Terror oder Pudding?

Freitag, 26. September 2008

Als man 1967 elf Terroristen festnahm, gerade noch rechtzeitig, noch bevor sie ihren diabolischen Plan umsetzen konnten, überschlug man sich mit Lob an die Adressen der Behörden, namentlich an die Abteilung I Westberlins, der Politischen Polizei also. Und wieso auch nicht? Schließlich habe man "unter verschwörerischen Umständen zusammengekommene" Terroristen aufgehalten, die "Anschläge gegen das Leben oder die Gesundheit des amerikanischen Vizepräsidenten Hubert Humphrey mittels Bomben" verüben wollten. Zudem unterstellte man den nun Inhaftierten, sie wollten auch mittels Chemikalien gefüllter Plastiktüten und "Tatwerkzeugen wie Steinen" gegen diesen Vertreter der US-Administration vorgehen. Ein eingeschleuster V-Mann des Verfassungsschutzes, so glaubt man heute zu wissen, habe den Terrorplan an die Behörden weitergeleitet. Aber bereits einen Tag später waren die elf Terroristen aus der U-Haft entlassen.

Was war passiert, dass man diese "personifizierten Gefahren für die Öffentlichkeit" wieder laufen ließ? - Schnell wurde offenbar, dass niemals ein Attentat mit Bomben oder Chemikalien geplant war, sondern lediglich mit Pudding, Joghurt und Mehl. Die vermeintlichen Terroristen waren Mitglieder der berühmten Kommune I, die sich mit Spaßaktionen und Inszenierungen in Szene setzte, um politisch von sich reden zu machen - man sehe von Kunzelmanns Orgasmusschwierigkeiten-Phrase ab! -, um der Welt zu zeigen, wie man mit einem Vertreter einer mörderischen Regierungsclique umzugehen habe, die ein fremdes Land mit Bombenteppichen eindeckt und mit Chemikalien verseucht, um deren politische Ideologie gesichert zu wissen. Meinhof wird später in einem konkret-Artikel (Titel: "Napalm und Pudding") schreiben: "Nicht Napalmbomben auf Frauen, Kinder und Greise abzuwerfen ist demnach kriminell, sondern dagegen zu protestieren [...] Es gilt als unfein, mit Pudding und Quark auf Politiker zu zielen, nicht aber, Politiker zu empfangen, die Dörfer ausradieren lassen und Städte bombardieren." - Denn für BILD und andere Leitmedien war von Anfang an klar, dass ein "Attentat auf Humphrey" vereitelt wurde; und selbst als man schon erfahren hatte, dass der vermeintliche Terrorakt nur als eine symbolisch-verspielte Form des Widerstandes, eine Art Entehrung und Entweihung des hohen Amtes des US-Repräsentanten begriffen werden sollte, schrieb Springer immer noch von den "Horror-Kommunarden".

In diesen Tagen liefert man täglich angebliche Terroristen-Kehlen ans öffentliche Messer; präsentiert man uns in regelmäßigen Intervallen fehlgeleitete Subjekte, die aber immer schon vor ihrer Terroraktion ertappt und aus den Verkehr gezogen werden. Nach und nach liefert man Daten und Informationen hinterher, versucht der Öffentlichkeit zu erklären, wie sich die Terrorgemeinde innerhalb dieser Gesellschaft hat behaupten können - wie sie innerhalb dieser Gesellschaft überhaupt geschehen konnte, welche Faktoren dazu führten, bleibt freilich belanglos. Oft sind es fadenscheinige, wirr zusammengeschustert wirkende Geschichten, die man den Bürgern einimpfen will. Zweifelhafte Erklärungs- und Aufklärungsversuche, die mehr Zweifelhaftigkeiten zurücklassen, als ursprünglich grassierten. Wochen später vernimmt man kaum mehr etwas von diesen Teufeln, die man aber gerade noch rechtzeitig in Haft genommen wurden; sie verschwinden scheinbar von der Bildfläche. Obwohl sich normalerweise Medien wie BILD und deren intellektuelle Stiefellecker - Der Spiegel - reinhängen, um eine möglichst langwierige, komplexe, spannende Geschichte zu bieten, bleibt in diesen Fällen das journalistische Engagement auf der Strecke.

Dabei geht es freilich nicht darum, die betroffenen Zeitgenossen, die man als Terroristen in Gewahrsam nahm, reinzuwaschen. Wahrscheinlich handelt es sich ja nicht um brave Ministranten, denen man eine hanebüchene Geschichte nur angedichtet hat. Eher muß vermutet werden, dass es sich um Menschen mit einer gewissen kriminellen Energie handelt, die man beobachtete, aber gewähren ließ, die man vielleicht sogar indirekt unterstützte, um dann eines Tages zuschlagen zu können; um irgendwann einen "dicken Terrorfisch" ins Netz gehen zu lassen. Es drängt sich die Geschichte von Peter Urbach in den Vordergrund: Jener war als agent provocateur des Berliner Landamtes für Verfassungsschutz zugegen, als eine entfesselte Masse zum Axel Springer-Verlag marschierte, um dort gegen das Attentat auf Rudi Dutschke zu demonstrieren und den Verlag daran zu hindern, am Folgetag eine weitere Tagesausgabe ihrer Hetzschrift auszuliefern. Urbach verteilte im Auftrag des Verfassungsschutzes Molotowcocktails, mit dem Ziel, die Situation eskalieren zu lassen, damit ein Präzedenzfall für linken Terror geschaffen würde.

