De dicto

Donnerstag, 13. November 2008

"Der Hitler unserer Tage heißt Ahmadinedschad. Irans Präsident ruft zur Vernichtung Israels auf. (...) Statt am 9. November folgenlos toter Juden zu gedenken, müssen wir neue Morde verhindern. Nicht nur an Juden. Auch an Christen im Sudan. Dort erschlugen Islamisten zwei Millionen Menschen."
- BILD-Zeitung, Rafael Seligmann am 11. November 2008 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Bereits 2005, als der "Hitler unserer Tage" gesagt haben soll, dass "Israel von der Landkarte zu tilgen" sei, wurden Stimmen laut, die davon sprachen, dass das Zitat falsch übersetzt und außerdem ausgeschmückt worden sei. Derlei Verfälschungen sind nichts Neues, werden unliebsamen Zeitgenossen der Weltpolitik immer wieder in den Mund gelegt. Aber mit dieser Lüge die zweifelhafte, nie verifizierte Behauptung - eher widerlegte Behauptung! -, dass der Iran Atomwaffen entwickele, zu untermauern, ist schlichte Verantwortungslosigkeit und grenzt an Kriegstreiberei. Es scheint fast so, als wolle man im Hause Springer Stimmung erzeugen für das, was unter einem Präsidenten Obama Wirklichkeit werden könnte.

Wie konstruiert dieser seltsame Kommentar ist, der einerseits damit titelt, dass neue Morde verhindert werden sollen, aber im gleichen Atemzug zwischen den Zeilen ein Morden zum Unterbinden des Mordens fordert, läßt sich in der Folge erkennen. Gekonnt wird unterschlagen, dass von den zwei Millionen Menschen, die im Sudan erschlagen wurden - nicht nur erschlagen, sondern auf allerlei bestialische Art und Weisen ermordet wurden -, die Mehrzahl moslemischen Glaubens waren. Dass es sich bei den Mördern also nicht um fundamentalistische Moslems, sondern einfach um radikale, total außer Kontrolle geratene Mörder handelt - unabhängig von ihrer Religion. Und es ist geradezu grotesk, dass man hier herauskehren möchte, dass es der Islam ist, der mordet und brandschatzt, dass es also "der Moslem" ist, der sich wie ein Tier benimmt, während gleichzeitig die BILD-Zeitung Michel Friedman Raum einräumt, sich in Jammereien zu ergießen, weil die FAZ ihn als Juden bezeichnet hat, und während Müller-Vogg zu dieser Sache auch seinen Senf dazugeben darf.

Was habe sein Jüdischsein mit seiner Arbeit als Journalist zu tun, fragt er. Gute Frage, folgen wir dieser Skepsis einfach, machen wir es ihm gleich: Was hat das Ermorden, Vertreiben, Vergewaltigen mit dem Moslemischsein der Mörder zu tun? Vorallem dann, wenn Moslems Moslems töten? Seligmann spricht aber offen von toten Christen und Juden, vergißt die toten Moslems dabei auch noch, damit seine Kriegstreibereien Hand und Fuß bekommen, vergißt aber dafür nicht, die Religionszugehörigkeit der erwähnten Opfer zu benennen - gleichzeitig mokiert sich dieselbe Zeitung aber darüber, dass die FAZ erwähnte, dass Michel Friedman ein Jude sei, dass man ihn mit dieser Benennung brandmarken wollte, was - so Orginalzitat Friedman - der "subkutane antisemitische Reflex" sei.

Warum es der FAZ wichtig war, Friedmans Jüdischsein herauszuheben, kann hier nicht geklärt werden. Wieso aber die BILD-Zeitung herumfrömmelt, um dann das gleiche Prinzip von der anderen Seite her anzuwenden, kann man mit wenig Phantasie jedoch schon erklären: Es geht um knallharte Interessenspolitik, die einen Einsatz des Westens im Iran für notwendig hält, die dafür jede Lüge und Dreistigkeit in Kauf nimmt, um die öffentlichen Konsens auf Linie zu bringen.

1 Kommentare:

Anonym 13. November 2008 um 10:58  

Das Jüdischsein des Hr. Friedmann hat mit seinem Journalismus nichts zu tun, also genauso wenig wie seine Religion irgend etwas mit seinen Drogen und sonstigen Affären zu tun hatte. Er ist ein Mensch wie viele anderen auch, ob jüdisch, Moslem oder Christ.
Andererseits scheinen mir manchmal solche Lamenti sehr ähnlich denen zu sein, welche manchmal in den USA von Seiten von Minderheiten kommen. Damit soll keine der Ungerechtigkeiten, die diesen Minderheiten angetan wurden und noch werden, in irgendeiner Weise relativiert sein!
Doch nicht jede Analogie zu einer Religionszugehörigkeit muss eine "subkutane" Attake darstellen und schon gar nicht ein "Reflex" sein, zumal dieser Begriff die FAZ wesentlich weiter nach Rechts rückt als es meiner Meinung nach realistisch ist.

Was die Berichterstattung angeht, die ist heute nicht anders als sonst. Vielleicht ein wenig dreister als gestern, vielleicht etwas ungenauer in der Recherche als gestern, vielleicht ein bißchen treiberischer als gestern. Aber auch das sollte möglich sein in einer Demokratie, vor allem in einer wo Begriffe wie "Objektivität" oder "Verantwortung" von zunehmend relativer Bedeutung geworden sind. Und das sind sie wohl, nachdem Springers, Quandts oder Lehmans den demokratischen Rahmen vorleben und definieren können.

MG

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