In nuce

Dienstag, 27. Mai 2008

Murat Kurnaz sprach mit US-Abgeordneten über seine Zeit in Guantanamo. Interessant dabei, wie man Schuld verlagern kann. So gibt er Osama Bin Laden die Schuld an seiner Haft. Auch so kann man seinen Peiniger reinwaschen. Und damit das US-Gewissen ruhig schlummern kann, stellen die Abgeordneten schlußendlich fest, dass die Haftbedingungen in Guantanamo völlig "unamerikanisch" seien. Dann ist ja alles gut! Aber verwundert es nicht, dass die USA seit Jahrzehnten so eine vollkommen "unamerikanische" Politik betreiben? Man möchte doch annehmen, dass Angriffskriege, geheimdienstliche Interventionen und Konzentrationslager nicht zum US-amerikanischen "way of politics" gehören. Unamerikanisch: Schon alleine an dieser Bezeichnung läßt sich ermessen, welcher Größenwahn dahintersteckt. Als wären die USA Amerika oder Amerika die USA; wobei die Monroe-Doktrin in diese Richtung zielt. Gleichwohl könnte Fidel Castro, als Kubaner und damit Bürger Amerikas behaupten, dass nur der Cubano-Sozialismus typisch amerikanisch ist, oder man könnte die These aufstellen, dass der kolumbianische Drogenhandel den gesamten Kontinent ausmache. Wenn aber eine US-Administration so "unamerikanisch" agiert, sollte man sich fragen, ob die Protagonisten überhaupt Amerikaner - US-Amerikaner wohlgemerkt - sind. (Freilich würden viele behaupten, dass ein Texaner eher Mexikaner als US-Bürger ist.) Aber das Prinzip ist uns doch bekannt. Nachher war auch alles so völlig "undeutsch" und Hitler war Österreicher...

Wenn man glaubt, dass die BILD-Zeitung die Grenzen aller Widerlichkeit überschritten hat, taucht sie plötzlich mit einer Widerwärtigkeit auf, die alles Vorherige in den Schatten stellt. Nachdem man sich beim sogenannten LIDL-Skandal - der ein Skandal aller Discounter zu sein scheint - in Stillschweigen hüllte, fungiert man einmal mehr als Werbeträger. Schließlich ist bald Europameisterschaft und man darf davon ausgehen, dass die BILD wieder kräftig und großformatig für billige Chips und noch billigeres Bier aus LIDL-Regalen wirbt. Da heißt es in der wortgewandten Hofberichterstattung unter anderem: "Um faire Produktionsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu sichern, ist Lidl als eines der ersten Handelsunternehmen dem Europäischen Programm für Sozialstandards beigetreten – eine echte Vorreiterrolle." Und überhaupt sei LIDL "auf einem guten Weg" und "bereit für die Zukunft" - was immer das genau bedeuten soll. Es wird einem geradezu übel, wenn man nachliest, wie sich die BILD anbiedert, um den guten Freund zu stärken. Die Reinwaschung wird sich lohnen, denn spätestens wenn es dann Salzstangen und Deutschlandfahnen für ein Taschengeld gibt, ist die kritische Haltung der Kundschaft Geschichte.

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