni 2009 um 22:17  

Herrlich - sowas von auf den Kopf getroffen den Nagel !
Möge (ausser Herr Schäuble) auch Frau Merkel das lesen!!!
Wer das ist Deutschland noch nicht erkannt hat ist selbst Schuld.
Das Volk wird untereinander aufgehetzt um den wahren Schuldigen aussen vor zu halten und den Geist zu vernebeln!
>Arbeitnehmer gegen Arbeitsloser
>Deutscher gegen Ausländer
>Schwuler gegen Hetero
>Wähler gegen Nichtwähler
>Sozialschmarotzer gegen Werteschaffer (!)
und und und
diese Liste ist lang!
Man braucht heute nur noch Schlagzeilen zu lesen und kann sich den Text sparen.
Augen auf - der wahre Täter lebt auf unsere Kosten und hat Angst um seine Macht!!!
Nehmt sie ihm !!!
27. September 2009

Sehr zu empfehlen (auch dieses Thema wird behandelt):
Buchtitel:
"Die verblödete Republik: Wie uns Medien, Wirtschaft und Politik für dumm verkaufen" bei AMAZON für 8,95 zu bekommen!!!
Hier wird die Verblödung des Volkes komprimiert und nachvollziehbar aufgezählt!!!

Michel 25. Juni 2009 um 03:37  

Divide et impera!

Teile und herrsche.

Wenn nicht mal mehr das wenigstens irgendwo noch einflussreiche Bürgertum bzw. Familien mit Kindern, die sich ja immerhin keine Privatnanny leisten können, für den Sozialstaat einstehen, dann ist das in der Tat erbärmlich.

Diese Leute brauchen Erzieherinnen für ihre Kinder, und zwar gut ausgebildete, nicht durch Stress neurotisierte und psycho-terrorisierte Erzieherinnen.

Ob tatsächlich soviele Eltern den streikenden Erzieherinnen in den Rücken gefallen sind, sei erstmal dahingestellt.

Und wenn sie es nicht getan haben, dann ist das mal wieder ein schönes Beispiel dafür, wie Meinung gemacht wird, wie sich das Volk, angestachelt von der Propaganda, gegenseitig zerfleischt und wie scheißegal "denen da oben" diejenigen "da unten" sind. Klar, wer heute in Kindererziehung investiert, ruiniert die Quartalsgewinne und kein Politiker von heute wird die Erträge guter Kinderbetreuung in 25 Jahren einfahren können, wenn die heutigen Kinder ins Berufsleben einsteigen und anfangen, "Rendite zu bringen".

Die ganze Wirtschaft und Politik und vor allem das Denken der Beteiligten sind einfach zu kurzfristig angelegt, wenn die Strategien wenigstens noch bis zu den nächsten Wahlen / dem Gesamtjahresgewinn gedacht sind, muss man ja direkt schon dankbar sein.

Nicht, dass das in Ländern mit Monarchen, die ja längerfristige Interessen haben, besser laufen würde.

Anonym 25. Juni 2009 um 20:43  

Im Tenor ist der Beitrag in der Tat richtig. Auch mein Sohn geht in eine Kita, allerdings gehen wir beide arbeiten, weil das Geld vorne und hinten sonst nicht langt und wir somit beide arbeiten gehen müssen(!). Und in der Tat scheinen genau die den Streik in Kölner Manier abzulehen, die Beserverdienende sind. Auf der Demo zur Unterstützung der Erzieherinnen waren bezeichnenderweise nur die Eltern, die selber nicht zu den Gutverdienern gehören.

Einer aus dem Rhein-Main-Gebiet

drikkes 29. Juni 2009 um 15:38  

Wenn es nur die von Schmickler (der übrigens Wilfried mit Vornamen heißt, nicht Werner) angesagten "paar Tage" gewesen wären. Aber mit Unterbrechungen von einzelnen Tagen zieht sich der Streik in unserer Kölner KiTa schon über mehr als sieben Wochen. Ich will hier überhaupt nicht das generelle Streikrecht in Frage stellen und sehe auch ein, daß so ein Arbeitsausstand nur etwas bewirken kann, wenn er jemanden trifft. Die durch die Städte während des Streiks unausgezahlten Gehälter (so mager sie sein mögen) können es wohl nicht sein.

Was mir fehlt ist eine klare Linie. Die Erzieherinnen selbst tun so, als wäre ihnen der Streik unangenehm, viele von Ihnen behaupten, eigentlich wollen sie gar nicht streiken, wegen der gegenüber dem Lohn geringeren Ausfallpauschale. In der Hoffnung, das Ganze ginge schnell hat nicht eine einzige klare Ansage gegeben. Wenn man gewußt hätte, auf was für einen Zeitraum man sich einzustellen hat, dann hätte man besser planen können, statt tröpfchentageweise seinen Jahresurlaub dafür zu opfern. Jetzt sieht es in manchen Familien nämlich so aus: Nicht nur das Schulanfänger ein alles andere freudiger Abgang aus dem Kindergarten beschert wird (kein Abschlußausflug, kein Schultütenbasteln), der eigentlich für die Sommerferien geplante Urlaub konnte wegen der Hinhaltetaktik nicht vorgezogen werden und fällt jetzt ganz aus.

Wir haben keine Verwandten in dieser Stadt wohnen, sind jetztlich wegen den Jobs hierher gezogen. UNd trotz zweier Ganztagsstellen sicher kein vermögendes Großbürgertum. Wir können diese verdi-Strategie überhaupt nicht nachvollziehen, weil wir bezweifeln, daß es überhaupt so etwas wie eine Strategie dahinter gibt.

Wenn ich hier in den Kommentaren lese, um die Gehaltshöhe hätte man sich vor Beginn der Ausbildung keine Sorgen gemacht, ja noch nicht einmal informiert, dann falle ich aus allen Wolken. Und daß mit solchen Leuten kein anständiger, aufrechter Streik zu machen ist, kann man sich an einem (Raten Sie mal, welchen?) Finger ausrechnen.

Ich bin stinksauer. Und ich habe ein Recht darauf.

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