Das Problem innerhalb einer Staatsform, die sich selbst als Demokratie versteht, ist: Repression will legitimiert sein! Während in einer Diktatur die Repression schlicht und ergreifend grundlos beschlossen werden kann, muß sie sich innerhalb einer Demokratie verdient machen, d.h. sie muß begründet werden und in den auftretenden Mißständen manifest sein. Aus dem Nichts kann nicht repressiv umgeschwenkt werden, es bedarf eines Motivs, einer Initialzündung. Der Demokratie ist also nicht an Repressionslosigkeit gelegen, sondern an der legitimierten Ausführung der Repression. Im Angesicht dessen, muß jede fadenscheinige Kampagne, die gegen angebliche Terroristen geführt wird, kritisch betrachtet werden. Zieht man dann noch die jüngere deutsche Geschichte heran, mit ihrer massenmedialen Panikmache gegen (angebliche) Terrorakte, dann können und dürfen die gelieferten Informationen gar nicht als Wahrheit begriffen, sondern müssen direkt angezweifelt werden.

Daher lautet die erste Frage, die ein kritischer Zeitgenosse stellen muß nicht, woher der vermeintliche Terrorist seine Waffen, sein Geld, seine Kontakte bezog, wann er losschlagen wollte und was sein Motiv war, sondern ob er wirklich Terrorist ist oder doch eher Puddingattentäter...

3 Kommentare:

Anonym 26. September 2008 um 15:26  

"[...]Daher lautet die erste Frage, die ein kritischer Zeitgenosse stellen muß nicht, woher der vermeintliche Terrorist seine Waffen, sein Geld, seine Kontakte bezog, wann er losschlagen wollte und was sein Motiv war, sondern ob er wirklich Terrorist ist oder doch eher Puddingattentäter...[...]"

Stimmt, denn es gab mal 12 Jahre - von 1933 - 1945 - in Deutschland wo es von "Terroristen" im Großdeutschen Reich, und seinen eroberten Gebieten, nur so wimmelte, ob die nun die Geschwister Scholl waren, oder der holländische Widerstand bzw. die Partisanen in der ehemaligen Sowjetunion. Bevor jetzt jemand kommt, und sich Vergleiche verbittet, die tue nicht ich sondern ein weltbekannter Regisseur namens Paul Verhoeven, mehr dazu unter http://de.wikipedia.org/wiki/Black_Book_(Film) in seinem letzten Film.

Ich denke, ein bleibender Verdienst dieses Regisseurs ist, dass man Terrorismus immer von der Seite des Betrachters aus sieht, und das der Begriff oft dazu diente um legitimen Widerstand als "Terrorismus" zu diffamieren.

Ich bin sicher für manche Konservative heutzutage ist auch der Freiheitskampf von 1789, uns allen als Französische Revolution bekannt, nichts anderes als der "Terrorismus des Pöbels".

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

PS: Jetzt wird schon klarer warum sich eine gewisse Staatsterroristin im Kanzleramt dagegen sträubt "Terrorismus" näher zu definieren - man müßte sich selbst entlarven!

Anonym 26. September 2008 um 15:55  

Noch was:

Ich bin erklärter Pazifist, und halte z.B. den ehemaligen Weg der RAF in Deutschland für grundverkehrt, auch wenn manche Ziele von denen richtig waren, die Gewalt führt nie dahin - zum erklärten Ziel.

Der größte Terrorist übrigens war, soviel ich weiß, für die Briten in Indien einmal ein gewisser Pazifist mit dem Namen Mahatma Gandhi, der immerhin sein ganzes Land ohne eine Spur von Gewalttätigkeit in die Unabhängigkeit geführt hat...

Was die Nachfolger daraus gemacht haben gehört zu den Tragödien der Geschichte :-(

Leider sind solche Helden, die ganze Länder ohne eine Spur der Gewalt befreien rar gestreut.... :-(

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 26. September 2008 um 18:27  

Etwas spät, aber mir fällt gerade ein:

Gab es nicht - zumindest was die angeblich nächsten Generationen der RAF anging - die Theorie, dass ein Geheimdienst dahinter stecken würde?

Ich erinnere mich da mal was gelesen zu haben, und auch einen Film dazu gesehen zu haben - "Das Phantom" des Regisseurs Dennis Gansel - nach dem Buch "Das RAF-Phantom" von Gerhard Wisnewski verilmt, der den Regisseur damals -ähnlich wie heute Stefan Aust beim "Baader-Meinhof-Komplex" - beraten haben soll. Allerdings eine ganz andere Ausrichtung hat - "verschwörungstheoretisch" - der BND steckte nämlich damals angeblich hinter den Nachfolge-Generationen von Baader-Meinhof-Ensslin & Co, um Sicherheitsgesetze durchzudrücken, die ansonsten nicht durchgegangen wären...wegen massiven Protesten der Öffentlichkeit...

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP