De auditu

Donnerstag, 19. Februar 2009

Ein Gespenst geht um in Deutschland, jeder spricht davon, viele entrüsten sich darüber, viele sehen den Untergang des Krämerlandes gekommen, erahnen schon Hammer und Sichel über den Eingangspforten deutscher Banken. Von Enteignung wird gesprochen, vom sogenannten Enteignungsgesetz; nun würde wieder enteignet in diesen Landen, gerade einmal zwanzig Jahre nach Mauerfall. Erst enteignet man Banken, dann womöglich Unternehmen, vielleicht will man sogar Schaeffler, sollte man der derzeitigen Medienkampagne zugunsten des Maschinenbauunternehmens doch noch erliegen, teilenteignen. Welch Frevel an den guten Sitten des freien Marktes!

Enteignen, enteignen, enteignen. Dieses Wort fällt in diesen Tagen oft. Es hat einen kriminellen Beigeschmack, steht im Ruch des Entwendens, Stehlens, Raubens; es klingt nach derbem Habhaftmachen, nach einem Raubzug, nach Aktivität aus der Unterwelt. In der feinen Glanzwelt der westlichen Wirtschaft gelten Verträge. Man entwirft selbige beispielsweise für Konzerne, die mittels dieses Schriftstückes ein ruiniertes Land der Dritten Welt zu nötigen in der Lage sind, Rohstoffe möglichst preiswert ausbeuten zu lassen. Dabei weist man dezent auf mögliche Konsequenzen bei Zuwiderhandlung hin - aber alles geht seinen geordneten Lauf, den Lauf derer, die sich diese Regeln ersonnen haben.

Vor dem Eigentum anderer haben jene, die nun laut vom Untergang der guten Sitten sprechen, wenig oder gar keinen Respekt - man bedenke nur die unbeschreibliche Chuzpe, mit der man Steuergelder, des Steuerzahlers Eigentum, abstauben will, um Fehlinvestitionen glattzubügeln; man denke also nur an Schaeffler und Konsorten. Geht es aber an ihr Eigentum, geht es an das Eigentum derer, die für sie Brüder und Schwestern im Geiste sind, dann spricht man nicht von notwendigen und gerechten Regeln, die ein Sanierung auf Steuerzahlerkosten mit sich bringen, sondern von Enteignung. Selbst Begriffe wie "Verstaatlichung" oder "Vergesellschaftung" werden gemieden, weil sie nicht eindeutig Stellung beziehen, eher gegenteilig, einen Hauch von Legalität durchschimmern lassen. Die "Verstaatlichung" entzieht der Möglichkeit des Staatseinstieges - (lassen wir hier beiseite, dass die Möglichkeiten gering sind, weil erstmal die Aktionäre zustimmen müssen) - den kriminellen Effekt, raubt den Apologeten des immerwährenden Eigentums die Option, den Staatseingriff als Verbrechen zu stilisieren.

Deshalb gilt es nun für die Westerwelles und Hundts, verstärkt von Enteignung und Entwendung zu sprechen, immer wieder darzulegen, dass die Kriminalität die Regierungsgeschäfte übernommen hat, das mögliche Vorgehen "des Staates" als verbrecherische Machenschaft aus Old Chicago zu deklarieren; deshalb werden die Kampagneros der sich entrüstenden Kreise auch weiterhin von "Enteignung" schreiben und sprechen, die "Verstaatlichung" als mögliche Alternative meiden. Jeder soll schließlich wissen, welch unsägliches Verbrechen an denen, die beim Steuerzahler bettelten, begangen wird.

10 Kommentare:

Anonym 19. Februar 2009 um 03:12  

"[...]Deshalb gilt es nun für die Westerwelles und Hundts, verstärkt von Enteignung und Entwendung zu sprechen, immer wieder darzulegen, dass die Kriminalität die Regierungsgeschäfte übernommen hat, das mögliche Vorgehen "des Staates" als verbrecherische Machenschaft aus Old Chicago zu deklarieren; deshalb werden die Kampagneros der sich entrüstenden Kreise auch weiterhin von "Enteignung" schreiben und sprechen, die "Verstaatlichung" als mögliche Alternative meiden. Jeder soll schließlich wissen, welch unsägliches Verbrechen an denen, die beim Steuerzahler bettelten, begangen wird.[...]"

Die Strategie von Hund(t) und Westerwelle könnte aber auch nach hinten losgehen - Kein geringerer als US-Präsident Obama nannte die Finanzkrise als Werk von Kriminellen, d.h. wäre ich bösartig, dann könnte ich getrost unterstellen, dass Merkel, Steinmeier & Co. Kriminelle sind, aber anders als sich Hund(t) und Westerwelle denken, denn dann würden die als Lobbyist und Lobby-Diener (=Westerwelle) mit zu den kriminellen "Eliten" in Deutschland gehören.

In Frankreich würde dies heißen:

"Wir sind das Volk!"

Bei uns leider nicht.....dank deiner vorher beschriebenen Strategie des "Teilen und Herrsche"....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 19. Februar 2009 um 05:39  

Ich bin auch gegen "Enteignung". Man sollte das Pack bankrott gehen lassen, das wäre doch die einzigste Lehre, die weh tut.

Anonym 19. Februar 2009 um 08:05  

Da nur der Staat das Eigentum mit Hilfe von Gesetzen garantiert macht er sich nicht strafbar, wenn er diese Gesetze im Rahmen des Grundgesetzes ändert. Viele glauben es bestehe in dieser unseren Welt so etwas wie ein physikalisches Gesetz oder ein absoluter Anspruch auf Eigentum. Letztendlich garantieren wir alle dafür, dass dieser Anspruch geltend gemacht werden kann. Wenn wir solches Privateigentum nun stützen, warum dürfen wir keinen Einfluss haben.

Bei der HRE kam die Diskussion das erste mal auf. Hätte die Bundesregierung nicht 100Mrd. Euro reingebuttert, müsste sie nicht über eine Verstaatlichung nachdenken. Denn ohne dieses Geld hätte die Firma nicht mal den Wert von ein paar 100Mio. Euro mehr.

Im Endeffekt ist es den meisten Diskutanten ja egal was gemacht wird. Sie wollen nur noch etwas Geld kriegen. Das ist meiner Meinung nach der eigentliche Kern der Diskussion.

Anonym 19. Februar 2009 um 08:14  

Lieber Roberto,

herzlichen Dank für Ihre klaren Worte.
Probleme aufgreifend ohne Schuldzuweisung zur Diskusion stellend, steht jedes Wort an seinem Platz. Und jedesmal, wenn ich einen Artikel von Ihnen lese, höre ich eine kraftvolle Stimme, die mich anspornt meine Art zu diskutieren dahingehend zu verändern. Mich beobachtend neben mich zu stellen um zu sehen; `Wie wirke ich auf mich?` Schon beim ersten Versuch erlebte ich Erstaunliches.

Danke für Ihren Mut die unterschiedlichsten Themen zu erörtern und Ihre liebevolle Art Ihren Mitmenschen die Welt zu erklären. (Jedenfalls empfinde ich es so.)

Liebe Grüße
Margitta Lamers

PS.: Nachdem ich dies zur Veröffentlichung freigegeben habe, fallen mir bestimmt neue, vielleicht bessere Formulierungen ein. Da es mir aber immer so ergeht, beleibt es bei diesem Text. Es wird Menschen geben, die verstehen was ich meine, da bin ich mir ganz sicher.
Denn jeder hat seine eigene Interpretation, bei alem was er hört, sieht oder liest, immer auf der Grundlage seines Entwicklungsstandes.

Anonym 19. Februar 2009 um 10:35  

Der Kabarettist Volker Pispers zur "Enteigung" der HRE:

http://www.wdr.de/radio/wdr2/westzeit/detail.phtml?id=493439

Übrigens, bei "Neues aus der Anstalt" mit Georg Schramm gab es auch lustige Kommentare dazu....

Eine "Enteignung" ist doch sogar grundgesetzlich geregelt in Deutschland, und außerdem jeder Häuslebauer weiß, dass er enteignet werden kann, wenn er sein Häuschen dämlicher Weise auf der geplanten Trasse z.B. einer Autobahn stehen hat.....

Wozu also die Aufregung?

Arbo Moosberg 19. Februar 2009 um 11:31  

Das Deprimierende ist, mit welcher Offensichtlichkeit das daher kommt. Geradezu eine Beleidgiung des gesunden Menschenverstandes. Gerade auch im Spiel der Medien. Und irgendwie kommen "sie" damit auch noch durch.

// Arbo

ad sinistram 19. Februar 2009 um 11:34  

Ich könnte auch ganz arrogant feststellen, dass ich es zunehmend als Beleidigung meines Verstandes aufnehme, es geradezu persönlich nehme, wie die Medien versuchen, "mich" zu manipulieren... man sollte es auch persönlich nehmen, denn das ist die Antriebsfeder sich dagegen zu wehren...

Arbo Moosberg 19. Februar 2009 um 12:23  

So in etwa meinte ich das auch. Bisweilen hat's sogar etwas von DDRlight. Allerdings bin ich mir nicht sicher, inwiefern dieses "Wehren", von dem Du schreibst, über die Blogger-Szene hinaus etwas bewirkt. Albrecht von Luckes "Kartell der Krawalljournalisten" von heute (19.02.2008)

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=me&dig=2009%2F02%2F19%2Fa0114&cHash=41879a84fe&type=98

lässt deutliche Zweifel aufkommen, ob das was bringt. In eine ähnlich gefährliche Richtung wies letztens ein Beitrag von ZAPP: Dort ging es darum, dass im Ostseebereich die Regionalteile in den Zeitungen zunehmend ausgedünnt und Redaktionen "zusammengelegt" werden. Die Ähnlichkeit der "drei" großen - dort traditionellen - Tageszeitungen scheint nicht rein zufällig zu sein.

Insofern war auch mein Hinweis auf die "Medien" zu verstehen. Die brauchen doch oft nicht mehr zu "manipulieren". Eigentlich ist es schon ziemlich dreist, wie wenig Mühe sie sich geben, die offensichtlichen Widersprüche nicht zu thematisieren, sondern sie zu ignorieren.

Was Du - Roberto - oben schriebst, dass vor allem wir über die gewährten Steuergeschenke "enteignet" werden, ist doch offensichtlich.

In dem Zusammenhang mag der Begriff "Volkseigentum" vielleicht schwer im Magen liegen, aber ich denke, in der derzeitigen Situation beschreibt er ziemlich genau das, worauf es unsere "Eliten" derzeit abgesehen haben. Konzentrierte Privatisierung von Volkseigentum. Mit anderen Worten: Umverteilung.

Wie gesagt, das ist so offensichtlich, dass es mich wundert, wie wenig Widerstand sich regt.

// Arbo

Anonym 20. Februar 2009 um 11:32  

In der Medienanalyse habe ich etwas sehr interessantes beobachtet:

Zunächst sprachen noch alle bürgerlichen Medien von "Verstaatlichung", doch dann fingen vor allem die wirtschaftsnahen Zeitungen, wie Handelsblatt, die Welt oder die Financial Times an, von "Enteignung" zu sprechen. Nun sprechen alle davon.

Es ist ähnlich wie bei dem Begriff der notleidenden Banken: die Tatsachen werden verdreht. Schließlich werden nicht die Banken/Unternehmen enteignet, sondern das Volk.

Die Kürzungspolitik (euphemistisch: "Haushaltskonsolidierung") der nächsten und übernächsten Bundesregierung wird seinesgleichen suchen. Schließlich muss man die Milliarden Euro verschenkte Kohle an die Banken ja wieder eintreiben.

Anonym 20. Februar 2009 um 23:39  

Arbo Moosberg 19. Februar 2009 12:23

"...in der derzeitigen Situation beschreibt er ziemlich genau das, worauf es unsere "Eliten" derzeit abgesehen haben. Konzentrierte Privatisierung von Volkseigentum. Mit anderen Worten: Umverteilung. ... , dass es mich wundert, wie wenig Widerstand sich regt."

Ketzerische Gedanken in der Nacht. Der Versuch einer Antwort:

Warum rührt sich kein Widerstand? Warum ist es so still? Vielleicht, um auch einen weiteren Gedanken aufzugreifen, der hier schon angesprochen wurde: weil uns die Sprache und die Rituale für Widerstand eingerostet sind, weil man sie uns abspricht und als widernatürlich verurteilt werden. Und wenn sich doch Menschen einfinden, dann wird ihnen der Verstand abgesprochen oder die Demonstrationen im schlimmsten Fall verschwiegen, im besten kriminalisiert. Doch wie würde eine Auflösung aussehen? Und wann könnte es zu offenem Widerstand kommen?

Das Eigentum eines anderen wird durch alle garantiert... Was passiert an dem Tag, wo die Garantie von den Habenichtsen nach der Zeit der Ruhe und geduldeten Enteignung durch die Gierigen aufgekündigt wird?

Dann spielt es keine Rolle mehr, wer welches Eigentum noch hatte und ob er es in der "Finanzkrise" hatte retten oder gar mehren können. Letztlich spielt die Frage nach dem Widerstand nur unter dem Aspekt eine Rolle, wenn man wissen will, wie hart die Reaktion ausfällt. Je länger scheinbar die Geduld von den in mehrfacher Hinsicht Geprellten in diesem Land aufgebracht wird, um so härter die ist die Gegenreaktion auf das Unrecht. Seit Generationen sind die Menschen in diesem Land stumm gemacht und zur Konformität angehalten worden. Aus welchem Grund sollten sie nun auf einmal in der Lage sein laut und deutlich ihren Unmut zu äußern? Lieber steht jeder erst einmal da, grummelt und kneift die Augen zusammen in dem Unglauben, dass nicht wahr sein kann, was er da sieht.

Unsere Damen und Herren aus Politik und Wirtschaft missverstehen die Ruhe jedoch nur offiziell. Sie sind sehr wohl alarmiert. Zumindest in gewissen Kreisen. Schließlich hat es ja wohl auch seine Gründe, warum die Bundeswehr vermehrt Inlandseinsätze übt und auch in der Praxis recht aktiv ist.

Mein Kommentar damals zu den ersten Ausschreitungen in Frankreich war: "Nimm ihnen ihre Sprache. Nimm ihnen die Fähigkeit ihre Gefühle, das ihnen angetanen Unrecht in Worte zu kleiden und sprich ihnen das Recht auf ein menschenwürdiges Leben ab. Verurteile sie zur bloßen Existenz. Wenn sie dann sich erheben, erkläre sie zu Kriminelle, Terroristen, Aufständige, dummes Volk! Du kannst sie dann straflos und gerechtfertigt niedermetzeln, einsperren, das Recht als Mensch absprechen."

Sollten diese Szenarien in Deutschland stattfinden, ist das Fundament der Antidemokratiebewegung von Politik und Wirtschaft erfolgreich getrocknet und die neuen Machtverhältnisse (Mauern) können hochgezogen werden. Dann gibt es Demokratie, Freiheit und Menschenrechte nur noch für den Adel (Neudeutsch: Elite). Für den Rest der Menschheit bleibt ein großer Müllhaufen, den sie durchwühlen dürfen bewacht von einer priviligierten Schicht ihrer eigenen Leute, die in ständiger Sorge, diese Privilegien zu verlieren, alles tut, damit sich niemand jemals sich wieder gegen die etablierten Verhältnisse erhebt.

Das hört sich alles sehr weit hergeholt an. Aber diese "Szenarien" sind immer wieder und in der ganze Welt "durchgespielt" worden. Spätestens mit den Hartz IV -Gesetzen ist der Gong für eine neue Zeit angeschlagen worden. Dies war die Kriegserklärung gegen alle die Menschen, die nicht zu den oberen 10.000 gehören, egal ob sie ein bissel Wohlstand haben oder gar nichts. Hierzu passt ein Karikatur ganz gut, die diese Wahrnehmungsstörung mancher bestens wiedergibt: Sagt der eine zum anderen: "Und ich dachte ich gehöre nicht dazu (zu den Verlierern, den Entlassenen, den -rechtlosen- Arbeitnehmern usw.)."
Ein älterer Herr benutzte ein anderes Wort. Er sagte, früher nannten wir diese Leute (Angestellte, Beamte, gutsituiertes Kleinbürgertum usw.) als das Stehkragenproletariat.

Der Widerstand wird erst dann unüberhörbar, wenn die Wut nicht mehr als Einzelwahrnehmung an einem selbst wahrgenommen wird, sondern auch bei seinem Nachbarn, bei seinen Freunden, Bekannten und Verwandten, bei Kollegen. Wenn der Einzelne sieht, dass er richtig sieht, was mit ihm gemacht wird und dass das, was er fühlt, nicht der viel geschimpfte Neid, sondern verletztes Gerechtigkeitsempfinden ist und die gerechtfertigte Wut. Und wenn das passiert, dann steht die Bundeswehr Gewehr bei Fuß.

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